Nichtanlaufen eines Hafens bei Flusskreuzfahrt

AG Rostock: Nichtanlaufen eines Hafens bei Flusskreuzfahrt

Eine Kreuzfahrtreisende forderte Gesamtreisepreisminderung, weil der Zielhafen einer Kreuzfahrt nicht angelaufen wurde. Sie erhielt tatsächlich nur eine Tagesreisepreisminderung, weil der Rest der Reise einwandfrei war.

AG Rostock 47 C 52/13 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 25.10.2013
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 25.10.2013, Az: 47 C 52/13
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 25. Oktober 2013

Aktenzeichen 47 C 52/13

Leitsatz:

2. Wird bei einer Flusskreuzfahrt ein Zielhafen nicht angelaufen, liegt ein Reisemangel vor, der die Minderung des Reisepreises für den betroffenen Tag um 50% begründet.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten für die Zeit vom 25. August bis 01. September  2012 eine Rheinkreuzfahrt von Köln nach Basel und zurück zu einem Preis von 3.098,- € gebucht. Aufgrund einer Verspätung des Schiffes durch Niedrigwasser und einer Verzögerung an der Schleuse in Straßburg legte das Schiff in Breisach statt Basel an. Dorthin bot die Beklagte Busausflüge an. Vorgerichtlich zahlte sie 200,- € an die Klägerin, diese forderte jedoch eine Reisepreisminderung um 30% und die Erstattung weiterer 729,40 €, sowie vorgerichtliche Anwaltskosten.

Das Amtsgerichts Rostock gab der Klage in geringem Umfang statt. Demnach stand der Klägerin eine Minderung des Tagesreisepreises des Tages in Basel um 50% zu. Damit belief sich nach der vorgerichtlichen Zahlung ihr Anspruch noch auf 21,28 €. Der Rest der Reise war nicht von dem Mangel beeinträchtigt, sodass hierfür keine Minderung zugesprochen wurde.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21,28 € nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2012 sowie 46,41 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin macht die Minderung des Reisepreises einer Flusskreuzfahrt wegen des Ausfalls eines Hafens geltend.

6. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Flussschiffkreuzfahrt „AQUA Rhein Smart“ vom 25.08. bis 01.09.2012 zu einem Gesamtpreis in Höhe von 3.098,00 €.

7. Die geplante Reiseroute sollte von Köln aus bis Basel und zurück verlaufen.

8. In den in den Vertrag einbezogenen Reisebedingungen der Beklagten heißt es u.a. unter 4.1.:

9. „Änderungen von dem vereinbarten Inhalt des Reisevertrags, die nach Vertragsschluss notwendig werden, sind gestattet, soweit die Änderungen nicht erheblich sind, nicht zu einer wesentlichen Änderung der Reiseleistung führen und den Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise nicht beeinträchtigen. Zu den Änderungen zählen … Änderungen der Fahrzeugen und/oder der Routen bei Flussreisen, zu denen es im Fall von nicht rechtzeitig vorhersehbarem Hoch- bzw. Niedrigwasser kommen kann (Sicherheits- oder Witterungsgründen). Durch die Änderungen können Teilstrecken ganz oder teilweise ausfallen oder mit anderen Verkehrsmitteln durchgeführt werden, Ausflugsprogramme können entfallen oder geändert werden; …“

10. Nach dem geplanten Reiseverlauf sollte das Schiff am 28.08. morgens um 8.00 Uhr in Basel anlegen und um 21.00 Uhr ablegen. Hierbei handelte es sich um den längsten Aufenthalt in einem Hafen. Aus strittigen Gründen legte das Schiff am 28.08. um 7.00 Uhr in Breisach an und verblieb dort bis zum 29.08., 12.30 Uhr. Die Rückfahrt ab Breisach verlief wieder planmäßig. Die Beklagte bot den Reisenden Busausflüge von Breisach nach Basel an.

11. Die Klägerin fordert eine Rückzahlung des Reisepreises im Umfang einer 30 %igen Minderung, d.h. in Höhe eines Betrage in Höhe von 929,40 € abzüglich eines von der Beklagten geleisteten Betrages in Höhe von 200,00 €.

12. Die Klägerin behauptet, Ursache für das Nichtanlaufen des Hafens Basel seien u.a. seit Monaten bekannte Reparaturarbeiten an der Schleuse in Straßburg gewesen. Die Beklagte habe bereits zu Beginn der Reise geplant, Basel nicht mit dem Schiff anzufahren.

13. Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 729,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2012 zu zahlen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15. Sie behauptet, das Schiff habe bereits aufgrund Niedrigwasser Verspätung gehabt (letzteres unstrittig). An der Schleuse in Straßburg hätte das Schiff 5,5 Stunden warten müssen, so dass eine Ankunft in Basel um 8.00 Uhr nicht mehr realisierbar gewesen sei (letzteres unstrittig).

Entscheidungsgründe:

16. Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

17. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 651 d Abs. 1, 651 c Abs. 1 BGB i.V.m. abgeschlossenen Pauschalreisevertrag einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises in Höhe von insgesamt 221,28 € (50 % des Tagesreisepreises). Abzüglich der bereits erhaltenen 200,00 € verbleibt eine berechtigte Klageforderung in Höhe von 21,28 €.

18. Gemäß § 651 c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaft hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Die Änderung der Reiseroute ist eine negative Abweichung der Soll- von der Ist-​Beschaffenheit der Reise und somit ein Mangel im vorstehenden Sinne (vgl. LG Hamburg vom 07.03.2013, Az.: 301 O 81/12 m.w.N.).

19. Die Änderung der Reiseroute war vorliegend nicht durch die Regelung in Ziffer 4.1. der Reisebedingungen der Beklagten gerechtfertigt. Danach sollen Änderungen gestattet sein, wenn diese u.a. nicht erheblich sind, nicht zu einer wesentlichen Änderung der Reiseleistung führen und den Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise nicht beeinträchtigen. Hier liegt eine wesentliche Änderung der Reiseleistungen vor. Mit dem Hafen Basel sollte der südlichste Punkt der Fahrt auf dem Rhein erreicht werden. Zudem befindet sich Basel als einziger Anlaufhafen in der Schweiz. Hinzu kommt, dass der Aufenthalt in Basel der längste geplante Aufenthalt während der Schiffsreise in einer Stadt war.

20. Ist die Reise mangelhaft, mindert sich nach § 651 d Abs. 1 BGB für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3 BGB. Nach § 638 Abs. 3 S. 1 BGB ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welches zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln (§ 638 Abs. 3 S. 2 BGB). Sie besteht regelmäßig nicht in einem festen Betrag, sondern wird in einem Prozentsatz des Reisepreises ausgedrückt. Dabei wird der Gesamtpreis und nicht nur der auf die mangelhafte Teilleistung entfallene Teilpreis zugrunde gelegt. Bei einer Kreuzfahrt ist eine Gesamtbetrachtung der Reise erforderlich. Sie weist regelmäßig eine bestimmte Prägung auf, die nicht lediglich durch Fahrtroute und -dauer sowie die Ausstattung des Kreuzfahrtschiffes bestimmt wird, sondern wesentlich auch durch die touristischen Schwerpunkte, die sich aus den verschiedenen angelaufenen Häfen und den dort angebotenen Landgängen und Besichtigungen sowie gegebenenfalls besonders reizvolle Meeres- und Küstenpassagen (bzw. hier Flusslandschaften) ergeben, die auf komfortable Weise und unter kundiger Führung zu sehen und zu erfahren, die Kreuzfahrt dem Teilnehmer möglich machen soll. Einzelne Teile des Reiseprogramms können dabei unterschiedliches Gewicht gewinnen (BGH MDR 2013, 1151). Daher ist bei der Berechnung der Minderung grundsätzlich an den Gesamtreisepreis anzuknüpfen. Damit wird der Minderung ein Tagesgesamtpreis zugrunde gelegt, von dem aus dann ein prozentualer Abschlag vorgenommen wird, welcher mit der Zahl der beeinträchtigten Tage multipliziert wird (Führich, Reiserecht 6. Aufl., Rn. 299).

21. Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen ist eine Minderung des Tagesreisepreises im Umfang von 50 % gerechtfertigt. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere, dass eine 11stündiger Aufenthalt in Basel entfiel. Dieser wird auch nicht durch die angebotenen Busfahrten vollständig kompensiert. Es ist ein wesentlicher Unterschied ob der Aufenthalt in einer Stadt lediglich durch einen Bustransport erfolgt oder quasi bei einem Hotel die Stadt von der Unterkunft (hier dem Schiff) besucht werden kann. Im Zusammenhang mit der Minderung ist weiterhin zu berücksichtigen, dass durch das verlängerte Festliegen des Schiffes in Breisach eine mehrstündige Flussfahrt auf dem Rhein nach Basel und zurück entfiel. Diese Flussfahrt an sich stellt einen besonderen hervorzuhebenden Teil der geschuldeten Reiseleistung dar. Im Ergebnis ist deshalb eine Reisepreisminderung in Höhe von 50 % des Tagesreisepreises, der sich im vorliegenden Fall bei einer Reise von sieben Tagen mit einem Betrag in Höhe von 442,57 € errechnet, angemessen.

22. Soweit die Beklagte meint, der Tagesreisepreis müsse unter Berücksichtigung von acht Tagen errechnet werden, weil die Beklagte die Reise als Acht-​Tage-​Kreuzfahrt ausgewiesen habe, wird dem nicht gefolgt. Die Beschreibung der Reise durch die Beklagte ist unerheblich. Entscheidend bleibt, dass die Reise vom 25. 08. bis 01.09.2012, mithin sieben Tage dauerte.

23. Die Klägerin kann ihre Forderung auch nicht auf § 651 f. BGB stützen. Insofern fehlt es an einer erheblichen Beeinträchtigung der (gesamten) Reise. Zwar wird in der Rechtsprechung ein Minderungsanspruch im Umfang von 50 % in der Regel als Mindestvoraussetzung für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise angesehen. Abgesehen davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine solche Minderungsquote lediglich als Indiz für eine entsprechende erhebliche Beeinträchtigung anzusehen sei (vgl. BGH a.a.O.) betrifft der streitgegenständliche Mangel lediglich einen Teil der geschuldeten Leistungen, der bereits zeitlich nur ein 1/7 der gesamten Reise Auswirkungen hatte.

24. Die Nebenforderungen sind, soweit die Hauptforderung berechtigt ist, gemäß §§ 286 ff. BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten sind nur in Höhe der Kosten erstattungsfähig, wie sie nach dem Gegenstandswert, mit dem die Klägerin obsiegt, zu berechnen sind.

25. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

26. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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