Haftung für unrichtige Angaben im Reisevermittlungsvertrag

OLG München: Haftung für unrichtige Angaben im Reisevermittlungsvertrag

Einem Reisevermittler wurde untersagt, in seine Verträge eine AGB-Klausel einzubeziehen, die den Haftungsausschluss für abweichende Leistungen der Veranstalter vorsah. Damit verstieß er gegen das Gebot von Treu & Glauben, weil er sich indirekt von der Haftung für Fehlinformationen seinerseits befreite.

OLG München 29 U 2137/17 (Aktenzeichen)
OLG München: OLG München, Urt. vom 15.03.2018
Rechtsweg: OLG München, Urt. v. 15.03.2018, Az: 29 U 2137/17
LG München, Urt. v. 08.06.2017, Az: 12 O 19237/16
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Oberlandesgericht München

1. Urteil vom 15. März 2018

Aktenzeichen 29 U 2137/17

Leitsatz:

2. Ein Haftungsausschluss bei abweichenden Leistungen in den Geschäftsbedingungen einer Reisevermittlung ist unwirksam, wenn unrichtige Angaben des Vermittlers nicht eindeutig davon ausgenommen sind.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisevermittler wurde verklagt, weil er in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwandte, die eine Haftungsbeschränkung bezüglich der vermittelten Leistungen vorsah, ohne dabei eventuelle Fehlinformationen seinerseits bezüglich eben dieser abzugrenzen.

In erster Instanz wurde die Klage vom Landgericht München abgewiesen, doch die Berufung des Klägers war erfolgreich und dem Beklagten wurde untersagt, die streitgegenständliche Klausel zu verwenden. Der im Zweifelsfall anzuwendenden kundenfeindlichsten Auslegung nach schloss er damit nämlich die Haftung auch für eigene Schlechterfüllung der Vermittlungsleistung aus. Das stellte eine Benachteiligung des Verbrauchers und einen Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben dar.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 08.06.2017 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über die Vermittlung von Reiseleistungen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

10. Haftungsbeschränkungen 

(10.1) Angaben über vermittelte Beförderungen oder andere touristische Leistungen beruhen ausschließlich auf den Angaben der verantwortlichen Leistungsträger C. gegenüber. Sie stellen keine eigene Zusicherung von C. gegenüber dem Reiseteilnehmer dar.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.12.2016 zu bezahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in der unter I. tenorierten Fassung sind vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

5. Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

6. Die Berufung des Klägers ist zulässig und hinsichtlich des angegriffenen Teils der Klausel Ziffer 10.1 der AGB der Beklagten sowie der geltend gemachten Kostenpauschale begründet. Die Klausel Ziffer 10.2 der AGB der Beklagten ist wirksam, so dass die Berufung des Klägers insofern nicht begründet ist.

1.

7. Hinsichtlich des angegriffenen Teils der Klausel Ziffer 10.1. der AGB der Beklagten ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus § 1 UklaG i.V.m. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

8. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

9. Beim Reisevermittlungsvertrag handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der einen Werkvertrag zum Gegenstand hat (vgl. Tonner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. § 651a, Rn. 46 m.w.N.). Macht der Vermittler zu den vermittelten Leistungen schuldhaft falsche Angaben – z. B. im Falle einer unrichtigen Wiedergabe der Angaben des Leistungsträgers oder aber, wenn der Vermittler die Angaben des Leistungsträgers zwar zutreffend wiedergibt, ihm aber bekannt ist, dass diese tatsächlich unrichtig sind und er den Kunden gleichwohl nicht darauf hinweist -, ist er seinem Vertragspartner gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des diesem entstandenen Schadens verpflichtet. Eine völlige Freizeichnung von der Haftung für Angaben zu den vermittelten Leistungen ist mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren.

10. Die angegriffenen Regelungen sind dahingehend auszulegen, dass gegen die Beklagte keinerlei Ansprüche wegen unrichtiger Angaben zu den vermittelten Leistungen geltend gemacht werden können. Gemäß § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. AGB sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (Grüneberg in Palandt, BGB, 77. Aufl. § 305c Rn. 16 unter Verweis auf die st. Rspr.). Wenn mehrere Auslegungsalternativen bestehen, ist im Verbandsprozess von der Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Maßgebend ist die kundenfeindlichste Auslegung (vgl. Grüneberg a.a.O. § 305 c Rn. 18, wiederum unter Verweis auf die st. Rspr.).

11. Die angegriffenen Klauseln sind mit „10. Haftungsbeschränkungen“ überschrieben. In den nicht angegriffenen ersten beiden Sätzen der AGB-Ziffer ist ein Haftungsausschluss der Beklagten für die Leistungen des Leistungsträgers deklariert. Der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde wird die angegriffenen Klauseln dahingehend verstehen, dass eine Haftung der Beklagten nicht nur für die vermittelten Leistungen als solche, sondern auch für die Angaben der Beklagten zu diesen Leistungen ausgeschlossen ist, er somit bei unzutreffenden Angaben eventuelle Ansprüche ausschließlich gegen den Leistungsträger geltend machen kann. Auch der Klausel Ziffer 10.2 wird er nicht entnehmen, dass bei von der Beklagten schuldhaft unrichtig gemachten Angaben sehr wohl eine Haftung dieser besteht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Wort „jedoch“ in der Klausel. Zwar wird durch das Wort „jedoch“ ein Bezug zu Ziffer 10.1 der AGB hergestellt, allerdings nur in dem Sinne, dass im Gegensatz zu den Leistungen der Leistungsträger und den Angaben über die Leistungen der Leistungsträger für die ordnungsgemäße Vermittlung sehr wohl eine Haftung der Beklagten besteht. Die Auslegung, dass durch das Wort „jedoch“ zum Ausdruck kommt, dass die Beklagte auch für unrichtige Angaben über die Leistungen haftet, soweit sie die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns verletzt, weil auch dies zur ordnungsgemäßen Vermittlung gehört, ist möglich, aber eher fernliegend. Bei Zugrundelegung der naheliegenden und auch maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung, ist die Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.

2.

12. Hinsichtlich der Klausel Ziffer 10.2 der AGB der Beklagten ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht begründet. Die Klausel verstößt weder gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB noch gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

13. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der Klausel keine Haftungsbeschränkung dahingehend, dass die Beklagte sich ausschließlich für die Abwicklung des Vermittlungsgeschäfts in technischer Hinsicht verantwortlich zeigt. Die Beklagte schuldet ihren Kunden die ordnungsgemäße Vermittlung der Reise und zwar im Rahmen der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Die Klausel ist rein deklaratorischer Natur und es besteht – wenn man den Bezug zu den separat angegriffenen und verbotenen Klauseln in Ziffer 10.1 Satz 3 und 4 außer Betracht lässt – keinerlei Veranlassung, die Klausel dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte ihre Haftung beschränken will, etwa auf die Abwicklung des Vermittlungsgeschäfts in technischer Hinsicht.

14. Die Klausel verstößt auch nicht deshalb gegen das Transparenzgebot, weil dem Verbraucher die Regelungen des HGB nicht bekannt sind. Die Beklagte hat gemäß § 347 HGB für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen. In der deklaratorischen Wiedergabe dieses Haftungsmaßstabs liegt auch aus Sicht des Verbrauchers keine Haftungsbeschränkung. Die Formulierung der Klausel gibt keinerlei Veranlassung anzunehmen, die Beklagte wolle ihre Sorgfaltspflichten auf das beschränken, was unter Kaufleuten üblich ist, da die Klausel gerade nicht die Haftung unter Kaufleuten, sondern die Haftung der Beklagten als Kaufmann gegenüber dem Teilnehmer als Nichtkaufmann regelt. Dass dem Verbraucher nicht bekannt ist, welche Sorgfaltspflichten genau die Beklagte als Kaufmann zu beachten hat, ist unschädlich. Ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, ist immer erst im Einzelfall im Nachhinein festzustellen.

3.

15. Der Anspruch auf Zahlung der Kostenpauschale ergibt sich aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Der Kläger kann mit Erfolg die Kostenpauschale in voller Höhe verlangen, obwohl die Abmahnung nur teilweise berechtigt war (vgl. BGH NJW 2010, 989, Tz. 39). Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

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