Bestimmung von Mutter- und Tochterairline
AG Bremen: Bestimmung von Mutter- und Tochterairline
Ein Fluggast kommt mit einer 4-stündigen Verspätung am Zielflughafen und verklagt deshalb das ihn befördernde Luftfahrtunternehmen auf Schadensersatz. Dieses verweist auf die Tatsache, dass nicht sie sondern ihre übergeordnete Muttergesellschaft den Flug ausführte und sie somit nicht der richtige Adressat zur Geltendmachung der Ansprüche sei.
Das Amtsgericht Bremen zieht die beklagte Muttergesellschaft in die Verantwortung. Ist eine Tochtergesellschaft zu einhundert Prozent in die Muttergesellschaft integriert und weisungsgebunden, so haftet die Muttergesellschaft für etwaige Schadensersatzansprüche.
AG Bremen | 16 C 89/11 (Aktenzeichen) |
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AG Bremen: | AG Bremen, Urt. vom 10.10.2011 |
Rechtsweg: | AG Bremen, Urt. v. 10.10.2011, Az: 16 C 89/11 |
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Leitsatz:
2. Führt ein Tochterunternehmen eines Luftfahrtunternehmens den Flug durch, so ist das Mutterunternehmen als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen, wenn eine starke Weisungsgebundenheit gegeben ist.
Zusammenfassung:
3. Ein Fluggast macht, wegen einer mehrstündigen Flugverspätung, seinen Schadensersatzansprich aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geltend. Diesen richtet er gegen gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen tun. In der Regel ist das ausführende Luftfahrtunternehmen dasjenige, welches das Fluggerät und die Crew bereitstellt. Dieses fühlt sich im vorliegenden Fall allerdings nicht verantwortlich und verweist auf die entsprechende Muttergesellschaft.
Das Amtsgericht Bremen stellte fest, dass bei Flügen eines Tochterunternehmens, das das Fluggerät und die Crew bereitstellt und an die Weisungen des Mutterunternehmens gebunden ist, das Mutterunternehmen als das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen gilt. Das genannte Unternehmen sei eine einhundertprozentige Tochterfirma der Beklagten und gehöre zum selben Konzern. Die genutzten Flugzeuge gehörten zur Flotte der Beklagten und das Personal sei ebenfalls ihr zuzurechnen. Dadurch sei der Einfluss der Beklagten auf die Durchführung des durch die Tochtergesellschaft übertragenen Fluges faktisch in großem Maße gegeben und die Muttergesellschaft zur Zahlungs des Schadensersatzes verpflichtet.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
5. Der Darstellung des Tatbestandes bedurfte es gemäß § 313 a Abs. 1 S.1 ZPO nicht. Rechtsmittel gegen das Urteil sind unzweifelhaft nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
6. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat aufgrund der um 3 Stunden und 55 Minuten verspäteten Ankunft in Bremen am 20.11.2010 nach einem bei der Beklagten gebuchten Flug gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Zahlung in Höhe von 250 Euro aus Art. 7 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.
7. Es fehlt bei der Beklagten insbesondere nicht die Passivlegitimation für diesen Anspruch. Anspruchsgegner ist unstreitig ausschließlich das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der genannten Verordnung. Zwar ist für den Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens grundsätzlich allein maßgeblich, welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, und nicht, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist (vgl. BGH NJW 2010, 1522). Diesem Verständnis der Verordnung liegt letztlich die Annahme zu Grunde, dass das die Leistung tatsächlich erbringende Unternehmen auf Grund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am Besten in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, wohingegen der Vertragspartner in diesen Fällen auf die Durchführung keinen Einfluss hat. Diese Überlegungen treffen in dem vorliegenden Fall jedoch gerade nicht in dem Maße zu wie bei anderen Code-Share-Flügen. Der Fall unterscheidet sich vielmehr dadurch erheblich, dass hier mit der L. GmbH zwar eine von der Beklagten abweichende juristische Person mit eigenem IATA Code die Durchführung des Fluges übernommen hat. Das genannte Unternehmen ist jedoch eine einhundertprozentige Tochterfirma der Beklagten und gehört zum selben Konzern. Die genutzten Flugzeuge gehören zur Flotte der Beklagten und das Personal ist ebenfalls ihr zuzurechnen. Dadurch ist der Einfluss der Beklagten auf die Durchführung des durch die L. GmbH übertragenen Fluges faktisch in großem Maße gegeben und die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verpflichtungen nicht derart eingeschränkt, als wenn sich die Beklagte eines „fremden“ Luftfahrtunternehmens zur Durchführung eines Fluges bedient hätte. Insoweit kann das Innenverhältnis der L. GmbH zu der Beklagten bei der Beurteilung nicht außer Betracht bleiben. Die L. GmbH ist dem „Unternehmen“ der Beklagten zuzurechnen, weshalb es sich bei der Beklagten auch um das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 handelt.
8. Es ist vorliegend ferner von einer Verspätung von mehr als 3 Stunden im Sinne des Artikels 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auszugehen. Entscheidend für die Beurteilung ist hierbei die eingetretene Verspätung am Endziel, so dass es unerheblich ist, dass die Verspätung des Fluges für die gebuchte Teilstrecke von Krakau nach München lediglich 48 Minuten betragen hat. Durch die gleichzeitige Buchung des Anschlussfluges und durch das Verpassen desselben betrug die Verspätung bei der Ankunft am Endziel Bremen schließlich 3 Stunden und 55 Minuten.
9. Die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch liegen nach dem schlüssigen Klägervortrag, dem die Beklagte insoweit nicht entgegengetreten ist, ebenfalls vor.
10. Auch erfolgte der Widerruf des in der öffentlichen Sitzung vom 05.09.2011 geschlossenen Vergleichs der Parteien durch den Kläger innerhalb der vereinbarten 2-Wochen-Frist. Der Widerruf ging bei dem Amtsgericht Bremen vorab per Fax am 19.09.2011 ein.
11. Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 247, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.
12. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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