Technischer Defekt und drohende Abflugverzögerung
AG Rüsselsheim: Technischer Defekt und drohende Abflugverzögerung
Ein Fluggast forderte von einem Luftfahrtunternehmen Schadensersatz für einen annullierten Flug. Die Beklagte berief sich auf außergewöhnliche Umstände, die das Amtsgerict Rüsselsheim jedoch nicht gegeben sah, weswegen es zugunsten des Fluggastes entschied.
AG Rüsselsheim | 3 C 821/06 (31) (Aktenzeichen) |
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AG Rüsselsheim: | AG Rüsselsheim, Urt. vom 08.11.2006 |
Rechtsweg: | AG Rüsselsheim, Urt. v. 08.11.2006, Az: 3 C 821/06 (31) |
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Leitsatz:
2. Ein technischer Defekt am Flugzeug stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall klagte ein Passagiere gemäß seiner Fluggastrechte gegen ein Luftfahrtunternehmen, weil sein Flug annulliert worden war. Die Airline berief sich zu ihrer Verteidigung auf außergewöhnliche Umstände, die in einem technischen Defekt am Fluggerät bestanden hätten.
Das Amtsgericht Rüsselsheim entschied, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen. Diese müssen nämlich außerhalb des direkten Einflussbereichs des Beschuldigten liegen, was vorliegend nicht gegeben war. Dem Fluggast wurde der Anspruch auf Schadensersatz zugesprochen.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 30.12.2005 zuzüglich 18,85 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten ist gestattet, eine Zwangsvollstreckung gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Forderung abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung gegen diese Entscheidung wird zugelassen.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten um einen Ausgleichsanspruch wegen eines annullierten Fluges.
6. Die Klägerin buchte bei der Beklagten einen Hin- und Rückflug von … nach
7. Der unter der Flugnummer vorgesehene Abflug am 19.11.2005 um 06.35 Uhr wurde zunächst auf 06.55 Uhr verschoben und sodann annulliert.
8. Die Klägerin wurde sodann auf eine … maschine (…) mit Abflugzeit 16.00 Uhr umgebucht und befördert.
9. Die Klägerin begehrte vorprozessual vergeblich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro gemäß Art. 7 Abs. 1 a), 5 Abs. 1 c) iii) der VO (EG) Nr. 261/2004.
10. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29.12.2005 jegliche Zahlung ab und berief sich für die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände, die auch bei Ergreifen aller zumutbarer Maßnahmen nicht hätten vermieden werden können.
11. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der behauptete technische Defekt, nicht als solch ein außergewöhnlicher Umstand angesehen werden könne.
13. die Beklagte zu verurteilen, an sie 250 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 30.12.2005 sowie 22,62 Euro außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
16. Die Beklagte behauptet, die Annullierung habe ihren Grund in einem technischen Defekt gehabt, da die Elektronik der Tür L1 keine korrekte Schließung gemeldet habe (Zeugnis …, zu laden über die Beklagte).
17. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
18. Die Klage ist überwiegend begründet.
19. Die Klägerin hat gegen die Beklagte im zuerkannten Umfang einen Anspruch auf Ausgleichszahlung im zuerkannten Umfang (Art. 7 Abs. 1 a), 5 Abs. 1 c) iii) der VO (EG) Nr. 261/2004).
20. Unstreitig wurde der Flug durch die Beklagte annulliert und ebenso unstreitig ist die Beförderung der Beklagten zum Zielort durch ein anderes Luftfahrtunternehmen rund sieben Stunden später.
21. Gemäß Art. 5 Abs. 1 c) iii) der VO (EG) Nr. 261/2004 kann die Klägerin eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der genannten Verordnung verlangen.
22. Dem steht nicht entgegen die Berufung der Beklagten auf Art. 5 Abs. 3 der Verordnung.
23. Die danach vorliegenden „außergewöhnlichen Umstände“ sind im Sinne der Erwägungsgründe Nr. (14) der vorgenannten Verordnung keine derartigen technischen Defekte am Fluggerät selbst, wie hier gegeben.
24. Die dort beispielhaft aufgezählten Umstände sind alles Umstände, die außerhalb des direkten Einfluß- und Organisationsbereiches des Luftfahrtunternehmens liegen.
25. Damit ist die Beklagte mit einem Entlastungsbeweis nach Art. 5 Abs. 3 ausgeschlossen.
26. Der Klage war hinsichtlich der Hauptforderung stattzugeben.
27. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründet.
28. Die Klägerin kann von der Beklagten als Verzugsschaden (§§ 280 ff BGB) auch die nicht anrechnungsfähige hälftige Geschäftsgebühr wegen der vorprozessualen anwaltlichen Tätigkeit ersetzt verlangen. Die diesbezügliche Anrechnungsvorschrift bezieht sich jedoch nur auf die Geschäftsgebühr selbst, nicht jedoch auf die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Der hälftigen nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr ist daher nur die gesetzliche Umsatzsteuer hinzuzufügen und wegen des weitergehenden Anspruches die Klage abzuweisen. Die Auslagenpauschale kann die Klägerin im Rahmen der Kostenfestsetzung ersetzt verlangen. Insoweit liegt kein Verzugschaden vor. Die Auslagenpauschale fällt auch nur einmal an, da es sich bei der vorprozessualen Tätigkeit und der Tätigkeit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens um ein und dieselbe Angelegenheit handelt. Demgemäß sind bei einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von bis 300 Euro eine Gebühr von 32,50 Euro entstanden. Der hälftige Betrag zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer macht den titulierten Betrag aus. Mit der Mehrforderung war die Klägerin dagegen abzuweisen.
29. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 91 ZPO.
30. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
31. Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO war die Berufung zuzulassen. Es bedarf einer grundsätzlichen Entscheidung darüber, wie das Tatbestandsmerkmal „außergewöhnliche Umstände“ nach der VO (EG) Nr. 261/2004 auszufüllen ist.
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