Provisionsanspruch des Vermittlers bei Absage vermittelter Pauschalreise
LG Nürnberg: Provisionsanspruch des Vermittlers bei Absage vermittelter Pauschalreise
Eine Reisevermittlung erklagte die Auszahlung von Provisionen für eine durch den beklagten Bahnreiseveranstalter stornierten Reise. Der Klage wurde stattgegeben, weil die Ansprüche aus ihrer Vermittlungsleistung nach der Stornierung fortbestanden.
LG Nürnberg | 2 HK O 4186/12 (Aktenzeichen) |
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LG Nürnberg: | LG Nürnberg, Urt. vom 30.10.2012 |
Rechtsweg: | LG Nürnberg, Urt. v. 30.10.2012, Az: 2 HK O 4186/12 |
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Leitsatz:
2. Die Provisionsansprüche eines Reisevermittlers für durch seine Leistung zustandegekommene Reiseverträge erlöschen nicht, wenn die betreffende Reise durch den Veranstalter storniert wird.
Zusammenfassung:
3. Eine Reisevermittlung klagte gegen ein Unternehmen im Bereich der Eisenbahntouristik wegen ausstehender Provisionen für vermittelte Reiseverträge. Deren Auszahlung hatte die Beklagte verweigert, weil für die betreffende Reise das Kontingent nicht zustande kam, sodass sie durch die Beklagte storniert wurde. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass ihr dennoch 16% Provision zustanden.
Das Landgericht Nürnberg gab der Klage statt. Der Provisionsanspruch der Klägerin ergab sich daraus, dass durch ihre vermittelnde Tätigkeit Reiseverträge von Kunden mit der Beklagten zustandegekommen waren. Eine spätere Stornierung durch die Beklagte änderte daran nichts. Da beide Parteien bei ihrer bisherigem Zusammenarbeit mit diesem Prozentsatz Geschäfte abgewickelt hatten, war er auch hier anzusetzen und der Klägerin 6.826,60 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.826,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 31.10.2011 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckten Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten über Provisionen der Klägerin als Handelsvertreterin gegen die Beklagte.
6. Die Klägerin ist ein Reisevermittler mit Sitz in … und die Beklagte eine Gesellschaft für Bahn-Touristik, die unter anderem Bahn Pauschalreisen anbietet. Im Vorfeld der hiesigen Streitigkeit war die Klägerin unstreitig für die Beklagte als Handelsvertreter zur Vermittlung von Bahnreisen tätig geworden und hatte auf den hereingebrachten Umsatz der Beklagten 16% Provision (netto) erhalten.
7. Die Beklagte legte im Frühsommer 2011 eine Bahnreise für Herbst 2011 mit dem … auf (Prospekt B3). Die Klägerin wurde darauf aufmerksam und bat um die Möglichkeit, Reisende für die Beklagte im Rahmen der Handelsvertretertätigkeit beizubringen (Mail vom 5.5.2011-B2). Die Beklagte stimmte dem zu.
8. Die Beklagte vermittelte auf den Prospekt der Klägerin Umsätze von 35.854,00 EUR, wenn die Reisen angetreten worden wären. Dazu kam es indes nicht, weil die Beklagte wegen nicht erreichen des Mindestkontingents die Reise stornierte.
9. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Provisionsanspruch von 16% aus dem vorgenannten Umsatz entstanden sei.
10. Die Klägerin beantragt deshalb:
1.
11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.826,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 31.10.2011 zu bezahlen.
2.
12. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
13. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
14. Sie ist zunächst der Auffassung, dass ein Provisionssatz von 16% für die streitgegenständliche Vermittlung nicht vereinbart war. Es fehle an einer konkreten Vereinbarung. Darüber hinaus sei der Anspruch nicht entstanden, da die Hauptleistung, nämlich die Reiseverträge im Verhältnis der Kunden zur Beklagten nicht zur Vollendung gelangt seien. Es sei branchenüblich und darüber hinaus gebe es auch eine Handhabe im Verhältnis der Parteien, dass bei stornierten Reisen in deren Zusammenhang Provisionen für die Klägerin angefallen seien, diese nicht ausbezahlt würden, wenn die Beklagte wegen Nichterreichens des Mindestkontingents die Reise storniere.
15. Dieser Argumentation tritt die Klägerin entgegen und verweist auf die gesetzlichen Regelungen. Im Übrigen legt sie dar, dass das Vorbringen Hinblick auf einen branchenüblichen Ablauf (Handelsbrauch) sowie die Handhabe zwischen den Parteien unsubstantiiert sei, da Details nicht dargelegt sein.
16. Es wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Die Kammer hat in der Sitzung vom 25.9.2012 die Rechtslage umfassend mit den Parteivertretern diskutiert und auf einige Entscheidungen hingewiesen (Blatt 23 der Akten).
Entscheidungsgründe:
17. Die Klage erweist sich in vollem Umfang als begründet – §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 87 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 87 b Abs. 1, 87 c Abs. 1 HGB.
1.
18. Zunächst ist zwischen den Parteien ein Provisionsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte entstanden, da diese auf der Basis des per E-Mail vereinbarten Auftrages eine Anzahl von Aufträgen für die Beklagte vermittelt hat. Dies ist unstreitig.
19. Die Rechtsansicht der Beklagten ist irrig. Ein Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht nach dem gesetzlichen Leitbild, welches nicht abdingbar ist, für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Eine nachfolgende Stornierung durch den Unternehmer ist ohne Bedeutung für den bereits entstandenen Provisionsanspruch.
20. Somit ist ein Provisionsanspruch im Hinblick auf die unstreitige Anzahl von Reiseverträgen die die Beklagte durch Vermittlung der Klägerin mit Kunden abgeschlossen hat, entstanden.
21. Die Höhe richtet sich, selbst wenn man der Argumentation der Beklagten folgen würde, von Gesetzes wegen nach dem üblichen Satz. Nachdem die Parteien im Vorfeld bereits mehrfach gleichartig zusammengearbeitet haben, richtet sich der übliche Satz nach den bisherigen Provisionen, so dass hier ein Provisionssatz von 16% zuzüglich Umsatzsteuer angefallen ist.
22. Demzufolge ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 6.826,60 EUR entstanden, der den gesetzlichen Vorschriften entsprechend mit dem letzten Tag des folgenden Monats nach Abrechnung fällig geworden ist, mithin am 31.10.2011. Der gesetzliche Zinssatz beträgt 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB.
2.
23. Der Provisionsanspruch ist auch nicht gemäß § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB weggefallen. Die Rechtsprechung geht hier eindeutig davon aus, dass eine Verteilung nach Sphären zu erfolgen hat. Dass die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht worden ist fällt ohne jeden Zweifel in die Sphäre des Reiseveranstalters, mithin der Beklagten. Die Klägerin weist insofern zutreffend darauf hin, dass durch geeignete Werbemaßnahmen eine höhere Teilnehmerzahl hätte erreicht werden sollen bzw. können. Die Argumentation der Beklagten greift insoweit nicht, da die Klägerin nur regional tätig war und nicht als alleinige Handelsvertreterin zur Einbringung der Mindestanzahl beauftragt oder verpflichtet war.
24. Somit stellt sich streitentscheidend lediglich noch die Frage, ob von § 87 a Abs. 3 Satz 1 HGB durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden kann. Dies ist nicht der Fall, da die Vorschrift zwingenden Charakters ist (vergleiche hierzu Baumbach/Hopt § 87 a Rn. 33 mit weiteren Nachweisen).
25. Infolgedessen ist es irrelevant, ob im Vorfeld der hiesigen Streitigkeit die Klägerin kulanter Weise auf Provisionszahlungen verzichtet hat, wenn die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht worden ist. Selbst wenn dies vertragsähnlichen Charakter haben sollte, kann zulasten des Handelsvertreters die gesetzliche Vorschrift des § 87 a Abs. 3 Satz 1 HBG dadurch nicht für die Zukunft abbedungen werden.
26. Die Kammer hält indes es für denkbar, dass durch einen Handelsbrauch, der Gesetzes-Charakter hat, eine Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild denkbar ist – a. A. die wohl h. M.: OLG Celle BB 1961, 1341; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 HGB RdNr. 9; Schröder § 87 HGB RdNr. 40 und 55 a; der hiesigen Ansicht zuneigend: Baumbach/Hopt § 87 Rn. 48.
27. Hierzu reicht indes das Vorbringen, es sei „branchenüblich“ dass in der vorliegenden Konstellation kein Provisionsanspruch geltend gemacht werde bzw. entstünde, nicht aus.
28. Voraussetzung ist eine fast ausnahmslos geschehene Abwicklung vertraglicher Beziehungen nach solchen Regeln und das Bewusstsein, dass dies so verbindlich ist (Einzelheiten siehe Basedow ZHR 150 [1986] 469 ff; Kommentare zu § 346 HGB).
29. Derartige Umstände lässt der Sachvortrag der Beklagten vollkommen vermissen. Auf der Basis einer bloßen Branchenüblichkeit entsteht noch kein Handelsbrauch, da hier das Universalargument bereits fehlt.
3.
30. Nach alldem sind die Einwendungen der Beklagten gegen den Provisionsanspruch nicht geeignet diesen entfallen zu lassen. Die Klage erweist sich deshalb mit der Kostenfolge von § 91 ZPO in vollem Umfang als begründet. Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 3 ZPO und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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