Ausführendes Luftfahrtunternehmen
AG Rüsselsheim: Ausführendes Luftfahrtunternehmen
Die Kläger hatten beim beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug gebucht, der seinen Zielort jedoch erst mit einer Verspätung von ca. 6 Stunden erreichte. Die Kläger fordern deshalb nun Ausgleichszahlungen i. S. d. Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Die Beklagte hält jedoch dagegen, dass nicht sie, sondern ein anderes Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich ausgeführt habe.
Nach Ansicht des Amtsgerichts in Rüsselheim ist die Klage begründet und die Beklagte in jedem Fall verpflichtet Ausgleichzahlungen i. S. d. Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO an die Kläger zu zahlen. Der Einwand der Beklagten nicht sie selbst sondern ein anderes Luftfahrtunternehmen habe den Flug durchgeführt, ändere an dieser Einschätzung nichts, weil in diesem Fall eine Annullierung des Fluges vorliegt, der für die Kläger ebenfalls einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in gleicher Höhe entstehen lässt.
AG Rüsselsheim | 3 C 3247/13 (37) (Aktenzeichen) |
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AG Rüsselsheim: | AG Rüsselsheim, Urt. vom 20.12.2013 |
Rechtsweg: | AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.12.2013, Az: 3 C 3247/13 (37) |
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Leitsatz:
2. Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist jenes, welches den Flug tatsächlich durchführt und sowohl das Fluggerät als auch die Besatzung zur Verfügung stellt.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten beim beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug von Rhodos nach Düsseldorf gebucht. Dieser Flug, der die Flugnummer der Beklagten enthielt, erreichte seinen Zielort erst mit einer Verspätung von ca. 6 Stunden. Die Kläger fordern deshalb nun Ausgleichszahlungen i. S. d. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 von der Beklagten. Diese hält jedoch dagegen, dass nicht sie, sondern ein anderes Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich ausgeführt habe und ihr deshalb kein Fehlverhalten anzulasten sei.
Nach Ansicht des Amtsgerichts in Rüsselheim ist die Klage begründet und die Beklagte in jedem Fall verpflichtet Ausgleichzahlungen i. S. d. Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO i. H. v. jeweils EUR 400,- an die Kläger zu zahlen, weil deren Flug, der sich über mehr als 1.500 km erstreckte mehr als fünf Stunden zu spät am Zielort angekommen sei.
Der Einwand der Beklagten nicht sie selbst sondern ein anderes Luftfahrtunternehmen habe den Flug durchgeführt, ändere an dieser Einschätzung nichts, weil in diesem Fall eine Annullierung des Fluges vorliegt, der für die Kläger ebenfalls einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in gleicher Höhe entstehen lässt. Das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 jenes ist immer jenes, welches den Flug tatsächlich durchführt und sowohl das Fluggerät als auch die Besatzung zur Verfügung stellt.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,00 Euro, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 24.09.2013 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 (nachfolgend: VO).
6. Die Kläger hatten über einen Reiseveranstalter jeweils einen Platz für einen Flug von Rhodos (Griechenland) nach Düsseldorf gebucht. Der Flug sollte ursprünglich von der Beklagten durchgeführt werden. Das Flugzeug sollte dabei in Düsseldorf am 09.08.2012 um 13.30 Uhr landen; tatsächlich erfolgte die Landung in Düsseldorf an diesem Tag um 18.40 Uhr. Die Entfernung zwischen Rhodos und Düsseldorf beträgt mehr als 1.500 km.
7. Der streitgegenständliche Flug wurde dabei unter der Flugnummer DE 4623 durchgeführt. „DE“ ist als IATA-Code der Beklagten zugewiesen. Die Beklagte hat den Flug bei der Deutschen Flugsicherung als ausführendes Luftfahrtunternehmen angegeben.
8. Die Kläger behaupten, die Beklagte habe den Flug geplant und auch operativ durchgeführt. Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte sei daher als ausführendes Luftfahrtunternehmen i. S. d. VO anzusehen.
10. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) einen Betrag in Höhe von 400,00 Euro und an den Kläger zu 2) einen Betrag in Höhe von 400,00 Euro, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13. Die Beklagte beruft sich auf mangelnde Passivlegitimation. Die Beklagte behauptet, der streitgegenständliche Flug sei im Rahmen eines sog. Wetlease-Vertrages von dem Luftfahrtunternehmen XL-Airways durchgeführt worden, welches sowohl das Fluggerät als auch die Besatzung gestellt habe. Auch die gesamte operationelle Flugplanung habe dem Unternehmen XL-Airways oblegen.
14. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
15. Die zulässige Klage begründet.
16. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale in tenorierter Höhe nach Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO.
17. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Passivlegitimiert ist nach der VO das ausführende Luftfahrtunternehmen. Ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nach der Legaldefinition in Art. 2 lit. b) VO dasjenige Luftfahrtunternehmen, welches den betreffenden Flug durchführt oder (im Fall der Annullierung) durchzuführen beabsichtigt und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird (vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 der VO).
18. Vorliegend ist die Beklagte sowohl nach dem Klägervortrag als auch nach dem Beklagtenvortrag zur Ausgleichszahlung verpflichtet:
19. Die Richtigkeit des klägerischen Vortrags unterstellt, hat die Beklagte den Flug geplant und operativ durchgeführt. In diesem Fall folgt ein Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale aus Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO, weil der streitgegenständliche Flug eine Ankunftsverspätung von mehr als fünf Stunden hatte. Zwar steht der Ausgleichsanspruch nach dem Wortlaut von Art. 7 i. V. m. Art. 4 und 5 der VO nur denjenigen Passagieren zu, die nichtbefördert oder deren Flug annulliert wurde. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 soll Art. 7 der VO aber auch dann anwendbar sein, wenn Passagiere – wie hier – wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (EuGH NJW 2010, 43). Da die Entfernung von Rhodos nach Düsseldorf mehr als 1.500 km beträgt, haben die Kläger gegen die Beklagte nach Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO einen Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale in Höhe von jeweils 400,00 Euro.
20. Die Richtigkeit des Beklagtenvortrags unterstellt, folgt der Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) VO i. V. m. Art. 7 Abs. 1 lit. b) VO wegen Flugannullierung. Sollte nämlich tatsächlich nicht die Beklagte, sondern ein anderes Luftfahrtunternehmen den Flug durchgeführt haben, so liegt – rechtlich – eine Annullierung des geplanten Fluges vor, da jedenfalls die Beklagte den Flug nicht – wie geplant – durchgeführt hat. Bezüglich des ursprünglich geplanten und anschließend annullierten Fluges ist die Beklagte dann ausführendes Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 2 lit. b) 2. Alternative VO, da sie unstreitig – und dies ergibt sich auch zwanglos aus den klägerseits vorgelegten Reiseunterlagen (vgl. Bl. 6, 7 d. A.) und der Auskunft der Deutschen Flugsicherung (vgl. Bl. 18 d. A.), die in allen Fällen auf die Beklagte und eine von dieser geführten „DE“- Flugnummer verweisen – jedenfalls ursprünglich beabsichtigt hatte, diesen Flug durchzuführen. Da die Beklagte nicht vorgetragen hat, dass eine Unterrichtung der Passagiere über die Annullierung in den zeitlichen Grenzen des Art. 5 Abs. 1 lit. c) VO erfolgt ist, ist der Anspruch auch nicht ausgeschlossen.
21. Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
22. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO.
23. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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