Ausgleichszahlung bei Verpassen Anschlussflug

AG Hamburg-Harburg: Ausgleichszahlung bei Verpassen Anschlussflug

Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung eines Ausgleiches wegen Nichtbeförderung in Anspruch. Der Reisegast buchte einen Flug von St. Petersburg nach Hamburg mit Zwischenstopp in Paris. Auf Grund einer Verzögerung beim Boarding am Flughafen in St. Petersburg, konnte der Reisegast seinen Weiterflug von Paris nach Hamburg, erst 5 Minuten vor Abflug erreichen. Die Fluggesellschaft verweigerte die Weiterbeförderung, da der Reisegast sich erst so spät beim Boarding für den Flug von Paris nach Hamburg eingefunden hat.
Das Gericht entschied, dass dem Reisegast eine Entschädigung zusteht, da er eine Gesamtstrecke von St. Petersburg nach Hamburg gebucht hat.  Die Reise an sich wird durch die Zwischenlandung in Paris nicht unterbrochen. Der Reisende haftet auch nicht für eine verspätete Landung des Flugzeuges.

AG Hamburg-Harburg 14 C 248/06 (Aktenzeichen)
AG Hamburg-Harburg: AG Hamburg-Harburg, Urt. vom 05.12.2006
Rechtsweg: AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 05.12.2006, Az: 14 C 248/06
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Amtsgericht Hamburg-Harburg

1. Urteil vom 05. 12. 2006

Aktenzeichen: 14 C 248/06

Leitsatz:

2. Wird eine Flug, durch mehrere Zwischstops unterteilt handelt es sich immer noch um einen Gesamtflug.

 Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger eine Flugreise von Hamburg über Paris nach St. Petersburg. Am Rückreisetag fand sich der Kläger bereits 1,5 Stunden vor dem Abflug am Abfertigungsschalter ein.  Der Flug von St. Petersburg startete mit Verspätung, da es bei Boarding Probleme gab. Durch diese Verspätung kam der Kläger erst 5 Minuten vor seinem Anschlussflug Paris – Hamburg am Pariser Flughafen an. Dieser Weiterflug musste ohne ihn starten.  Die Fluggesellschaft verweigerte ihn nämlich die Weiterbeförderung, da er sich erst so spät beim Boarding nach Hamburg eingefunden hat.  Der Kläger bekam eine Umbuchung für den Folgetag und Hotelgutscheine für 1 Nacht. Am Folgetag konnte der Kläger seine Reise nach Hamburg von Paris fortsetzten. Der Kläger erhebt Anspruch auf Zahlung eines Ausgleiches gegenüber der Fluggesellschaft aufgrund der Nichtbeförderung.
Das Gericht entschied die Klage zuzulassen. Der Kläger besaß ein gültiges Ticket von St. Petersburg nach Hamburg.  Dem Kläger war es auch nicht möglich noch früher am Boardingschalter in Paris zu sein, da der Flug mit Verspätung landete. Eine Nichtbeförderung ist gegeben, da der Kläger nicht für die Probleme beim Boarding haftbar gemacht werden kann und er sich auch zeitig am Abfertigungsschalter in St. Petersburg eingefunden hatte.  Die Strecke St. Petersburg – Hamburg wurde auch als Gesamtstrecke gebucht und wird nicht durch den Zwischenstopp in Paris unterbrochen.

Tatbestand:

4. Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung eines Ausgleichs nach Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: VO) wegen Nichtbeförderung im Rahmen eines Luftbeförderungsvertrages in Höhe von jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen, sowie Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten nebst Zinsen.“

5. Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Hin- und Rückflug von Hamburg nach St. Petersburg, jeweils mit Umsteigen in Paris.

6. Der Hinflug erfolgte planmäßig am 30.09.2005.

7. Der Rückflug war für den 03.10.2005 um 16:20 Uhr von St. Petersburg mit Ankunft in Paris um 17:50 Uhr und Weiterflug nach Hamburg um 18:35 Uhr mit Ankunft in Hamburg um 20:10 Uhr angesetzt.

8. Jedoch verzögerte sich der Abflug in St. Petersburg auf Grund von Problemen beim Boarding um ca. eine halbe Stunde, wobei sich die Kläger zuvor ca. 1 1/2 Stunden vor dem geplanten Abflugzeitpunkt am Abfertigungsschalter eingefunden hatten.

9. Auf Grund dieser Verzögerung landete die Maschine des Fluges AF 2699 aus St. Petersburg auf dem Flughafen Paris gegen 18:30 Uhr und somit ca. fünf Minuten vor Abflug des Anschlussfluges AF 2510, so dass die Kläger den Anschlussflug nicht erreichten.

10. Unmittelbar nach der Landung wurden die Kläger am Gate von einem Mitarbeiter der Beklagten empfangen und ihnen wurden neue Bordkarten für den nächst möglichen Flug mit der Nummer AF 1410 nach Hamburg am darauf folgenden Morgen und Gutscheine für die Hotelübernachtung inklusive Verpflegung ausgehändigt. Schließlich erfolgte die Beförderung der Kläger mit dem Flug AF 1410 am darauf folgenden Morgen von Paris nach Hamburg, wo sie zwischen 09:00 Uhr und 09:30 Uhr landeten.

11. Die Kläger forderten die Beklagte mehrmals zur Zahlung eines Ausgleichs für die Nichtbeförderung auf.

12. Die dafür am 16.05.2006 durch die Kläger bis zum 31.05.2006 gesetzte Frist ließ die Beklagte fruchtlos verstreichen; stattdessen wurden den Klägern Gutscheine durch die Beklagte zugesandt.

13. Auch die daraufhin beauftragte Prozessbevollmächtigte der Kläger forderte die Beklagte am 29.06.2006 vergeblich unter Fristsetzung bis zum 17.07.2006 zur Zahlung des Ausgleichs und Begleichung der entstandenen Rechtsanwaltsgebühren auf.

14. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Nichtbeförderung i.S.v. Art. 2 lit. j VO und Art. 4 VO und damit die Voraussetzung für die Zubilligung einer Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 VO nicht vorlägen, da sich die Kläger nicht 45 Minuten vor dem Abflug von Paris nach Hamburg bei der Abfertigung einfanden.

15. Des Weiteren stellt die Beklagte in ihrem Vorbringen auf den Flugabschnitt St. Petersburg – Paris ab, wobei sie in der dort aufgetretenen Verzögerung keine rechtlich relevante Verspätung sieht. Auch sei die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ihrem Sinn nach nur auf Nichtbeförderungen, verursacht durch die Überbuchung durch das Luftfahrtunternehmen, anwendbar, der Flug aber unbestritten nicht überbucht gewesen.

Entscheidungsgründe:

16. Die zulässige Klage ist begründet.

17. Die Kläger haben einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von je 400,- EUR gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 4 Abs. 3 VO und einen Anspruch auf Ersatz der Verzugskosten in Höhe der nicht auf das Klageverfahren anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten.

18. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 findet Anwendung.

19. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sich die Kläger nicht 45 Minuten vor Abflug des Anschlussfluges zu dessen Abfertigung einfanden. Insbesondere kann die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegende Verspätung des ersten Fluges nicht gegen die Anwendbarkeit der Verordnung angeführt werden, weil es den Klägern gerade auf Grund der Verspätung des Zubringerfluges nach Paris nicht möglich war, rechtzeitig zur Abfertigung für den Weiterflug zu erscheinen.

20. Es ist von einer einheitlichen Flugbuchung auszugehen, insbesondere auch auf Grund der Ausstellung der Bordkarten für die gesamte Flugstrecke bereits in St. Petersburg (vgl. dazu auch AG Hamburg, RRa 2006, 135 n.rkr.). Dort waren die Kläger ca. eineinhalb Stunden vor der geplanten Abflugzeit an dem Abfertigungsschalter und damit rechtzeitig i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. a VO erschienen.

21. Außerdem gilt die Verordnung gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. b VO auch dann, wenn Fluggäste von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt werden. Vorliegend kam es zur Umbuchung der Kläger auf den nächst möglichen Flug AF 1410 nach Hamburg durch das Luftfahrtunternehmen, obwohl die Fluggäste eine Buchung für den Flug AF 2510 besaßen.

22. Auf Gründe für die Verlegung kommt es dabei nicht an.

23. Die Voraussetzungen der Nichtbeförderung liegen vor. Laut Art. 2 lit. j VO ist darunter die Weigerung zu verstehen, die Fluggäste zu befördern.

24. Erfasst werden nicht lediglich nur die Nichtbeförderungen, die auf eine Überbuchung zurückzuführen sind. Für diese Fälle stellen Art. 4 Abs. 1 und 2 VO spezielle Regelungen auf. Bei einer Nichtbeförderung aus anderen Gründen als einer Überbuchung greift Art. 4 Abs. 3 VO ein (vgl. Schmid, NJW 2006, 1841, 1842). Nur durch die Erstreckung des Schutzes der Verordnung auf Fluggäste, die aus anderen Gründen nicht befördert werden, kann das hohe Schutzniveau für Reisende und ein umfassender Verbraucherschutz, wie es der Erwägungsgrund (1) der Verordnung fordert, sichergestellt werden. Des Weiteren verweist Art. 2 lit. j VO auf die in Art. 3 Abs. 2 VOgenannten Bedingungen. Im Rahmen dieser für die Anwendbarkeit der Verordnung entscheidenden Bedingungen ist nach Art. 3 Abs. 2 lit. b VO der Grund für eine Verlegung der Passagiere durch das Luftfahrtunternehmen auf einen anderen Flug unbeachtlich. Auch das spricht dafür, dass es neben der Überbuchung noch weitere Gründe für eine Nichtbeförderung geben kann.

25. Eine Nichtbeförderung der Kläger im Sinne von Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 lit. j VO lag vor, als die Kläger auf Grund der Verzögerung des Zubringerfluges ihren Anschlussflug AF 2510 nach Hamburg verpassten und sie ihr Endziel erst am nächsten Morgen mit dem Flug AF 1410 erreichten. Das Endziel ist nach Art. 2 lit. h VO der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges und damit im vorliegenden Fall Hamburg. Bereits in St. Petersburg erhielten die Kläger die Bordkarten für den gesamten Flug, so dass dieser auch in seiner Gesamtheit hätte erbracht werden müssen, was jedoch nicht geschah.

26. Die Beförderung am nächsten Tag und Ankunft in Hamburg zwischen 09:00 und 09:30 Uhr stellt auch keine Verspätung des gesamten Fluges i.S.v. Art. 6 VO dar.

27. Eine Nichtbeförderung ist kein besonderer Fall der Verspätung. Das gilt auch dann, wenn der Fluggast zu einem späteren Zeitpunkt mit einem anderen Flug befördert wird und verspätet am Zielort ankommt. Durch die Bestätigung eines Fluges kommt es zur Konkretisierung der vereinbarten Beförderungsleistung, so dass die Beförderung durch einen anderen als den gebuchten Flug eine Ersatzbeförderung und damit ein Aliud darstellt (vgl. Schmid, ZLW 2005, 373, 376; ders., RRa 2004, 198, 202 m. w. N.).

28. Mithin kann bei der Beurteilung des Vorliegens eines Anspruches aus der Verordnung auch nicht lediglich nur auf den ersten Flugabschnitt von St. Petersburg nach Paris und dabei nur auf dessen halbstündige Verspätung abgestellt werden. Wie bereits festgestellt, ist von einem einheitlichen Flug von St. Petersburg nach Hamburg auszugehen, bei dem Hamburg das Endziel darstellt und zu dem die Kläger am Reisetag nicht befördert wurden.

29. Da es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um ein absolutes Fixgeschäft handelt (BGH, NJW 1973, 318; NJW 1979, 495; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 930; OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1997, 1136 st. Rspr.; Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), Kap. 13 a, Rn. 61), schuldet der Luftfrachtführer die Beförderung auch zur vereinbarten Zeit. Es spielt keine Rolle, wo es zu der Nichtbeförderung gekommen ist, denn es ist allein entscheidend, dass das Endziel nicht erreicht wurde (vgl. auch AG Hamburg, RRa 2006, 135 [n.rkr.])

30. Vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung liegen nicht vor, so dass die Haftung auch nicht entfallen kann. Die Beklagten behaupten, dass es zu der Verzögerung in St. Petersburg auf Grund des Verlustes einer Bordkarte eines anderen Passagiers kam, was den Boarding-Vorgang verzögerte. Unzureichende Reiseunterlagen können zwar zur Ablehnung der Beförderung des Fluggastes selbst führen (vgl. Staudinger, NJW 2004, 1897, 1898). Jedoch kann darin kein Grund für eine Freizeichnung des Luftfahrtunternehmens für Verzögerungen, die letztendlich z. B. zur Nichtbeförderung anderer Fluggäste führen, gesehen werden.

31. Verzögerungen innerhalb von Flugplänen können gerade beim Betrieb eines Drehkreuzes, der dabei geplanten zügigen Abwicklung des Flugverkehrs und der damit verbundenen kurzen Zeit, die den Fluggästen für das Umsteigen zur Verfügung steht, zu Zeitproblemen bis hin zum Verpassen der Anschlussflüge führen. Diese Schwierigkeiten liegen dann jedoch nicht im Verantwortungsbereich der Fluggäste und können auch zu keinem Ausschluss der Haftung des Luftfahrtunternehmens führen.

32. Für die Ausgleichszahlung in Form von Reisegutscheinen fehlt es am schriftlichen Einverständnis der Kläger.

33. Die Kläger haben des Weiteren gemäß §§280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB Anspruch auf Ersatz des durch den Verzug der Beklagen entstandenen Schadens, da sich die Beklagte spätestens seit dem 01.06.2006 im Verzug befand.

34. Der Schaden besteht in den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die nach der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung des RVG gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 des VV zum RVG jedoch zur Hälfte, höchstens jedoch i.H.v. 0,75 Geschäftsgebühren auf das nachfolgende Gerichtsverfahren angerechnet werden, so dass ein Verzugsschaden in Höhe von 87,29 EUR verbleibt.

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