Flugdurchführendes Luftfahrtunternehmen im Sinn der Fluggastrechteverordnung
LG Bremen: Flugdurchführendes Luftfahrtunternehmen im Sinn der Fluggastrechteverordnung
Die Klägerin buchte bei einen zweiteiligen Flug (Zubringerflug und Anschlussflug). Aufgrund von technischen Problemen bei dem Zubringerflug erreichte die Klägerin ihren Zielflughafen mit einer Verspätung von rund fünf Stunden.
Bei der Durchsetzung des Anspruchs auf eine Ausgleichszahlung wegen der Flugverspätung stellte sich die Frage, welches Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich durchgeführt hat. Die Flugnummer und die Buchungsunterlagen wiesen zwei verschiedene Luftfahrtunternehmen aus.
LG Bremen | 1 S 372/13 (Aktenzeichen) |
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LG Bremen: | LG Bremen, Urt. vom 25.03.2015 |
Rechtsweg: | LG Bremen, Urt. v. 25.03.2015, Az: 1 S 372/13 |
AG Bremen, Urt. v. 22.11.2013, Az: 4 C 564/12 |
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Leitsätze:
2. Nach dem 7. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) 261/2004 ist das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen jenes, welches dem Fluggast gegenüber als solches erkennbar ist.
Indizien hierfür können die Flugnummer des Luftfahrtunternehmens auf den Buchungsunterlagen oder den während der Flugdurchführung ausgehändigten Belegen sein.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin buchte bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, für sich und ihren Ehemann einen Flug von Bremen über Paris nach Lissabon. Die Umsteigezeiten wurden von der Beklagten vorgegeben.
Der erste Flug nach Paris verspätete sich aufgrund von technischen Problemen. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden gegen deren Willen auf einen anderen Flug nach Paris umgebucht. Sie erreichten Lissabon mit einer Verspätung von rund fünf Stunden. Aus diesem Grund fordert die Klägerin eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004.
Die Beklagte weigert sich der Zahlung und erklärt, dass nicht sie den Flug durchgeführt habe, sondern ein Tochterunternehmen. Dem Buchungsbeleg sei auch der Zusatz „operated by regional“ zu entnehmen.
Das erstinstanzliche Amtsgericht in Bremen hat der Klägerin die Ausgleichszahlung zugesprochen. Auch das Landgericht in Bremen hat der Klägerin die Ausgleichszahlung zugesprochen.
Nach Art. 11 Abs. 1 der EG-Verordnung Nr. 2111/2005 hat der Vertragspartner, die Beklagte, den Fluggast über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu unterrichten. Nach dem Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EG) 261/2004 ist das ausführende Luftfahrtunternehmen jenes, welches den Umständen nach, dem Fluggast, als solches erkennbar ist. In den Buchungsunterlagen und den während der Flugdurchführung ausgehändigten Belegen ist stets die Flugnummer der Beklagten angegeben. Folglich ist die Beklagte das ausführende Luftfahrtunternehmen und damit auch Anspruchsgegner für den Ausgleichsanspruch.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in Sachen
XY
Klägerin
Prozessbevollm.: Rechtsanwalt Bartholl.
Sophie-Charlotten-Str. 9-10. 14059 Berlin
AZ d. Proz.-Bev.: ab/1041/12
gegen
Societe Air France S.A.‚
45, Rue de Paris, 95747 Roissy Charles de Gaulle Cedex – FRANCE
vertreten durch den Vorstand J.-C. Spinettta u.a.
Beklagter
Prozessbevollm.:Rechtsanwälte Urwantschky. Dangel. Borst & Partner.
lnsel 1.89231 Neu-Ulm
AZ d. Proz.-Bev.: 12-13-0350-1-MA
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2015 durch die Richter für Recht erkannt:
Tenor:
4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 22.11.2013 – 4 C 0564/12 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 2. 20.11.2013 – 4 C 0564/12 – ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren beträgt 800.00 EUR.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
5. Die Klägerin macht aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes Ansprüche auf Ausgleichszahlung aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 wegen der Verspätung einer Flugbeförderung geltend. Gebucht waren für die Klägerin und deren Ehemann zunächst ein Flug von Bremen nach Paris – AF 5529 – und von Paris nach Lissabon – AF 1324 – . Der Flug von Paris nach Lissabon wurde sodann jedoch unter der Flugnummer AF 1624 durchgeführt. Die Ankunft am Zielflughafen verzögerte sich gegenüber den bei der Buchung mitgeteilten Flugdaten um mehr als 5 Stunden.
6. Das Amtsgericht Bremen hat der auf Zahlung von 800,00 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gerichteten Klage stattgegeben.
7. Das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 22.11.2013 ist der Beklagten am 27.11.2013 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 23 Dezember 2013 – am gleichen Tage per Fax beim Landgericht Bremen eingegangen – hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen eingelegt. Innerhalb der durch den Vorsitzenden verlängerten Berufungsfrist hat die Beklagte ihre Berufung sodann mit Schriftsatz vom 27.02.2014 – am gleichen Tage per Fax eingegangen – begründet.
8. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Die
9. Berufung ist jedoch unbegründet.
10. Wegen des Tatbestandes und der in 1. Instanz gestellten Anträge wird zunächst auf das Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Bremen vom 18.10.2013 – Bl. 63, 64 der Akten – und auf das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 22.11.2013 – Bl. 68-72 der Akten – Bezug genommen. Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Wegen der in 2. Instanz gestellten Anträge wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.03.2015 Bezug genommen.
11. Die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu beanstanden. Umstände, wonach sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben können, sind nicht gegeben. Es bestehen insoweit auch keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen.
12. Auf die insoweit zutreffenden Entscheidungsgründe des amtsgerichtlichen Urteils wird zunächst Bezug genommen.
13. Die Beklagte weist unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 28.05.2009 – NJW 2009, 1743 – zwar zutreffend darauf hin, dass keine Rolle spielt, wer der Vertragspartner des Reisenden ist, da ausschließlich das ausführende Flugunternehmen in Anspruch zu nehmen ist. Hierbei ist jedoch auf den konkreten Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits abzustellen.
14. Es ist unzutreffend, wenn die Beklagte behauptet, es sei erstinstanzlich unstreitig geblieben, dass der streitgegenständliche Flug nicht von der Beklagten, sondern von dem Luftfahrtunternehmen „Regional“ ausgeführt worden sei. Vielmehr hat die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 04.04.2013 ausdrücklich vorgetragen, dass die Beklagte ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen sei. Die Klägerin hat hierzu Kopien von Unterlagen eingereicht, deren Inhalt für sich genommen unstreitig ist.
15. Demnach wird in den Buchungsbelegen darauf verwiesen, dass der Hinflug – um den es hier geht – von Bremen nach Paris unter der Flugnummer AF 5529 durchgeführt werden sollte, wobei der Buchungsbeleg den Zusatz enthält „operated by regional“ und der Flug von Paris nach Lissabon unter der Flugnummer AF 1324 (mit planmäßiger Abflugzeit um 8:45 Uhr und planmäßiger Ankunft am Zielflughafen um 10:15 Uhr) durchgeführt werden sollte. Durchgeführt worden ist der Flug von Paris nach Lissabon sodann unter der Flugnummer AF 1624 mit planmäßiger Abflugzeit um 13:15 Uhr (Bordkarten Blatt 14 der Akte) mit Ankunft am Zielflughafen gegen 15:20 Uhr mit mehr als 5 stündiger Verspätung gegenüber der ursprünglich gebuchten Verbindung. Soweit die Beklagte darauf Bezug nimmt, dass die Kammer darauf hingewiesen habe, die erstinstanzlich vorgelegten Bordkarten für den Flug AF 5529 würden die Beklagte ausweisen, ist das nicht zutreffend. Die Kammer hatte darauf verwiesen, dass die Bordkarten (jedoch ohne Verweis auf die von der Beklagten jetzt in Bezug genommene Flugnummer) die Beklagte und nicht die „Regional“ oder die KLM als ausführendes Unternehmen ausweisen. Diese Auffassung der Kammer ist weiterhin zutreffend (Bordkarten Bl. 14 der Akte AF 1624).
16. Gemäß Art. 11 Abs. 1 der EG-Verordnung Nr. 2111/2005 hat der Vertragspartner die Fluggäste bei der Buchung für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom genutzten Buchungsweg bei der Buchung über die Identität des/der ausführenden Luftfahrtunternehmen zu unterrichten. Gemäß Abs. 2 dieser Regelung hat der Vertragspartner sicherzustellen, dass der Fluggast über den Namen der/des ausführenden Luftfahrtunternehmen (s) unterrichtet wird. Dasjenige Unternehmen, das den Flug ausführt und die alleinige Verantwortung für die Durchführung des Fluges trägt, ist als das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne dieser Regelungen anzusehen (BGH. NJW 2010, 1523). Da die einschlägigen Verordnungen die Unterrichtung der Fluggäste über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zwingend vorsehen, ist demzufolge die dem Fluggast erteilte Information zu Grunde zu legen. Nach der Begründung der Verordnung (dort Ziffer (11)) ist die die Identität des den Flug tatsächlich durchführenden Luftfahrtunternehmens eine wesentliche Information, weil die Verbraucher nicht immer über die Identität des ausführenden Unternehmens unterrichtet werden. Mit den Informationen sollen die Verbraucher demzufolge in die Lage versetzt werden, ihre Ansprüche gegenüber dem richtigen Unternehmen geltend zu machen. Gemessen an diesen Motiven für den Erlass der Verordnung ist für den konkreten Sachverhalt demnach jeweils zu prüfen, ob die erteilten Informationen über die Identität des den Flug ausführenden Unternehmens – soweit sie unstreitig sind oder von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Flugunternehmen bewiesen sind – den Verbraucher in die Lage versetzen, seine Ansprüche gegenüber der richtigen Gesellschaft geltend zu machen.
17. Für die Frage, welches Luftfahrtunternehmen als ausführendes Unternehmen anzusehen ist, kommt es nicht darauf an, ob ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen der Subcharter Maschinen oder Personal einer anderen Gesellschaft nutzt. Auch die Eigentumsverhältnisse an dem Fluggerät spielen keine Rolle. Nach der Legaldefinition in Art. 2 b der EGV 261/2004 ist diese Beurteilung unabhängig von diesen Umständen zutreffen.
18. In dem Erwägungsgrund Nr. 7 der Verordnung heißt es: „Damit diese Verordnung wirksam angewandt wird, sollten die durch sie geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird.“ Aus dem Wortlaut wird deutlich, dass Umstände, die für den Fluggast nicht erkennbar sind, bei der Beurteilung der Frage, welches das den Flug ausführende Unternehmen ist, außer Betracht zu bleiben haben.
19. In den Buchungsunterlagen und den der Klägerin und dem Zedenten bei Durchführung der Reise übergebenen Belegen ist jeweils die Beklagte mit dem IATA-Code und der Flugnummer (AF …… ) als ausführendes Unternehmen angegeben. Einen Verweis auf den IATA-Code und eine Flugnummer der „Regional“ enthalten diese Unterlagen nicht. Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Beklagte als das den Flug ausführende Unternehmen anzusehen ist, wobei auch dahinstehen kann, ob die beiden Flüge von Bremen nach Paris und von Paris nach Lissabon bezüglich der Verspätung einheitlich zu bewerten sind oder ob auf den einen oder den anderen dieser Flüge abzustellen ist, weil beide Flüge von der Beklagten ausgeführt wurden. Es spielt in dem vorliegenden Rechtsstreit auch keine Rolle, ob die Passagiere ausdrücklich oder stillschweigend noch anders lautende Informationen erhalten haben (wie z.B, Hinweis beim check-in, eingesetztes Flugzeug mit Schriftzug „Regional“). Auch dann wäre für die Fluggäste nicht erkennbar gewesen, ob die „Regional“ den Flug eigenverantwortlich organisierte und durchführte oder ob sie lediglich das Flugzeug und das Personal für die Beklagte zur Verfügung stellte und die Organisation und die Durchführung des Fluges somit in den Händen der Beklagten lagen.
20. Zudem hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 21.11.2012 ohnehin auch den Eindruck erweckt, dass sie sich selbst ebenfalls als das ausführende Flugunternehmen angesehen hat. Der Zedent hatte mit Schreiben vom 06.11.2012 Ansprüche wegen der Verspätung gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Hierauf hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 21.11.2012 mitgeteilt, sie habe das Anliegen des Zedenten eingehend geprüft und alle Einzelheiten dieser spezifischen Verspätung in Betracht gezogen. Des Weiteren beruft die Beklagte sich in diesem Schreiben dann darauf, dass die Ansprüche verspätet geltend gemacht worden seien. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass sie sich selbst ebenfalls als ausführendes Luftfahrtunternehmen angesehen hat (Kammergericht, Urteil vom 23. November 2009, 20 U 62/O8 – juris; BGH Urteil vom 14.10.2010, Xa ZR 15/10 -juris.
21. Ein Fall des so genannten Code-Sharing, in dem einem Flug mehrere Flugnummern zugeordnet sind, liegt hier nicht vor, so dass es keiner Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung bedarf.
22. Die Revision wird nicht zugelassen, da die hier zu entscheidenden Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung hat noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO).
23. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 97 ZPO.
24. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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