Sturz im Poolbereich eines Kreuzfahrtschiffs als allgemeines Lebensrisiko

AG Rostock: Sturz im Poolbereich eines Kreuzfahrtschiffs als allgemeines Lebensrisiko

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Kreuzfahrt gebucht. Auf dem Deck des Schiffes stürzte sie und verlangt daher Schadensersatz.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Bei dem Sturz habe sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, die Beklagte habe keine Sicherungspflichten verletzt.

AG Rostock 47 C 29/11 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 24.08.2011
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 24.08.2011, Az: 47 C 29/11
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 24. August 2011

Aktenzeichen 47 C 29/11

Leitsätze:

2. Im Poolbereich eines Kreuzfahrtschiffes hat der Betreiber nicht gesondert auf die Möglichkeit von Wasserpfützen hinzuweisen.

Bei einem Sturz wegen einer solchen Pfütze verwirklicht sich das allgemeine Lebensrisiko.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich und ihre Familie eine Kreuzfahrt gebucht. Sie stürzte im Poolbereich auf dem Deck des Schiffes. Hierbei brach sie sich einen Zeh und verlangt daher Schadensersatz.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Bei dem Sturz habe sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Im Poolbereich sei das Aufkommen von Wasser auf dem Boden erwartbar. Eine absolute Sicherheit sei durch den Reiseveranstalter nicht zu gewährleisten. Daher habe die Beklagte keine Sicherungspflichten verletzt.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Die Klägerin macht Schadensersatz- und Minderungsansprüche aufgrund einer Verletzung während einer Kreuzfahrtreise geltend.

6. Die Klägerin hatte für sich und ihre Familie bei der Beklagten eine Kreuzfahrt auf dem Clubschiff der Beklagten … vom 25.07. bis 04.08.2010 gebucht.

7. Am 02.08.2010 rutschte die Klägerin im Zugangsbereich des Vergnügungsdecks in einer Wasserpfütze aus. Die Wasserpfütze befand sich auf dem blau gestrichenen Decksteil des Zugangsbereiches. Der mit Holz abgedeckte Zugangsbereich war mit Sonnenliegen vollgestellt. Zur Darstellung der Unfallstelle wird auf die Anlage A 3 (Bl. 45 d.A.) Bezug genommen. In dem Bereich der Unfallstelle befinden sich keine Schilder, die auf mögliche Wasserpfützen in diesem Bereich hinweisen. Bei dem Sturz stieß die Klägerin mit Fuß gegen eine Liege und brach sich hierbei einen Zeh. Sie wurde auf dem Schiff notversorgt und musste nach Rückkehr in einem Krankenhaus weiter ärztlich behandelt werden. Insgesamt musste sie 6 Wochen einen Zehenverband tragen und konnte keine geschlossenen Schuhe anziehen. Der geschädigte Zeh war sehr schmerz- und druckempfindlich. Mit der Klage fordert die Klägerin Ersatz von an Bord entstandenen Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 215,00 €, eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, welches die Klägerin mit 1.500,00 € beziffert. Weiterhin macht die Klägerin einen Minderungsanspruch im Umfang von 374,00 € (2/10 des auf ihre Person entfallenen Reisepreises) geltend.

8. Die Klägerin trägt vor, sie habe auf dem Hinweg zur Toilette an der späteren Unfallstelle kein Wasser auf der blauen Fläche festgestellt. Auf dem Rückweg sei die Wasserlache durch das Licht nicht zu erkennen gewesen. Weiter trägt die Klägerin vor, die Wasserlache könne nicht durch einen Badenden verursacht worden sein, da sie so groß gewesen wäre, dass eine andere Ursache hierfür vorhanden gewesen sein müsse.

9. Die Klägerin meint, die Beklagte hätte durch Hinweisschilder auf die Gefahr des Ausrutschens hinweisen müssen. Zudem hätte die Beklagte durch entsprechenden Einsatz von Personal an den reinen Seetagen entsprechende Gefahrenquellen verhindern müssen.

10. Die Klägerin beantragt,

1.

11. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 614,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.10.2010 zu zahlen;

2.

12. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird und ab dem 16.10.2010 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist;

3.

13. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Verpflichtung zur Zahlung der hier außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe eines Betrages von 272,87 € freizuhalten.

14. Die Beklagte beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Sie meint, der Poolbereich sei durch die blaue Fußbodenfarbe als solcher deutlich erkennbar.

Entscheidungsgründe

17. Die zulässige Klage ist unbegründet.

18. Die Klägerin hat gegen die Beklagte im Zusammenhang mit ihrer Verletzung am 02.08.2010 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Für den Sturz der Klägerin und deren Folgen ist die Beklagte nicht verantwortlich.

19. Minderungsansprüche sind ebenfalls nicht festzustellen.

20. Einen Reiseveranstalter trifft eine vertragliche und eine deliktische Schadensersatzhaftung, wenn er seine zum Schutz der Sicherheit der Reisenden bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Diese erstreckt sich nicht nur auf den Bereich der vertraglich geschuldeten Reiseleistung, sondern erfasst auch Einrichtungen, die aus Sicht des Reisenden als integraler Bestandteil eines Reiseelementes erscheinen (Eckert, die Anforderungen der Rechtsprechung an die Verkehrssicherungspflicht der Reiseveranstalter und ihrer Auswirkungen auf die Haftung RRa 2007, 113, 120).

21. Die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht hat zum Inhalt, dass bei der Ausübung eines Gewerbes diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Für die deliktische Haftung des Reiseveranstalters ist von Bedeutung, welche rechtlichen Verpflichtungen ihm hierzu obliegen. Er übernimmt gem. seinem Angebot die Planung und Durchführung der Reise, er haftet insoweit für deren Erfolg und trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens. Deshalb darf der Reisende darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise erforderliche unternimmt. Der Reiseveranstalter ist somit für die Sicherheit der von ihm vermittelten Unterkünfte und Transportmittel selbst mitverantwortlich, mag auch die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie dem Betreiber oder Beförderer treffen (BGH NJW 2006, 3268; BGHZ 103, 298).

22. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar. Der Pflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder vermeiden kann, nicht auch vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann (Palandt/Sprau BGB 69. Aufl., § 823 Rn. 51).

23. Hier verwirklichte sich durch den Sturz der Klägerin deren allgemeines Lebensrisiko.

24. Es ist allgemein bekannt, dass es im unmittelbaren Bereich eines (Whirl-)pools nässebedingt glatt ist (OLG Rostock TranspR 2011, 189). Gerade im Bereich des Swimmingpools, an dem sich naturgemäß viele Gäste aufhalten und z.B. durch springende und spielende Kinder Wasser außerhalb des Beckens gelangt, muss der Reisende davon ausgehen, dass auch der vom Pool wegführende Weg feucht ist und Rutschgefahr besteht (LG Frankfurt RRa 2000, 14). Im vorliegenden Fall war für die Klägerin schon allein aufgrund der blauen Farbe, die den unmittelbaren Poolbereich signalisiert, erkennbar, dass in diesem Bereich mit nassen Fußbodenstellen gerechnet werden muss. Hierauf hätte sich die Klägerin einstellen müssen. Eines gesonderten Warnhinweises darauf, dass im Poolbereich mit Nässe zu rechnen sei, bedarf es nicht, da dies jedem einleuchten muss. Hinzu kommt, dass schon allein aufgrund der Größe der Wasserpfütze, in der die Klägerin ausrutschte, diese auch deutlich wahrnehmbar war. Soweit die Klägerin das Gegenteil hiervon vorträgt und behauptet, die Wasserlache sei durch das Licht nicht erkennbar gewesen, überzeugt dies nicht. Wenn bereits auf einem Foto eine Wasserlache deutlich erkennbar ist, muss sie in Natura ebenfalls erkennbar sein.

25. Unerheblich ist, wodurch die Wasserlache verursacht wurde. Entscheidend bleibt, dass mit Wasserlachen im Poolbereich zu rechnen ist.

26. Letztlich führt auch der Umstand, dass der mit Holz bedeckte Teil des Fußbodens mit Sonnenliegen zugestellt war, zu keiner anderen Beurteilung. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin zwingend den Poolbereich als Weg habe nutzen müssen und diesen Poolbereich nicht durch Inkaufnahme evtl. längeren Weges hätte umgehen können.

27. Zusammenfassend kann die Klägerin mangels Vorliegen einer deliktischen Handlung der Beklagten weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld fordern. Weiterhin besteht kein Minderungsanspruch, weil die vertraglich geschuldeten Leistungen der Beklagten nicht mangelhaft waren. Wasserstellen im Poolbereich stellen keinen Fehler dar, der den Wert oder die Tauglichkeit einer Reise zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufhebt oder mindert (§ 651 c Abs. 1 BGB).

28. Mangels bestehender Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten und Verzugszinsen.

29. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

30. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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