Aufklärungspflicht zu Stornierung eines Fluges

AG Hamburg: Aufklärungspflicht zu Stornierung eines Fluges

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlender Informationspflicht. Die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft ist dieser Pflicht bei Vertragsabschluss nicht nachgekommen. Bei der Stornierung der gebuchten Flüge wurde der Klägerin kein Geld ausgezahlt.

Das Gericht gab der Klägerin Recht.

AG Hamburg 14 C 391/07 (Aktenzeichen)
AG Hamburg: AG Hamburg, Urt. vom 21.10.2008
Rechtsweg: AG Hamburg, Urt. v. 21.10.2008, Az: 14 C 391/07
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Amtsgericht Hamburg

1. Urteil vom 21.10.2008

Aktenzeichen: 14 C 391/07

Leitsatz:

2. Bei Abschluss eines Reisevertrages mit einem Reiseveranstalter trägt dieser auch die Pflicht den Reisenden hinsichtlich einer Stonierung aufzuklären.

 

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlender Informationspflicht.

Die Klägerin schloss am Flughafen mit einer Mitarbeiterin der Fluggesellschaft, mit welcher die Klägerin reisen wollte, einen Beförderungsvertrag ab. Bei diesem Abschluss hatte die Mitarbeiterin die Pflicht die Klägerin über die Stornierungskosten zu informieren. Diese Pflicht kam die Mitarbeiterin nicht nach. Als die Klägerin von der Stornierung Gebrauch machen wollte, wurde ihm kein Geld zurückerstattet.

Das Gericht verurteilte die Beklagte Schadensersatz in Höhe der gezahlten Summe zu leisten, da die Mitarbeiterin ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen ist.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 434, – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2007 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5.  Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückerstattung von Flugkosten im Wege des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (ungenügende Beratung) in Anspruch. Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere, inwieweit aufgrund der konkreten Vertragsschlusssituation überhaupt eine Haftung gerade der Beklagten besteht.

6.  Im Einzelnen:

7. Der Kläger wollte für sich und seine Frau zwei Hin- und Rückflüge von Bremen nach Nantes buchen, um seine dort als Architektin tätige Tochter zu besuchen. Der Kläger wusste, dass seine Tochter aufgrund ihrer Tätigkeit als Architektin oft projektabhängig kurzfristig außerhalb von Nantes arbeiten musste. Er wusste auch, dass dies während des von ihm geplanten Reisezeitraums passieren könnte und er dann gegebenenfalls schon gebuchte Flüge würde stornieren müssen.

8. Der Kläger sprach mit dem Ziel der Buchung der Flüge am 13. März 2007 in einer Halle des Airport Bremen eine Mitarbeiterin der … GmbH an. Die … ist eine Tochtergesellschaft der bundesweit agierenden Beklagten.

9. Die Mitarbeiterin der … stand zu diesem Zeitpunkt hinter einem Schalter. Dieser befand sich in einem Tor der Flughafenhalle, in dem sich insgesamt zwei Schalter befanden. Über dem einen Schalter hing ein Schild mit der Beschriftung „…-Reisebüro“. Über dem anderen Schalter hing ein Schild, das unter anderem mit den Logos „…“ und „…“ beschriftet war. Hinter den beiden Schaltern befand sich ein offener Raum für die Mitarbeiter der … , die einheitliche Uniformen trugen. Wegen der Einzelheiten zur Schaltersituation vgl. die Fotos Anlagen K 9 und B 7.

10. Der Kläger erklärte am Schalter, dass er mit seiner Frau von Bremen nach Nantes fliegen wolle. Dabei teilte er mit, an welchen Tagen die Flüge stattfinden sollten. Weitere Einschränkungen seiner Nachfrage machte der Kläger nicht. Die Mitarbeiterin der … nannte dem Kläger daraufhin für Hin- und Rückflug jeweils eine Flugverbindung mit der … mit den zugehörigen Flugpreisen. Der Kläger war mit diesen Flügen einverstanden. Anschließend erfolgte die Buchung der Flüge zum Preis von 2 x Euro  217,- je Flugschein zzgl. Steuern und Gebühren für Ende April bzw. Anfang Mai 2007. Der Kläger bezahlte die Tickets zzgl. Kosten mit Kreditkarte.

11. Der Kläger stornierte am 11. April 2007 alle Flüge. Auf sein Erstattungsverlangen bzgl. der Flugpreise von 2 x Euro 217,- erhielt er weder von der … noch von der Beklagten oder der …eine Rückzahlung. Wegen des Schriftwechsels wird auf die Anlagen K 5, K 3, K 4 verwiesen.

12. Der Kläger behauptet:

13. Die Mitarbeiterin der …  habe während des gesamten Vorgangs hinter dem Schalter mit der Beschriftung „… Reisebüro“ gestanden. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die angebotenen Flugtickets  nicht gegen volle Rückerstattung des Flugpreises stornierbar waren.

14. Er macht geltend, dass die Informierung über die Kostenfolge der Stornierung gebuchter Flüge zu den Pflichten des Reisevermittlers aus dem Reisevermittlungsvertrag gehöre.

15. Der Kläger beantragt,

16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 434,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2007 zu zahlen.

17. Die Beklagte beantragt,

18. die Klage abzuweisen,

19. Sie behauptet:

20. Die Mitarbeiterin der …  habe während des gesamten Gesprächs hinter dem Schalter mit dem Schild „…“ und „…“ gestanden. Sie habe den Kläger vor der Buchung darauf hingewiesen, dass im Falle einer Stornierung die Ticketpreise nicht erstattet würden. Zum Beleg beruft sich die Beklagte auf zwei sog. Incident Reports (Einzelheiten Anlagen B 1 und B 2).

21. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung  geworden sind, sowie auf das Protokoll der am 23.09.2008 geschlossenen mündlichen Verhandlung. Wegen des Verfahrensgangs im Übrigen wird auf die Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

22. Die Klage ist zulässig und begründet.

23. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von Euro 434, – verlangen. Anspruchsgrundlage ist § 675 Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB.

24.  Vor der eigentlichen Buchung der Flüge (Beförderungsvertrag) ist am Schalter ein Reisevermittlungsvertrag nach § 675 Abs. 1 BGB zustande gekommen.

25. Ein Reisevermittlungsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Reisende von einem anderen die Vermittlung einer Reise wünscht. Zu den Pflichten des Vermittelnden gehört neben der Vermittlung der Reise auch die Beratung bei der Auswahl der Reise (BGH NJW 2006, 2321, 2322). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Beratung über Pauschalreisen wie auch bei der Beratung über einzelne Reiseleistungen. Ein Beförderungsvertrag ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass sich der Reisende unmittelbar mit dem Beförderungsunternehmen über die Beförderung einigt. Was für eine Art von Vertrag zustande kommt, ist ggf. nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB vom objektiven Empfängerhorizont her zu ermitteln.

26. Ein solcher Reisevermittlungsvertrag ist auch dann anzunehmen, wenn der Kunde sowohl eine Beratung als auch die anschließende Buchung wünscht. In diesen Fällen wird das Reisebüro in einer Doppelfunktion tätig. Es schließt im eigenen Namen mit dem Reisenden einen Reisevermittlungsvertrag. Aus diesem schuldet das Reisebüro den erfolgreichen Abschluss des vermittelten Beförderungsvertrags und Beratung hinsichtlich der Auswahl des Beförderungsvertrags. Die vertraglichen Beratungspflichten aus diesem Vermittlungsvertrag enden mit dem Zeitpunkt, in dem die Auswahlberatung abgeschlossen ist und der Kunde sich für eine bestimmte Reise entscheidet (BGH NJW 2006, 2321, 2322). Ab diesem Zeitpunkt greifen Pflichten aus dem Beförderungsvertrag ein, der mit dem Beförderungsunternehmen geschlossen wird. Hier  tritt das Reisebüro als Vertreter des Beförderungsunternehmens auf.

27. Vorliegend musste die Mitarbeiterin der … die Erklärungen des Klägers als Bitte um eine Reisevermittlung verstehen, nämlich dahin, dass der Kläger auch gerade Beratung bei der Auswahl der Flüge wünschte. Der Umstand, dass sich der Kläger nicht explizit nach einem Flug mit der … nach Nantes erkundigte, spricht nach der Verkehrssitte dafür, dass er über Angebote für Hin- und Rückflüge von Bremen nach Nantes für die von ihm genannten Reisezeiten informiert werden wollte. Die Mitarbeiterin der … musste also davon ausgehen, dass der Kläger nicht nur über Angebote der … , sondern auch über mögliche günstige Angebote anderer Fluggesellschaften, z.B. der … informiert werden wollte.

28. Aus den weiteren Begleitumständen des Gesprächs ergibt sich nichts anderes:

29. Dabei kann offen bleiben, an welchem Schalter das Gespräch geführt wurde. Soweit das Gespräch, wie klägerseits behauptet, am Schalter  mit dem Schild „…-Reisebüro“ stattfand, spricht dies sogar zusätzlich für die Annahme eines Vermittlungsvertrages, denn es ist üblich, dass Kunden sich an ein Reisebüro wenden, um über Reisemöglichkeiten beraten zu werden. Aber auch, soweit das Gespräch unter dem Schild „… – …– …“ stattgefunden haben sollte, ergibt sich nichts anderes; denn für einen Kunden wie den Kläger ist ungeachtet der farblich einheitlichen Gestaltung dieses Schildes nicht ohne weiteres erkennbar, dass es sich um Fluggesellschaften derselben Firmengruppe handelt, und hinzu kommt, dass es sich trotz der Firmengruppe um getrennte Fluggesellschaften handelt, so dass die  -Mitarbeiterin auch an diesem Schalter nicht erwarten konnte, dass der Kläger nur Angebote zu Flügen einer bestimmten Gesellschaft, etwa der … , unterbreitet bekommen wollte.

30. Auch Einzelfragen zur Bekleidung der Mitarbeiter hinter den Schaltern können offen bleiben. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung war die Bekleidung jedenfalls einheitlich (streitig ist nur, ob Uniform oder weißes Oberhemd/Bluse). Bedient allerdings an beiden Schaltern einheitlich gekleidetes Personal, so spricht dies für den herantretenden Kunden dafür, dass zwischen den beiden Schaltern überhaupt keine Trennung besteht. Auch dann musste die bedienende Mitarbeiterin die Frage des Klägers, mit der er nur die Reisedaten nannte und nicht eine bestimmte Fluggesellschaft vorgab, als Bitte um eine Beratungsleistung auffassen. Dies alles umso mehr, als sich hinter beiden Schaltern ein Raum befand, der offen war und von den Mitarbeitern beider Schalter betreten werden konnte.

31. Der Umstand, dass es sich bei der bedienenden Mitarbeiterin um eine solche der … handelte, ist für die Frage, welchen Inhalt der Vertrag hatte, nicht erheblich, denn die Einzelheiten des Anstellungsverhältnisses waren für den Kläger nicht erkennbar. Selbst wenn sie erkennbar gewesen sein sollten, so wäre dann jedoch die Person der Mitarbeiterin für den Kläger eher dem Schild „… Reisebüro“ zuzuordnen gewesen. Denn die weiter von der Beklagten geltend gemachten Gesichtspunkte, die … sei als Dienstleister aufgrund Agenturvertrags allein für die … tätig, war dem Kläger als Kunden nach der Gestaltung der beiden Schalter erst recht nicht erkennbar.

32.  Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte intern aufgrund des Handlingvertrags verpflichtet war, für … tätig zu werden, ergibt sich nichts anderes, selbst wenn sie entgegen ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung allein Flüge der … verkaufte. Zwar wäre kein Reisevermittlungsvertrag zustandegekommen, hätte die  Beklagte durch Ausschilderung oder Ähnliches verdeutlicht, dass bei ihr ausschließlich Tickets der … zu erwerben waren, denn ein Reisevermittlungsvertrag ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass er Angebote verschiedener Reiseveranstalter vermittelt. Jedoch konnte der Kläger eine solche Exklusivität nicht erkennen. Der Kläger musste unabhängig davon, unter welchem Schild die Beratung stattgefunden hat, davon ausgehen, dass man über die Beklagte Flüge verschiedener Fluggesellschaften buchen konnte. Sollte das Gespräch unter dem Schild … Reisebüro stattgefunden haben, so ergibt sich dies schon aus dem Begriff Reisebüro, mit dem gerade das Angebot verschiedener Reisemöglichkeiten verbunden wird. Sollte das Gespräch unter dem Schild der … , … und dem … stattgefunden haben, so musste zum einen der Kläger davon ausgehen, dass ein Zusammenhang mit dem Reisebüro bestand, zum anderen standen auf dem Schild die Namen verschiedener Fluggesellschaften, so dass er nicht davon ausgehen konnte, an diesem Stand nur Flüge der … buchen zu können; dass die Gesellschaften intern konzern- oder gruppenmäßig verbunden gewesen sein mögen, war für den Kläger nicht erkennbar.

33. Dieser Reisevermittlungsvertrag ist auch mit der Beklagten zustande gekommen. Die Erklärungen der bedienenden Mitarbeiterin wirkten für die Beklagte; das folgt aus § 164 BGB.

34. Die Vorschrift  setzt Handeln in fremdem Namen und in Vertretungsmacht voraus. Beides liegt hier vor.

a)

35. Die bedienende Mitarbeiterin handelte im Namen der Beklagten; das folgt zumindest aus den Umständen des Vertragsschlusses gem. § 164  Abs. 1 S. 2 BGB.

36. Bei unternehmensbezogenen Geschäften muss der Wille, im Namen des Unternehmens zu handeln, hinreichend zum Ausdruck kommen und für den anderen erkennbar sein (BGH NJW 95, 44). Er kann sich jedoch auch aus den Umständen ergeben (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, § 164 Rz. 2).

37. Vorliegend musste der Kläger  die Mitarbeiterin mit dem Schild … Reisebüro in Verbindung bringen, unabhängig davon an welchem Stand sie ihn beriet. Es ist verkehrsüblich, dass die in den Geschäftsräumen eines Unternehmens tätigen Mitarbeiter auch in dessen Namen kontrahieren wollen. Der Kläger musste daher davon ausgehen, dass die Mitarbeiterin für das … Reisebüro handeln wollte.

b)

38. Die hinter dem Schalter bedienende Mitarbeiterin der … handelte in Vertretungsmacht für die Beklagte. Dabei folgt die Vertretungsmacht aus den Grundsätzen der Vollmacht kraft Rechtsscheins.

39. Das Verhalten, das den Rechtsschein einer Bevollmächtigung erzeugt, muss von einer gewissen Dauer oder Häufigkeit sein (BGH NJW 1956, 1673). Vorliegend hing die den Rechtsschein erzeugende Beschilderung vor der Buchung des Klägers schon für eine gewisse Dauer über dem Stand der … .

40. Eine Verletzung von Sorgfaltspflichten muss dem Vertretenen zur Last fallen, d.h. er muss die Möglichkeit gehabt haben, das vollmachtslose Handeln vorauszusehen und zu verhindern (BGHZ 5, 116). Die Beklagte hat hier eine solche Sorgfaltspflichtverletzung begangen. Selbst wenn sie die Beschilderung der Stände ihrer Bremer Tochter nicht kannte, so traf sie doch die Sorgfaltspflicht sicherzustellen, dass ihre Tochtergesellschaft nicht den Namen der Beklagten auf ihren Schildern trug, soweit sie den Rechtsschein einer Bevollmächtigung vermeiden wollte. Allein der Besuch der Homepage des Airport Bremens hätte genügt, um die Beschilderung des Standes der … zu erkennen. Die Beklagte war verpflichtet von ihrer … Tochtergesellschaft eine klare Beschilderung zu verlangen, die die rechtliche Selbstständigkeit der … für Kunden erkennbar werden ließ.

41. Der Rechtsschein der Bevollmächtigung muss zur Zeit des vollmachtslosen Auftretens noch bestanden haben und für das Handeln des anderen Teils ursächlich geworden sein (BGH NJW 56, 460). Auch das war hier der Fall: Der durch die Beschilderung gesetzte Rechtsschein war kausal dafür, dass der Kläger sein Vertragsangebot an die Beklagte und nicht an die     adressierte. Hätte er gewusst, dass der tatsächlich „nur“ mit einer Mitarbeiterin der … sprach, so ist anzunehmen, dass er sein Vertragsangebot auch an die … adressiert hätte.

42. Der andere Teil muss gutgläubig gewesen sein, er wird nicht geschützt, wenn er den Mangel der Vollmacht kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH NJW 58, 2062). Vorliegend war der Kläger hinsichtlich der fehlenden Vertretungsmacht gutgläubig, er konnte aus den das Gespräch begleitenden Umständen nicht einmal die Existenz der … erkennen. Er musste daher annehmen, dass deren Mitarbeiter für die Beklagte tätig wurden.

3.

43. Die Beklagte hat im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB eine Pflicht aus dem Reisevermittlungsvertrag verletzt, und zwar in Form der Verletzung einer Aufklärungs- und Beratungspflicht.

a)

44. Die Beklagte hatte eine Beratungspflicht bzgl. der Kosten bei Stornierung der Flugtickets.

45. Den Reisevermittler trifft aus dem Reisevermittlungsvertrag die Pflicht, den Reisenden bei der Auswahl der Reise zu beraten und aufzuklären. Diese Pflichten enden mit der Entscheidung des Reisenden für eine konkrete Reise. Die Auswahlberatung umfasst auch die Frage, ob ein Ticket mit oder ohne kostenlose Stornierungsmöglichkeit gebucht werden soll, denn diese Entscheidung trifft der  Kunde regelmäßig, bevor er sich für eine konkrete Reisemöglichkeit entscheidet.

46. Eine solche Beratung ist für den Reisenden von einer solchen Erheblichkeit, dass sie auch dann nicht unterbleiben darf, wenn der Reisende dieses Thema selbst nicht anspricht. Insbesondere  darf der Reisevermittler nicht annehmen, dass der Reisende bei Stillschweigen konkludent erkläre, er wolle einen möglichst günstigen Flug, wenn auch mit einer kostenpflichtigen Stornierungsmöglichkeit, buchen, obwohl dies nach § 649 S. 2 BGB der gesetzliche Regelfall ist. In der Praxis besteht sehr häufig die Möglichkeit der kostenlosen Stornierung eines gebuchten Fluges. Die kostenpflichtige Stornierungsmöglichkeit ist nicht so sehr Regelfall, dass der Reisevermittler bei Schweigen des Kunden davon ausgehen kann, dass dieser einen Flug zu einem Tarif mit einer kostenpflichtigen Stornierungsmöglichkeit buchen möchte. Allein bei dem ausdrücklichen Nachfragen nach möglichst billigen Angeboten kann eine Ausnahme von der Beratungspflicht hinsichtlich der Stornierungsmöglichkeit vorliegen, da dann der Reisenden annehmen muss, dass der günstige Tarif auf der Einschränkung einiger der Rechte des Reisenden beruht.

47. Eine solche Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Beratungspflicht ist hier jedoch nicht anzunehmen. Der Kläger hat nicht zum Ausdruck gebracht, dass es ihm allein auf möglichst geringe Flugkosten ankomme, z.B. hat er nicht  ausdrücklich nach Last Minute Angeboten gefragt.

b)

48. Für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass die Beklagte ihre Pflicht verletzt hat und der Kläger vor der Buchung nicht entsprechend der vorstehenden Vorgaben beraten worden ist.

49. Die Beklagte hat zwar behauptet, dass der Kläger bei der Buchung darauf hingewiesen worden sei, dass die Tickets nicht erstattbar waren (Anlage B1). Der Kläger hat dies aber bestritten und behauptet, dass ein solcher Hinweis nicht erfolgt sei. Das Gericht legt seinen Vortrag zu Grunde und glaubt ihm.

50. Die Beklagte ist schon ihrer gesteigerten Darlegungspflicht für die Pflichterfüllung nicht hinreichend nachgekommen, denn ihre Angaben erscheinen als ins Blaue hinein gemacht. Es ist nicht erkennbar, auf welcher Ermittlungsgrundlage ihr Vortrag erfolgt ist. Zwar trägt im Ausgangspunkt der Gläubiger (Kläger) die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der Aufklärungspflicht. Jedoch muss der Schuldner (Beklagte) bei streitiger Aufklärung substanziiert darlegen, in welcher Weise er seiner Verpflichtung nachgekommen ist, bevor dieser Vortrag vom Gläubiger zu widerlegen ist. Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht gerecht geworden.

51. Ihr Vortrag beschränkt sich letztlich im Wesentlichen auf die Bezugnahme auf zwei sog. Incident Reports (Anlagen B 1 und B 2). Diese geben jedoch den Verlauf des Gesprächs nicht wieder und sind zudem widersprüchlich, denn in B 1 heißt es, der Kläger sei auf die Nichterstattung „hingewiesen“ worden, in B 2, „den Gästen“ sei die Nichterstattung „bekannt“ gewesen. Die Urkunden belegen letztlich auch lediglich, dass ein entsprechender nachträglicher Bericht verfasst worden ist, nicht aber, wie der Verlauf des Gespräches tatsächlich war, denn es handelt sich bei den Reports einseitig in der Sphäre der … gefertigte Papiere, die vom Kläger nicht in irgendeiner Form genehmigt oder gegengezeichnet worden sind. Darüber hinaus fehlt den Incident Reports auch jede bloße Indizkraft. B 2 soll von einem Herrn … erstellt worden sein, der unstreitig am Beratungsgespräch nicht teilgenommen hat. Aus B 1 ist nicht ersichtlich, wer mit der Bezeichnung „MA“ gemeint ist und ob es sich dabei tatsächlich um die seinerzeit beratende Mitarbeiterin handelt, die beklagtenseits nicht namentlich benannt worden ist. Welche ihr obliegenden Nachforschungen die Beklagte also tatsächlich unternommen hat, um den Inhalt des Gesprächs zu klären, bleibt danach letztlich unklar.

52.  Auch der Aufdruck „No Refund“ auf den Tickets Anlage K 1 ist keinerlei sichere Grundlage zur Beurteilung des Verlaufs des Beratungsgesprächs, denn es handelt sich auch insofern nicht um eine  Protokollierung. Die Tickets wurden auch erst am Ende der Buchung ausgedruckt und ausgehändigt, d.h. der Ausdruck war nicht Teil des voraufgegangenen Beratungsgesprächs. Es besteht kein Anscheinsbeweis dafür, dass bei einem „No Refund“-Ausdruck auf den Tickets ein entsprechender Hinweis im Beratungsgespräch zuvor erteilt worden ist, denn eine entsprechende Lebenserfahrung existiert nicht. Auf den Aufdruck konnte sich die Beklagte daher bei ihren etwaigen Nachforschungen nicht verlassen.

53. Soweit die Beklagte für den Inhalt des Gesprächs den Mitarbeiter … als Zeugen benannt hat, ist auch dieser Verweis keine geeignete Grundlage für ihren Vortrag, weil der Mitarbeiter – wie schon gesagt – an dem maßgeblichen Beratungsgespräch nicht teilgenommen hat. Die Beklagte hat auch keine Tatsachen benannt, die vorliegend z.B. eine Einvernahme des Mitarbeiters als Zeuge vom Hörensagen rechtfertigen könnten, insbesondere hat die Beklagte nicht dargestellt, wann, von wem und was genau der Zeuge vom Inhalt des Gesprächs erfahren haben soll.

54. Diejenige Mitarbeiterin der Beklagten, die das Gespräch geführt haben soll, ist dagegen nicht als Zeugin benannt worden. Es bleibt unklar, inwiefern bei der Beklagten mit dieser Mitarbeiterin überhaupt detaillierte Rücksprache gehalten worden ist.

55. Nach allem besteht darüber hinaus für das Gericht Veranlassung, dem Kläger auch ohne Beweis zu glauben. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung folgt das das Gericht den Angaben des Klägers, weil sie im Vergleich zu den Angaben der Beklagten als sehr viel zuverlässiger erscheinen. Der Kläger hat in seiner mündlichen Anhörung den Sachverhalt detailliert geschildert. Er konnte sich an zahlreiche Einzelheiten des Gesprächs erinnern. Seine Schilderungen wirkten spontan, lebhaft und unmittelbar, in keiner Weise einstudiert, so dass das Gericht den Eindruck gewonnen hat, dass es sich um die Wiedergabe eines tatsächlich selbst erlebten Geschehens handelte. Im Vergleich dazu erscheinen die Angaben der Beklagten zum Inhalt des Gesprächs als unzuverlässig und nicht nachprüfbar (vgl. oben aa).

c)

56. Der Haftung der Beklagten steht § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entgegen. Die Beklagte hat keine Umstände geltend gemacht, nach denen sie die vorstehend benannte Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte.

4.

57. Als Rechtsfolge kann der Kläger Erstattung von Euro 434, – von der Beklagten verlangen. Denn deren Haftung ist darauf gerichtet, den Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn die Beratung korrekt erfolgt wäre.

a)

58. Hätte die Beklagte den Kläger über die Kostenfolge bei der Stornierung der später von ihm gebuchten Flüge informiert, so hätte der Beklagte einen Flug, wenn auch zu einem höheren Flugpreis, mit der Möglichkeit der kostenlosen Stornierung gebucht. Der Kläger wusste, dass aufgrund der beruflichen Tätigkeit seiner Tochter die Möglichkeit bestand, dass diese im geplanten Zeitraum nicht in Nantes sein würde und der Kläger gegebenenfalls dann schon gebuchte Flüge würde stornieren müssen. Im Fall der Stornierung von Flügen, die zu einem solchen Tarif gebucht worden waren, wäre der volle Flugpreis rückerstattet worden.

59. Es ist auch davon auszugehen, dass eine solche Buchungsmöglichkeit bestanden hätte. Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast dabei im Ausgangspunkt auf Klägerseite. Der Kläger hat eine solche alternative Buchungsmöglichkeit allerdings behauptet; diese Behauptung ist auch zulässiger Parteivortrag, denn sie erfolgte nicht ins Blaue hinein. Der Kläger hat sich hierzu auf das Schreiben der … (Anlage K 3) berufen, in welchem auf die generelle Möglichkeit solcher Buchungsmöglichkeiten hingewiesen wird. Angesichts des Umstandes, dass die Buchung 6 Wochen vor Reiseantritt erfolgte, kann davon ausgegangen werden, dass auch vorliegend eine solche Buchungsmöglichkeit generell noch bestand, jedenfalls ist die Beklagte angesichts des Schreibens K 3 darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass konkrete Anhaltspunkte bestanden, dass eine solche Alternativbuchung gerade im vorliegenden Fall nicht mehr möglich gewesen wäre. Solche Anhaltspunkte hat die Beklagte nicht benannt. Ihr Vortrag, die Buchungssituation lasse sich im Nachhinein nicht mehr feststellen, ist insofern nicht ausreichend, denn darin liegt nur die Erklärung, sich zu der Frage nicht erklären zu können. Damit aber vermag die Beklagte die Indizwirkung des Schreibens Anlage K 3 nicht zu entkräften.

b)

60.  Der durch das Beratungsverschulden verursachte Schaden besteht also in Höhe der Preise der vom Kläger gebuchten Flüge in Höhe von Euro 434, – .

61.  Es kann offen bleiben, ob bei der Buchung kostenlos stornierbaren Flüge zu einem höheren Flugpreis auch höhere Steuern hätten entrichtet werden müssen, die auch bei Rückerstattung des Flugpreises nicht rückerstattet worden wären. Ein solcher Vorteil wäre allenfalls im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Die Darlegungspflicht hinsichtlich einer Vorteilsausgleichung trifft den Schädiger (Palandt/Heinrichs,  a.a.O., vor § 249 Rz. 123b). Vorliegend  hat die Beklagte zu etwa höheren Nebenkosten im Falle eines frei stornierbaren Fluges nichts vorgetragen.

II.

62. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2007. Anspruchsgrundlage ist §§ 675 I, 631 I, 280 I, II, 286 Abs. 1, 288. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben 24.05.2007 in Verzug gesetzt

III.

63.  Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

64. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO.

65.  Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO.

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