Wirksamkeit der Begrenzung von Reisewerten

LG Dortmund: Wirksamkeit der Begrenzung von Reisewerten

Eine Reisende forderte die Anrechnung von Reisewerten, die sie bei einem Reiseveranstalter gesammelt hatte, auf den von ihr geforderten Reisepreis.

Das Landgericht Dortmund hat der Klage stattgegeben. Die AGB-Klausel, welche die Anrechnung der Werte auf die Höhe der Provision der Beklagten für die Reise begrenzte sei eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c BGB und deshalb unwirksam war.

LG Dortmund 1 S 297/15 (Aktenzeichen)
LG Dortmund: LG Dortmund, Urt. vom 09.12.2015
Rechtsweg: LG Dortmund, Urt. v. 09.12.2015, Az: 1 S 297/15
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Landgericht Dortmund

1. Urteil vom 9. Dezember 2015

Aktenzeichen 1 S 297/15

Leitsatz:

2. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters, welche die Begrenzung der Anrechnung von angesammelten Reisewerten auf die Höhe der Provision vorsieht, die der Reiseveranstalter für die gebuchte Reise erhält, ist überraschend und folglich unwirksam.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin forderte die Anrechnung von angesammelten Reisewerten auf eine von ihr gebuchte, aber nicht persönlich in Anspruch genommene Reise nach Mallorca. Die Reiseveranstalterin verwies auf die in den Servicevertrag zwischen den Parteien einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen eine Klausel vorsah, dass die Anrechnung von Reisewerten nur bis zu der Höhe möglich war, in welcher die Reiseveranstalterin für die Buchung der Reise provisioniert wurde.

In erster Instanz wurde der Klägerin die Anrechnung der Werte auf die Buchung zugesprochen, da es nicht notwendig war, dass sie die Reiseleistung selbst in Anspruch nahm, sondern nur dass sie diese selbst buchte. Ferner war besagte AGB-Klausel unwirksam, da überraschend. Damit war die Anrechenbarkeit der Reisewerte unbegrenzt. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein, die Klägerin ging in Anschlussberufung, da sie zusätzlich die Auszahlung übriger Reisewerte begehrte.

Das Landgericht Dortmund wies beide Berufungen zurück und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Hinsichtlich der behaupteten Auszahlungsansprüche blieb die Klägerin beweisschuldig, dass diese sich aus den Vertragsbedingungen ergeben hätten.

Tenor:

4. In dem Rechtsstreit weist die Kammer darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe:

I.

5. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin zeigen keine Aussicht auf Erfolg.

1.

6. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien ursprünglich im Jahre 2004 abgeschlossenen und nach zwischenzeitlicher Beendigung im Jahre 2010 fortgeführten – von der Beklagten so bezeichneten – Reiseservicevertrag ein Anspruch auf Zahlung von 2.502 EUR zu.

a)

7. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 2.502 EUR gemäß Ziffer 5.3 der AGB der Beklagten, weil in dieser Höhe Reisewerte bei der Beklagten zugunsten der Klägerin gutgeschrieben waren und diese Reisewerte auf die im Juli 2014 gebuchte und von der Klägerin bezahlte Mallorcareise zum Gesamtpreis von 2.640 EUR anzurechnen sind.

aa)

8. Insoweit hat die Klägerin sich den Vortrag der Beklagten über die – spätestens im Jahr 2010 erfolgte – Einbeziehung ihrer AGB in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als einen ihr günstigen Umstand zu eigen gemacht, denen zufolge die bei der Beklagten angesammelten Reisewerte auf den Reisepreis der über die Beklagte gebuchte Reise anzurechnen sind.

bb)

9. Die Voraussetzungen der AGB der Beklagten sind erfüllt, denn die Klägerin hat über die Beklagte eine Mallorcareise zum Gesamtpreis von 2.640 EUR gebucht. Unerheblich ist insoweit, ob – wie die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz geltend macht – Reisender nur die Klägerin oder auch andere Personen gewesen sind, für die die Klägerin die Reise gebucht hat. Denn die AGB der Klägerin setzten nur die Buchung einer Reise durch den Kunden der Beklagten, also den Abschluss eines Reisevertrages, voraus, nicht aber, dass der Kunde die Reiseleistungen auch persönlich in Anspruch nimmt.

cc)

10. Unstreitig ist der Beklagten eine Provision über rund 390 EUR für die von der Klägerin gebuchte Reise zugeflossen.

dd)

11. Unerheblich ist, dass die an die Beklagte geflossene Provision nicht den Wert der bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Buchung zugunsten der Klägerin gutgeschriebenen Reisewerte erreicht hat. Zwar sieht Ziffer 5.3 der AGB der Beklagten vor, dass eine Anspruch auf eine Verrechnung der Reisewerte nur in Höhe der an die Beklagten geflossenen Provision vorsieht („Ein Anspruch auf Berücksichtigung von Reisewerten über den Betrag hinaus, den die Gesellschaft ihrerseits als Provision erhält besteht nicht“). Indes ist diese Beschränkung als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden.

(1.)

12. Die Beschränkung ist gemäß § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie nach den Umständen so ungewöhnlich ist, dass die Klägerin als Kundin der Beklagten mit ihrer Geltung nicht rechnen musste. Denn unstreitig ist der zwischen den Parteien bestehende Vertrag im Anschluss an den bereits im Jahre 2004 geschlossenen Vertrag fortgeführt worden. Bei dem Vertrag handelt es sich zwar nicht um einen Serviceleistungen abgegolten werden. Jedoch ist die Gutschrift von Reisewerten mit der Zahlung des monatlichen Entgeltes zum Zwecke der Anrechnung bei Reisebuchungen über die Beklagte der wesentliche Bestandteil des Vertrages und auch von Seiten der Beklagten in den Vordergrund gerückt worden. So ist die Ansammlung von Reisewerten und der mit der Gutschrift verbundenen Rabattierung (Gutschrift von Reisewerten zu einem höheren Betrag als dem monatlichen Zahlbetrag) von Seiten der Beklagten bereits in den Anschreiben vom 14.12.2004 und 29.12.2004 der Sache besonders betont worden. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, dass das monatliche Entgelt der Höhe nach von Seiten der Kunden jederzeit geändert werden können sollte, was indes nur einen Sinn ergibt, wenn die Ansammlung von Reisewerten flexibel gehandhabt werden sollte, nicht aber die Vergütung der von der Beklagten ebenfalls zu erbringenden Reiseserviceleistungen, da insoweit – worauf die Beklagte selbst hinweist – fixe und von ihr zu deckende Kosten anfallen. So ist auch in dem Anschreiben vom 29.12.2004 ausdrücklich noch einmal gesondert auf die regelmäßigen Aufstellungen über die Monatsbeträge und die Reisewertgutschriften hingewiesen und damit deren besondere Bedeutung für das Vertragsverhältnis hervorgehoben worden. Vor diesem Hintergrund – aber auch mit Blick auf die in der Vergangenheit bis zum Jahr 2010 gelebte Vertragspraxis – bestand die berechtige Erwartungshaltung der Klägerin im Jahre 2010, als das Vertragsverhältnis nach dem Vortrag der Beklagten jedenfalls unter Einbeziehung ihrer AGB fortgeführt wurde, dass diese ihre Reisewerte bei Reisebuchungen über die Beklagte in Anrechnung bringen kann, und zwar in voller Höhe. Denn den Umständen nach diente der Vertrag aus Sicht der Kunden der Beklagten dazu, dass diese für eine Reise sparen können, welche aber über die Beklagte zu buchen ist. Dass dann aber nach den erbrachten Ansparleistungen eine Begrenzung der Höhe nach im Hinblick auf die Anrechnung von Reisewerten bei der Buchung einer Reise gelten soll, widerspricht dem Zweck des Vertrages und der von Seiten der Beklagten bei ihren Kunden hervorgerufenen Erwartungshaltung.

(2.)

13. Ist die Beschränkung der Anrechnungsmöglichkeiten von Reisewerten der Höhe nach als überraschende Klausel unwirksam, lässt dies die übrigen AGB der Beklagten unberührt und führt zu einer Anrechnungsmöglichkeit von vorhandenen Reisewerten in unbegrenzter Höhe.

2.

14. Auf Grund der berechtigten Hauptforderung sind auch die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten von der Beklagten in der ausgeurteilten Höhe unter Verzugsgesichtspunkten zu ersetzen.

15. Ein Anspruch auf Auszahlung von Reisewerten, welche die Klägerin in der Zeit nach Juli 2014 angesammelt hat, besteht infolge der Kündigung der Klägerin nicht, weswegen die Anschlussberufung keinen Erfolg verspricht.

a)

16. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat bereits nicht dargelegt, aus welcher vertraglichen Vereinbarung ein Anspruch auf Auszahlung von Reisewerten bestehen soll. Insbesondere hat sie nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass sie einen Sparvertrag mit der Beklagten im Sinne einer unregelmäßigen Verwahrung (§§ 700, 488 BGB) geschlossen hat.

b)

17. Unter Geltung der AGB der Beklagten kommt ein Anspruch auf Auszahlung eines Guthabens nicht in Betracht. Die Kammer verweist insoweit auf die in der Entscheidung LG Dortmund, Az.: 3 O 259/13, vertretene Rechtsansicht, welche von der Kammer auch bereits in dem Verfahren 1 S 36/14 mit Hinweisbeschluss vom 04.04.2014, auf den die Berufung zurückgenommen worden ist, geteilt worden ist.

II.

18. Die Parteien erhalten die Gelegenheit, zu den erteilten Hinweisen binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

19. Auf die kostenrechtliche Privilegierung der Berufungsrücknahme wird hingewiesen.

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