Anspruchsgegner beim Code-Sharing
BGH: Anspruchsgegner beim Code-Sharing
Eine Airline überträgt einen Flug, im Rahmen eines Code-Sharing-Verfahrens, auf eine andere Fluggesellschaft. Als diese den Flug mit 4-stündiger Verspätung ausführt, verlangt ein Fluggast von der ursprünglich beauftragten Airline eine Ausgleichszahlung.
Der Bundesgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Als Zahlungsempfänger und tatsächlicher Erbringer der vertraglich geschuldeten Leistung, sei einzig das ausführende Luftfahrtunternehmen der zulässige Anspruchsgegner für Entschädigungsleistungen.
BGH | Xa ZR 132/08 (Aktenzeichen) |
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BGH: | BGH, Urt. vom 26.11.2009 |
Rechtsweg: | BGH, Urt. v. 26.11.2009, Az: Xa ZR 132/08 |
LG Köln, Urt. v. 04.11.2008, Az: 11 S 506/07 | |
AG Köln, Urt. v. 12.11.2007, Az: 119 C 310/07 | |
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Leitsatz:
2. Entsteht eine Flugverspätung oder Annullierung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, so muss sich der Anspruch auf Ausgleichszahlung gegen das den Flug tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen richten.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin buchte beim beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug von München nach Florianopolis über Sao Paulo mit Rückflug.
Auf dem Rückflug sollte der Teilstreckenflug von Sao Paulo nach München, im Rahmen eines Code-Sharing-Fluges, von einem brasilianischen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden.
Der Flug nach München wurde jedoch annulliert, woraufhin der Klägerin ein Flug direkt nach Frankfurt am Main mit dem beklagten Luftfahrtunternehmen angeboten wurde. Da dieser Flug mit einer Verspätung von rund vier Stunden angekommen ist, forderte die Klägerin von dem ursprünglich beauftragten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung.
Der Bundesgerichtshof lehnte die Forderung gegen das beklagte Luftfahrtunternehmen ab und kam zum Entschluss das im Fall von Flugverspätungen oder Annullierungen bei Code-Sharing, der Anspruch auf Ausgleichszahlung gegen das den Flug tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen geltend gemacht werden müsse.
Eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung setze eine tatsächliche Einflussnahme auf die Rechte des Fluggastes voraus. Übertrage eine Airline ihre vertraglichen Pflichten auf ein Partnerunternehmen, so gehe hieraus nicht hervor, dass sie für alle Handlungen und Pflichtverletzungen der Beauftragten haften wolle.
Vielmehr trete sie ihren Zahlungsanspruch an die Partnerairline ab. Im Gegenzug übernehme diese jedoch auch die Verpflichtung zur Begleichung von etwaigen Ausgleichsansprüchen bei Schlechtleistung.
Tatbestand:
4. Die Klägerin nimmt die beklagte Fluggesellschaft auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungszahlungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/ 91 (ABl. EG Nr. L 46 v. 17. 02. 2004, S. 1; im Folgenden: Verordnung) in Anspruch.“
5. Die Klägerin buchte bei der Beklagten (Deutsche Lufthansa AG) einen Hin- und Rückflug von Münster (Westfalen) nach Florianopolis (Brasilien) über Frankfurt/ München und São Paulo.
6. Der Rückflug war für den 09. März 2006 vorgesehen. Dabei sollte der Flug über die Teilstrecke von São Paulo nach München nicht von der Beklagten, sondern im Wege des Code-Sharing von dem brasilianischen Luftfahrtunternehmen Varig durchgeführt werden. Auf diesen Umstand war seitens der Beklagten dadurch hingewiesen worden, dass in den Buchungs- und Vertragsunterlagen der Flug, der mit der Kennzeichnung „L.“ und „R.“ die IATA-Codes und die Flugnummern beider Unternehmen enthielt, mit dem Zusatz „durchgeführt von RG 8772 “ ausgewiesen wurde.
7. Der Flug nach München wurde annulliert, worüber die Klägerin bei Ankunft am Flughafen von São Paulo unterrichtet wurde. Stattdessen wurde der Klägerin ein Flug mit der Beklagten unter der Flugnummer LH503 nach Frankfurt am Main angeboten, der für den 10. März 2006, 15:05 Uhr, geplant war. Von dort sollte die Klägerin am 11. März 2006 um 09:00 Uhr nach Münster weiterfliegen. Der Abflug in São Paulo verzögerte sich jedoch um 4 Stunden und 35 Minuten, so dass die Klägerin den Anschlussflug nach Münster nicht mehr erreichte. Da der nächste Flug von Frankfurt nach Münster annulliert wurde, flog die Klägerin schließlich nach Köln, wo sie um 14:45 Uhr eintraf.
8. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,00 EUR von der Beklagten. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt, das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
9. Die zulässige Revision hat Erfolg.
10. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1, Satz 1 Buchst. c der Verordnung kein Anspruch auf Ausgleichszahlung wegen der Annullierung des Fluges LH9705/RG8772 zu. Nach dieser Vorschrift sei passivlegitimiert allein das „ausführende Luftfahrtunternehmen“.
12. Nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. b der Verordnung sei somit nicht entscheidend, mit welchem Flugunternehmen der Fluggast einen Beförderungsvertrag geschlossen habe, sondern welches Flugunternehmen den Flug durchführe.
13. Dies bedeute jedoch, dass bei einem Code-Sharing-Flug die verschiedenen in der Verordnung statuierten Verpflichtungen nicht das beauftragte Flugunternehmen und damit die Beklagte als Vertragspartei träfen, sondern dasjenige Flugunternehmen, das tatsächlich die Durchführung des Fluges übernehme.
14. Dies hält der Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
15. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 der Verordnung wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten verneint.
16. Ein Ausgleichsanspruch gemäß Art. 7 der Verordnung richtet sich bei Annullierung eines Fluges nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung nur gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen.
17. Als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“, für das die Verordnung nach der Regelung ihres Anwendungsbereiches in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 ausschließlich gilt, ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchst. b der Verordnung das Luftfahrtunternehmen anzusehen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt.
18. Indem sie auf die Durchführung des Fluges abstellt und hiervon die zugrunde liegende Vertragsbeziehung abgrenzt, die der Fluggast auch zu einem anderen Unternehmen begründet haben kann, macht die Legaldefinition in der deutschen Sprachfassung deutlich, dass für den Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens allein maßgeblich ist, welches Unternehmen mit dem von ihm bereit gestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, und nicht, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist (vgl. bereits Sen. Urteil v. 28.05.2009, Az: Xa ZR 113/08). Diese Auslegung steht im Einklang mit der Wortwahl etwa der englischen und der französischen Sprachfassung, die die Durchführung des Fluges durch das als „operating air carrier“ bzw. als „transporteur aérien effectif“ bezeichnete Unternehmen mit den Verben „to perform“ bzw. „réaliser“ umschreiben.
19. Die mit dieser Auslegung einhergehende Differenzierung zwischen den verschiedenen Luftfahrtunternehmen, denen sich der Fluggast bei einem Flug gegenübersehen kann, ist nicht nur der Legaldefinition des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ mit der dort beschriebenen Möglichkeit zu entnehmen, dass der Flugreisevertragspartner des Fluggastes mit dem den Flug tatsächlich durchführenden Luftfahrtunternehmens nicht identisch und dann auch nicht als ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einzustufen ist. Die Unterscheidung findet sich darüber hinaus in weiteren Bestimmungen der Verordnung wieder.
20. So sind nach der Regelung in Art. 3 Abs. 5 Satz 2 die Leistungen, mit denen das ausführende Luftfahrtunternehmen seine Verpflichtungen aus der Verordnung gegenüber einem Fluggast erfüllt, mit dem es in keiner Vertragsbeziehung steht, als für das vertraglich verpflichtete Unternehmen erbracht anzusehen.
21. Nach Art. 13 der Verordnung kann das ausführende Luftfahrtunternehmen, das Ausgleichszahlungen an Fluggäste leistet oder sonstige sich aus der Verordnung ergebende Pflichten erfüllt, den Vertragspartnern der Fluggäste gegenüber Regress nehmen.
22. Dasselbe Verständnis vom Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens als des Unternehmens, das die Beförderung tatsächlich bewirkt, liegt auch den internationalen Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (ABl. EG Nr. L 194 v. 18. 07. 2001, S. 39; BGBl. 2004 II, 458) zugrunde. Auf dessen Vorgaben zu den Verpflichtungen des ausführenden Luftfahrtunternehmens bezieht sich die Verordnung, deren Bestimmungen jene des Montrealer Übereinkommens ergänzen (vgl. Urteil EuGH v. 10.01.2006, Az: Rs C-344/04 – IATA und ELFAA, Tz. 46), in Erwägungsgrund 14 ausdrücklich.
23. In den Regelungen, die das Montrealer Übereinkommen in Kapitel V zur Luftbeförderung durch einen anderen als den vertraglichen Luftfrachtführer vorsieht, wird einleitend mit den Legaldefinitionen in Art. 39 ebenfalls unterschieden zwischen dem vertraglichen Luftfrachtführer, der mit einem Reisenden bzw. Absender einen Beförderungsvertrag geschlossen hat, und dem ausführenden Luftfrachtführer, bei dem es sich um „eine andere Person“ handelt, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem vertraglichen Luftfrachtführer berechtigt ist, die Beförderung ganz oder teilweise auszuführen.
24. Aus dieser Abgrenzung und Wortwahl des Montrealer Übereinkommens ist in Übereinstimmung mit der hierzu im Schrifttum wohl einhellig vertretenen Auffassung (vgl. Pokrant in Ebenroth/ Boujong/ Joost/ Strohn, HGB, 2. Aufl., MÜ Art. 39 Rdn. 6 m. w. N.; Münch-Komm./ Tonner, BGB, 5. Aufl., Nach § 651 Rdn. 15 m. w. N.; Dettling-Ott in Giemulla/ Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Bd. 3, 30. Aufl. 2007, Art. 39 MÜ Rdn. 7, 17 f.) für die Auslegung des Begriffs des ausführenden Luftfrachtführers das Erfordernis abzuleiten, dass dieser mit dem von ihm betriebenen Flugzeug die Beförderung tatsächlich durchführt.
25. Gestützt wird die Auslegung des Begriffs des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“, für den allein entscheidend ist, dass es den Flug tatsächlich durchführt, auch durch die weitere Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2005 über die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen die in der Gemeinschaft eine Betriebsuntersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens und zur Aufhebung des Art. 9 der Richtlinie 2004/ 36/ EG (ABl. EG L 344 v. 27. 12. 2005, S. 15; im Folgenden: Verordnung 2111/2005). Die Verordnung 2111/2005 verwendet ebenfalls den Begriff des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ mit derselben Legaldefinition inArt. 2 Buchst. e und grenzt ihn ab von dem „Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr“, der in Art. 2 Buchst. c definiert wird als das Luftfahrtunternehmen, das einen Beförderungsvertrag mit einem Fluggast schließt. In Art. 11 der Verordnung 2111/2005 wird der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr dazu verpflichtet, die Fluggäste bei der Buchung über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu unterrichten.
26. Dass es sich dabei um das den Flug tatsächlich durchführende Unternehmen handelt, wird in den Erwägungsgründen 11, 13 und 14 zu dieser Vorschrift ausdrücklich erwähnt. Mit der Regelung des Art. 11 der Verordnung 2111/2005 hat der Verordnungsgeber zudem gerade auf die Praxis des Code-Sharing reagiert, wie Erwägungsgrund 13 der Verordnung 2111/2005 belegt. Dort wird unter beispielhaftem Bezug auf das Code-Sharing die Branchenpraxis im Linienflugverkehr dargestellt, dass das Luftfahrtunternehmen, das einen Flug unter seinem Namen verkauft hat, „diesen nicht tatsächlich durchführt“. Hierzu wird in Erwägungsgrund 13 der Verordnung 2111/2005 weiter auf den Missstand hingewiesen, dass der Fluggast bisher keinen Anspruch darauf hatte, über die Identität des Luftfahrtunternehmens, das ihn tatsächlich befördert, unterrichtet zu werden. Die Vorschrift des Art. 11 der Verordnung 2111/2005 ist nunmehr Grundlage dafür, dass in ihrem Geltungsbereich – d.h. bei Verträgen über eine Beförderung, die in der Gemeinschaft begonnen hat (Art. 10 der Verordnung 2111/2005) – in den Buchungsunterlagen das Luftfahrtunternehmen anzugeben ist, das im Rahmen eines Code-Sharing den Flug auf dem betreffenden Streckenabschnitt tatsächlich ausführt. Hierdurch wird dem Fluggast die Wahrnehmung seiner Rechte gegen dieses Unternehmen ermöglicht.
27. Gegen das vom Wortlaut der Verordnung nahe gelegte Begriffsverständnis lässt sich auch nicht das von der Revision unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 1 und 7 angeführte Ziel der Verordnung einwenden, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen.
28. Wie der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf die vorgenannten Erwägungsgründe und die Begründung des Rates zum Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 27/2003 vom 18. März 2003 bereits im Hinblick auf die fehlende Passivlegitimation eines Reiseveranstalters für Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Verordnung ausgeführt hat (BGH Hinweisbeschluss v. 11.03.2008, Az.: X ZR 49/07), liegt dem Regelungskonzept der Verordnung, dass sämtliche Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen auferlegt werden, die Annahme zugrunde, dass dieses aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am besten in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen.
29. Diese Erwägung des Verordnungsgebers kommt ebenfalls bei der Kooperationsform des Code-Sharing zum Tragen. Beim Code-Sharing teilen sich die an der Vereinbarung beteiligten Fluggesellschaften die Kapazitäten des betreffenden jeweils unter eigener Flugnummer geführten Linienfluges in der Weise, dass neben den Fluggästen des den Flug ausführenden Unternehmens, das die alleinige Verantwortung für die Durchführung des Fluges mit dem von ihm eingesetzten Flugzeug behält, auch Fluggäste des Code-Sharing-Vertriebspartners eingebucht und befördert werden (vgl. zu Erscheinungsform, Zweck und Voraussetzungen des Code-Sharing Schwenk/ Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl., S. 646 ff., 680 ff.; Dettling-Ott, aaO Rdn. 7, 20 f.).
30. Auch bei dieser Kooperationsform des unter einer Doppelflugnummer gemeinsam betriebenen Flugliniendienstes kann nur eine der daran beteiligten Fluggesellschaften das Luftfahrzeug für den einzelnen Flug zur Verfügung stellen und ihn damit tatsächlich durchführen. Bei einer Fluggesellschaft, die für einen Linienflug lediglich mit eigener Flugnummer im Rahmen des Code-Sharing Plätze anbietet, die tatsächliche Beförderung aber einer anderen Fluggesellschaft überlässt, ist eine effektive Erfüllung der von der Verordnung vorgesehenen Unterstützungsleistungen nicht in gleicher Weise gewährleistet wie bei dem Luftfahrtunternehmen, das den Flug selbst ausführt und deshalb am Flughafen präsent sein muss.
31. Auch die etwa aus den Erwägungsgründen 12 und 13 der Verordnung zu entnehmende Lenkungsabsicht des Verordnungsgebers, mit der Statuierung eines pauschalierten Ausgleichsanspruchs das in den Erwägungsgründen 2 bis 4 angesprochene Ärgernis der Flugannullierungen zu verringern, greift nur gegenüber den Luftfahrtunternehmen, die einen Flug selbst in eigener Verantwortung ausführen und damit auf die tatsächliche Durchführung überhaupt unmittelbar Einfluss haben.
32. Demzufolge lässt sich mit dem Schutzzweck der Verpflichtungen, die das ausführende Luftfahrtunternehmen treffen, nicht die Auffassung der Revision begründen, dass jeder an einer Code-Sharing- Vereinbarung beteiligter Kooperationspartner als den Flug durchführend anzusehen sei.
33. Für eine solche Ausdehnung des Adressatenkreises der Verordnung spricht schließlich nicht der von der Revision angeführte Wortlaut des Erwägungsgrundes 7 der Verordnung, in dem es heißt:
34. „Damit diese Verordnung wirksam angewandt wird, sollten die durch sie geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird.“
35. Dieser Erwägungsgrund erläutert zunächst im Sinne der vorgenannten Lenkungsabsicht die Beschränkung des Geltungsbereichs der Verordnung auf die ausführenden Luftfahrtunternehmen (Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung).
36. Mit dem Zusatz zur Form der Durchführung des Fluges wird lediglich klargestellt, dass es für die Bestimmung des ausführenden Luftfahrtunternehmens auf die Eigentumsverhältnisse an dem für den Flug eingesetzten Flugzeug nicht ankommt und dass sich das ausführende Unternehmen im Wege der Miete oder in sonstiger Weise auch Dritter bedienen kann. Eine Erweiterung des Kreises der Anspruchsgegner des Fluggastes ist damit ersichtlich nicht verbunden.
37. Vielmehr bleibt es nach dem klaren Wortlaut dieses Erwägungsgrundes dabei, dass auch dann, wenn der Flug mit Hilfe eines Mietverhältnisses oder in sonstiger Weise durchgeführt wird, ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung immer nur ein Unternehmen sein kann.
38. Auch die Entstehungsgeschichte der Verordnung bestätigt das Auslegungsergebnis, dass beim Code-Sharing nur das den Flug tatsächlich selbst ausführende Unternehmen Anspruchsgegner des Fluggastes ist. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom 21. Dezember 2001 sollte mit Art. 3 noch ausdrücklich geklärt werden, inwieweit die Verordnung bei Code-Sharing gelten sollte. Diese Kooperationsform wurde in Art. 2 Buchs. g als der Fall definiert, „dass ein Fluggast mit einem Luftfahrtunternehmen, dem ‚Vertriebsunternehmen‘, einen Beförderungsvertrag nebst bestätigter Buchung hat, aber von einem anderen Luftfahrtunternehmen, dem ‚Betriebsunternehmen‘, befördert wird“.
39. Nach dem Kommissionsvorschlag zum Anwendungsbereich sollte für alle Luftfahrt- oder Reiseunternehmen gelten, mit denen ein Fluggast einen Vertrag hat. Hierzu war in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 weiter geregelt, dass „das Reiseunternehmen oder – bei Code-Sharing – das Vertriebsunternehmen mit dem Betriebsunternehmen die notwendigen Vorkehrungen (trifft), um die Durchführung der Bestimmungen dieser Verordnung zu gewährleisten“.
40. Gegenüber dem Kommissionsvorschlag einer ausschließlichen Haftung der Reisevertragspartner des Fluggastes wurde im Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2002 sodann der Adressatenkreis der Verordnung erweitert durch folgende Neubestimmung des Geltungsbereichs der Verordnung in den Sätzen 2 und 3 des Art. 3 Abs. 3:
41. „Die darin vorgesehenen Verantwortlichkeiten und Pflichten werden jedoch sowohl im Fall von Code-Sharing als auch in dem Fall, dass das Reiseunternehmen logistisch nicht in der Lage ist, die vorgesehenen Pflichten zu erfüllen, auch auf das Luftfahrtunternehmen ausgedehnt, das als Betriebsunternehmen fungiert. Das Reiseunternehmen oder – bei Code-Sharing – das Vertriebsunternehmen macht alle Regressansprüche gegenüber dem Betriebsunternehmen geltend, wenn die Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung des Flugs in dessen Zuständigkeit fällt.“
42. Der Verordnungsgeber hat diese ursprünglichen Vorschläge einer Haftung des Vertriebsunternehmens beim Code-Sharing indes gerade nicht umgesetzt, sondern aus Vereinfachungs- und Effizienzgründen sämtliche Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen allein dem Betriebsunternehmen auferlegt, das in der endgültigen Fassung der Verordnung nunmehr als ausführendes Luftfahrtunternehmen bezeichnet worden ist.
43. Nach der sich am Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte der Verordnung orientierenden Auslegung des Begriffs des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist mithin in Fällen des – auch hier vorliegenden – Code-Sharing eine Differenzierung vorzunehmen zwischen dem Luftfahrtunternehmen, das tatsächlich mit dem von ihm bereit gestellten Flugzeug die Durchführung des Fluges übernimmt, und dem Unternehmen, das im Vertragsverhältnis zu dem Fluggast steht und den Flugdienst des anderen Unternehmens mitbenutzt.
44. Nur jener Code-Sharing-Partner ist ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung (Schmid, NJW 2007, 261, 267; ebenso für die Qualifikation des den Code-Sharing-Flug ausführenden Luftfrachtführers nach Art. 39 MÜ MünchKomm./ Tonner, aaO; Dettling-Ott, aaO Rdn. 20 ff.). Der von der Revision in diesem Zusammenhang angebrachte Hinweis auf eine Genehmigungsbedürftigkeit von Code-Sharing-Vereinbarungen führt nicht weiter, da die Erlaubnisvoraussetzungen nicht die Frage berühren, welcher der Code-Sharing-Partner die Flugstrecke im Rahmen des gemeinsam betriebenen Liniendienstes mit Flugzeugen seiner eigenen Flotte bedient und damit die Luftbeförderung tatsächlich übernimmt.
45. Im vorliegenden Fall ist danach tatsächlich ausführendes Luftfahrtunternehmen für den ursprünglich vorgesehenen Rückflug auf der betreffenden Teilstrecke São Paulo – München das brasilianische Luftfahrtunternehmen Varig gewesen, während die Beklagte, die Deutsche Lufthana AG, als die für alle Flüge auf der Gesamtstrecke verantwortliche Vertragspartnerin der Klägerin hinsichtlich dieses Streckenabschnittes allein einer – hier von der Klägerin nicht geltend gemachten – vertraglichen Haftung unterlegen hat.
46. Es besteht auch kein Anlass, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Der Senat hat keine Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts und ist überzeugt, dass diese Auslegung auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedsstaaten eindeutig ist.
47. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und der Rechtsstreit ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
48. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die „technischen Probleme“, aufgrund deren sich nach seinen hierzu nicht näher ausgeführten Feststellungen der Abflug des Fluges LH503 verzögerte, als außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung anzusehen sind.
49. Eine Verspätung wie im Streitfall führt nach dem vorgenannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 19. November 2009 nämlich dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
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