Schadenersatzanspruch für vertane Urlaubszeit und Schmerzensgeldanspruch bei Verletzung eines Reisenden

LG Köln: Schadenersatzanspruch für vertane Urlaubszeit und Schmerzensgeldanspruch bei Verletzung eines Reisenden

Der Kläger hatte bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Reise in ein Hotel am Strand gebucht. Aufgrund von Überbuchung wurde er in einem vom Strand weiter entfernten Hotel untergebracht. Weiterhin blieb er mit dem Fuß im defekten Überlauf des Pools stecken und verletzte sich. Der Kläger forderte eine Reisepreisminderung und Schmerzensgeld. Der Klage wurde stattgegeben und die Berufung der Beklagten abgewiesen.

LG Köln 11 S 81/04 (Aktenzeichen)
LG Köln: LG Köln, Urt. vom 08.03.2005
Rechtsweg: LG Köln, Urt. v. 08.03.2005, Az: 11 S 81/04
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Landgericht Köln

1. Urteil vom 08. März 2005

Aktenzeichen 11 S 81/04

Leitsatz:

2. Ein vom Strand weiter entferntes Hotel als im Prospekt angegeben ist ein Reisemangel.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Reise in ein Strandhotel gebucht. Aufgrund einer Überbuchung des Hotels wurde er in einem anderen, vom Strand weiter entfernten Hotel untergebracht. Darin sah der Kläger einen Reisemangel, wofür er eine Minderung des Reisepreises verlangte. Weiterhin forderte er Schmerzensgeld, weil er mit dem Fuß im defekten Abflussgitter des Hotelpools stecken geblieben war und sich verletzt hatte.

Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt. Es gestand dem Kläger für die abweichende Unterbringung eine Reisepreisminderung um 30% zu, sowie Schmerzensgeld und die Erstattung von Folge- und künftigen Schäden. Die Beklagte ging daraufhin vor dem Landgericht in Berufung.

Diese wurde abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts stellten die abweichende Unterbringung und die größere Entfernung zum Strand einen Reisemangel dar. Des Weiteren hatte der Hotelbetreiber eine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil das Überlaufgitter nach Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich defekt war. Obwohl zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert, war dem Kläger kein Mitverschulden anzulasten. Das Schmerzensgeld und der weitere Schadensersatz standen ihm daher zu.

Tenor

4. Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Januar 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln – 122 C 482/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

6. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

7. Die Klage ist in dem Umfang begründet, in dem ihr das Amtsgericht stattgegeben hat.

8. Im Berufungsverfahren ist gemäß Beschlüssen der Kammer vom 6. Juli und 5. Oktober 2004 (Bl. 110 bis 113; 135 d. A.) Beweis durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen erhoben worden. Wegen des Ergebnisses wird auf Bl. 115 bis 116; 119 bis 123; 125 bis 127; 142 bis 144 und 145 d. A. verwiesen.

9. Die Kammer hat sich zur erneuten Tatsachenfeststellung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO veranlasst gesehen, weil die Beklagte mit der Berufung die ohne Beweisaufnahme ergangene Entscheidung des Amtsgerichts mit Recht dahin dahingehend beanstandet hat, dass die zugunsten des Klägers gewerteten Tatsachen weitgehend bestritten und beweisbedürftig seien.

10. Die vom Amtsgericht zuerkannte Minderung des Reisepreises um 30% mit der Folge, dass die Beklagte über vorgerichtlich gezahlte 121,00 € noch 240,80 € zu zahlen hat, ist der Höhe nach mit Rücksicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden. Der Kläger wurde nicht nur unstreitig in einem anderen als dem gebuchten Hotel untergebracht, was für sich allein schon einen empfindlichen Mangel begründet. Die Reiseleiterin und Gäste, die ebenso wie der Kläger von der durch Überbuchung veranlassten Leistungsänderung betroffen waren, haben übereinstimmend bestätigt, dass die Entfernung zum Strand größer war als bei dem gebuchten Hotel. Das Amtsgericht hat darin mit Recht einen aus der Sicht des Urlaubers nicht unerheblichen Nachteil gesehen.

11. Ferner befand sich eine Großbaustelle neben der Hotelanlage. Eine ins Gewicht fallende Lärmbelästigung ist allerdings nicht bestätigt worden.

12. Eine etwaige geringere Größe des Swimmingpools, dessen Abmessungen, soweit es um das Becken für Erwachsene geht, von der Reiseleiterin mit 20m x 15m angegeben worden sind, haben die als Zeugen vernommenen Gäste entweder nicht bemerkt oder nicht als Mangel empfunden. Das Gleiche gilt für andere das Hotel betreffende Beanstandungen, zu denen die Zeugen ungeachtet des Umstandes, dass das Amtsgericht hierauf bei der Bemessung der Minderungsquote nicht abgestellt hat, befragt worden sind.

13. Insgesamt hat die von der Buchung abweichende Unterbringung in Verbindung mit den lagebedingten Nachteilen jedoch genügend Gewicht, um die vom Amtsgericht vorgenommene Bemessung der Minderungsquote zu rechtfertigen.

14. Die vom Amtsgericht wegen des Unfalls des Klägers zuerkannten Schadensersatzansprüche sind mit Rücksicht auf das Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls begründet.

15. Der Kläger hat bewiesen, dass ein schadhaftes Überlaufgitter am Swimmingpool für seinen Unfall ursächlich war.

16. Aus eigener Wahrnehmung hat zwar nur die Zeugin D zu dem betreffenden Vorfall bekundet, dass der Kläger an dem Gitter mit dem Fuß einbrach und eine Fraktur des Außenknöchels links erlitt. Ferner hat sie bestätigt, dass er die Zeit danach mit starken Schmerzen auf seinem Zimmer verbrachte, wo er von ihr versorgt wurde, und dass das Bein eingegipst war, als sie nach einer in ihrer Abwesenheit durchgeführten ärztlichen Behandlung in das Hotelzimmer kam.

17. Die Zeuginnen und Zeugen O, L, T1, T2 und C erfuhren ebenfalls von dem Unfall und zum Teil auch von dem dadurch bedingten Aufenthalt des Klägers auf seinem Zimmer.

18. Besonders Gewicht kommt den Bekundungen der Zeugin D zu. Sie sind inhaltlich glaubhaft. Auch Bedenken gegen die persönliche Glaubwürdigkeit der Zeugin sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat sich nicht der Eindruck einer bei ihr bestehenden Tendenz ergeben, besonders günstig für den Kläger auszusagen. Die Zeugin hat vielmehr auf ein nach ihrer Meinung vorliegendes eigenes Verschulden des Klägers hingewiesen, weil er stark alkoholisiert beim Herumalbern mit einem anderen Hotelgast in das Gitter getreten sei.

19. Dieser Teil ihrer Bekundungen ändert indessen nichts daran, dass von einem schadhaften Zustand des Gitters an der betreffenden Stelle als Unfallursache auszugehen ist. Nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugen T1 und T2 waren tatsächlich einige Überlaufgitter defekt. An einem von ihnen stand ein Gartenstuhl. Das legt die Annahme nahe, dass so das Betreten des Gitters an einer schadhaften Stelle verhindert werden sollte. Der Zeugin D fiel nicht zu Beginn, aber irgendwann in der Mitte des Aufenthaltes auf, dass sogar an mehreren Stellen Stühle zur Absicherung aufgestellt waren.

20. Unter diesen Umständen spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Gitter auch an der Stelle, an der sich der Kläger verletzte, schadhaft war. Auch bei Berücksichtigung der Aussage der Zeugin D über ein Herumalbern des Klägers in alkoholisiertem Zustand gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass er mit diesem Verhalten ein an sich ausreichend stabiles und ordnungsgemäß befestigtes Gitter einer stärkeren Belastung aussetzte, als derjenigen, die ein solches Gitter an sich hätte aushalten müssen, und dass er allein deshalb an der betreffenden Stelle einbrach und sich verletzte.

21. Durch die Zeugenaussage der Reiseleiterin O, dass zu Beginn der Saison neue Gitter am Pool montiert worden seien und der Kläger laut Mitteilung des Personals „das Gitterchen“ kaputtgemacht und sich am Fuß verletzt habe, wird der Anscheinsbeweis ebenfalls nicht erschüttert. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Reiseleiterin einen auf eigene Wahrnehmungen gestützten Eindruck von dem zur Unfallzeit anzunehmenden Zustand des Gitters verschafft hat.

22. Mit dem Anscheinsbeweis für den schadhaften Zustand des Gitters als Unfallursache ist der ebenfalls nicht entkräftete Anscheinsbeweis für eine zumindest dem Leistungsträger, wenn nicht sogar einem vor Ort tätigen Mitarbeiter der Beklagten zur Last fallende schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erbracht. Es ist davon auszugehen, dass die schadhafte Stelle, an der sich der Kläger verletzte, nicht ordnungsgemäß abgesichert war, obwohl ein schadhafter und die Gefahr des Einbrechens begründender Zustand des Gitters bekannt war oder jedenfalls bei gehöriger Sorgfalt hätte erkannt werden müssen.

23. Ein nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden des Klägers an dem Unfall ist nicht festzustellen. Die Zeugin D hat zwar das von ihr bekundete Herumalbern des angetrunkenen Klägers mit einem anderen Hotelgast als Mitverschulden gewertet. Dem vermag sich die Kammer aber nicht anzuschließen. Es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass speziell durch ein insoweit ungewöhnliches und als schuldhafte Obliegenheitsverletzung zu wertendes Verhalten des Klägers eine Gefahrenlage entstand, die bei einem normalen Betreten des Gitters im Zusammenhang mit der Benutzung des Schwimmbades nicht bestanden hätte.

24. Das Amtsgericht hat zu Recht eine Verpflichtung der Beklagten bejaht, gemäß § 651 f Abs. 2 BGB eine Entschädigung wegen entgangenen Urlaubsgenusses für die letzten drei Tage des Aufenthaltes zu leisten. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger im Innenverhältnis zu der Zeugin D ermächtigt ist, auch den auf sie entfallenden Entschädigungsbetrag im eigenen Namen geltend zu machen und insoweit Auszahlung an sich selbst zu verlangen. Die Beklagte hat dies nicht in Frage gestellt.

25. Bezüglich der Verletzung selbst und der Folgen, die sie für den Kläger in der letzten Zeit des Urlaubs hatte, ergeben sich aus den Bekundungen der Reiseleiterin keine ernsthaften Bedenken gegen die Beweiskraft der Aussage der Zeugin D darüber, dass der Fuß tatsächlich eingegipst wurde, der Kläger an Schmerzen litt und auf dem Zimmer blieb, wo er von ihr versorgt wurde. Soweit die Reiseleiterin hier etwas anders lautende Informationen wiedergegeben hat, die von anderen nicht als Zeugen benannten Personen – der Hotelärztin, einer Putzfrau, Animateuren im Hotel – stammen sollen und die Verletzungsfolgen milder erscheinen lassen, entziehen sich die betreffenden Angaben einer Nachprüfung.

26. Bezüglich der Höhe des Entschädigungsbetrages nach § 651 f Abs. 2 BGB folgt die Kammer der Auffassung des Amtsgerichts und nimmt auf die betreffenden Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteils Bezug.

27. Dem Kläger steht nach § 253 Abs. 2 BGB auch ein Schmerzensgeld zu. Dass das Amtsgericht diese Schmerzensgeld mit 2.000,00 € bemessen hat, ist angesichts der Schwere und Schmerzhaftigkeit der Verletzung und ihrer Folgen nicht zu beanstanden.

28. Kein vernünftiger Zweifel besteht daran, dass die nach Rückkehr des Klägers aus dem Urlaub eingeleitete stationäre Behandlung vom 20. bis zum 29. Juni 2003 mit Operation vom 23. Juni 2003 durch den Unfall vom 16. Juni 2003 veranlasst war. Diese Operation bezog sich laut Arztbericht vom 29. Juni 2003 (Bl. 11 d. A.) auf eine Fraktur des Außenknöchels links, im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens. Die Behandlung war mit der Entlassung des Klägers nicht abgeschlossen. Dass Arbeitsfähigkeit des Klägers erst wieder seit dem 28. August 2003 bestand und Spätfolgen zu befürchten sind, ist ebenfalls glaubhaft.

29. Dadurch rechtfertigt sich auch die Entscheidung, mit der das Amtsgericht die Verpflichtung der Beklagten festgestellt hat, auch künftig entstehende materielle und immateriellen Schäden des Klägers aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die betreffenden Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

30. Die Berufung war nach allem als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

31. Zur Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.

32. Streitwert der Berufung: 438,50 € + 2.000,00 € + 1.500,00 € = 3.938,50 €

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Schadenersatzanspruch für vertane Urlaubszeit und Schmerzensgeldanspruch bei Verletzung eines Reisenden

Verwandte Entscheidungen

OLG Celle, Urt. v. 11.12.03, Az: 11 U 114/03
LG Potsdam, Urt. v. 24.06.11, Az: 10 O 121/10
LG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.03, Az: 22 S 681/01

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Ein vom Strand weiter entferntes Hotel begründet einen Reisemangel
Passagierrechte.org: Ein aufgrund einer Überbuchung bezogenes Hotel begründet einen Reisemangel, wenn es weiter vom Strand entfernt ist

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte