Erstattung von Hotelkosten bei Annullierung wegen Vulkanaschewolke
LG Darmstadt: Erstattung von Hotelkosten bei Annullierung wegen Vulkanaschewolke
Wegen eines Vulkanausbruchs und des damit verbundenen Flugverbots, sind zwei Urlauber gezwungen, über den geplanten Reisezeitraum hinaus in ihrem Hotel zu verweilen. In der Folge verlangen sie vom zuständigen Luftfahrtunternehmen die entstandenen Kosten zu ersetzen.
Das Amtsgericht Darmstadt hat den Klägern Recht zugesprochen. Die zum weiteren Aufenthalt notwendigen Kosten seien durch die Betreuungspflicht der Airline abgedeckt.
LG Darmstadt | 7 S 238/11 (Aktenzeichen) |
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LG Darmstadt: | LG Darmstadt, Urt. vom 03.07.2013 |
Rechtsweg: | LG Darmstadt, Urt. v. 03.07.2013, Az: 7 S 238/11 |
AG Rüsselsheim, Urt. v. 28.10.2011, Az: 3 C 1388/11 | |
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Leitsätze:
2. Wird ein Flug wegen einer Vulkanaschewolke annulliert und verschoben, so hat das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast gemäß Artikel 9 der EG-Verordnung 261/2004 die Unterbringungskosten zu erstatten.
Die Vulkanaschewolke begründet für das Luftfahrtunternehmen keinen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Artikel 5 der EG-Verordnung 261/2004.
Das Luftfahrtunternehmen ist nur zur Erstattung der notwendigen Unterbringungskosten in einem angemessenen Maß verpflichtet.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte für sich und eine Mitreisende eine Pauschalreise nach Mauritius. Aufgrund des Vulkanausbruchs in Island wurde der Luftraum über Europa gesperrt, sodass der geplante Rückflug nicht durchgeführt werden konnte und annulliert wurde. Der Kläger und seine Mitreisende mussten für einige Tage auf Mauritius untergebracht werden. Der Kläger begehrt von der Beklagte, einem Luftfahrtunternehmen, gemäß Artikel 9 der EG-Verordnung 261/2004 Ersatz der Hotelkosten. Die Beklagte weist diese Forderung ab, mit der Begründung dass sie gemäß Artikel 5 der EG-Verordnung 261/2004 durch einen außergewöhnlichen Umstand von der Zahlung befreit sei.
Das Landgericht Darmstadt hat jedoch zugunsten des Klägers entschieden und ihm den Ersatz der Hotelkosten zugesprochen. Die Beklagte sei von der sie betreffenden Betreuungspflicht nicht entbunden gewesen. Trotz des Vorliegens von außergewöhnlichen Umständen, hätte die Airline dafür Sorge zu tragen, dass die Passagiere die Wartezeit bis zur Freigabe des Luftraumes ordentlich untergebracht würden.
Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes könnten jeoch nur solche Beträge erstattet werden, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen.
Die für die Airline entstehenden Kosten seien, vor dem Hintergrund das Schutzniveau der Fluggäste möglichst hochzuhalten, nicht unverhältnismäßig.
Tenor:
4. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 28.10.2011 (3 C 1388/11) abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.369,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.07.2011 zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 186,24 € freizustellen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 42 % und die Beklagte zu 58 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 2.130,04 € festgesetzt (1. Instanz: 2.268,54 €).
Gründe:
5. Mit der am 06.07.2011 zugestellten Klage begehrte der Kläger, der für sich und Frau A bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Mauritius gebucht hatte, insgesamt 2.268,54 € Schadensersatz und Aufwendungen nebst Zinsen für die am Reiseziel nach der für den 18.04.2010 geplanten Rückreise noch vom 20.04. bis zum 25.04.2010 erfolgte Hotelunterbringung, weil der von der Beklagten durchzuführende Rückflug infolge des Flugverbotes in Europa aufgrund des Vulkanausbruchs in Island annulliert wurde und der Kläger und seine Mitreisende erst für den 25.04.2010 einen Rückflug, wiederum bei der Beklagten, buchen konnten. Außerdem verlangte er die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 272,87 €.
6. Die Beklagte, die vorgerichtlich die anteiligen Rückflugkosten von 836,– € an den Reiseveranstalter zurückgezahlt hatte, beantragte Klageabweisung, weil sie für die Auswirkungen des Vulkanausbruchs nicht hafte und der Kläger seinerzeit vor Ort weder Unterbringung noch Rückflug verlangt habe.
7. Ergänzend wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim verwiesen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Ziff.1 ZPO) sind nicht ersichtlich.
8. Mit Urteil vom 28.10.2011 hat das Amtsgericht Rüsselsheim der Klage in Höhe von 138,50 € (Erstattung des Differenzbetrages zum erhöhten Rückflugpreis) nebst Zinsen seit dem 06.07.2011 stattgegeben. Bezüglich der weitergehenden Positionen hat es die Klage abgewiesen, weil die Beklagte die Rückzahlung der Provision des Reiseveranstalters nicht schulde und bei Annullierungen, die auf einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 der EG-VO 261/2004 zurückzuführen sind, von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen auch Betreuungsleistungen nicht zu erbringen seien. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit dem Antrag, die Beklagte unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zur Zahlung von weiteren 1.294,04 nebst Zinsen und zur Freistellung von Anwaltskosten zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
9. Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden, mithin zulässig. Sie hat auch in der Hauptsache in Höhe von 1.231,04 € Erfolg, weil die geltend gemachten Erstattungsansprüche bezüglich der tatsächlich angefallenen Hotelkosten im begehrten Umfang gegenüber der Beklagten bestehen. Die weitergehende Klage ist jedoch abgesehen von dem bereits vom Amtsgericht rechtskräftig zugesprochenen Betrag unbegründet.
10. Auf Grund der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen und des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz ist die Klage im nunmehr tenorierten Umfang begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger gemäß Art. 9 der EG-VO 261/2004 die Kosten der Unterkunft in Mauritius im hier geltend gemachten Umfang bis zu dem dann nach Freigabe des Luftraums erfolgten Rückflug des Klägers und seiner Mitreisenden. Nachdem die Kammer das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 23.05.2012 wegen dieser Problematik und der Vorgreiflichkeit der damals noch ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zunächst ausgesetzt hatte, hat der EuGH diese Frage mit Urteil vom 31.01.2013 (C-12/11) entschieden. Danach ist das ausführende Luftfahrtunternehmen auch bei der hier fraglichen Luftraumsperrung infolge Vulkanausbruchs, die als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung anzusehen ist und deshalb von einer Ausgleichsleistung nach Art. 7 dieser EG-VO befreit, nicht von der sich aus Art. 5 Abs. 1 b und Art. 9 der Verordnung ergebenden Betreuungspflicht entbunden, wobei als Entschädigung dafür, daß das Luftfahrtunternehmen dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur solche Beträge erstattet werden können, „die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen“ (Tz. 51 dieses EuGH-Urteils). Hierbei sei die Betreuung der Fluggäste gerade bei lange anhaltenden Wartezeiten besonders wichtig, die sich hieraus ergebenden finanziellen Folgen für das Unternehmen seien angesichts des mit der Verordnung verfolgten Zwecks, ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste zu erreichen, nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
11. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die hier vom Kläger geltend gemachten Unterbringungskosten nicht zu beanstanden. Er ist während der Wartezeit bis zum Rückflug in dem im Rahmen der Pauschalreise gebuchten Hotel geblieben. Es handelte sich deshalb um die angemessenen Kosten, um den Ausfall der Betreuung im konkreten Einzelfall auszugleichen. Die im Entwurf einer Neufassung der Fluggastrechteverordnung vorgesehene Begrenzung solcher Kosten auf 100,– € pro Tag mag angesichts der vergleichbaren Regelungen in anderen Verkehrsbereichen und auch zur Begrenzung des Haftungsrisikos der Airlines sinnvoll erscheinen, zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Vorgänge und auch der vorliegenden Entscheidung gelten diese erst zur Diskussion gestellten Regelungen aber noch nicht. Der Kläger hat zudem vorliegend offenbar nicht die gesamten Unterbringungskosten seit dem Flugausfall vom 18.04.2010 geltend gemacht, sondern ausweislich der vorgelegten Hotelrechnung nur diejenigen ab dem 20.04.2010 bis zum tatsächlichen Rückflugtag am 25.04.2010.
12. Die weitergehende Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stehen insbesondere gegenüber der Beklagten, die zwar vertraglicher und ausführender Luftfrachtführer war, aber nicht Reiseveranstalter im Sinne von §§ 651 a ff BGB, keine weiteren Rückgewähransprüche über den bereits vom Amtsgericht ausgeurteilten Betrag zu. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom
13. 18.04.2012 erörtert wurde, handelt es sich bei dem nach Erstattung durch die Beklagte gegenüber dem Veranstalter noch offenstehenden Betrag von 63,– € offenbar um Provision des Veranstalters und/oder Vermittlers, die die Beklagte dem Kläger nicht schuldet. Deshalb und wegen der konkreten vertraglichen Gestaltung ist auch bezüglich der von der Beklagten an den Reiseveranstalter gezahlten 836,– € keine Erledigung der Hauptsache gemäß § 91 a ZPO im vorliegenden Rechtsstreit eingetreten, weil die Klage insoweit von Anfang an unbegründet war.
14. Der Zinsanspruch des Klägers in der gesetzlichen Höhe ergibt sich wie beantragt ab Rechtshängigkeit aus § 291 BGB. Schon vor Beauftragung seines Prozeßbevollmächtigten hat der Kläger selbst seine Ansprüche gegenüber der Beklagten mit E-Mail vom 05.05.2010 und dann nochmals mit Schreiben vom 10.06.2010 geltend gemacht, worauf die Beklagte unter dem 29.07.2010 die Ansprüche zurückgewiesen hat. Der als Verzugsschaden deshalb ebenfalls begründete Freistellungsanspruch bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten bemißt sich durch die in Höhe von 1.369,54 € begründete Gesamtforderung nach den Vorgaben des RVG einschl. Auslagenpauschale und MWSt. entsprechend auf 186,24 €.
15. Nach alledem war das angefochtene amtsgerichtliche Urteil auf die zulässige und teilweise begründete Berufung wie tenoriert abzuändern.
16. Da beide Parteien in dem Rechtsstreit teilweise obsiegt haben und teilweise unterlegen sind, waren die Verfahrenskosten gemäß § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen, wobei wegen der unterschiedlichen Streitwerte und Unterliegensquoten in beiden Instanzen eine Differenzierung vorzunehmen war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO, wobei eine Sicherheitsleistung nicht anzuordnen und wegen § 713 ZPO auch keine Abwendungsbefugnis einzuräumen war. Die Bemessung des Gegenstandswertes für beide Instanzen entspricht dem jeweils bezifferten Klageantrag und dem Umfang der Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils unter Einbeziehung der teilweisen (einseitig gebliebenen) Erledigungserklärung des Klägers, wobei die Zinsen ebenso wie die vorprozessualen Anwaltskosten als Nebenforderungen gemäß § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen waren.
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