Das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen

AG Bremen: Das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen

Die Klägerin buchte bei einen zweiteiligen Flug (Zubringerflug und Anschlussflug). Aufgrund von technischen Problemen bei dem Zubringerflug erreichte die Klägerin ihren Zielflughafen mit einer Verspätung von rund fünf Stunden.

Bei der Durchsetzung des Anspruchs auf eine Ausgleichszahlung wegen der Flugverspätung stellte sich die Frage, welches Luftfahrtunternehmen den Flug tatsächlich durchgeführt hat. Die Flugnummer und die Buchungsunterlagen wiesen zwei verschiedene Luftfahrtunternehmen aus.

AG Bremen 4 C 564/12 (Aktenzeichen)
AG Bremen: AG Bremen, Urt. vom 22.11.2013
Rechtsweg: AG Bremen, Urt. v. 22.11.2013, Az: 4 C 564/12
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Amtsgericht Bremen

1. Urteil vom 22. November 2013

Aktenzeichen 4 C 564/12

Leitsatz:

2. Das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen ist gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) 261/2004 jedes, das den Flug ausführt, auszuführen beabsichtigt oder Einfluss auf die Flugdurchführung nehmen kann.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, für sich und ihren Ehemann einen Flug von Bremen über Paris nach Lissabon. Die Umsteigezeiten wurden von der Beklagten vorgegeben.

Der erste Flug nach Paris verspätete sich aufgrund von technischen Probleme. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden gegen deren Willen auf einen anderen Flug nach Paris umgebucht. Sie erreichten Lissabon mit einer Verspätung von rund fünf Stunden.

Aus diesem Grund fordert die Klägerin eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004. Die Beklagte weigert sich der Zahlung und sagt, nicht sie haben den Flug durchgeführt sondern ein Tochterunternehmen. Das Amtsgericht in Bremen hat der Klägerin die Ausgleichszahlung zugesprochen.

Nach Art. 2 Verordnung (EG) 261/2004 ist das den Flug ausführende Luftfahrtunternehmen jenes, welches den Flug tatsächlich ausführt oder die Möglichkeit hat den Flug zu beeinflussen. Den Flug hat eine Tochtergesellschaft der Beklagten ausgeführt, diese kann die Beklagte beeinflussen. Zudem hatte der Flug die Flugnummer der Beklagten.

AMTSGERICHT BREMEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

XY

Klägerin

Prozessbevollm.: RA Jan Bartholl, Berlin, zu ab/1041/12

gegen

Societe Air France S.A.‚ vertr.d.d. Präsident d. Verwaltungsrates Jean-Cyril Spinetta, Zeil 5. 60313 Frankfurt

Beklagte

Prozessbevollm.: RAe Urwantschky, Dangel, Borst 8. Partner, Neu-Ulm. zu 02-13-0350-1-SL-lm

Unterbevollm.: RAe Heitmann Schubert Nickelsen. Bremen

hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 18.10.2013 durch Richterin am Amtsgericht Marg für Recht erkannt:

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 06.02.2013 sowie 124,36 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

5. Die Klägerin verlangt Ausgleichszahlung nach der Verordnung EG Nr. 261/2004 (nachfolgend ‚.Verordnung“) wegen Flugverspätung. Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen.

6. Die Klägerin buchte gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Flug von Bremen über Paris nach Lissabon. Die Flugnummer des Fluges von Bremen nach Paris lautete AF 5529. Es handelte sich um einen (Rund-) Flugbeförderungsvertrag, der von der Beklagten angeboten und verkauft wurde. Es bestand kein Einfluss auf Umsteigezeiten. Diese wurden von der Beklagten festgelegt. Abflugzeit war am 21.08.2009 um 06.25 Uhr. Ankunftszeit in Lissabon sollte am 21.08.2009 um 10.25 Uhr sein. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K2 (Bl. 12 d. A.) und K3 (BI. 13 d. A.) zur Klagschrift Bezug genommen. Die Beförderung von Bremen nach Paris verzögerte sich aufgrund technischer Probleme, was die Klägerin und ihr Ehemann am Abflugtag am Check-in Schalter erfuhren. Es erfolgte gegen den Willen der Klägerin und ihres Ehemannes eine Umbuchung auf den Flug AF 1624 von Paris nach Lissabon. Sie erreichten Lissabon mit fünfstündiger Verspätung um 15.20 Uhr. Die Flugstrecke von Bremen nach Lissabon beträgt Großkreisentfernung 2.113 Kilometer.

7. Die Beklagte zahlte nach Aufforderung eine Ausgleichszahlung in Höhe von je 400.00 Euro nicht.

8. Der Ehemann der Klägerin trat seine Ansprüche an die Klägerin ab.

9. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte die Beklagte erneut erfolglos mit Schriftsatz vom 05.12.2012 zur Zahlung auf.

10. Die Klägerin beantragt.

11. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800.00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 124.36 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte behauptet, nicht passivlegitimiert zu sein, da ausführendes Unternehmen die ‚Regional‘ gewesen sei, eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Dies gehe auch aus den Buchungsunterlagen hervor.
Die Klägerin sei selbst dafür verantwortlich, dass ihre ursprüngliche Buchung eine sehr kurze Anschlusszeit vorgesehen hätte. So habe der Flug aus Bremen ursprünglich um 07.55 Uhr in Paris landen sollen und der Anschlussflug nach Lissabon bereits um 08.45 Uhr. Also 50 Minuten später, starten sollen.

15. Das Gericht hat die Klage der Beklagten am 05.02.2013 zugestellt.

Entscheidungsgründe:

16. Die zulässige Klage ist begründet.

17. Die Klägerin hat aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichzahlung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art. 6, 7 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 (nachfolgend nur noch „Verordnung“)‚ zuletzt bestätigt in der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 19.11.2009 – C-402/07, zuletzt bestätigt in der Entscheidung vom 13.10.2012. C-581/10. C-629/10 und 26.02.2013, C-11/11).

18. Die Beklagte ist passiv legitimiert. Die Beklagte ist ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne der Verordnung, Art. 2 b). Danach ist ausführendes Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn ausführendes Luftfahrtunternehmen ist danach die vor Ort anwesende Gesellschaft, die auch tatsächlich die Möglichkeit hat, die von der Verordnung vorgesehenen Betreuungs- und Unterstützungsleistung zu erbringen und auch Einfluss auf die organisatorischen Abläufe nehmen kann, um Stornierungen oder Flugverspätungen abzuwenden. Daran fehlt es beispielsweise im Falle eines Flugvermittlungsvertrages, in dem der Vertragspartner eine Flugleistung verkauft, den Flug jedoch selbst nicht durchführt und sich eines Dritten bedienen, auf den er weder tatsächlich noch rechtlich diese Einflussmöglichkeiten hat. Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor. Der Flug wurde unter der Flugnummer AF5529 (Bremen – Paris) und der Anschlussflug unter der Flugnummer AF 1324 (Paris – Lissabon) geführt und mit AIR FRANCE bezeichnet. Den Klägern wurde im Nachgang zu dem Flug über das Air France „Customer Care Europe“ eine Ausgleichszahlung abgelehnt. Ein Hinweis auf ein abweichendes Luftfahrtunternehmen oder ein Handeln im Namen der Tochtergesellschaft „Regional“ findet sich in dem Schreiben nicht. Erstmals im anhängigen Rechtsstreit wendet die Beklagte ein, nicht passiv legitimiert zu sein. Die Beklagte hat als Muttergesellschaft die Möglichkeit, Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft zu nehmen, um diese beispielsweise mit ausreichendem Personal oder auch den Erfordernissen ausreichender technischer Wartung auszustatten, damit die Flüge ordnungsgemäß und pünktlich wahrgenommen werden können.

19. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Iit. c) i.V.m. Art. 6, 7 Abs. 1 Iit. b) der Verordnung.

20. Der von der Klägerin und ihrem Ehemann gebuchte Flug von Bremen nach Paris wurde tatsächlich – wenn auch verspätet – durchgeführt. so dass eine Annullierung nicht vorliegt.

21. Sie haben aber einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gern. Art. 7 der Verordnung, weil sie später als 3 Stunden ihr Endziel erreichten.

22. Nach der Rechtsprechung des EuGH (aaO) sind die Artikel 5, 6, 7 der Verordnung „dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Artikel 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Flugs einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h.. wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zu Gunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann. dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

23. Diese Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch liegen hier vor.

24. Die Klägerin und ihr Ehemann erreichten das Endziel Lissabon mit fünfstündiger Verspätung. Dass diese Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, ist nicht erkennbar.

25. Die Beklagte kann nicht einwenden, dass die Klägerin und ihr Ehemann selbst zu verschulden haben. dass die Umsteigezeit in Paris zu knapp bemessen gewesen sei. Zum einen lässt sich nicht hinreichend sicher feststellen, dass die in Paris vorgesehene Umsteigezeit nicht ausreichend gewesen wäre. Zum anderen trifft die Klägerin kein Verschulden bei der vorgesehenen Umsteigezeit. Die Klägerin hatte keinen Einfluss auf die Umsteigezeit. Es liegt vielmehr im Verantwortungsbereich der Beklagten Anschlussflüge nur in angemessenem Zeitabstand anzubieten. Die Beförderung mit dem gebuchten Anschlussflug wurde von der Beklagten angeboten und war ohne weiteres buchbar.

26. Aufgrund der Entfernung von Bremen nach Lissabon sind gem. Art. 7 Abs. 1 b der Verordnung 400.00 €/Person zu zahlen.

27. Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten folgt aus Verzug.

28. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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