Anlaufen eines Hafens als maßgebliches Reisekriterium

AG Rostock: Anlaufen eines Hafens als maßgebliches Reisekriterium

Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Kreuzfahrt gebucht. Einer der geplanten Häfen wurde aus Sicherheitsgründen nicht angelaufen und durch einen anderen ersetzt. Hierfür verlangen die Kläger Minderung und Schadensersatz. Schon im Vorhinein zahlte die Beklagte einen Teil des Reisepreises zurück.

Die Klage wurde abgewiesen. Das Nichtanlaufen des Hafens stelle einen Reisemangel dar. Dieser sei aber durch die erfolgte Rückzahlung abgegolten. Ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht, da die Reise nicht als insgesamt erfolglos zu bewerten ist.

AG Rostock 47 C 243/13 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 15.11.2013
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 15.11.2013, Az: 47 C 243/13
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 15. November 2013

Aktenzeichen 47 C 243/13

Leitsätze:

2. Läuft eine Kreuzfahrt einen zuvor beworbenen Hafen nicht an, ist dies ein Reisemangel.

Ein Reisemangel ist nach der objektiven Beeinträchtigung der Reise zu bewerten.

Für einen Ersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise in der Gesamtschau festzustellen.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Kreuzfahrt gebucht. Diese sollte als Mittelmeerrundfahrt mit Stops in Antalya, Limassol, Port Said, Heraklion und Marmaris stattfinden. Der Halt in Port Said wurde aus Sicherheitsgründen durch einen Halt in Aschdod, Israel, ersetzt. Hierfür verlangen die Kläger Minderung und Schadensersatz. Der Halt in Port Said sei für sie besonders wichtig gewesen. Während des Aufenthalts in Aschdod seien sie wegen Militärpräsenz in ständiger Angst gewesen. Schon im Vorhinein zahlte die Beklagte einen Teil des Reisepreises zurück.

Die Klage wurde abgewiesen. Das Nichtanlaufen von Port Said entgegen der Vorankündigung stelle einen Reisemangel dar. Dieser berechtige zu einer Reisepreisminderung von höchstens 60 % für die betroffenen Tage. Deshalb sei er durch die Rückzahlung von 200 € durch die Beklagte bereits abgegolten. Hierbei sei auf die objektive Beeinträchtigung der Reise und nicht die subjektive Priorisierung von Reiseinhalten abzustellen. Für einen Anspruch auf Schadensersatz sei es erforderlich, dass die Reise insgesamt als vereitelt oder erheblich beeinträchtigt zu bewerten sei. Die beworbene Mittelmeerkreuzfahrt sei ihrem Charakter nach erfolgt. Ein Schadensersatzanspruch über die Minderung hinaus bestehe daher nicht.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger machen Minderungs- und Schadensersatzansprüche nach einer Kreuzfahrt aufgrund des Nichtanlaufens eines Hafens geltend.

6. Die Kläger buchten bei der Beklagten für den Zeitraum vom 07. bis 14.06.2013 eine Mittelmeerkreuzfahrt. Der Reisepreis betrug insgesamt 2.298,00 €. Die Reise sollte von Antalya/Türkei aus über Limassol/Zypern, Port Said/Ägypten, Heraklion/Griechenland und Marmaris/Türkei zurück nach Antalya führen. Das Anlaufen des Hafens Port Said in Ägypten war für die Kläger ein entscheidendes Kriterium der Reise.

7. In den dem Vertrag zugrunde liegenden Reisebedingungen der Beklagten heißt es unter Ziffer 4.2.:

8. „Änderungen wesentlicher Reiseleistungen vom vereinbarten Inhalt des Reisevertrages, die nach Vertragsabschluss notwendig werden und die von … nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind gestattet, soweit die Änderungen nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere auch für Änderungen der Fahrt- und Liegezeiten und/oder der Routen (vor allem auch aus Sicherheits- oder Witterungsgründen), über die allein der für das Schiff verantwortliche Kapitän entscheidet.“

9. Es war geplant, dass das Schiff den Hafen Port Said am 10.06.2013 um 5.30 Uhr anlaufen und um 22.00 Uhr wieder verlassen sollte. Aufgrund der politischen Situation in Ägypten, insbesondere in Port Said entschied die Beklagte, den Hafen nicht anzulaufen. In Ägypten war es zu unvorhergesehenen Protestkundgebungen und gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Die Unruhen konzentrierten sich dabei auf den Norden des Landes, u.a. auch auf Port Said. Im Februar 2012 kam es dort bei einem Fußballspiel zu einer Massenpanik mit mehreren Toten. Die im März 2013 verhängte Todesstrafe gegen 21 Angeklagte führte erneut zu gewaltsamen Protesten. Die Regierung rief infolge dessen den Ausnahmezustand aus und verhängte eine Ausgangssperre. Militär wurde nach Port Said entsandt. Zum Zeitpunkt der Reise war die Lage ruhig, aber angespannt. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes lag nicht vor.

10. Anstelle des Hafens Port Said lief das Schiff den Hafen Aschdod in Israel an. Von hier aus waren Ausflüge nach Jerusalem, Bethlehem und zum Toten Meer möglich.

11. Das Anlaufen des Hafens in Israel sorgte bei den Kläger für ein erhebliches Unwohlsein.

12. Die Kläger fordern eine Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer Minderung in Höhe von 60 %. Zudem fordern sie jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 400,00 €.

13. Die Beklagte zahlte an den Prozessbevollmächtigten der Kläger einen Betrag in Höhe von 200,00 €. Dieser Betrag wird bei der Klageforderung nicht berücksichtigt.

14. Die Kläger behaupten, während des Aufenthaltes im Hafen von Israel seien dort bis zu 10 Kriegsschiffe gewesen, zudem sei das Schiff ständig von Kampfjets und Kampfhubschraubern überflogen worden. Hierdurch hätten sie sich gestört gefühlt und „in Befürchtung von Anschlägen die Tage dort verbracht“.

15. Die Kläger beantragen,

16. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger gesamtschuldnerisch einen Betrag in Höhe von 1.378,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2013 zu zahlen;

17. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag von jeweils 400,00 € an jeden Kläger nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2013 zu zahlen.

18. Die Beklagte beantragt,

19. die Klage abzuweisen.

20. Sie behauptet, während des Aufenthaltes in Aschdod hätten sich dort ein bis zwei Militärboote im Hafen befunden.

Entscheidungsgründe:

21. Die zulässige Klage ist unbegründet.

22. Die Kläger haben über die bereits geleistete Rückzahlung des Reisepreises hinaus keinen weiteren Minderungsanspruch gegen die Beklagte. Schmerzensgeld- bzw. Schadenersatzansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude bestehen nicht.

23. Das Abweichen von der geplanten Reiseroute stellt einen Mangel im Sinne von § 651 c Abs. 1 BGB dar. Ein (weiterer) Minderungsanspruch gemäß § 651 d BGB besteht jedoch nicht. Dabei kann es vorliegend auch dahingestellt bleiben, ob ein Minderungsanspruch aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nach den Regelungen in den allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten ausgeschlossen wäre. Die Beklagte zahlte an den Prozessbevollmächtigten der Kläger den Reisepreis in Höhe von 200,00 € teilweise zurück. Ein eventueller Minderungsanspruch ist damit jedenfalls abgegolten.

24. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, dass die Klage bereits in Höhe von 200,00 € deshalb unschlüssig ist, weil die Kläger die Zahlung der Beklagten in Höhe des vorgenannten Betrages unberücksichtigt lassen.

25. Ist die Reise mangelhaft, mindert sich nach § 651 d Abs. 1 BGB für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3 BGB. Nach § 638 Abs. 3 S. 1 BGB ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welches zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln (§ 638 Abs. 3 S. 2 BGB). Sie besteht regelmäßig nicht in einem festen Betrag, sondern wird in einem Prozentsatz des Reisepreises ausgedrückt. Dabei wird der Gesamtpreis und nicht nur der auf die mangelhafte Teilleistung entfallene Teilpreis zugrunde gelegt. Bei einer Kreuzfahrt ist eine Gesamtbetrachtung der Reise erforderlich. Sie weist regelmäßig eine bestimmte Prägung auf, die nicht lediglich durch Fahrtroute und -dauer sowie die Ausstattung des Kreuzfahrtschiffes bestimmt wird, sondern wesentlich auch durch die touristischen Schwerpunkte, die sich aus den verschiedenen angelaufenen Häfen und den dort angebotenen Landgängen und Besichtigungen sowie gegebenenfalls besonders reizvolle Meeres- und Küstenpassagen ergeben, die auf komfortable Weise und unter kundiger Führung zu sehen und zu erfahren, die Kreuzfahrt dem Teilnehmer möglich machen soll. Einzelne Teile des Reiseprogramms können dabei unterschiedliches Gewicht gewinnen (BGH, MDR 2013, 1151). Daher ist bei der Berechnung der Minderung grundsätzlich an den Gesamtreisepreis anzuknüpfen. Damit wird der Minderung ein Tagesgesamtpreis zugrunde gelegt, von dem aus dann ein prozentualer Abschlag vorgenommen wird, welcher mit der Zahl der beeinträchtigten Tage multipliziert wird (Führich, Reiserecht 6. Aufl., Rn. 299).

26. Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen ist ein Minderungsanspruch des Tagesreisepreises für den 10.06.2013 in Höhe von jedenfalls nicht mehr als 60 % festzustellen. Die vorgenannten 60 % des Tagesreisepreises, der 328,26 € beträgt, unterschreiten den von der Beklagten gezahlten Betrag in Höhe von 200,00 €.

27. Bei der Bewertung des Minderungsanspruchs ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Schiff von morgens bis abends 22.00 Uhr im Hafen von Port Said liegen sollte, d.h. lange Ausflüge möglich gewesen wären.

28. Ebenfalls von Bedeutung ist, dass den Klägern auch an diesem Tag Unterkunft und Verpflegung gewährt wurden und ihnen die Annehmlichkeiten des Schiffes zur Verfügung standen.

29. Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass als Ausgleich für den ausgefallenen Hafen ein anderer – durchaus attraktiver – Hafen angelaufen wurde, in dem das Schiff ebenfalls bis 22.00 Uhr lag.

30. Bei der Bewertung des Minderungsumfangs spielt es keine Rolle, dass das Anlaufen von Port Said für die Kläger ein maßgebliches Reisekriterium war. Entscheidend für die Bewertung eines Mangels ist dessen objektive Beeinflussung der Reise. Dies gilt im Übrigen auch für das ersatzweise Anlaufen des Hafens in Israel. Soweit die Kläger diesem Zusammenhang von einer Gefährdungslage sprechen, handelt es sich hierbei offensichtlich um die persönliche Einschätzung der Kläger. Anhaltspunkte für eine objektive Gefährdungslage sind nicht ersichtlich.

31. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen einer Schadensersatzleistung gemäß § 651 f BGB (von den Klägern auch als Schmerzensgeld bezeichnet) liegen nicht vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hier überhaupt ein Verschulden seitens der Beklagten hinsichtlich des Nichtanlaufens des Hafens Port Said festzustellen wäre. Gemäß § 651 f Abs. 2 BGB kann der Reisende nur dann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wurde. Eine Vereitelung der Reise erfolgte hier nicht. Auch die Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise lassen sich nicht feststellen.

32. Ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen kann, hängt nicht nur davon ab, in welchem Umfang Reiseleistungen nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht worden sind. Vielmehr ist aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen, wie gravierend sich die Mängel für den Reisenden ausgewirkt haben (BGH, RRa 2013, 218). Hier hatten die Kläger eine siebentägige Mittelmeerkreuzfahrt gebucht und durchgeführt. Mit Ausnahme des 10.06.2013, d.h. an den übrigen sechs Tagen fand die Reise vertragsgemäß statt. Der Charakter der Reise (Mittelmeerrundfahrt) wurde durch die Routenänderung nicht beeinträchtigt. Der Hafen Port Said stellte objektiv nicht die Hauptattraktion der Reise dar.

33. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

34. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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