Flug ohne Stornierungsmöglichkeit

LG Köln: Flug ohne Stornierungsmöglichkeit

Vorliegend buchte der Kläger bei der Beklagten einen Flug im Internet. Hierbei standen ihm verschieden Tarifoptionen zur Verfügung. Bei dem Buchungsvorgang wird der Kunde außerdem mehrmals darauf hingewiesen, dass bestimmte Tickets nicht stornierbar sind. Der Kläger stornierte seinen Flug allerdings und verlangt nun die Erstattung des restlichen Beförderungsentgeltes.

Das Landgericht Köln wies die Klage ab und entschied, dass den Kläger ein solcher Anspruch auf Erstattung des restlichen Beförderungsentgeltes nicht zusteht, da es sich hier um eine Individualvereinbarung handelt und somit nicht dem AGB-Recht unterfällt.

LG Köln 6 S 220/15 (Aktenzeichen)
LG Köln: LG Köln, Urt. vom 24.11.2016
Rechtsweg: LG Köln, Urt. v. 24.11.2016, Az: 6 S 220/15
AG Köln, Urt. v. 30.06.2015, Az: 146 C 18/15
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Landgericht Köln

1. Urteil vom 24. November 2016

Aktenzeichen: 6 S 220/15

Leitsätze:

2. Eine vorformulierte Vertragsbedingung kann ausgehandelt sein, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat.

Voraussetzung ist, dass die Ergänzungen nicht lediglich unselbständiger Art bleiben, sondern den Gehalt der Regelung mit beeinflussen und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise, überlagert

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall verlangt der Kläger von der Beklagten die Erstattung des restlichen Beförderungsentgeltes für die von ihnen gebuchten, jedoch später stornierten und nicht angetretenen Flüge. Das Amtsgericht Köln hat dem Kläger einen solchen Anspruch auf Erstattung zugesprochen. Hiergegen wendet sich nun die Berufung der Beklagten.

Das Landesgericht Köln entschied anders und wies die Klage ab. Der Kläger buchte den Flug im Internet. Bei diesem Buchungsvorgang wurde er mehrmals darauf hingewiesen, dass der von ihm ausgewählte Tarif nicht stornierbar sei. Mithin handelt es sich hier um eine Individualvereinbarung und unterfällt somit nicht dem AGB-Recht. Die verwendete Klausel der Beklagten verstößt folglich nicht gegen die §§ 307 ff. BGB .

Die Vertragsbedingungen müssen zwischen den Vertragsparteien dafür einzeln ausgehandelt sein. Hier waren diese zwar bereites vorformuliert, jedoch werden dem Kunden mehrere Alternativen aufgezeigt, zwischen denen er die Wahl hat. Hier werden dem Kunden im Rahmen der Buchung eines economy-​Tarifs insgesamt vier verschiedene Tarifoptionen zur Verfügung gestellt. Er hat damit die Möglichkeit, auf die konkrete Vertragsgestaltung durch die Wahl einer der Tarifoptionen Einfluss zu nehmen.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 30.6.2015 (Az. 145 C 18/15) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Kläger.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO.

6. Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

7. Die Kläger haben gegen die Beklagte entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Ansicht keinen Anspruch auf Erstattung des restlichen Beförderungsentgeltes für die von ihnen gebuchten, jedoch später stornierten und nicht angetretenen Flüge.

8. Nicht zu beanstanden ist zunächst die vom Amtsgericht vorgenommene Einordnung des Beförderungsvertrags als Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB. Ein Werkvertrag ist grundsätzlich bis zur Vollendung des Werkes kündbar, § 649 BGB. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich auch die Höhe der seitens des Bestellers trotz der Kündigung zu leistenden Vergütung. Im vorliegenden Fall haben die Parteien § 649 BGB jedoch wirksam abbedungen.

9. Die Vorschrift des § 649 BGB ist grundsätzlich abdingbar (vgl. Sprau in Palandt, Kommentar zum BGB, 75. Auflage 2016, § 649 Rn.16). Im vorliegenden Fall folgt bereits aus den seitens der Kläger vorgelegten Buchungsunterlagen, dass die Parteien eine von der Vorschrift des § 649 BGB abweichende Vereinbarung getroffen haben. So heißt es dort ausdrücklich unter der Überschrift „Informationen zu Ihrem Flug“:

10. „Da es sich bei dem von Ihnen gewählten Flugpreis um einen Sondertarif handeln kann, beachten Sie bitte dass Umbuchungen und Stornierungen nur eingeschränkt möglich sein können -vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl.11 d.A.)“.

11. Die Beklagte hat zudem substantiiert und unter Vorlage einer Beispielsbuchung zum Buchungsvorgang und zur Tatsache, dass bei Buchung des Tarifs „Economy Basic“ mehrmals darauf hingewiesen wird, dass der Tarif nicht stornierbar ist, vorgetragen. Dies durften die Kläger nicht einfach pauschal damit bestreiten, dass sie sich nicht erinnern könnten, dass sie eine Maske wie im von der Beklagtenseite eingereichten Beispielsfall bei der Buchung bedient bzw. eine entsprechende Wahlmöglichkeit gehabt hätten.

12. Bei dem Buchungsvorgang handelt es sich um eine eigene Wahrnehmung der Kläger, der auch noch nicht so weit zurücklag, dass eine nicht mehr vorliegende Erinnerung plausibel wäre. Nachdem die Beklagte substantiiert vorgetragen hatte, wie die Buchung abläuft, wäre es an den Klägern gewesen, ebenfalls substantiiert darzulegen, wie denn die Buchung in ihrem Fall tatsächlich ablief. Ihr lediglich pauschales Bestreiten ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend.

13. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die Parteien die Klausel, wonach eine Stornierung nicht möglich ist und nur die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren erstattet werden, vereinbart haben.

14. Die von den Klägern gebuchte Tarifoption – Ticket ohne Stornierungsmöglichkeit – unterfällt auch nicht dem AGB-​Recht, sodass kein Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB in Betracht kommt. Zwar entfällt diese entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deshalb, weil es sich bei der Nichtstornierbarkeit des Tickets um eine Beschreibung der Hauptleistung handeln würde (vgl. hierzu LG Köln, Urteil vom 23.08.2016, Az.: 11 S 405/15). Das AGB-​Recht ist jedoch deswegen nicht anwendbar, weil es sich bei der streitgegenständlichen Klausel gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB um eine Individualvereinbarung handelt.

15. Nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegen dann keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragspartnern im Einzelnen ausgehandelt sind. Vorliegend hat der Kunde bei der Buchung eines Fluges die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Tarifoptionen zu wählen, die unterschiedliche Folgen u.a. bei Stornierung und Umbuchung vorsehen und starke Preisunterschiede aufweisen.

16. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 06.12.2002, Az.: V ZR 220/02) kann auch eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Voraussetzung ist, dass die Ergänzungen nicht lediglich unselbständiger Art bleiben, sondern den Gehalt der Regelung mit beeinflussen und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise, überlagert (BGH, Urteil vom 07.02.1996, Az.: VI ZR 16/95; BGH, Urteil vom 06.12.2002, Az.: V ZR 220/02).

17. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte anhand der Anlage B2 (Bl. 67 ff. d.A.) substantiiert vorgetragen, dass den Kunden im Rahmen der Buchung eines economy-​Tarifs vier verschiedene Tarifoptionen zur Verfügung stehen. Diese Tarifoptionen enthalten unterschiedliche Klauseln im Hinblick auf Umbuchungsmöglichkeiten, Stornierbarkeit, Meilengutschrift und Meilenupgrade und unterscheiden sich – teilweise erheblich – im Preis. Der Kunde hat damit die Möglichkeit, auf die konkrete Vertragsgestaltung durch die Wahl einer der Tarifoptionen Einfluss zu nehmen. Diese für den Kunden bestehende Auswahlmöglichkeit ist nach Ansicht der Kammer bei Anschluss an die oben zitierte Rechtsprechung des BGH ausreichend, um gem. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB von einer Individualvereinbarung auszugehen.

18. Dass bei einer Buchung im Internet verschiedene Schaltflächen und Symbole angeklickt werden müssen, um die entsprechenden Informationen zu erhalten, steht nach Auffassung der Kammer einer freien und echten Wahlmöglichkeit nicht entgegen. Das sind Vorgänge und Schritte, die einer Bestellung oder Buchung per Internet immanent sind und dem Kunden, der diesen Weg wählt, regelmäßig vertraut sind, und kein Hindernis, das seine freie Wahl einschränkt. Die Schaltflächen, die zu den weiteren Informationen führen, sind gut erkennbar und ohne weiteres zu öffnen. Damit sind die Alternativen zur Kenntnis gebracht, auch wenn der Kunde diese Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht wahrnimmt. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist es dagegen nicht erforderlich, dass der Kunden auch die einzelnen Tarife aushandeln und darauf Einfluss nehmen kann. Vielmehr genügt nach der Rechtsprechung des BGH die echte Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Tarifen. Dass die stornierbaren Tarife teurer sind als die nicht stornierbaren, hat auf die Frage der individuellen Aushandlung keine Auswirkung, weil Hauptpreisabreden nicht der AGB-​Kontrolle unterliegen und es keinen Grund gibt, Vertragsalternativen mit unterschiedlichen Entgeltregelungen der Aushandlungsmöglichkeit zu entziehen (BGH a.a.O.; s. hierzu auch LG Köln, Urteil vom 23.08.2016, Az. :11 S 405/15 und Urteil vom 30.08.2016, Az.: 11 S 497/15; Kammer , Urteil vom 20.10.2016, 6 S 258/15). ).

19. Die Kammer geht auch davon aus, dass die Buchung der Kläger in der von der Beklagten dargestellten Art und Weise erfolgte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Buchungsvorgang bei den Klägern anders war als bei der von der Beklagten vorgestellten Beispielsbuchung. Die Kläger hätten darlegen müssen, wie sie ihren Tarif hiervon abweichend konkret gebucht haben. Da sie dies nicht getan haben, ist vom Vortrag der Beklagten auszugehen.

20. Damit haben die Parteien § 649 BGB wirksam abbedungen, sodass ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung des Ticketpreises (inklusive YQ-​Zuschlag) nicht besteht. Vereinbart war lediglich die Rückzahlung nicht verbrauchter Steuern und Gebühren. Diese sind allerdings bereits außergerichtlich erstattet worden. Ein weitergehender Anspruch der Kläger besteht somit nicht. Darauf, dass auch nach der Urteilsbegründung des AG die bereits erfolgte Erstattung der Beklagten von 383,678 EUR nicht berücksichtigt wurde, was auch die Kläger einräumen, kommt es daher nicht mehr an.

21. Die Berufung war daher insgesamt erfolgreich, das amtsgerichtliche Urteil somit abzuändern.

22. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO

23. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

24. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

25. Berufungsstreitwert: 1555,24 EUR

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