Betreuungsleistungen im Sinne der Fluggastrechteverordnung
LG Berlin: Betreuungsleistungen im Sinne der Fluggastrechteverordnung
Fluggäste nahmen eine Luftfahrtgesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch, weil sie durch den verspäteten Zubringerflug ihren Anschlussflug verpassten. Zusätzlich begehrten sie auch Ersatz der Verpflegungskosten die während der Wartezeit auf den nächsten Flug anfielen.
Das Landgericht Berlin hat den Fluggästen die Schadensersatzzahlung zugesprochen und entschied, dass das Unternehmen des Zubringerflugs für Verspätungen haften muss und für die daraus resultierenden Mehrkosten.
LG Berlin | 57 S 18/14 (Aktenzeichen) |
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LG Berlin: | LG Berlin, Urt. vom 23.04.2015 |
Rechtsweg: | LG Berlin, Urt. v. 23.04.2015, Az: 57 S 18/14 |
AG Wedding, Urt. v. 27.11.2013, Az: 15a C 217/13 | |
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Leitsätze:
2. Verspätet sich die Ankunft des Fluges und es besteht die Gefahr das Fluggäste deswegen ihren Anschlussflug nicht mehr erreichen ist es die Pflicht des Zubringerunternehmens, die Fluggäste darüber zu unterrichten und zumindest zu versuchen den Anschlussflug darüber zu informieren, damit auf die fehlenden Passagiere soweit möglich gewartet werden kann.
Entstehen für den Fluggast Mehrkosten aufgrund des verpassten Anschlussflugs so ist das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast zum Ersatz verpflichtet.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall verpassen die Kläger ihren Anschlussflug, da ihr Zubringerflug aufgrund von Witterungsbedingungen verspätet am Flughafen landen konnte. Aufgrund der 6 stündigen Wartezeit auf den nächsten möglichen Anschlussflug kam es zusätzlich zu Mehrkosten in Form von Verpflegung.
Die Kläger begehren von dem Beklagten den Ersatz für die Verpflegungskosten und einen Schadensersatz aufgrund des verpassten Anschlussflugs.
Das Landgericht in Berlin hat den Klägern einen Schadensersatz für den verspäteten Flug und die Verpflegungskosten zugesprochen. Trotz der außergewöhnlichen Umstände bezüglich des Wetters weswegen sich der Anflug verspätet hat, hätte das Flugunternehmen des Zubringerflugs die Pflicht gehabt die Fluggäste über die Verspätung aufzuklären und den Anschlussflug über die Verspätung zu informieren, damit dieser soweit möglich auf die noch fehlenden Passagiere warten kann. Verspätet sich der Zubringerflug ist dessen Flugunternehmen auch schadensersatzpflichtig. Das Anschlussflugunternehmen soll nicht in Anspruch genommen werden, damit Doppelinanspruchnahmen durch die Fluggäste ausgeschlossen sind.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Kläger wird das am 27.11.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding – 15a C 217/13 – geändert:
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 630,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2013 zu zahlen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
7. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
8. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
9. Die Parteien streiten um Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: VO) sowie um Ersatz von Aufwendungen für nicht erhaltene Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 der VO.
10. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
11. Ergänzend war zwischen den Parteien unstreitig, dass sich die Kläger nach der Ankunft auf dem Flughafen Frankfurt bei einer Mitarbeiterin der Beklagten am Ausgang des Gangway erkundigt hatten, von welchem Gate der Anschlussflug starten würde, dass die Mitarbeiterin die Kläger über das betreffende Gate informiert hatte, und dass sie die Kläger mit den Worten verabschiedet hatte „Na, da haben Sie ja noch Zeit“. Ferner hatte sich die Beklagte auf einen Anspruchsausschluss gemäß Art. 5 Abs. 3 der VO berufen und dies damit begründet, dass die lokale Flugsicherung auf Grund außergewöhnlicher Wetterverhältnisse die An- und Abflugrate zwischen 8.00 und 10.00 Uhr auf 36 pro Stunde reduziert habe.
12. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und auf die amtsgerichtlichen Sitzungsprotokolle vom 7.8.2013 und 27.11.2013 Bezug genommen.
13. In erster Instanz haben die Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an jeden Kläger 630,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Das Amtsgericht hat die Klage mit den Klägern am 20.12.2013 zugestelltem Urteil abgewiesen.
14. Mit der am 10.1.2014 eingegangenen Berufung, die eingehend am 17.2.2014 begründet wurde, beantragen die Kläger,
15. das am 27.11.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding, Geschäftsnummer 15a C 217/13, abzuändern und
16. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 630,00 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen,
17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2. 630,00 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
19. die Berufung zurückzuweisen.
20. Die Parteien wiederholen und vertiefen ihren tatsächlichen und rechtlichen Vortrag aus erster Instanz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 23.4.2015 Bezug genommen.
21. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist begründet.
22. 1. Die Kläger haben gemäß Art. 5 Abs. 1c, 7 Abs. 1c der VO in der hier anwendbaren Fassung jeweils Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 600,00 Euro gegen die Beklagte.
23. 1.1. Die VO ist gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 und 2 auf den hiesigen Fall anwendbar.
24. 1.2. Eine nach der VO entschädigungspflichtige Flugverspätung ist gegeben.
25. a) Nach der Rechtsprechung des EuGH können nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern – trotz fehlender Erwähnung in der VO – auch die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der VO vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, weil sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftverkehrsunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 – C-402/07 und C-432/07 –, juris Rn. 40 ff.). Gemäß Art. 2 h) der VO ist das Endziel als der Zielort definiert, der auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges bezeichnet ist.
26. Vorliegend erreichte der von der Fluggesellschaft … durchgeführte Anschlussflug das Endziel erst mit einer Verspätung von mehr als 25 Stunden.
27. b) Bei der Beurteilung kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht darauf an, ob die entschädigungspflichtige Ankunftsverspätung darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Fluges um die in Art. 6 Abs. 1 VO genannten Zeiten verzögert hat (EuGH, Urteil vom 26.2.2013 – C-11/11 –, juris Rn. 37 ff.). Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung von BGH und EuGH besteht eine Entschädigungspflicht auch dann, wenn die verspätete Ankunft am Endziel – wie hier – darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird (EuGH, Urteil vom 26.2.2013 – C-11/11, juris Rn. 47; BGH, Urteil vom 7.5.2013 – X ZR 127/11, juris Rn. 8 / 13).
28. c) Zwar haben der BGH und der EuGH in den vorgenannten Entscheidungen (X ZR 127/11 bzw. C-11/11) nicht darüber befunden, ob ein Entschädigungsanspruch auch dann besteht, wenn Zubringer- und Anschlussflug von zwei unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, da beiden Entscheidungen Fälle zu Grunde lagen, in denen Zubringer- und Anschlussflug von demselben Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden waren.
29. Jedoch kann es unter Berücksichtigung des Verordnungszweckes, das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die den Fluggästen durch die Annullierung (bzw. Verspätung) von Flügen entstehen, zu verringern (Erwägungsgründe 2 und 12) und unter Beachtung des durch die Verordnung sicherzustellenden hohen Schutzniveaus (Erwägungsgründe 1 und 4) keinen Unterschied machen, ob beide Flüge von demselben oder von verschiedenen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden. Denn die Auswirkungen auf den Fluggast sind identisch (so in verwandtem Zusammenhang auch Keiler, GPR 2014, 258, 263 und 264). Nach dem bei der Auslegung von sekundärem Unionsrecht heranzuziehenden Auslegungsgrundsatz der „praktischen Wirksamkeit“ („effet utile“) gebührt derjenigen Auslegung der Vorrang, die der Zielsetzung der Verordnung am ehesten Rechnung trägt. Würde man einen Entschädigungsanspruch verneinen, sobald unterschiedliche Luftfahrtunternehmen den Zubringer- und den Anschlussflug durchführen, bestünde eine mit dem Verordnungszweck nicht zu vereinbarende Entschädigungslücke, die es der Luftfahrtindustrie erlaubte, die Lenkungswirkung der Verordnung dadurch erheblich zu beschneiden, dass – etwa im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen wie der „Star Alliance“ – gezielt Zubringer – und Anschlussflüge unterschiedlicher Luftfahrtunternehmen miteinander kombiniert werden.
30. 1.3. Die Beklagte ist auch „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der Art. 5 Abs. 1c, 7 Abs. 1c der VO.
31. Gemäß Art. 2 lit. b der VO ist ausführendes Luftfahrtunternehmen „ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt“.
32. a) Hinsichtlich des verspäteten Zubringerflugs nach Frankfurt am Main trifft dies auf die Beklagte unzweifelhaft zu.
33. b) Hinsichtlich des Anschlussflugs ab Frankfurt am Main erscheint dies dagegen zweifelhaft. Zwar hat die Beklagte die Tickets für beide Flüge am Abflughafen Berlin-Tegel ausgestellt. Zudem weisen sämtliche Tickets dieselben Etix-Nummern auf. Andererseits war der Anschlussflug weder über die Beklagte gebucht worden, noch wurde er von ihr selbst durchgeführt. Auch ist die … jedenfalls nach Aufgabe aller Beteiligungen im Jahr 2009 kein Tochterunternehmen der Beklagten (mehr). Sie hat den Anschlussflug schließlich auch nicht im Wege des sogenannten Code-sharing als Flug der Beklagten oder als Partner der Star Alliance durchgeführt. Ausweislich der im Internet auch bei Wikipedia einsehbaren Listen ehemaliger Mitglieder der Star Alliance ist die … nicht aufgeführt.
34. c) Im Ergebnis kommt es aber nicht darauf an, ob die Beklagte hinsichtlich des Anschlussfluges ausführendes Luftfahrtunternehmen war. Für ihre Entschädigungspflicht reicht es aus, dass sie hinsichtlich des Zubringerfluges ausführendes Luftfahrtunternehmen war. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
35. Wie sich aus der Sonderregelung für „direkte Anschlussflüge“ in Art. 2 lit. h der VO ergibt, war dem Verordnungsgeber die Konstellation eines aus mehreren Teilflügen (nämlich aus Zubringer- und Anschlussflügen) bestehenden Gesamtfluges bekannt. Gleichwohl bestimmt Art. 2 lit. b der VO nicht, dass in einer solchen Konstellation nur eines der beteiligten Luftfahrtunternehmen als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen ist. Die in Art. 2 lit. b der VO gewählte Formulierung „Luftfahrtunternehmen, das (…) einen Flug durchführt“ deutet vielmehr darauf hin, dass jedes Luftfahrtunternehmen, das einen der Teilflüge durchführt, als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen ist. Hätte der Verordnungsgeber eine Beschränkung auf eines der an dem Gesamtflug beteiligten Luftfahrtunternehmen beabsichtigt, wäre damit zu rechnen gewesen, dass er statt der Formulierung „einen Flug“ eine Formulierung wie „den Flug“ oder „den annullierten Flug“ gewählt oder – wie in Art. 2 lit. h der VO – eine ausdrückliche Regelung für einen aus mehreren (Teil-)Flügen bestehenden Gesamtflug getroffen hätte.
36. Soweit das Amtsgericht Köln und das OLG Köln Art. 2 lit. b der VO dagegen so auslegen, dass das Unternehmen, das den Zubringerflug durchführt, hinsichtlich des Anschlussfluges nicht als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ angesehen werden könne, wenn zwischen ihm und dem Fluggast keine vertragliche Beziehung betreffend den Anschlussflug gegeben sei (AG Köln, Urteil vom 18.12.2013 – 112 C 197/13 –, juris Rn. 14 ff.; Urteil vom 24.7.2013 – 113 C 141/11 Rn. 18 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 14.7.2011 – 17 U 25/11 –, juris Rn. 14 f.), überzeugt dies nicht. Wie bereits erörtert, zwingt der Wortlaut des Art. 2 lit. b der VO nicht zu einer solchen Auslegung. Darüber hinaus trägt die damit einhergehende Versagung jeglicher Entschädigung der dargestellten Zwecksetzung der Verordnung und dem Auslegungsgrundsatz des „effet utile“ nicht hinreichend Rechnung.
37. Aus denselben Gründen überzeugt auch die von der Beklagten in Bezug genommene, unveröffentlichte Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 30.9.2014 – 309 S 150/13) nicht, wonach die Entschädigungspflicht des Unternehmens, das den Zubringerflug durchführt, davon abhängen soll, dass mit diesem ein „einheitlicher Beförderungsvertrag“ über beide (Teil-) Flüge abgeschlossen wurde.
38. 1.4. Will man allerdings eine vom Verordnungszweck nicht mehr gedeckte Doppelentschädigung des Fluggastes vermeiden, kann sich der Entschädigungsanspruch nur gegen eines der an dem Gesamtflug beteiligten „ausführenden Luftfahrtunternehmen“ richten.
39. Bei der danach erforderlichen Auswahl sind abermals die Intention des Verordnungsgebers, dem Verbraucherschutz in vollem Umfang Rechnung zu tragen (s. Erwägungsgrund 1), sowie der Grundsatz des „effet utile“ zu beachten. Unter Berücksichtigung dessen muss sich der Entschädigungsanspruch gegen dasjenige „ausführende Luftfahrtunternehmen“ richten, in dessen Risikosphäre die verspätete Ankunft am Zielort fällt. Dieses Unternehmen stellt aus Sicht des Fluggastes den nächstliegenden Anspruchsgegner dar. Zugleich ist die mit der Verordnung intendierte Lenkungswirkung am effektivsten, wenn die Entschädigungspflicht unmittelbar das Luftfahrtunternehmen trifft, aus dessen Risikosphäre die Verspätung herrührt. Würde man die Entschädigungspflicht einem anderen Luftfahrtunternehmen auferlegen und dieses darauf verweisen, bei dem Luftfahrtunternehmen, aus dessen Risikosphäre die Verspätung herrührt, Regress zu nehmen, würde die eigentliche Ursache der Verspätung erst mit erheblicher Verzögerung finanziell sanktioniert. Zudem hinge der Erfolg eines solchen Regressprozesses neben der Frage des Solvenzrisikos von dem auf den Regressanspruch anzuwendenden Recht ab, das – etwa bei nur lückenhaftem Schutz gegen reine Vermögensschäden – nicht zwingend einen entsprechenden Regressanspruch vorsieht.
40. Entgegen der Auffassung der Beklagten werden Luftfahrtunternehmen, die Zubringerflüge durchführen, hierdurch nicht übermäßig belastet. Unabhängig von der Flugdistanz und der Höhe des vereinbarten Beförderungspreises muss jedes Luftfahrtunternehmen damit rechnen, dass seine Fluggäste bei verspäteter Ankunft eventuelle Anschlussflüge nicht erreichen. Das im Anwendungsbereich der VO mit dieser Möglichkeit verknüpfte Kostenrisiko kann und muss jedes Luftfahrtunternehmen bei der Kalkulation seiner Beförderungspreise berücksichtigen.
41. Anders als die Beklagte meint, entstehen aus dem hier vertretenen Ansatz auch weder unlösbare Zurechnungsprobleme noch droht eine doppelte Entschädigungspflicht in Fällen, in denen sowohl der Zubringer- als auch der Anschlussflug verspätet starten:
42. – Hat der Fluggast trotz verspäteten Zubringerfluges den ebenfalls verspätet startenden Anschlussflug noch erreicht, so fällt die verspätete Ankunft am Endziel allein in die Risikosphäre des Luftfahrtunternehmens, das den Anschlussflug durchgeführt hat, da die Verspätung des Zubringerfluges keinen Einfluss auf die verspätete Ankunft am Zielort hatte.
43. – Hat der Fluggast in Folge des verspäteten Zubringerfluges den ebenfalls verspätet startenden Anschlussflug verpasst, so fällt die verspätete Ankunft am Endziel dagegen allein in die Risikosphäre des Luftfahrtunternehmens, das den Zubringerflug durchgeführt hat, da die verspätete Ankunft am Endziel unabhängig von der Verspätung des Anschlussfluges eingetreten ist. Hat der Fluggast nämlich schon den verspäteten Anschlussflug nicht mehr erreicht, so hätte er erst Recht einen planmäßig startenden Anschlussflug verpasst.
44. Vorliegend fällt die Verspätung allein in die Risikosphäre der Beklagten, da nur der von ihr durchgeführte Zubringerflug verspätet war, wohingegen der von der … durchgeführte Anschlussflug planmäßig gestartet und gelandet ist.
45. 1.5. Schließlich kommt der Beklagten die Haftungsfreistellung des Art. 5 Abs. 3 der VO nicht zu Gute.
46. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnliche Umstände eine Haftung gemäß Art. 5 Abs. 1c, 7 Abs. 1c der VO entfallen lassen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 5 Abs. 3 VO allerdings als Ausnahmebestimmung eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 22.12.2008, C-549/07, juris Rn. 20). Daher obliegt es dem Luftfahrtunternehmen, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass es ihm auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne untragbare Opfer die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden, mit denen es konfrontiert war und die zur Annullierung bzw. Verspätung des Flugs geführt haben (EuGH, Urteil vom 22.12.2008, C-549/07, juris Rn. 41; BGH, Urteil vom 16. September 2014 – X ZR 102/13 –, juris Rn. 11 ff.).
47. a) Vorliegend waren zwar außergewöhnliche Umstände gegeben.
48. Zum einen hat sich die Beklagte darauf berufen, dass die Flugsicherung in Frankfurt die Anflugrate auf Grund der dortigen Witterungsbedingungen in der Zeit von 8.00 bis 10.00 Uhr von stündlich 50 auf stündlich 36 reduziert habe. Die Kläger haben eine Reduzierung der Anflugrate zwar bestritten. Der von der Beklagten zum Beweis eingereichte Tagesbericht der Frankfurter Verkehrszentrale (Anlage B2 Bl. 29 d.A.) belegt aber, dass die Anflüge in der betreffenden Zeit nur noch mit einer reduzierten Rate von stündlich 36 gesteuert wurden. Dass sich die Übersicht auf einen Zeitraum von 7.00 bis 9.00 Uhr bezieht, ist auf den Unterschied zwischen der in Deutschland geltenden mitteleuropäischen Zeit und der im Reiseflugverkehr geltenden koordinierten Weltzeit (UCT) zurückzuführen.
49. Zum anderen hat die Beklagte vorgetragen, ihr sei wegen der Witterungsbedingungen von der Flugsicherung ein 35 Minuten späterer Abflugslot zugeteilt worden. Dies haben die Kläger nachfolgend nicht mehr in Abrede gestellt.
50. Jedenfalls in letzterem Umstand sind außergewöhnliche Umstände zu erblicken (s. Erwägungsgrund 15, wo Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements explizit genannt werden).
51. b) Jedoch hat die Beklagte nicht hinreichend darlegt, dass sie die entschädigungspflichtige Verspätung nicht ohne untragbare Opfer verhindern konnte.
52. Allein die Tatsache, dass die Anflugrate am Zielflughafen witterungsbedingt gedrosselt wird und in Folge dessen bestimmte Abflugslots verschoben werden, lässt nicht darauf schließen, dass ein bestimmter Flug nicht planmäßig durchgeführt werden kann. Vielmehr stehen weiterhin (reduzierte) Flugmöglichkeiten zur Verfügung, die gegebenenfalls zur Durchführung des betroffenen Fluges genutzt werden können. Daher hätte es der Beklagten oblegen, darzulegen, wie viele Abflugslots für welche Anzahl von Flügen ihr zugeteilt worden sind und auf Grund welcher Erwägungen sie keinen der ihr zugeteilten Abflugslots dafür nutzen konnte, den streitbefangenen Zubringerflug planmäßig durchzuführen. Insofern ist der hiesige Fall anders gelagert als ein vom Landgericht Frankfurt am Main kürzlich entschiedener Fall (Urteil vom 14.3.2014 – 2-24 S 110/13, juris Rn. 12). Dort hatte das beklagte Luftfahrtunternehmen nämlich ausgeführt, es habe eine Entscheidung treffen müssen, welche Flüge es angesichts der reduzierten Fluglast ausfallen lassen musste, und seine Entscheidung, den betroffenen Kurzstreckenflug zu Gunsten von Lang- und Mittelstreckenflügen ausfallen zu lassen, näher begründet. Daran fehlt es hier.
53. Hinzu kommt, dass kein Vortrag zu denkbaren Maßnahmen der Beklagten erfolgt ist, die ein Erreichen des Anschlussfluges noch hätten ermöglichen können, obgleich der Beklagten auf Grund der Ausstellung sämtlicher Flugtickets bekannt war, dass die Kläger den Anschlussflug erreichen mussten.
54. So hat die Beklagte die … unstreitig nicht darüber informiert, dass die Kläger verspätet ankommen würden. Der Kammer ist aber aus eigener Erfahrung bekannt, dass Fluggesellschaften in Einzelfällen durchaus dazu bereit sind, bei Anschlussflügen in begrenztem zeitlichem Umfang auf einzelne Passagiere zu warten.
55. Auch ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte darum bemüht hätte, einen Direkttransfer der Kläger unmittelbar über das Flugfeld oder auch nur einen beschleunigten Transfer zum Gate des Anschlussfluges zu bewerkstelligen. Vielmehr ist unstreitig, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten den Klägern gerade den Eindruck vermittelte, sie könnten sich bei dem Transfer Zeit lassen.
56. Dabei ist es unerheblich, dass durch die genannten Maßnahmen die Verspätung des Zubringerfluges nicht mehr verhindert werden konnte. Denn nach dem – bereits erläuterten – Zweck der VO muss allein entscheidend sein, ob das entschädigungspflichtige Unternehmen, hier die Beklagte, alles Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um die Ankunftsverspätung am Endziel abzuwenden. Solange der Anschlussflug noch nicht gestartet ist, kann diese aber im Grundsatz durchaus noch abgewendet werden.
57. 2. Die Kläger haben ferner Anspruch auf Zahlung von jeweils 30,00 Euro gemäß § 677, 683 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 1a der VO.
58. Indem die Kläger sich in der mehrstündigen Wartezeit bis zum Abflug eines Ersatz(zubringer)fluges zunächst nach London jeweils eine warme Mahlzeit sowie verschiedene Getränke gekauft haben, haben sie die Pflichten der Beklagten gemäß Art. 9 VO erfüllt und damit zumindest auch ein Geschäft der Beklagten geführt.
59. Mit der Klageschrift hatten die Kläger zunächst eine Verpflegungspauschale von jeweils 30,00 Euro verlangt. Mit der Klageerwiderung hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Verpflegungskosten nicht hinreichend dargelegt seien. Daraufhin haben die Beklagte vorgetragen, dass sie in der Zeit von 10.35 Uhr bis 16.30 Uhr jeweils eine warme Mahlzeit für 15,00 Euro und jeweils Getränke für weitere 15,00 Euro zu sich genommen haben. Diesem ausreichend substantiierten Vorbringen ist die Beklagte nachfolgend nicht mehr entgegengetreten. Im Übrigen entsprechen Verpflegungskosten in Höhe von jeweils 30,00 Euro während einer Verweildauer von knapp 6 Stunden auf dem Flughafen Frankfurt einer Schätzung durch die Kammer, der das dort herrschende Preisgefüge bekannt ist.
60. 3. Den Klägern stehen schließlich gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB auch die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen zu.
III.
61. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
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