Verpasster Anschlußflug

AG Köln: Verpasster Anschlußflug

Eine Reisende erfuhr, dass ihr Zubringerflug verspätet starten würde. Um ihren Anschlussflug nicht zu verpassen, buchte sie einen Ersatzflug bei einer anderen Airline. Die Kosten für den ursprünglichen, nicht genutzen Flug, verlangt sie nun von der Gesellschaft erstattet.

Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Ein Ersatzanspruch sei durch die freiwillige Ersatzbuchung der Klägerin nicht entstanden.

AG Köln 111 C 127/07 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 12.07.2007
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 12.07.2007, Az: 111 C 127/07
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Amtgericht Köln

1. Urteil vom 12. Juli 2007

Aktenzeichen: 111 C 127/07

Leitsätze:

2. Bei einer erheblichen Abflugverspätung besteht ein Anspruch gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunernehmen auf Betreuungsleistungen sowie auf eine Erstattung oder anderweitige Beförderung, jedoch kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.(Rn.22)

Die Umbuchung der Flugroute zum Zielort stellt keine Nichtbeförderung bzw. keine Weigerung dar, den Fluggast mit dem ursprünglich gebuchten und stattfindenden Flug zu befördern.(Rn.24)

Art. 6 VO (EG) 261/04 erfasst nur Verspätungen der Abflugzeit, nicht der Ankunftszeit, so dass keine Überschneidungen zwischen einer Verspätung und einer Annullierung bestehen und ein verspäteter Flug nicht gleichzeitig als verspätet und annulliert zu betrachten ist.(Rn.25)

 Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einer Airline einen zweiteiligen Linienflug. Als sie erfuhr, dass ihr Zubringerflug erst mit zweistündiger Verspätung starten und sie somit ihren Anschlussflug verpassen würde, buchte sie eigenständig einen alternativen Flug bei einer anderen Fluggesellschaft.

Von der ursprünglichen Airline verlangt sie nun die Kosten für den Ersatzflug zu erstatten. Da sie ihren Anschlussflug bei Nutzung des gebuchten Zubringerfluges zweifellos verpasst hätte, sei in der Verspätung eine Form von Annullierung des Gesamtfluges zu sehen. Aus diesem Grund sei sie über Art. 7 der Verordnung 261/2004 zu entschädigen.

Die Airline weigert sich der Zahlung. Der Flug sei nicht annulliert worden, sondern habe lediglich verspätet stattgefunden.

Das Amtsgericht Köln hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Ersatzleistung wegen Annullierung gemäß Art. 7 der Fluggastrechteverordnung sei nur in Fällen zu gewähren, in denen die Fluggesellschaft die Beförderung aktiv verweigert. Die bloße Aussicht auf eine verspätete Ankunft stehe einer solchen Weigerung nicht gleich.

Auch reiche die Verspätung von 2 Zeitstunden nicht aus, um einen Ausgleichsanspruch im Sinne der europäischen Fluggastrechte Verordnung zu begründen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu jeweils 1/3.

Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen.

6. Die Klägerin zu 2) buchte bei der Beklagten für alle Kläger folgende Flüge:

23.07.2006 D – F Abflug 8:30 Ankunft 9:35
23.07.2006 F – C Abflug 10:30 Ankunft 14:45
23.07.2006 C – L Abflug 21:00 Ankunft 23:59

7. Zudem buchte die Klägerin zu 2) für alle Kläger bei der Beklagten Rückflüge. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 3 d. A. verwiesen.

8. Der gebuchte Flug von D nach F fand mit einer Verspätung von 2 Stunden und 5 Minuten statt. Aufgrund dessen hätten die Kläger ihren Anschlussflug in F nach C nicht bekommen. Deshalb nahm die Beklagte eine Umbuchung vor. Die Kläger wurden nach Berlin verbracht und flogen von dort aus wie folgt:

23.07.2006 B – N (JFK) Ankunft 15:10 Ortszeit
23.07.2006 N (JFK) – L Ankunft 6:10 Ortszeit

9. Die ursprünglich für die Kläger vorgesehenen Flüge von F nach C und von C nach L fanden planmäßig statt.

10. Die Kläger forderten die Beklagte mit Schreiben vom 10.11.2006 unter Fristsetzung auf den 24.11.2006 zur Zahlung von 1.800,00 Euro auf. Eine Zahlung seitens der Beklagten unterblieb.

11. Die Kläger haben unter dem 18.01.2007 Klage erhoben, welche der Beklagten am 09.02.2007 zugestellt worden ist.

12. Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stünden Ausgleichsansprüche gegen die Beklagte zu. Es sei eine Annullierung im Sinne der Verordnung des Fluges von D nach F gegeben. Bei der Abgrenzung zwischen Verspätung und Annullierung sei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Seitens der Beklagten werde übersehen, dass auch in dem Fall, in dem ein Flug annulliert werde, der Fluggast, der auf einen anderen Flug ersatzweise befördert werde, verspätet ankomme. Eine Verspätung schlage zudem immer dann in eine Nichtbeförderung um, wenn die bestimmte oder vertraglich vereinbarte Abflugzeit unangemessen überschritten werde. Dies sei gerade der Fall, wenn Anschlussflüge mangels Zeit nicht mehr nutzbar seien. Eine derartige Nichtdurchführung zur geschuldeten Zeit mit derartigen Folgen könne daher nicht mehr als verspätete Beförderung gesehen werden. Ferner seien die Kläger nicht mit der Umbuchung über die USA einverstanden gewesen und hätten dies nicht so hinnehmen wollen, da sie Lebensmittel nach L hätten einführen wollen, was gegen die Einfuhrbestimmungen der USA verstoßen hätte. Aus diesem Grund hätte die Beklagte sich auch geweigert, die Kläger mit dem ursprünglich gebuchten Flug zu befördern, was ebenfalls die Rechtsfolge der Ausgleichszahlung auslöse. Zudem sind die Kläger der Ansicht, sie hätten einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erstattung ihrer vorgerichtlich entstandenen und nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren, welche sie mit 200,62 Euro beziffern. Auf Bl. 7 d. A. wird Bezug genommen.

13. Die Kläger beantragen,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2006 zu zahlen.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2006 zu zahlen.
  3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 3) 600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2006 zu zahlen.
  4. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 200,62 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

15. Die Beklagte ist der Ansicht, den Klägern stünden keine Ausgleichsansprüche zu. Es läge keine Nichtbeförderung im Sinne der Verordnung vor, da die Flüge wie geplant stattfanden, wenn auch der Flug von D nach F verspätet. Aus diesem Grund läge auch keine Annullierung im Sinne der Verordnung vor. Zudem hätte sie sich nicht geweigert, die Kläger mit dem ursprünglich gebuchten Flug von D nach F zu befördern. Hier handele es sich um eine Verspätung, die aber nach der Verordnung nicht zu einer Ausgleichszahlung führe.

16. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen verwiesen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. 

Entscheidungsgründe:

17. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

18. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von jeweils 600,00 Euro gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Verordnung ein Ausgleichsanspruch besteht, liegen hier nicht vor.

19. Der Abflug der Kläger des Fluges LH 1053 am 23.07.2006 von D nach F war um 2 Stunden und 5 Minuten verspätet. Die Folgen einer Flugverspätung ergeben sich aus Art. 6 der Verordnung. Für erhebliche Abflugverspätungen, was bedeutet, für solche, die – je nach Flugstrecke – mehr als 2, 3 oder 4 Stunden betragen, sieht Art. 6 der Verordnung Unterstützungsleistungen des ausführenden Luftfahrtunternehmens gemäß Art. 9 (Betreuungsleistungen) und Art. 8 (Erstattung oder anderweitige Beförderung) der Verordnung vor. Die hier vorliegende Abflugverspätung des Fluges von D nach F von 2 Stunden und 5 Minuten stellt eine erhebliche Flugverspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) der genannten Verordnung dar. Obwohl aber die Abflugverspätung unter 5 Stunden betrug und damit die Unterstützungsleistung gemäß Art. 8 der Verordnung nicht zwingende Folge einer derartigen Verspätung war, wurden seitens der Beklagten zugunsten der Kläger Unterstützungsleistungen nach Art. 8 Abs. 1 lit. b) (anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt) der Verordnung erbracht. Ausgleichansprüche gemäß Art. 7 der Verordnung sieht Art. 6 der Verordnung gerade nicht vor.

20. Derartige Ausgleichsansprüche ergeben sich unter zusätzlichen Voraussetzungen nur bei einer Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 oder bei einer Annullierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) der genannten Verordnung. Vorliegend handelt es sich aber weder um eine Nichtbeförderung noch um eine Annullierung im Sinne der Verordnung, sondern um eine Flugverspätung.

21. Es handelt sich hier nicht um eine Nichtbeförderung im Sinne des Art. 4 der genannten Verordnung. Gemäß Art. 2 lit. j) der Verordnung (Begriffsbestimmungen) ist „Nichtbeförderung“ die Weigerung, Fluggäste zu befördern (…). Eine derartige Weigerung der Beklagten ist nicht ersichtlich und seitens der Kläger auch nicht behauptet. Lediglich die Tatsache, dass den Klägern eine Umbuchung der Flugroute zum Zielort nicht recht war, begründet keine Weigerung der Beklagten, die Kläger mit dem ursprünglich gebuchten Flug – der schließlich stattfand – zu befördern. Die Kläger haben insoweit nicht behauptet, mit dem ursprünglich gebuchten und verspäteten Flug hätten fliegen zu wollen mit der Folge, dass sie ihren Anschlussflug nicht erreicht hätten.

22. Zudem handelt es sich auch nicht um eine Annullierung im Sinne des Art. 5 der genannten Verordnung. Gemäß Art. 2 lit. I) der Verordnung bedeutet „Annullierung“ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Der Flug von D nach F., sowie die Anschlussflüge fanden statt, wenn auch ohne die Kläger. Der Einwand der Kläger, auch in dem Fall, in dem der Fluggast aufgrund einer Annullierung auf einen Ersatzflug umgebucht wird, läge begrifflich eine Verspätung vor und daher sei die Abgrenzung zwischen einer Verspätung und einer Annullierung eine Frage des konkreten Einzelfalls, ist unbeachtlich. Es ist zwar zutreffend, dass der Fluggast, der aufgrund einer Annullierung auf einen späteren Ersatzflug umgebucht wird, im Gegensatz zu der ursprünglich geplanten Ankunftszeit verspätet am Zielort ankommt.

23. Allerdings betrifft die Fallgruppe der Verspätung im Sinne des Art. 6 der Verordnung ausweislich dessen Wortlaut eine Verspätung hinsichtlich der Abflugzeit. Verspätungen der Ankunftszeit am Zielflughafen werden von der Verordnung von vorneherein nicht erfasst, so dass hier eine Überschneidung der Anwendungsbereiche ausgeschlossen ist. Zudem ist für die Frage nach der Abgrenzung zwischen einer Verspätung und einer Annullierung eines Fluges nicht auf die Umstände des Einzelfalls bezogen auf die Fluggäste abzustellen. Vielmehr ist auch nach dem Regelungsgefüge der Verordnung eine objektive Sichtweise heranzuziehen. Die Regelungen der Verordnung, welche streng zwischen den einzelnen Fallgruppen unterscheiden, würden an Transparenz verlieren, würde man auf die subjektiven Komponenten des Einzelfalls abstellen wollen. Es ist nach der Ansicht des erkennenden Gerichts nicht mit der Verordnung vereinbar, wenn ein und derselbe Flug, welcher verspätet stattfindet, gleichzeitig als Annullierung und als Verspätung angesehen werden müsste, abhängig von der Tatsache, ob ein Fluggast einen nicht mehr erreichbaren Anschlussflug gebucht hat, oder nicht.

24. Den Klägern steht auch kein Minderungsanspruch gegen die Beklagte zu. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 651 d) Abs. 1 i. V. m. 638 Abs. 3 BGB. Die reisevertraglichen Bestimmungen der §§ 651 a ff. BGB finden auf reine Beförderungsleistungen, die keinen Reisevertrag im Sinne dieser Bestimmungen darstellen, keine Anwendung .

25. Ein Minderungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 634 Nr. 3, 638 BGB. Die Verspätungsfolgen eines Fluges sind durch die genannte Verordnung durch vorrangiges Recht geregelt worden, so dass ein Rückgriff auf die werkvertraglichen Regelungen nach der Ansicht des erkennenden Gerichts ausgeschlossen sind.

26. Die Kläger haben gegen die Beklagte von vorneherein auch keinen Anspruch auf Schadensersatz, welcher grundsätzlich gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der genannten Verordnung möglich ist. Die Kläger haben einen konkret entstandenen Schaden nicht behauptet.

27. Die Kläger haben auch keinen Zinsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Mangels Leistungsverpflichtung konnte die Beklagte nicht mit der Zahlung in Verzug geraten. Aus demselben Grund haben die Kläger als Gesamtgläubiger auch keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung der vorgerichtlichen, nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Rechtanwaltsgebühren gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 BGB und keinen entsprechenden Zinsanspruch.

28. Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

29. Streitwert: 1.800,00 Euro (3 x 600,00 Euro)

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