Unterbliebene Rücksendung des Reisepasses von der Botschaft

AG Bonn: Unterbliebene Rücksendung des Reisepasses von der Botschaft

Der Kläger hatte für eine Reise seinen Pass an die Botschaft von Myanmar in Berlin versandt und einen Rücksendeumschlag beigefügt, der von der Beklagten befördert wurde. Hierbei kam es zu Verzögerungen, wegen derer der Kläger einen neuen Pass bestellte. Dessen Kosten verlangt er von der Beklagten.

Das Gericht wies die Klage weitestgehend ab. Es liege zwar eine falsche Beförderung vor, die Schadensersatzpflicht sei jedoch gedeckelt, zumal der Beklagten kein Verschulden zukomme.

AG Bonn 102 C 206/15 (Aktenzeichen)
AG Bonn: AG Bonn, Urt. vom 07.04.2016
Rechtsweg: AG Bonn, Urt. v. 07.04.2016, Az: 102 C 206/15
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Amtsgericht Bonn

1. Urteil vom 07. April 2016

Aktenzeichen 102 C 206/15

Leitsatz:

2. Leitsatz

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für eine Reise seinen Pass an die Botschaft von Myanmar in Berlin versandt und einen Rücksendeumschlag beigefügt, der von der Beklagten befördert wurde. Hierbei kam es zu Verzögerungen, wegen derer der Kläger im Expressverfahren einen neuen Pass bestellte. Dessen Kosten verlangt er von der Beklagten.

Das Gericht wies die Klage weitestgehend ab. Es liege zwar eine falsche Beförderung vor, da die Beklagte den Brief erst über die Schweiz nach Liechtenstein, den Wohnort des Klägers, transportiert und so die Zustellung verzögert habe. Die Schadensersatzpflicht sei jedoch gedeckelt, zumal der Beklagten kein Verschulden zukomme.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, 25,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 85,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2015 an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils für sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger plante einen Urlaub zwischen dem 29.10.2014 und dem 25.04.2015 in Thailand und Myanmar. Im September 2014 übersandte der Kläger seinen Reisepass im Hinblick auf die Einholung eines Visums an die Botschaft Myanmar in Berlin. In der Sendung enthalten war ein Briefumschlag für die Rücksendung seines Reisepasses an ihn als Einschreiben mit der entsprechenden Frankierung. Die Botschaft Myanmar verschickte den Reisepass mit Visum am 09.10.2014 an den Kläger. Als der Reisepass Mitte Oktober 2014 noch nicht beim Kläger eingetroffen war, beantragte er per Express einen neuen Reisepass. Dieser wurde ihm am 29.10.2014 erteilt.

6. Am 31.10.2014 wurde der Kläger durch Einwurf einer entsprechenden Benachrichtigung über die Hinterlegung der Sendung der Botschaft Myanmar in der für ihn zuständigen Postfiliale informiert; da der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits abgereist war, holte seine Tochter die Sendung am 10.11.2014 in der Postfiliale ab. Ausweislich des Briefumschlages wurde die Sendung zunächst über die Schweiz nach Liechtenstein befördert und erst dann nach 72805 Lichtenstein, den Wohnort des Klägers.

7. Der Kläger ist der Ansicht, die verzögerte Zustellung der Sendung der Botschaft Myanmar an ihn sei auf leichtfertiges Verhalten der Beschäftigten der Beklagten zurückzuführen, so dass die Beklagte ihm zum Ersatz sämtlicher daraus resultierender Schäden verpflichtet sei.

8. Der Kläger beantragt,

9. 1.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 738,25 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.06.2015 zu zahlen.

10. 2.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 147,56 Euro vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.06.2015 zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt,

12. die Klage abzuweisen.

13. Sie bestreitet zunächst den Inhalt der Sendung der Botschaft Myanmar mit Nichtwissen und behauptet, ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten sei nicht gegeben.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

15. Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 280 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrag wegen der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen seitens der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 25,00 Euro zu. Darüberhinausgehende Ansprüche des Klägers bestehen jedoch nicht.

16. Zunächst ist das Gericht davon überzeugt, dass sich in der Sendung, die die Botschaft Myanmar am 09.10.2014 an den Kläger abschickte, der Reisepass mit Visum befand. Im Hinblick auf den im Übrigen unstreitigen Sachverhalt ist nicht ersichtlich, welchen Inhalt die Sendung sonst gehabt haben sollte. Es ist darüber hinaus unstreitig, dass die Beklagte vorliegend eine bestimmte Lieferfrist nicht schuldete, der Kläger hatte den Briefumschlag insbesondere als Einschreiben deklariert und entsprechend frankiert, nicht jedoch als Express-Sendung.

17. Allerdings handelte es sich vorliegend um eine nicht ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten im Sinne der in den Vertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten „Brief National“, Ziffer 6 Abs. 2. Danach haftet die Beklagte für Verlust, Beschädigung und die nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Verpflichtungen für bedingungsgerechte und nicht ausgeschlossene Sendungen, wobei gemäß Ziffer 6 Abs. 3 die Haftung bei Einschreiben auf einen Höchstbetrag von 25,00 Euro begrenzt ist. In dem Umstand, dass die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Frankierung und Beschriftung die Sendung zunächst über die Schweiz nach Liechtenstein transportierte, anstatt unmittelbar von Berlin nach Lichtenstein ist eine nicht ordnungsgemäße Vertragserfüllung zu sehen, zumal damit eine erhebliche Verlängerung der Beförderungsdauer verbunden war. Obwohl die Beklagte vorliegend nicht zur Einhaltung einer konkreten Lieferfrist verpflichtet war, gehörte es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der vertraglichen Pflicht zur Beförderung der Sendung, dass die Sendung auf dem zumutbaren schnellsten und kürzesten Wege befördert wurde. Dies war vorliegend ausweislich der Historie des Briefes auf dem Briefumschlag gerade nicht der Fall, ohne dass der Kläger hierzu einen Anlass gesetzt hätte.

18. Die Haftung der Beklagten ist jedoch begrenzt auf den nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geltenden Höchstbetrag von 25,00 Euro, da vorliegend ein leichtfertiges Verhalten der Beklagten bzw. ihrer Mitarbeiter nicht substantiiert vorgetragen wurde. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Mitarbeiter in krasser Weise über die Interessen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (vgl. OLG Köln, Urteil v. 24.05.2005, AZ: 3 U 195/04, zit. nach juris, RZ 19).

19. Vorliegend hat der Kläger keine Umstände vorgetragen, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Mitarbeiter der Beklagten in diesem Sinne leichtfertig gehandelt haben, als sie den Brief versehentlich zunächst nach Liechtenstein und nicht unmittelbar nach Lichtenstein beförderten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen die Beklagte nicht zur Vornahme von Ein- und Ausgangskontrollen verpflichtet ist. Das für Paketsendungen aufgestellte Gebot von durchgehenden Schnittstellenkontrollen gilt für Briefe und briefähnliche Sendungen nicht (vgl. BGH, Urteil v. 14.06.2006, AZ: I ZR 136/03, zit. nach juris, RZ 14 f.). Ohne umfassende Ein- und Ausgangskontrollen kann jedoch ein verlässlicher Überblick seitens der Beklagten über den Lauf und den Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden, die Beklagte mithin eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Beförderung jeder einzelnen Sendung nicht gewährleisten (vgl. BGH, a.a.O.). Bei der Briefbeförderung steht die Übermittlung der in dem Brief enthaltenen individuellen Gedankenerklärung im Vordergrund, so dass dem Versender eine Briefes infolge dessen Verlust im allgemeinen kein materieller Schaden entstehen kann.

20. Die Sorgfaltspflichten der Beklagten im postalischen Massen-Briefverkehr sind also geringer anzusetzen als bei Paketen. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass vorliegend den Mitarbeitern der Beklagten bewusst war oder bewusst sein musste, dass infolge der Fehlleitung der Sendung und der damit verbundenen erheblichen Lieferzeitverzögerung beim Kläger ein materieller Schaden entstehen würde. Vielmehr ist hier von einem Augenblicksversagen auszugehen, dass die Grenzen der normalen Fahrlässigkeit nicht überschreiten.

21. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280, 286, 249 BGB i.V.m. RVG.

22. Die zuerkannten Zinsen beruhen auf §§ 286, 288 Abs. 1, 291 BGB.

23. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

24. Streitwert: 738,25 Euro.

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