Ausdehnung der Rügefrist für Reisemängel auf deliktische Ansprüche

LG Frankfurt: Ausdehnung der Rügefrist für Reisemängel auf deliktische Ansprüche

Eine Reisende forderte von der Reiseveranstalterin Schadensersatz, weil sie sich im Mallorca-Urlaub bei einem Treppensturz schwer verletzte. Die Klage wurde abgewiesen, da die Klägerin die Rügefrist nicht gewahrt hatte.

LG Frankfurt 2-19 O 116/01 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 21.12.2001
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 21.12.2001, Az: 2-19 O 116/01
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 21. Dezember 2001

Aktenzeichen 2-19 O 116/01

Leitsatz:

2. Die Allgemeinen Reisebedingungen eines Reiseveranstalters sind wirksam in den Reisevertrag einbezogen, wenn bei dessen Abschluss mündlich oder schriftlich auf sie hingewiesen worden ist.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin war am 17.06.2000, dem letzten Tag eines bei der Beklagten gebuchten Mallorca-Urlaubs eine Treppe hinabgestürzt, wobei sie sich mehrere Frakturen zuzog. Am 25.08.2000 machte sie bei der Reiseveranstalterin Schmerzensgeldansprüche geltend. Diese berief sich jedoch auf die Rügefrist von einem Monat nach Reiseende.

Vor das Landgericht Frankfurt getragen, wurde der Streit zugunsten der Beklagten entschieden und die Klage abgewiesen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen waren entgegen konträrer Auffassung der Klägerin wirksam in den Reisevertrag einbezogen worden, da auf dem Anmeldeformular auf diese hingewiesen wurde. Dadurch galt die Verjährungsfrist von einem Monat und die Beklagte konnte diese auf eventuelle deliktische Ansprüche der Klägerin ausweiten. Diese war durch ihre Verletzungen nicht daran gehindert, die Ansprüche fristgerecht geltend zu machen. Daher waren sie verwirkt.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 3.500,– vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Reisevertrag wegen mangelhafter Reiseleistungen bzw. Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.

6. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann am 24.1.2000 über das Reisebüro H bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Mallorca in das Hotel … incl. Hin- und Rückflug vom 3. bis 17.6.2000 für insgesamt DM 4.204,–. Die Reiseanmeldung wurde von der Klägerin wie folgt zweifach unterschrieben:

7. Auf der Rückseite der Reisebestätigung vom 26.1.2000 war folgender Hinweis angebracht:

8. „Die Reise- und Zahlungsbedingungen wurden anerkannt. Sie sind Vertragsinhalt.“

9. In den Reise- und Zahlungsbedingungen ist unter Ziff. 10.7. folgendes ausgeführt:

10. „Sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche müssen Sie innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vereinbarten Reiseende möglichst schriftlich uns gegenüber geltend machen. Nach dem Ablauf dieser Frist können Sie Ansprüche nur dann noch geltend machen, wenn Sie an der Einhaltung der Frist ohne Ihr Verschulden gehindert waren.“

11. Am 17.6.2000, dem Tag der Beendigung der Reise, etwa zwei Stunden vor der Abreise, stürzte die Klägerin in der Wartehalle des Hotels eine dort befindliche Treppe aus Marmor von der obersten Stufe hinunter. Die Klägerin wurde erheblich verletzt. Sie wurde auf Mallorca zunächst ambulant und dann nach dem regulär wahrgenommenen Rückflug zu Hause am 19.6.2000 im Krankenhaus W stationär aufgenommen.

12. Am 25.8.2000 beauftragte die Klägerin den Klägervertreter mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Mit Anwaltsschreiben vom 28.8.2000 meldete die Klägerin Schadensersatzansprüche bei der Beklagten an. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 18 bis 20 d.A.).

13. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 4.9.2000 (Bl. 21 d.A.), in dem sie dem Klägervertreter mitteilte, den Brief vom 28.8.2000 an ihre Haftpflichtversicherung weitergeleitet zu haben. Wörtlich heißt es am Ende des Schreiben:

14. „Gegenüber uns erhobene Forderungen lehnen wir endgültig ab.“

15. Die Haftpflichtversicherung lehnte ihrerseits mit Schreiben vom 29.9.2000 Ansprüche der Klägerin ab. Das Schreiben ging beim Vertreter der Klägerin am 2.10.2000 ein.

16. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

17. Die Klägerin behauptet, ihr habe kein Katalog der Beklagten zur Verfügung gestanden, in dem die Reisebedingungen abgedruckt gewesen seien. Weder sie noch ihr Ehemann hätten zu irgend einem Zeitpunkt Kenntnis von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten erhalten. Aus der Reisebestätigung sei nicht hervorgegangen, um welche konkreten Reise- und Zahlungsbedingungen es sich gehandelt habe und wo sie abgedruckt gewesen seien. Der Klägerin sei nicht die Möglichkeit verschafft worden, in zumutbarer Weise von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Kenntnis zu nehmen. Die Unterschriftsleistung auf der Anmeldung sei als Routinevorgang verlangt worden. Ein Hinweis, dass damit auch Reisebedingungen irgendwelchen Inhalts anerkannt worden seien, sei nicht erfolgt.

18. Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Ansprüche seien auch nicht nach § 651 g Abs. 1 BGB verfristet. Sie sei über die Folgen der Fristversäumung nicht belehrt worden. Ferner sei es ihr aufgrund der Schwere der erlittenen Verletzungen nicht zumutbar gewesen, vor Ende August die Ansprüche bei der Beklagten anzuzeigen. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt. Die Beklagte habe sie nicht über die kurze Verjährungsfrist des § 651 g Abs. 2 BGB belehrt.

19. Die Klägerin behauptet, Ursache des Sturzes sei die ungenügende Sicherung der wegen des hochglänzenden Marmors rutschigen Hoteltreppe gewesen. Es sei weder ein Treppengeländer noch Hinweisschilder vorhanden gewesen. Der angebrachte „Rutschstopp“ habe die Gefahr eines Sturzes sogar noch erhöht. Die Klägerin begehrt dem Grunde nach Ersatz des materiellen Schadens, soweit dieser von keiner Versicherung übernommen worden sei. Darüber hinaus verlangt sie Schmerzensgeld, wobei sie einen Betrag von mindestens DM 10.000,– für gerechtfertigt hält.

20. Die Klägerin beantragt,

1.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden dem Grunde nach zu ersetzen, den die Klägerin aufgrund des Unfallereignisses vom 17.6.2000 erlitten hat, soweit dieser nicht durch eine Versicherung übernommen wurde,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch DM 10.000,–, nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

21. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

22. Sie ist der Ansicht, der Feststellungsantrag zu Ziff. 1 sei bereits unzulässig. Darüber hinaus seien Ansprüche der Klägerin gemäß § 651 g Abs. 1 BGB i.V.m. Ziff. 10.7 der AGB der Beklagten verwirkt, da die Ansprüche nicht innerhalb eines Monats nach Beendigung der Reise angemeldet worden seien. Bei der Buchung der Reise im Reisebüro H habe ein T-​Katalog, Sommer 2000, in dem – unstreitig – die AGB der Beklagten abgedruckt seien, vorgelegen. Nach diesem Katalog sei die Reise von der Klägerin und ihrem Ehemann gebucht worden.

23. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, die Versäumung der Monatsfrist sei nicht unverschuldet gewesen. Denn die Klägerin sei nicht so schwerwiegend verletzt gewesen, dass sie bis Ende August 2000 Ansprüche hätte nicht anmelden können.

24. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, die Voraussetzungen der Einrede der Verjährung gemäß § 651 g Abs. 2 BGB seien gegeben. Aber auch in materieller Hinsicht stünde der Klägerin kein Anspruch zu. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten läge nicht vor, die Klägerin sei vielmehr aus eigener Unachtsamkeit gestürzt. Insoweit wird ergänzend Bezug genommen auf den Vortrag in der Klageerwiderung (Bl. 43 ff d.A.).

25. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 5.10.2001 (Bl. 89, 90 d.A.). Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 23.11.2001 (Bl. 99 bis 103 d.A.).

26. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

27. Die zulässige Klage ist unbegründet.

28. Der Feststellungsantrag (Klageantrag zu 1)) ist zulässig. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage wird bereits dann bejaht, wenn dies prozesswirtschaftlich zu einem sinnvollen Ergebnis führt (vgl. Baumbach-​Lauterbach, 59. Aufl., § 256 Rdnr. 81). Soweit der Klageantrag zu 1) Erfolg hat, hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass die Beklagte noch offene und nachgewiesene materielle Schadenspositionen begleichen wird, ohne dass die Klägerin einen zusätzlichen Titel erwirken müsste. Insoweit führt auch der vorliegende Feststellungsantrag zu einem prozesswirtschaftlich sinnvollen Ergebnis.

29. Die Klage ist aber unbegründet.

30. Ein möglicher Schadensersatzanspruch nach § 651 f BGB ist nach § 651 g Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift hat der Reisende Ansprüche nach den §§ 651 c bis 651 f BGB innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist.

31. Die Klägerin hatte ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.8.2000 geltend gemacht. Die Beendigung der Reise war am 17.6.2000. Die Geltendmachung der Ansprüche mit Schriftsatz vom 28.8.2000 war damit gemäß § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB verfristet.

32. Die Klägerin war auch nicht ohne Verschulden an der Geltendmachung gehindert. Die Klägerin hat durch den Unfall mehrere Frakturen, Prellungen und eine Verletzung des Schneidezahnes erlitten. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass sie außer Stande gewesen ist, ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass hierzu ein schlichter Telefonanruf genügt hätte. Auch wäre der Ehemann der Klägerin, der als Reiseteilnehmer über den Sachverhalt informiert gewesen ist, mit Sicherheit bereit gewesen, die Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

33. Das Verschulden entfällt jedoch dann, wenn der Reiseveranstalter den Reisenden nicht gemäß seiner Informationspflicht nach § 3 Abs. 2 f, h, Abs. 4 InfVO auf die Ausschlussfrist hinweist (vgl. Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rdnr. 372). Auch dieser von der Klägerin erhobene Einwand greift nicht durch. Der erforderliche Hinweis ist unter Ziff. 10.7 der Reise- und Zahlungsbedingungen erfolgt.

34. Die Zahlungs- und Reisebedingungen der Beklagten sind auch wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Nach § 2 AGBG muss der Reisende bei Vertragsschluss auf die Reisebedingungen hingewiesen worden sein, es muss die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestanden haben und der Reisende muss mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einverstanden gewesen sein. Alle 3 Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

35. Der ausdrückliche Hinweis nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Zweckmäßigerweise erfolgt er jedoch schriftlich auf dem Anmeldevordruck über der Kundenunterschrift und nicht versteckt im Vordrucktext (vgl. Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rdnr. 104). Genau ein solcher Hinweis ist im Anmeldeformular, wie im Tatbestand wiedergegeben, gemacht worden. Der Hinweis auf die Reisebedingungen des Veranstalters ist über der Unterschrift des Kunden erfolgt. Die Klägerin hat in ihrer Anhörung am 23.11.2001 eingeräumt, sie habe nicht gelesen, was von ihr unterschrieben worden sei. Dies führt aber nicht dazu, dass die Klägerin deshalb nicht i.S.v. § 2 Abs. 1 AGBG auf die Reisebedingungen der Beklagten hingewiesen worden ist. Der Klägerin musste klar sein, dass sie mit ihren Unterschriften rechtsverbindliche Erklärungen abgibt. Dann kann sie sich im Nachhinein nicht darauf berufen, sie habe nicht gelesen, was sie unterschrieben habe.

36. Die Beklagte hatte der Klägerin auch die Möglichkeit verschafft in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG). Die zweite Einbeziehungsvoraussetzung erfüllt der Veranstalter, wenn die AGB in der Buchungsstelle ausliegen, im Katalog abgedruckt sind oder dem Reisenden bei der Anmeldung ausgehändigt oder zugesandt werden. Vorliegend waren die Zahlungs- und Reisebedingungen der Beklagten im Katalog, Sommer 2000, abgedruckt. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Katalog bei der Buchung vorlag. Dies hat die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung selbst bestätigt. Auch nach der Aussage der Zeugin M die sich an die konkrete Buchung zwar nicht mehr erinnern konnte, ist anzunehmen, dass der T-​Katalog bei der Buchung vorlag. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten demnach die Möglichkeit, durch Einsichtnahme in den Katalog in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Entgegen der Ansicht der Klägerin musste die Beklagte nicht ausdrücklich darauf hinweisen, dass die AGB im Katalog abgedruckt sind. Unabhängig davon, dass dies üblicherweise bekannt ist, darf sich die Beklagte aufgrund des erfolgten Hinweises auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Anmeldung darauf verlassen, dass der Kunde den Wunsch äußert, die AGB einzusehen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass spätestens dann seitens der Mitarbeiterin des Reisebüros auf die Reise- und Zahlungsbedingungen im Katalog konkret hingewiesen worden wäre.

37. Zur Einbeziehung ist letztlich das Einverständnis des Reisenden erforderlich. Dies liegt vorliegend darin, dass die Klägerin die Anmeldung nach dem erfolgten Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unterschrieben hat.

38. Mögliche vertragliche Schadensersatzansprüche sind auch deshalb nicht durchsetzbar, weil sich die Beklagte demgegenüber zu Recht auf Verjährung berufen hat (§ 651 g Abs. 2 BGB).

39. Die Verjährung begann mit dem vertraglich vorgesehenen Reiseende am 17.6.2000. Die Verjährung trat somit bei ungehemmtem Verlauf am 18.12.2000 ein. Hat der Reisende Ansprüche nach den §§ 651 c bis 651 f BGB geltend gemacht, so ist die Verjährung bis zu dem Tag, an dem der Reiseveranstalter die Ansprüche schriftlich zurückweist (§ 651 g Abs. 2 Satz 3 BGB). Vorliegend war die Verjährung vom 29.8.2000 bis spätestens zum 2.10.2000 gehemmt. Die Ablehnung der Ansprüche durch den Haftpflichtversicherer der Beklagten, dem dieser die Prüfung des Vorgangs überlassen hatte, genügt, um die Hemmung gemäß § 651 g Abs. 2 BGB zu beenden (vgl. Seyderhelm, Reiserecht, § 651 g, Rdnr. 52). Demzufolge trat die Verjährung am 22.1.2001 ein. Die erst im Mai erhobene Klage konnte deshalb die Verjährung nicht mehr unterbrechen.

40. Die Klägerin ist mit deliktischen Ansprüchen wegen verspäteter Geltendmachung ausgeschlossen. Hierbei kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 651 g Abs. 1 BGB auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung entsprechend anwendbar ist, offen bleiben. Denn der Ausschluss nicht angemeldeter deliktischer Ansprüche nach Ablauf der Monatsfrist folgt hier bereits aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Gemäß Ziff. 10.7 der in den Vertrag einbezogenen Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten sind „sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche“ innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vereinbarten Reiseende gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Diese Bestimmung bezieht sich eindeutig auch auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, zumal die vorstehende Klausel, Ziff. 10.6., ausdrücklich deliktische Ansprüche betrifft.

41. Die Frage, ob eine Ausschlussfrist in Anlehnung an § 651 g Abs. 1 BGB für deliktische Ansprüche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vorgesehen werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstand: Landgericht Frankfurt/Main RR a 1999, 88, 90 mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Nach ständiger Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt/Main kann der Veranstalter in seinen AGB die Monatsfrist auch auf die Deliktsansprüche erstrecken (vgl. LG Frankfurt/Main, NJW-​RR 1990, 520; RR a 1998, 160; RR a 1999, 88, 90, 91). Das Gericht folgt dieser Ansicht. Eine Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich nicht aus § 651 1 BGB. Auch eine unangemessene Benachteiligung des Reisenden i.S.v. § 9 AGBG ist nicht anzunehmen. Die Interessenlage des Reiseveranstalters gebietet es, auch deliktische Ansprüche dem einmonatigen Anmeldeerfordernis unterwerfen zu können. Es würde, worauf Führich hinweist, dem Sinn und Zweck der kurzen Ausschlussfrist in § 651 g Abs. 1 BGB widersprechen, eine möglichst schnelle Abwicklung einer Reiseveranstaltung zu ermöglichen, könnte der Reisende noch kurz vor Ablauf der 3jährigen Verjährungsfrist des § 852 BGB deliktische Ansprüche gerichtlich geltend machen. Daher muss es dem Reiseveranstalter möglich sein, in seinen AGB alle Ansprüche des Reisenden aus dem einheitlichen Lebenssachverhalt Reise, also auch deliktische nach den §§ 823 ff BGB, der Anmeldefrist des § 651 g Abs. 1 BGB zu unterwerfen. Das schließt die Geltendmachung erst später auftretender Unfallfolgen nicht aus, da der Reisende die Schadenshöhe bei der Anspruchsanmeldung nicht beziffern muss. Zudem kann auch eine nachträgliche Anmeldung entschuldbar sein (vgl. Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rdnr. 360), was vorliegend aber – wie ausgeführt – nicht der Fall war.

42. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufig Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.

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