Sturz des Reisenden im terrassenförmigen Liegebereich des Pools

AG Rostock: Sturz des Reisenden im terrassenförmigen Liegebereich des Pools

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Kreuzfahrt gebucht. Auf dem Kreuzfahrtschiff stürzte sie im terassenförmigen Sitz- und Liegebereich des Pools. Von der Beklagten verlangt sie Schmerzensgeld.

Dies wies das Gericht ab. Bei dem Sturz habe es sich um eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos gehandelt. Die Verkehrssicherungspflicht eines Reiseveranstalters erstrecke sich nicht auf jegliche denkbaren Gefahrenquellen. Im vorliegenden Fall sei kein erhöhtes Gefahrenpotential geschaffen worden, das eine besondere Kennzeichnung oder Absperrung erforderlich machen würde. Daher wurde die Klage abgewiesen.

AG Rostock 47 C 202/12 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 19.12.2012
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 19.12.2012, Az: 47 C 202/12
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 19. Dezember 2012

Aktenzeichen 47 C 202/12

Leitsatz:

2. Ein Reiseveranstalter ist im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht nicht verpflichtet, jegliches Gefahrenpotential zu verhindern. Das allgemeine Lebensrisiko trägt der Reisende.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann eine einwöchige Kreuzfahrt gebucht. Auf dem Kreuzfahrtschiff fand während der Reise eine Schlagerparty im Poolbereich statt. Auf dem Weg zu einem Sitzplatz im terassenförmigen Sitz- und Liegebereich des Pools, der auf beiden Seiten von Treppen umrandet war, stürzte die Klägerin beim Versuch, von einer Ebene auf die nächste zu steigen und zog sich eine Außenknöchelfraktur zu. Von der Beklagten verlangt sie Schmerzensgeld und Übernahme eventueller Folgekosten.

Dies wies das Gericht ab. Grundsätzlich treffe den Reiseveranstalter zwar die Pflicht, im Rahmen der Reise die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen (Verkehrssicherungspflicht), bei dem Sturz habe es sich aber um eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos gehandelt. Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters erstrecke sich nicht auf jegliche denkbaren Gefahrenquellen. Im vorliegenden Fall sei kein erhöhtes Gefahrenpotential geschaffen worden, das eine besondere Kennzeichnung oder Absperrung erforderlich machen würde. Es sei für die Klägerin gut erkennbar gewesen, dass es einen Höhenunterschied zwischen den verschiedenen Ebenen gibt, zumal sie selbst die Treppe an der Seite der Terassen benutzt hatte. Unter Anwendung der durchschnittlichen Sorgfalt wäre der Sturz zu vermeiden gewesen. Daher bestehe kein Anspruch gegen den Reiseveranstalter. Die Klage wurde abgewiesen.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 3.687,20 € festgesetzt.

Tatbestand:

5. Die Klägerin fordert Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld nach einem Sturz auf einem Kreuzfahrtschiff.

6. Die Klägerin hatte zusammen mit ihrem Ehemann bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Kreuzfahrtreise auf der … vom 01.10.2011 bis 08.10.2011 gebucht und an dieser Reise teilgenommen.

7. Am 04.10.2011 fand auf dem Pooldeck eine „Schlagerparty“ statt. Im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung begab sich die Klägerin mit ihrem Mann vom unten gelegenen Pooldeck auf einer rechts vom Swimmingpool gelegenen Treppe nach oben. Neben der Treppe befindet sich der Liegebereich des Pooldecks. Dieser ist terrassenförmig angelegt und hat unterschiedlich breite Sitz- bzw. Liegeflächen, die unterschiedliche Höhe zueinander haben. Die Treppe ist in regelmäßigen Abständen durch weiße Pfosten von diesem Sitz- und Liegebereich abgetrennt. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung waren die Liegeflächen mit Ausnahme zweier Reihen bestuhlt. Oben angekommen begab sich die Klägerin zur anderen Schiffsseite. Am oberen Poolbecken befanden sich freie Sitzplätze, so dass sie links die Treppe wieder hinuntergingen und dann den Sitz- und Liegeflächenbereich betraten. Um zu den freien Sitzgelegenheiten zu gelangen wollten die Klägerin und ihre Ehemann über die nicht bestuhlte Reihe gehen und mussten hierzu zwei Stufen hinunter steigen. Die Klägerin konnte durch das Gegenlicht von der Bühne nichts erkennen. Aufgrund der unterschiedlichen Höhe (strittig) stürzte die Klägerin und zog sich hierbei eine isolierte Außenknöchelfraktur links Typ Weber A zu.

8. Die Sitz- und Liegefläche bzw. die terrassenförmigen Abstufungen waren nicht durch Lampen gekennzeichnet. Zum Unfallzeitpunkt herrschte Dunkelheit. Warnhinweise waren nicht aufgestellt.

9. Zur Darstellung der Unfallörtlichkeit und der – strittigen –Sturzstelle wird auf das von der Beklagten als Anlage B 2 in Farbkopie eingereichte Foto (Bl. 27 d.A.) verwiesen. Die behauptete Sturzstelle ist durch ein Kreuz gekennzeichnet.

10. Zur Darstellung der verletzungsbedingten Folgen wird auf die Seite 3 f. der Klage Bezug genommen. Derzeit ist nicht absehbar, ob im Zusammenhang mit den Verletzung Folgeschäden entstehen.

11. Die Klägerin fordert ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 €.

12. Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte habe aufgrund fehlender Leuchtstreifen, Begrenzungen oder anderer Markierungen sowie fehlender Warnhinweise ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Beklagte habe die Pflicht gehabt, die höheren Stufen auf der Liege- und Sitzfläche des Pooldecks mit eingelassen Leuchten zu erhellen oder alternativ das Absteigen auf der Liege- und Sitzfläche zu untersagen bzw. zu unterbinden.

13. Die Klägerin beantragt,

1.

14. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2.

15. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Schadensfall künftig noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist;

3.

16. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 359,50 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

17. Die Beklagte beantragt,

18. die Klage abzuweisen.

19. Sie meint, bei dem Sturz habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht.

20. Die Klägerin hatte zunächst auch die Erstattung von Arztkosten in Höhe von 187,20 € gefordert, die Klage dann jedoch vor der mündlichen Verhandlung insoweit zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

21. Die zulässige Klage ist unbegründet.

22. Die Klägerin hat gegen die Beklagte im Zusammenhang mit ihrem Sturz am 04.10.2011 auf der … und der dabei zugezogenen Verletzung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Für den Sturz der Klägerin und ihre Folge ist die Beklagte nicht verantwortlich.

23. Einen Reiseveranstalter trifft eine vertragliche und eine deliktische Schadensersatzhaftung, wenn er seine zum Schutz der Sicherheit der Reisenden bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Diese erstreckt sich nicht nur auf den Bereich der vertraglich geschuldeten Reiseleistung, sondern erfasst auch Einrichtungen, die aus Sicht des Reisenden als integraler Bestandteil eines Reiseelements erscheinen (Eckert, Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Verkehrssicherungspflicht der Reiseveranstalter und ihre Auswirkungen auf die Haftung, RRa 2007, 113, 120).

24. Die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht hat zum Inhalt, dass bei der Ausübung eines Gewerbes diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Für die deliktische Haftung des Reiseveranstalters ist von Bedeutung, welche rechtlichen Verpflichtungen ihm hierzu obliegen. Er übernimmt gemäß seinem Angebot die Planung und Durchführung der Reise, er haftet insoweit für deren Erfolg und trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens. Deshalb darf der Reisende darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise erforderliche unternimmt. Der Reiseveranstalter ist somit für die Sicherheit der von ihm vermittelten Unterkünfte und Transportmittel selbst mitverantwortlich, mag auch die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber oder Beförderer treffen (BGH NJW 2006, 2368; BGHZ 103, 298).

25. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar. Der Pflichtige muss deshalb nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder vermeiden kann, nicht aber vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen er sich ohne weiteres selbst schützen kann (Palandt/Sprau BGB 72. Aufl., § 823 Rn. 51 m.w.N.).

26. Hier verwirklichte sich durch den Sturz der Klägerin deren allgemeines Lebensrisiko.

27. Voranzustellen ist, dass der von der Klägerin behauptete Unfallort im folgenden als richtig unterstellt wird.

28. Zunächst ist festzustellen, dass sich der Sitz- bzw. Liegebereich durch die rechts bzw. links neben der Treppe befindlichen Pfosten deutlich abgrenzt. Die Klägerin durfte also nicht davon ausgehen, dass neben der Treppe ebenfalls Stufen in gleicher Höhe vorhanden sind. Dies wäre auch widersinnig, da dann die entsprechende Funktionalität des zu den Pools gehörenden Sitz- bzw. Liegebereiches nicht vorhanden gewesen wäre. Darüber hinaus trägt die Klägerin unstrittig vor, dass der größte Teil diese Bereichs bestuhlt war. Auch hieran konnte die Klägerin erkennen, dass die terrassenförmige Anordnung der Flächen von einer normalen Treppe bzw. mehreren Treppenstufen abweicht. Dass die Klägerin dies aufgrund der Dunkelheit nicht sehen konnte, trägt sie selbst nicht vor. Dies ist auch unwahrscheinlich, da aufgrund des Umgebungslichtes zumindest der gesamte Bereich erkennbar war. Schließlich hat die Klägerin auch erkannt, dass im Bereich des oberen Pools freie Sitzflächen vorhanden waren. Soweit die Klägerin im weiteren vorträgt, sie habe aufgrund der Dunkelheit und des von der Bühne kommenden Gegenlichts nichts erkennen können erschließt sich nicht, welchen Vorwurf sie der Beklagten hieraus herleitet. Sie hätte in diesem Fall schlicht nicht weitergehen dürfen. Selbst wenn, wie nach Auffassung der Klägerin geschuldet, die unterschiedlichen Stufen gekennzeichnet gewesen wären, hätte die Klägerin diese Kennzeichnungen durch das Gegenlicht entsprechend ihres Sachvortrages nicht gesehen.

29. Zusammenfassend ist festzustellen, dass allein die Tatsache, dass die Klägerin an der angegebenen Stelle stürzte, nicht für sich den Schluss darauf zulässt, dass hier eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorliegt. Die Klägerin war – auch bei eingeschränkten Beleuchtungsverhältnissen – ohne weiteres in der Lage, durch die stets abzufordernde Aufmerksamkeit bei der Überwindung von Höhenunterschieden den von ihr angestrebten Sitzplatz gefahrlos zu erreichen. Die gesamte Örtlichkeit verlangte weder nach dem Aufstellen von Hinweisschildern noch zu zusätzlichen Markierungen oder Beleuchtungen. Der bedauerliche Sturz der Klägerin war auf ihre eigene Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Bei eigener, nicht notwendig gesteigerter Sorgfalt und Aufmerksamkeit hätte die Klägerin den Höhenunterschied erkennen und beachten können und müssen.

30. Mangels begründeter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der Nebenforderungen.

31. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

32. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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