Erhebliche Flugverspätung auf Grund Verpassen des Anschlussfluges
LG Hamburg: Erhebliche Flugverspätung auf Grund Verpassen des Anschlussfluges
Flugreisende forderten in zweiter Instanz eine Ausgleichszahlung für ihre erhebliche Verspätung am Reiseziel, weil sie durch die Verspätung des Zubringerfluges den Anschluss verpassten.
Ihre Forderungen wurden zurückgewiesen, da die beklagte Fluggesellschaft nur den ersten der beiden Flüge durchgeführt hatte.
LG Hamburg | 320 S 41/15 (Aktenzeichen) |
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LG Hamburg: | LG Hamburg, Urt. vom 06.11.2015 |
Rechtsweg: | LG Hamburg, Urt. v. 06.11.2015, Az: 320 S 41/15 |
AG Hamburg, Urt. v. 12.02.2015, Az: 22a C 285/14 | |
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Leitsatz:
2. Ein Flugunternehmen kann für Ausgleichsleistungen für eine große Verspätung am Reiseziel nicht in Anspruch genommen werden, wenn es lediglich den ersten von zwei gebuchten Teilflügen geringfügig verspätet durchführt und die Verspätung auf dem Verpassen des von einer anderen Airline durchgeführten Anschlusses beruht.
Zusammenfassung:
3. Flugreisende erreichten ihr Reiseziel Fuerteventura mit einer 14-stündigen Verspätung, weil sie aufgrund der leichten Verspätung des Zubringers nach Las Palmas den Anschlussflug verpassten. Die beklagte Fluggesellschaft bestritt, dass die Verspätung des Zubringers kausal für das Verpassen des Anschlussfluges sei und behauptete, dass ungeachtet dessen gegen sie keine Ausgleichsansprüche bestünden, da der zweite Teilflug von einer anderen Fluggesellschaft durchgeführt worden war.
Das Amtsgericht Hamburg wies die Klage ab, wogegen die Kläger in Berufung gingen. Sie argumentierten damit, es sei für sie unerheblich, ob beide Flüge von einer Fluggesellschaft durchgeführt worden sein, da es für sie als schutzbedürftige Fluggäste allein auf die Verspätung am Endziel ankomme. Das Landgericht Hamburg folgte dieser Argumentation nicht. Tatsächlich fände der Schutz der Passagiere dort seine Grenzen, wo die Verantwortlichkeit der Fluggesellschaft ende. Vorliegend habe die Beklagte weder Einblick noch Einfluss hinsichtlich fremdausgeführter Flüge, für die sie Zubringer liefere. Die Beklagte hatte sich auch nicht durch Code-Sharing oder andere Vertragsbeziehungen des anderen Unternehmens bedient, um die Kläger zu befördern. Vielmehr war die Konstellation durch die Buchung durch einen Reiseveranstalter als Drittanbieter zustande gekommen. Daher wurde die Berufung zurückgewiesen.
Tenor:
4. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 12.02.2015, Az. 22a C 285/14, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.
Dieses Urteil sowie das angegriffene Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
5. Die Kläger machen gegen die Beklagte, eine Fluggesellschaft, Ausgleichsansprüche aufgrund Art. 7 der Verordnung EG Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung, im Folgenden: Verordnung) geltend.
6. Die Kläger, ein Ehepaar und dessen zwei minderjährige Töchter, buchten bei der T. D. GmbH eine Pauschalreise über Las Palmas nach Fuerteventura für den Zeitraum vom 22.06.2012 bis zum 12.07.2012. Der Flug von Hamburg nach Las Palmas wurde von der Beklagten durchgeführt, er sollte um 12:40 Uhr starten und um 16:30 Uhr in Las Palmas landen. Im Anschluss sollten die Kläger mit der Fluggesellschaft B. C. um 17:30 Uhr weiter nach Fuerteventura fliegen.
7. Der von der Beklagten durchgeführte Zubringerflug nach Las Palmas war verspätet. Die Verspätung beruhte nicht auf außergewöhnlichen Umständen. Die Kläger erreichten den Anschlussflug nach Fuerteventura nicht, wodurch sich die Ankunft in Fuerteventura um etwa 14 Stunden verzögerte.
8. Die Kläger haben behauptet, der Flug sei etwa 10 Minuten zu spät gelandet, erst um 16:50 Uhr, also 20 Minuten später, wäre es möglich gewesen, das Flugzeug zu verlassen. Dadurch hätten sie den Anschlussflug verpasst. Zwar hätten sie um 17:00 Uhr, mithin vor Abflug des Anschlussfluges, den Check-In-Schalter erreicht. Der Schalter sei jedoch schon geschlossen gewesen. Da der Weg zum Check-In etwa 12 Minuten in Anspruch nehme, sei ein rechtzeitiges Erreichen unmöglich gewesen.
9. Die Kläger haben gemeint, nach Sinn und Zweck der Verordnung könne es nicht darauf ankommen, dass beide Flüge von der gleichen Fluggesellschaft ausgeführt werden. Für die Reisenden sei dies irrelevant, da ihnen in beiden Fällen Unannehmlichkeiten entstünden.
10. Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an jeden Kläger 400,00 €, mithin insgesamt 1600,00 €, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 17.05.2014 zu zahlen.
11. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
12. Die Beklagte hat vorgetragen, der Flug sei um 16:40 Uhr gelandet, die Türen seien um 16:45 Uhr geöffnet worden. Die Verspätung sei nicht kausal für das Verpassen des Anschlussfluges, da die Zeit für das Erreichen des Check-Ins ausgereicht hätte. Der Weg dorthin nehme zwar unter normalen Umständen etwa 12 Minuten in Anspruch, sei aber mit der gebotenen Eile auch in 6-8 Minuten zu schaffen. Die Beklagte hat zudem behauptet, der Anschlussflug sei ebenfalls um 10 Minuten verspätet gewesen.
13. Die Beklagte hat gemeint, auch wenn die Verspätung kausal gewesen wäre, stünden den Klägern keine Ansprüche zu. Das Verpassen des Anschlussfluges könne keine Ersatzansprüche gegen sie auslösen, da der Anschlussflug von einer anderen Fluggesellschaft ausgeführt worden sei, auf die sie keinen Einfluss habe.
14. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
15. Mit Urteil vom 12.02.2015, den Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 02.03.2015, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, den Klägern stünde ein Ausgleichsanspruch nicht zu. Die Beklagte habe die Verspätung am Endziel nicht zu verantworten. Die Planung des Gesamtfluges sowie dies Ausführung des Anschlussfluges habe nicht in den Händen der Beklagten gelegen, sondern sei von der T. D. GmbH organisiert worden. Es entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Verordnung, in derartigen Fällen einen Ausgleichsanspruch anzuerkennen, auch sei dies nicht aufgrund der Rechtsprechung von EuGH und BGH geboten. Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass für eine Haftung jedenfalls erforderlich sei, dass die Fluggesellschaft die Verspätung zu verantworten habe. Auf die ungeklärte Frage nach der Kausalität der Verspätung für das Verpassen des Anschlussfluges komme es daher nicht an.
16. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 27.3.2015 eingelegte und am 30.4.2015 begründete Berufung der Kläger. Die Kläger halten an ihrer Auffassung fest, dass aufgrund Art. 7 der Verordnung den Klägern ein Ausgleichsanspruch zustehe. Zum Schutz der Reisenden sei eine solche Ausgleichsleistung auch dann geboten, wenn Zubringer- und Anschlussflug nicht von der gleichen Fluggesellschaft, sondern von unterschiedlichen Gesellschaften ausgeführt würden. Schließlich seien die Auswirkungen für die Reisenden in beiden Fällen gleich. Eine Zuordnung des Verspätungsrisikos zur Risikosphäre der Reisenden sei verfehlt. Nur die Fluggesellschaft, nicht der Reisende, könne die Planung des Reiseveranstalters beurteilen und auf diese Einfluss nehmen.
17. Die Verspätung des Zubringerfluges sei auch kausal für das Verpassen des Anschlussfluges gewesen.
das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 12.02.2015, Az. 22a C 285/14, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an jeden Kläger 400,00 €, insgesamt also 1600,00 €, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 17.05.2014 zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
20. Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie meint, das Amtsgericht habe das Verspätungsrisiko korrekt beurteilt und sei richtigerweise zu dem Schluss gelangt, dass dieses nicht der Beklagten auferlegt werden könne. Die Kläger hätten vielmehr Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter, sie seien somit auch nicht rechtlos gestellt.
21. Die Verspätung sei zudem nicht kausal für das Verpassen des Anschlussfluges, da dieser mit der gebotenen Eile noch hätte erreicht werden können.
22. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2015 Bezug genommen.
II.
23. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
24. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung aufgrund der Verspätung des von der Beklagten durchgeführten Fluges nach Las Palmas oder aufgrund der verspäteten Ankunft am Endziel auf Fuerteventura.
1.
25. Den Klägern steht ein Anspruch ungeachtet der Frage, ob die Verspätung des Zubringerfluges für das Verpassen des Anschlussfluges kausal war, nicht zu.
26. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19.11.2009, Rs C-402/07 Sturgeon; Urteil vom 23.10.20012, Rs C-581/10 Nelson) steht eine Verspätung nur dann einer Annulierung gleich mit der Folge, dass auch für derartige Verspätungen eine Entschädigung nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung gefordert werden kann, wenn die Verspätung von drei Stunden oder mehr beträgt.
a)
27. Ein Anspruch folgt nicht aus der Verspätung des von der Beklagten ausgeführten Fluges, da dieser Flug unstreitig nur höchstens 20 Minuten verspätet war. Entscheidender Zeitpunkt für die Berechnung der Verspätung ist das Öffnen der Flugzeugtüren und die damit einhergehende Möglichkeit der Fluggäste, das Flugzeug tatsächlich zu verlassen (EuGH, Urteil vom 04.09.2014 Rs. C-452/13 Germanwings), was hier nach dem Vortrag der Kläger um 16:50 Uhr geschah, nach jenem der Beklagten bereits um 16:45 Uhr.
b)
28. Aus der Gesamtverspätung von 14 Stunden bis zum Erreichen des Endziels aufgrund des verpassten Anschlussfluges können die Kläger ebenfalls keinen Anspruch ableiten. Die Beklagte muss für diese Verspätung nicht einstehen.
aa)
29. Aus dem Wortlaut der Verordnung ergibt sich eine Ausgleichspflicht der Beklagten nicht.
30. Der Wortlaut der Verordnung ist insoweit unergiebig.
bb)
31. Eine Ausgleichspflicht ergibt sich auch nicht direkt aus der Rechtsprechung des EuGH sowie des BGH zur Problematik der aufgrund eines weniger als drei Stunden verspäteten Zubringerfluges entstandenen Verspätung von drei Stunden oder mehr am Endziel.
32. Hierzu hat der EuGH (Urteil vom 26.02.2013 Rs C-11/11 Folkerts) entschieden, dass es entscheidend auf die Verspätung am Endziel ankomme. Wenn diese deshalb bei drei Stunden oder mehr liege, weil der Fluggast durch einen weniger als drei Stunden verspäteten Zubringerflug den Anschlussflug verpasst, so habe der Fluggast gegen die Fluggesellschaft dennoch einen Ausgleichsanspruch. Dieser Auffassung hat sich der BGH (Urteil vom 07.05.2013, X ZR 127/11) angeschlossen.
33. Die dort entschiedenen Fälle behandeln jedoch die Konstellation, dass Zubringer- und Anschlussflug von der gleichen Fluggesellschaft erbracht werden, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
34. Eine Fallkonstellation wie die hier vorliegende ist vielmehr von BGH und EuGH bisher, soweit ersichtlich, nicht entschieden worden.
cc)
35. Die Gewährung einer Ausgleichszahlung ist auch nicht nach Sinn und Zweck der Verordnung geboten.
36. Zwar dient die Verordnung dem Schutz der Reisenden. Dieser hat selbst keinerlei Möglichkeiten, eine Verspätung seines Fluges zu verhindern, da Planung und Ausführung der Flugverbindung vollständig in der Hand der Fluggesellschaft liegen.
37. Dementsprechend ist es das Ziel der Verordnung, dem Reisenden einen Ausgleich für die Unannehmlichkeiten zu gewähren, die nach der in Erwägungsgrund Nr. 2 der Verordnung niedergelegten Überzeugung des europäischen Gesetzgebers insbesondere bei Nichtbeförderung, großer Verspätung oder Annullierung von Flügen auftreten. Nach Erwägungsgrund Nr. 1 der Verordnung ist es das allgemeine Ziel der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, gemäß Erwägungsgrund Nr. 4 der Verordnung die Schutzstandards zu erhöhen und Fluggastrechte zu stärken. Der EuGH hat daher in den oben genannten Entscheidungen Sturgeon und Nelson auch einen Ausgleichsanspruch für verspätete Flüge aus der Verordnung hergeleitet. Zudem führte der EuGH im Folkerts- sowie im Nelson-Urteil aus, dass die Bedeutung des Verbraucherschutzes auch beträchtliche wirtschaftliche Folgen für Wirtschaftsteilnehmer rechtfertige.
38. Der Schutz des Reisenden ist jedoch auch nach Sinn und Zweck der Verordnung nicht schrankenlos gewährleistet. Der Schutz findet seine Grenzen vielmehr dort, wo die Verantwortlichkeit der Fluggesellschaft endet.
39. Zwar tritt die Haftung grundsätzlich verschuldensunabhängig ein. Schon aus dem Wortlaut der Verordnung ergibt sich aber, dass eine Haftung der Fluggesellschaft entfallen kann. Dies ist nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung der Fall, wenn ein Vorkommnis auch bei Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen nicht hätte verhindert werden können. Dies belastet die Fluggesellschaft zwar mit der Haftung für Zufälle, gleichwohl aber nur für solche, die in ihrer Risikosphäre liegen. Das Risiko für Probleme, die außerhalb ihrer Sphäre liegen, wird ihr nicht auferlegt. Der Erwägungsgrund Nr. 14 der Verordnung nennt für den Ausschluss der Haftung nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung beispielhaft Umstände wie etwa Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken oder Streiks. An diesen Grundsätzen orientiert, sind somit auch alle anderen Umstände ausgeschlossen, auf welche die ausführende Fluggesellschaft keinen Einfluss hat.
40. Die Haftung muss daher erst recht ausgeschlossen sein, wenn der Anschlussflug von einer anderen Fluggesellschaft ausgeführt wird (so auch LG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.07.2012, 2-24 S 21/12; RRa 2013, S. 133). Denn auf die Planung der Gesamtflugstrecke wie auch die Modalitäten der Durchführung des Anschlussfluges hat die den Zubringerflug durchführende Fluggesellschaft ebenso wenig Einfluss, wie auf die im Erwägungsgrund Nr. 14 der Verordnung genannten Fälle. Hier auftretende Fehler, insbesondere aufgrund mangelhafter Koordination der verschiedenen Flüge, sind jeweils demjenigen anzulasten, der die Koordination übernommen hat. Eine pauschale Zuweisung der Verantwortlichkeit an die Fluggesellschaft des Zubringerfluges ist nicht sachgerecht, auch wenn die Verspätung des Zubringerfluges letztendlich kausal für das Verpassen des Anschlussfluges war. Die Zuweisung hat vielmehr nach den jeweiligen Risikosphären zu erfolgen. Die Verspätung ist lediglich die zeitlich letzte von mehreren Ursachen, die jeweils kausal zum Verpassen des Anschlussfluges geführt haben.
41. Insoweit ist es die Besonderheit der hier vorliegenden Problematik, dass ein Reiseveranstalter die Gesamtflugreise auf zwei Flüge aufgeteilt hat, die von verschiedenen Fluggesellschaften ausgeführt wurden.
42. Die hier vorliegende Konstellation ist daher nicht vergleichbar mit der von BGH und EuGH entschiedenen Problematik der Anschlussflüge. Sinn und Zweck der Verordnung gebieten es in den dort entschiedenen Fällen, den Reisenden vor einer Umgehung seiner Rechte zu schützen. Diese wäre etwa durch eine willkürliche Aufteilung der Gesamtflugstrecken in Einzelflüge möglich. Wenn dasselbe Flugzeug einen Zwischenstopp einlegt, wäre nämlich von einem Flug auszugehen, sodass bei verspäteter Ankunft eine Ausgleichspflicht bestünde. Diese könnte aber dadurch umgangen werden, dass die Fluggesellschaft bei jedem Zwischenstopp ein anderes Flugzeug als Anschlussflug einsetzt, mit der Folge, dass die bisher angefallene Verspätungszeit verfällt. Auf diese Weise könnten beide Flüge leicht unter drei Stunden, insgesamt also um fast sechs Stunden verspätet sein, ohne einen Ausgleichsanspruch auszulösen.
43. Eine solche Gefahr droht im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht. Die Beklagte war von vornherein nur mit der Erbringung einer Teilflugstrecke betraut, die Einschaltung der B. C. für den Anschlussflug ging nicht auf sie zurück. Die Beklagte hatte auch keinen Einfluss auf diese Planung des Anschlussfluges. Denn die Planung der Gesamtstrecke und die Beauftragung der B. C. wurden vom Reiseveranstalter durchgeführt.
44. Ebenfalls ist der hier zu entscheidende Fall nicht nach den Grundsätzen zu lösen, die der Erwägungsgrund Nr. 7 der Verordnung nennt. Dort heißt es, die Verpflichtungen des Luftfahrtunternehmens seien unabhängig davon, ob das Unternehmen den Flug mit einem eigenen oder einem gemieteten Luftfahrzeug durchführt. Hier hat sich jedoch nicht die Beklagte der B. C. zur Ausführung des Anschlussfluges bedient, vielmehr wurde diese vom Reiseveranstalter beauftragt.
45. Auch lag kein Fall des so genannten Code-Sharing vor, bei dem eine Fluggesellschaft eine Teilstrecke unter eigenem Namen anbietet, die tatsächlich aber von einer anderen Fluggesellschaft ausgeführt wird, wobei dann erstere für Verspätungen einzustehen hat (AG Rüsselsheim, Urteil vom 18.06.2014, 3 C 3947/13). Denn ausweislich der Buchungsbestätigung (Anlage K1) wird die B. C. ausdrücklich als Fluggesellschaft für den Anschlussflug genannt, nicht aber die Beklagte.
46. Der Verweis der Kläger auf das Urteil des EuGH vom 04.10.2012 C-321/11 führt zu keiner anderen Beurteilung, da der dortige Sachverhalt nicht dem vorliegenden entspricht. Dem Urteil des EuGH lag eine Buchung für einen Flug zugrunde, der wiederum in zwei Teilstrecken aufgeteilt war. Beide wurden jedoch von derselben Fluggesellschaft ausgeführt. Aufgrund der Verspätung des Zubringerfluges annullierte die Fluggesellschaft den Anschlussflug für die Kläger. Im vorliegenden Fall wurden die beiden Flüge aber gerade nicht von derselben Fluggesellschaft durchgeführt.
47. Schließlich geht auch der Hinweis der Kläger auf das Urteil des AG Köln vom 18.03.2014, 137 C 334/13 fehl, weil sich der dort entschiedene Sachverhalt ebenfalls von dem hier vorliegenden unterscheidet. Das AG Köln hatte über die Frage zu entscheiden, ob Ansprüche gegen die Fluggesellschaft des nicht verspäteten Anschlussfluges bestehen. Dies ist unstreitig nicht der Fall. Zur Haftung der Fluggesellschaft des Zubringerfluges äußert sich das AG Köln nicht, weil diese Frage nicht zur Entscheidung anstand.
cc)
48. Die hier vertretene Rechtsauffassung bürdet das Risiko für derartige Verspätungen zwar dem Fluggast auf, aber das ist im Verhältnis zur Fluggesellschaft des Zubringerfluges nicht unbillig. Der Fluggast hat jedenfalls nicht weniger Möglichkeiten, auf den Ablauf der Flugreise Einfluss zu nehmen, als die Fluggesellschaft.
49. Der Fluggast verfügt aufgrund seiner Reiseunterlagen selbst über Kenntnisse zu der geplanten Verbindung Er kann somit Probleme in der Planung der Flugverbindungen erkennen und hat daher, wenn auch geringe, Möglichkeiten, etwa den Reiseveranstalter auf diese Probleme hinzuweisen und somit im Vorfeld auf eine bessere Planung hinzuwirken. Dass der Reiseveranstalter auf einen solchen Hinweis nicht zu einer Planungsanpassung verpflichtet ist, ändert nichts an der Möglichkeit, dass eine Anpassung erfolgen kann.
50. Der Fluggesellschaft ist jedenfalls nicht besser in der Lage, diese Fehlplanungen zu erkennen und eine Änderung zu erreichen. Denn der Fluggesellschaft müsste zunächst im Einzelnen bekannt sein, für welche Reisenden ihr Flug ein Zubringerflug ist und weiter, wann die jeweiligen Anschlussflüge planmäßig abfliegen oder die betreffenden Check-In-Schalter schließen. Selbst bei Kenntnis dieser Umstände und der Erkennbarkeit problematischer Flugplanungen ist der Reiseveranstalter aber auch der Fluggesellschaft gegenüber nicht zu einer Änderung verpflichtet, ebenso wenig kann die Fluggesellschaft des Zubringerfluges auf diejenige des Anschlussfluges einwirken.
51. Diese Möglichkeit des Reisenden, auf Fehlplanungen hinzuweisen, stellt dabei keinesfalls eine Pflicht oder Obliegenheit des Reisenden aus dem Reisevertrag dar. Vielmehr darf der Reisende insoweit auf die Planung des Reiseveranstalters und pünktliche Flüge vertrauen. Jedoch wird ersichtlich, dass er jedenfalls gegenüber der Fluggesellschaft nicht an Wissen und Handlungsmöglichkeiten unterlegen ist, was wenigstens nötig wäre, um der Fluggesellschaft die Haftung für Umstände außerhalb ihrer Risikosphäre aufzubürden.
dd)
52. Durch diese Sichtweise wird der Fluggast auch nicht schutzlos gestellt, da ihm Gewährleistungsrechte gegenüber dem Reiseveranstalter zustehen könnten.
53. Zwar trägt der Fluggast bei der Beförderung durch zwei unterschiedliche Fluggesellschaften zunächst das Verspätungsrisiko, also das Risiko einer Verspätung des Zubringerfluges und des dadurch verursachten Verpassens des Anschlussfluges. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es ausschließlich um Ansprüche in Anwendung der Verordnung, mithin im Verhältnis des Fluggastes zur Fluggesellschaft des Zubringerfluges. Eine Risikobetrachtung, die allein dieses Rechtsverhältnis in den Blick nähme, wäre jedoch verkürzt. Entscheidend kommt es vielmehr auf eine Gesamtbetrachtung der Rechtsverhältnisse zwischen allen Beteiligten dieser Flugreise an. Im Rahmen dieses Rechtsstreites kann zwar lediglich über den Ausgleichsanspruch entschieden werden, dadurch wird aber keine Aussage über Risikoverteilung und Haftung im Verhältnis zwischen dem Fluggast und Dritten getroffen, insbesondere im Verhältnis zum Reiseveranstalter.
54. Der Fluggast kann nämlich bei ihm eingetretene Vermögensschäden, die aus der Verspätung resultieren, gegen den Reiseveranstalter geltend machen. Voraussetzung dafür ist, was hier nicht zu entscheiden ist, dass dieser seine Pflichten aus dem Reisevertrag verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung liegt aber immer dann nahe, wenn die Planung der Gesamtstrecke, die insbesondere auch die zeitliche Koordination zwischen den einzelnen Zubringer- und Anschlussflügen für die jeweiligen Teilstrecken umfasst, mit unzureichenden zeitlichen Abständen ausgearbeitet wurde. Kleinere Verspätungen, gerade im Rahmen der hier vorliegenden 10 bis 20 Minuten, kommen im Alltag unvermeidlich immer wieder vor und sind dementsprechend für den Reiseveranstalter auch vorhersehbar.
2.
55. Da ein Ausgleichsanspruch grundsätzlich nicht besteht, kommt es auf die Frage der Kausalität nicht an.
3.
56. Mit dem Hauptanspruch entfallen die Nebenforderungen.
III.
57. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
58. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Frage, ob nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ein Ausgleichsanspruch auch besteht, wenn die Verspätung am Endziel aufgrund zweier Flüge von unterschiedlichen Fluggesellschaften entstanden ist, hat grundsätzliche Bedeutung.
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