Zahlungsklage eines Hoteliers nach Stornierung einer Zimmerbuchung

AG Münster: Zahlungsklage eines Hoteliers nach Stornierung einer Zimmerbuchung

Ein Hotelier klagte gegen einen Reisenden, weil dieser am Anreisetag die Buchung storniert hatte und sich in der Folge weigerte die angefallenen Stornogebühren zu bezahlen.

Das Amtsgericht Münster hat die Klage abgewiesen. Sie sei mangels Zuständigkeit des Gerichts unzulässig, da der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes nur gegeben sei, wenn der Gast die Unterkunft auch tatsächlich aufsuche.

AG Münster 48 C 2016/17 (Aktenzeichen)
AG Münster: AG Münster, Urt. vom 08.09.2017
Rechtsweg: AG Münster, Urt. v. 08.09.2017, Az: 48 C 2016/17
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Amtsgericht Münster

1. Urteil vom 8. September 2017

Aktenzeichen 48 C 2016/17

Leitsatz:

2. Der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes ist nur gegeben, wenn der Gast den Ort der Beherbung aufsucht.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender stornierte am Anreisetag seine Buchung für Hotelübernachtungen in Münster. Der Hotelier forderte vertragsgemäß die Zahlung von Stornogebühren, welche der Reisende aber unterbleiben ließ. Daraufhin legte der Hotelier am Amtsgericht Münster Klage ein, da er Münster als Erfüllungsort des Beherbergungsvertrags betrachtete und den besonderen Gerichtsstand dessen gegeben sah.

Das Amtsgericht Münster hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da das Amtsgericht örtlich unzuständig war. Zuständig war das Amtsgericht Singen, da hier der Beklagte wohnte. Entgegen der Auffassung des Klägers war der besondere Gerichtsstand nicht begründet, da der Beklagte den Beherbergungsort nicht aufgesucht hatte.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch aus Beherbergungsvertrag.

6. Die Klägerin betreibt in Münster ein Hotel. Der Beklagte buchte am 11.02.2015 eine Übernachtung für die Zeit vom 13.02.2015 bis 14.02.2015 zum Preis von 67,00 EUR. Am Anreisetag stornierte der Beklagte die Buchung. Die Klägerin fakturierte gemäß der vereinbarten Stornierungsbedingungen 53,10.

7. Die Klägerin mahnte den Beklagten; eine Zahlung erfolgte nicht. Die Klägerin beauftragte ihre nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung des fakturierten Betrages.

8. Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 53,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2015 zu zahlen;

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 70,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

9. Die Klage wurde dem Beklagten am 08.08.2017 zugestellt.

10. Der Beklagte gab keine Verteidigungsanzeige ab. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.09.2017 erschien der ordnungsgemäß geladene Beklagte nicht.

Entscheidungsgründe:

11. Die Klage ist unzulässig.

12. Das angerufene Gericht ist örtlich unzuständig. Örtlich zuständig ist gemäß §§ 12, 13 ZPO das Amtsgericht Singen (Hohentwiel), da der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes im Bezirk dieses Amtsgerichts hat.

13. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist kein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts, § 29 Abs. 1 ZPO, in Münster begründet.

14. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob der Ort der beabsichtigten Beherbergung stets als Erfüllungsort im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO anzusehen und damit die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk sich der Beherbergungsort befindet, begründet ist. Einigkeit dürfte lediglich insoweit bestehen, als dass bei Beherbergungsverträgen stets der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO begründet ist, sofern der Gast die Beherbergung auch in Anspruch nimmt. Es liege ein einheitlicher Erfüllungsort am Ort der Beherbergung vor, was darauf gestützt wird, dass der Gast, der keine besondere Zahlungsweise vereinbart hat, nach der allgemeinen Verkehrssitte im Beherbergungsgewerbe die Bezahlung stets am Ort der Beherbergung zu erbringen habe (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2007, – XII ZR 168/04 -, NJW-​RR 2007, 777, 778 Rn. 17). Uneinigkeit besteht in den Fällen, in denen der Gast den Beherbergungsort nicht aufsucht.

15. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es im Hinblick auf die Begründung des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsortes keinen Unterschied machen könne, wenn der Gast den Beherbergungsort nicht aufsucht (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 28.11.1984, – 9 U 3061/84 -, NJW 1985, 1296, 1297; AG Viechtach, Urteil vom 30.11.2006, – 2 C 463/06 -, BeckRS 2007, 10099; AG St. Blasien, Urteil vom 22.06.1982, – C 24/82 -, MDR 1982, 1017; Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 269 Rn. 27), da ansonsten der vertragswidrige Gast prozessual besser gestellt würde als der vertragstreue (vgl. Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 29 Rn. 21; Patzina in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 29 Rn. 36).

16. Nach anderer Auffassung ist § 29 Abs. 1 ZPO nicht einschlägig, wenn der Gast den Beherbergungsort nicht aufsucht (vgl. LG Bonn, Urteil vom 11.03.1985, – 2 O 51/85 -, MDR 1985, 588; AG Wittmund, Beschluss vom 25.08.1983, – 10 C 148/83 -, juris; AG Freyung, Urteil vom 15.03.1978, – C 22/78 -, MDR 1979, 850; AG Garmisch-​Partenkirchen, Zwischenurteil vom 02.12.1970, – 4 C 508/70 -, NJW 1971, 762, 763; Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 29 Rn. 25; im Ergebnis offen gelassen: OLG Koblenz, NJOZ 2008, 4446, 4447 f.). Etwas anderes ergebe sich nicht aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses (LG Bonn, a.a.O.).

17. Der letztgenannten Auffassung ist zu folgen.

18. Ob die Annahme, dass der Gast seine Zahlungspflicht auch heute noch „üblicherweise“ am Beherbergungsort erfüllt (so BGH, a.a.O.), in Anbetracht der massiven Zunahme von Buchungen über das Internet und (Voraus-​)Zahlungen per Kreditkarte noch den Tatsachen entspricht, erscheint zweifelhaft, kann im Ergebnis aber dahinstehen.

19. Jedenfalls kann, wenn der Schwerpunkt des Schuldverhältnisses am Beherbergungsort liegend angenommen wird, dies nur gelten, soweit der Beherbergende seine Verpflichtung auch erbringt und der Gast diese in Anspruch nimmt. Nur in diesem Fall kann von einer für beide Teile ortsbezogenen Verpflichtung ausgegangen werden, da die Annahme, dass „üblicherweise“ die Bezahlung am Beherbergungsort erfolgt, nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sich der Gast auch tatsächlich vor Ort befindet. Es dürfte vielmehr unüblich sein, dass ein Gast, der den Beherbergungsort zunächst nicht aufsucht, sodann zur Begleichung seiner Verbindlichkeit den Beherbergungsort aufsucht.

20. Nach alledem war die Klage als unzulässig abzuweisen.

21. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die streitentscheidende Frage, ob der besondere Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO auch dann begründet ist, wenn der Gast den Beherbergungsort nicht aufsucht, wie dargelegt divergierend beurteilt wird, und die Rechtssache damit grundsätzliche Bedeutung aufweist.

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