Gerichtsstand ausländischer Gesellschaft im Inland
BGH: Gerichtsstand ausländischer Gesellschaft im Inland
Die Berufung eines Unternehmens, welches durch eine Briefkastenfirma im Ausland eine Limited Company ist, vor dem Landgericht (kurz: LG) Düsseldorf wurde von LG zurückgewiesen mit der Begründung die Berufung müsse vor dem OLG eingelegt werden.
Die gesamte geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens findet in Deutschland statt. Das Unternehmen verfügt auch über einen Gerichtsstand in Deutschland.
Das Unternehmen legt vor dem Bundesgerichtshof (kurz: BGH) Beschwerde gegen die Zurückweisung der Berufung ein. Der BGH gab dem Unternehmen recht und hob den Beschluss des LG Düsseldorf auf und gab den Fall zurück an das Berufungsgericht.
BGH | XII ZB 114/06 (Aktenzeichen) |
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BGH: | BGH, Urt. vom 27.06.2007 |
Rechtsweg: | BGH, Urt. v. 27.06.2007, Az: XII ZB 114/06 |
LG Düsseldorf, Urt. v. 23.05.2006, Az: 23 S 37/06 | |
AG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.2006, Az: 36 C 10916/05 | |
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Leitsätze:
2. Verfügt eine Gesellschaft über einen Gerichtsstand im Inland so ist 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht anwendbar.
Der Gerichtsstand in einem anderen EU-Mitgliedsland ist irrelevant, wenn ein Gerichtsstand im Inland besteht.
In diesem Fall ist eine Berufung beim Landgericht einzulegen.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger macht gegen die Beklagten Miete für die Überlassung zweier PKW in Düsseldorf, sowie Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung geltend.
Das Amtsgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und das Urteil wurde den Beklagten am 14.01.2006 übermittelt. Am 10.02.2006 legten die Beklagten beim LG Düsseldorf Berufung ein. Das LG Düsseldorf verwies auf 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG und verkündete es sei nicht zuständig für die Berufung, da die Beklagte 1 ihren Gerichtsstand nicht im Geltungsbereich des GVG habe. Die Zuständigkeit für die Beklagten 2 und 3 war in diesem Fall nicht relevant. Da es ausreichend ist, dass Beklagte 1 ihren Rechtsstand im Ausland hat.
Die Beklagte 1 widersprach und wies daraufhin, dass es sich beim Sitz in Birmingham lediglich um eine Briefkastenfirma handle und sämtliche Geschäfte über die im Handelsregister Düsseldorf eingetragene Zweigstelle geführt werden.
Das LG Düsseldorf jedoch verwarf die Klage als unzulässig. Die Beklagten legten Beschwerde vor dem BGH ein und dieser gab ihnen recht. Es handelt sich bei der Zweigstelle nicht um eine Tochterfirma sondern um die Hauptverwaltung.
Nach Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO hat eine Gesellschaft dort ihren Gerichtsstand wo sich ihre Hauptverwaltung befindet. Für die Beklagte 1 befindet sich somit der allgemeine Gerichtsstand in Deutschland. Somit befindet sich die Beklagte 1 im Bereich des 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG.
Der BGH hob den Beschluss des LG Düsseldorf vom 23.05.2006 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.
Tenor
4. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 2.200 €
Gründe
I.
5. Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1, eine Limited Company mit satzungsmäßigem Sitz in Birmingham (Vereinigtes Königreich), Miete für die in Düsseldorf erfolgte Überlassung zweier Pkw und gegen die für die Beklagte zu 1 handelnden Beklagten zu 2 und 3, wohnhaft in Deutschland, Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung geltend.
6. Das am 10. Januar 2006 verkündete Urteil, mit dem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat, wurde den Beklagten am 14. Januar 2006 zugestellt. Hiergegen haben die Beklagten am 10. Februar 2006 beim Landgericht Berufung eingelegt. Am 10. Mai 2006 wies das Landgericht die Beklagten darauf hin, dass es gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG für die Berufung nicht zuständig sei. Demgegenüber machten die Beklagten geltend, dass die Beklagte zu 1 – wie von der Klägerin bereits in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen – eine Limited, also eine Gesellschaft englischen Rechts, in Birmingham lediglich einen Briefkastensitz unterhalte, dort aber keine Geschäfte betreibe, diese vielmehr ausschließlich und unmittelbar in Deutschland über die im Handelsregister Düsseldorf eingetragene Zweigniederlassung führe.
7. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht sei gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG sachlich zuständig, da die Beklagte zu 1 im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Geltungsbereiches des GVG gehabt habe. Dass dies auf die Beklagten zu 2 und 3 nicht zutreffe, sei unerheblich, da bei Streitgenossenschaften die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts schon dann insgesamt gegeben sei, wenn auch nur einer der Streitgenossen keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland habe. Die Beklagte zu 1 sei eine nach englischem Recht errichtete Limited. Dies allein zeige bereits, dass sie ihren Sitz und mithin gemäß § 17 Abs. 1 ZPO ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands habe. Anhaltspunkte dafür, es handle sich bei der Zweigniederlassung in Deutschland um eine selbständige Tochtergesellschaft in Form einer deutschen juristischen Person, bestünden nicht.
8. Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Sie machen geltend, die Beklagte zu 1 habe lediglich einen Briefkastensitz im Ausland, betreibe ihre gesamte Geschäftstätigkeit aber ausschließlich von Deutschland aus. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG müsse deshalb teleologisch dahin einschränkend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auf solche Unternehmen keine Anwendung finde. Die Tätigkeit der Beklagten zu 2 und 3 weise keinen Auslandsbezug auf. Der Streitfall müsse von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 155, 46 abgegrenzt werden, wonach die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch dann gegeben ist, wenn nur einer der Streitgenossen bei Klageerhebung seinen Wohnsitz im Ausland hatte. Nach Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG könne der Briefkastensitz einer Partei nämlich keine Sonderzuständigkeit für die übrigen Streitgenossen begründen. Im Rahmen des § 17 ZPO werde für die Frage des Gerichtsstandes bei einer sogenannten Briefkastenfirma nicht auf den Briefkastensitz, sondern auf den tatsächlichen Ort der Geschäftstätigkeit abgestellt. Das müsse auch für die Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG gelten.
II.
9. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Rechtssache wegen der weitgehend ungelösten Anwendungsprobleme des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat.
10. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht Düsseldorf ist gemäß § 72 GVG funktionell zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten zuständig.
11. a) Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten das Oberlandesgericht funktionell zuständig wäre, wenn die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG vorliegen sollten. Dies ist jedoch entgegen der Meinung des Landgerichts nicht der Fall. Nach der genannten Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Dies trifft auch auf die Beklagte zu 1 entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
12. Richtig ist allerdings dessen Auffassung insofern, als die Beklagte zu 1, weil sie ihren satzungsmäßigen Sitz in Birmingham hat, bei Klageerhebung (auch) einen allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands hatte. Dieser ergibt sich jedoch nicht, wie das Landgericht meint, aus § 17 Abs. 1 ZPO. Vielmehr ist in Bezug auf die Beklagte zu 1, die ihren satzungsmäßigen Sitz im Vereinigten Königreich hat und gegen die im Inland geklagt wird, der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) eröffnet. Danach hat die Beklagte zu 1 gemäß Artt. 2, 59, 60 EuGVVO einen allgemeinen Gerichtsstand im Vereinigten Königreich, weil sie dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat. Denn nach Art. 60 Abs. 1 EuGVVO haben Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz im Sinne von Artt. 2, 59 EuGVVO „an dem Ort, an dem sich a) ihr satzungsmäßiger Sitz, b) ihre Hauptverwaltung oder c) ihre Hauptniederlassung befindet.“ Nach Art. 2 EuGVVO haben sie einen allgemeinen Gerichtsstand jeweils in dem Mitgliedsstaat, in dem sich ihr Wohnsitz befindet.
13. Zwar wird z.T. die Meinung vertreten, wegen der Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Wohnsitzes einer Partei nach Art. 59 Abs. 2 EuGVVO beurteile sich das Vorliegen eines allgemeinen Gerichtsstands im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG allein nach deutschem Recht, was gemeinschaftsrechtlich zulässig sei (vgl. Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 119 GVG Rdn. 14). Nach der Gegenansicht ist hingegen auch die EuGVVO zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 155, 46, 49; BayObLG MDR 2005, 1243; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 119 GVG Rdn. 8 a; Kissel/Mayer GVG 4. Aufl. § 119 Rdn. 27 b). Der Senat folgt der zuletzt genannten Ansicht. Zwar mag es richtig sein, dass das Gemeinschaftsrecht einer von Artt. 2, 59, 60 EuGVVO unabhängigen Auslegung des Begriffs „allgemeiner Gerichtsstand“ in § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht entgegenstünde. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit der Berufungsgerichte die Anwendung der EuGVVO, die zwar kein deutsches Recht ist, aber in Deutschland unmittelbar gilt (vgl. Art. 249 Abs. 2 EG), ausschließen und somit dem Begriff „allgemeiner Gerichtsstand“ § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG eine andere Bedeutung als im internationalen Zivilprozessrecht geben wollte. Hinzu kommt, dass es unpraktikabel und verwirrend wäre, den Begriff jeweils unterschiedlich auszulegen. Denn es müssten dann die Parteien und das Berufungsgericht für die internationale Zuständigkeit regelmäßig das Vorliegen eines allgemeinen Gerichtsstands nach der EuGVVO und für die funktionelle Zuständigkeit zusätzlich – und nach anderen Kriterien – die Voraussetzungen eines allgemeinen Gerichtsstands im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG prüfen (vgl. v. Hein ZZP 116 (2003), 335, 349 ff.).
14. b) Im Gegensatz zur Meinung der Rechtsbeschwerde hat die Beklagte zu 1 nicht deswegen ihren allgemeinen Gerichtsstand nach § 17 ZPO in Deutschland, weil es sich bei ihr um eine sog. Briefkastenfirma handelt, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hier hat. Zwar wurde in der Rechtsprechung ursprünglich die Meinung vertreten, dass eine ausländische rechtsfähige Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aus einem anderen Mitgliedstaat der EG nach Deutschland verlegt, hier nicht als ausländische juristische Person anzuerkennen, sondern als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln sei (vgl. BGHZ 151, 204). Auf eine solche Gesellschaft deutschen Rechts wäre zwar § 17 ZPO anwendbar gewesen (vgl. Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 17 Rdn. 10, 11). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon auszugehen, dass die in einem Mitgliedstaat nach dessen Vorschriften gegründete Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat unabhängig vom Ort ihres Verwaltungssitzes in der Rechtsform anzuerkennen ist, in der sie gegründet wurde (BGHZ 154, 185, 189; BGH Urteil vom 14. März 2005 – II ZR 5/03 – NJW 2005, 1648, 1649 m.N.). Dies aber bedeutet, dass die Beklagte zu 1, auch als so genannte Schein-Auslandsgesellschaft, hier als Limited Company englischen Rechts anzuerkennen ist und sich ihr allgemeiner Gerichtsstand nach der EuGVVO bestimmt.
15. c) Nach Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO hatte die Beklagte zu 1, da sich ihre Hauptverwaltung in Düsseldorf befindet, bei Eintritt der Rechtshängigkeit einen allgemeinen Gerichtsstand auch im Inland. Zwar haben die Parteien und die Vorinstanzen dies nicht erkannt. Sie sind vielmehr davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 nach § 21 ZPO in Düsseldorf als dem Gerichtsstand der Niederlassung verklagt werden könne. Dies steht jedoch der Tatsache nicht entgegen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO zwischen den Parteien in erster Instanz unstreitig waren und weiterhin unstreitig sind. Entsprechend Art. 48 Abs. 1 EG, der das Niederlassungsrecht der Gesellschaften in der Gemeinschaft regelt, ist Hauptverwaltung der Ort, an dem die Willensbildung und die eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft erfolgt (vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 60 EuGVVO Rdn. 2). Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der Beklagten zu 1 in Düsseldorf vor. Denn der Kläger hat in erster Instanz unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte ihre Geschäfte ausschließlich und unmittelbar in Deutschland über die im Handelsregister von Düsseldorf eingetragene Zweigniederlassung führe. Daraus ergibt sich, dass die Geschäftsführung nicht von England aus erfolgte, sondern „unmittelbar“ in Deutschland vorgenommen wurde. In Deutschland wurden somit auch die jeweiligen unternehmerischen Entscheidungen getroffen. Damit steht im Einklang, dass die gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 1 nach den unbestrittenen Angaben in der Klageschrift und dem Rubrum des erstinstanzlichen Urteils in Witten ansässig ist. Daraus folgt, dass sich die Hauptverwaltung der Beklagten zu 1 bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Inland befand, so dass die Beklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt – unstreitig – einen allgemeinen Gerichtsstand nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in Deutschland hatte.
16. d) Damit stellt sich die Frage, ob es, wenn eine Partei einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, für die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG ausreicht, dass sie darüber hinaus einen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Dies wird zum Teil mit dem Argument bejaht, dass auch bei einem zusätzlichen allgemeinen Gerichtsstand im Inland die Vermutung bestehe, dass der Rechtsstreit internationalprivatrechtliche Probleme aufweise, weshalb die Vorschrift entsprechend ihrem Zweck, Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Bezug beim Oberlandesgericht zu konzentrieren, anzuwenden sei (vgl. OLG Karlsruhe IPrax 2004, 433; MünchKommZPO/Aktualisierungsband 2. Aufl. Wolf § 119 GVG Rdn. 5; v. Hein ZZP 116 (2003), 335, 350 f.; ders. IPrax 2004, 418).
17. Dem kann jedoch nach Ansicht des Senats nicht gefolgt werden. Vielmehr liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen solchen im Inland hat. Denn in der genannten Vorschrift heißt es, dass das Oberlandesgericht in Streitigkeiten über Ansprüche zuständig ist, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, „die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hatte“. Diese Voraussetzungen aber erfüllt eine Partei nicht, die (auch) in Deutschland einen allgemeinen Gerichtsstand hat (Zöller/Gummer aaO; Kissel/Meyer aaO). Diese am Wortlaut orientierte Auslegung ist vorzuziehen, weil sie eher für Rechtssicherheit sorgt und für die Parteien den Zugang zur Berufungsinstanz klarer regelt und somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (noch) entspricht (vgl. BVerfG 88, 118, 123 ff.; BGH Beschluss vom 28. März 2006 – VIII ZB 100/04 – NJW 2006, 1808; Zöller/Gummer aaO).
18. Auch aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen scheint es geboten, § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG in der Weise auszulegen, dass der Zugang zu dem Berufungsgericht für ausländische Gesellschaften im Vergleich zu inländischen möglichst nicht erschwert wird. Denn die Beklagte zu 1, die ihre durch Artt. 43, 48 EG garantierte Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt ausübt (vgl. EuGH Urteil vom 30. September 2003, C-167/01, Slg. 2003 I-10155 Rdn. 138 – Inspire Art = NJW 2003, 3331, 3334), hat nach Art. 12 EG ein Recht auf Gleichbehandlung (vgl. EuGH Urteil vom 26. September 1996, C-43/95, Slg. 1996, I-4661 Rdn. 12 – Data Delecta = NJW 1996, 3407). Dieses Recht könnte durch eine Zuständigkeitsregelung verletzt werden, die im Gegensatz zur Regelung bei rein innerstaatlichen Fällen nicht klar und eindeutig ist, sodass es für die betroffene ausländische Partei erforderlich erschiene, sicherheitshalber Berufung sowohl beim Land- als auch beim Oberlandesgericht einzulegen, was zwar mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre, aber in der Literatur empfohlen wird (vgl. z.B. Thomas/Putzo/Hüßtege aaO Rdn. 8).
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