Zumutbarkeit der Abwendung von außergewöhnlichen Umständen

LG Kleve: Zumutbarkeit der Abwendung von außergewöhnlichen Umständen

Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug gebucht, der wegen eines Fluglotsenstreiks annulliert wurde. Sie verlangen Ausgleichszahlung und Ersatz der Rückreisekosten.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht folgte dem. Es liege ein außergewöhnlicher Umstand vor, den die Beklagte auch nicht durch zumutbare Maßnahmen hätte abwenden können.

LG Kleve 6 S 122/17 (Aktenzeichen)
LG Kleve: LG Kleve, Urt. vom 07.06.2018
Rechtsweg: LG Kleve, Urt. v. 07.06.2018, Az: 6 S 122/17
AG Geldern, Urt. v. 21.08.2017, Az:
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Landgericht Kleve

1. Urteil vom 07. Juni 2018

Aktenzeichen 6 S 122/17

Leitsatz:

2. Ein Fluglotsenstreik ist ein außergewöhnlicher Umstand, der ein Flugunternehmen von Ausgleichspflichten befreien kann.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von Palma nach Weeze in Deutschland gebucht, der wegen eines Fluglotsenstreiks in Frankfreich annulliert wurde. Sie verlangen Ausgleichszahlung und Ersatz der Rückreisekosten.

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht folgte dem. Es liege ein außergewöhnlicher Umstand vor, den die Beklagte auch nicht durch zumutbare Maßnahmen hätte abwenden können. Es sei grundsätzlich Entscheidung des Flugunternehmens, welche Flüge es bei einer systemweiten Störung streichen wolle. Daher müsse ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem annullierten Flug und der Störung hier nicht nachgewiesen werden.

Tenor:

4. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 21.08.2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1.) zu ½ und der Kläger zu 2.) zu ½.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

5. Wegen des Sachverhaltes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

6. Das Amtsgericht Geldern hat die Klage mit am 21.08.2017 verkündetem Urteil abgewiesen, welches den Klägern am 22.08.2017 zugestellt worden ist. Die Berufung der Kläger ist am 06.09.2017 beim Landgericht Kleve eingegangen. Auf Antrag der Kläger wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.11.2017 verlängert. Die Berufungsbegründung der Kläger ging am 20.11.2017 beim Landgericht Kleve ein.

7. Die Kläger beantragen,

8. das Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 21.08.2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

9. an die Klägerin zu 1.) 250,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen;

10. an den Kläger zu 2.) 250,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen;

11. an die Kläger als Gesamtgläubiger 393,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Berufung zurückzuweisen.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

15. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil diese zwar zulässig, aber unbegründet ist.

I.

16. Die Klage ist zulässig.

1.)

17. Das Amtsgericht Geldern und das Landgericht Kleve sind international zuständig, was trotz § 513 Abs. 2 ZPO im Berufungsrechtszuge zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 16.12.2003 – XI ZR 474/02 = NJW 2004, 1456). Die Zuständigkeit ist nach der EuGVVO (n.F.) zu bestimmen, weil die Beklagte ihren Sitz in Dublin in Irland hat und die Klage nach dem 10.01.2015 anhängig gemacht worden ist (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO). Sie ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 lit. b.) Spiegelstrich 2 EuGVVO, weil der streitgegenständliche Flug von Palma de Mallorca nach Weeze führen sollte. Luftbeförderungen sind Dienstleistungsverträge im Sinne des 2. Spiegelstrichs der vorgenannten Vorschrift. Deren Erfüllungsort ist sowohl der (beabsichtigte) Anfangs- als auch der (beabsichtigte) Endpunkt der Luftbeförderung (EuGH, Urteil vom 09.07.2009 – C-204/08 = NJW 2009, 2801, 2803).

2.)

18. Die Beklagte ist gemäß § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig, was gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen festgestellt werden muss, obgleich es unter den Parteien unstreitig ist. Bei ausländischen juristischen Personen richtet sich die Parteifähigkeit nach deren ausländischem Personalstatut (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 50, Rn. 1). Die Beklagte ist als private limited company irischen Rechts rechtsfähig (vgl. OGH Wien, Beschluss vom 13.09.2007 – 6 Ob 146/06 = BeckRS 2010, 03366; Pentz in: Ebenroth/Boujong, HGB, 3 Aufl. 2014, § 13e, Rn. 14).

II.

19. Die Klage ist aber unbegründet.

1.)

20. Die Klägerin zu 1.) und der Kläger zu 2.) haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen von jeweils 250,- € nach Art. 5 Abs. 1 lit. c.), Art. 7 Abs. 1 lit. a.) FluggastVO.

21. Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung beruht die Annullierung der Beklagten auf außergewöhnlichen Umständen, die sich auch bei Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden ließen (Art. 5 Abs. 3 FluggastVO). Das Amtsgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme festgestellt, dass die Annullierung wegen des Streiks der französischen Fluglotsen am 26.05.2016 unvermeidbar gewesen ist. An diese amtsgerichtlichen Feststellungen ist die Kammer grundsätzlich gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Die Bindungswirkung entfiele nur bei konkreten Anhaltspunkten für Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit. Solche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn die Tatsachenfeststellung verfahrensfehlerhaft erfolgt ist, die Beweiswürdigung einer nachvollziehbaren Grundlage entbehrt oder gegen die allgemeinen Denkgesetze verstößt, allgemein bekannte Tatsachen nicht berücksichtigt oder Beweislast oder -maß verkannt wurden.

22. Solche Zweifel zeigt die Berufung nicht auf. Wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist ein Fluglotsenstreik ein außergewöhnlicher Umstand, der von einer Fluggesellschaft nicht zu beherrschen ist (BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 = NJW 2014, 3303, 3304). Das greift die Berufung letztlich auch nicht an.

23. Das Amtsgericht ist überdies in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise aufgrund der Aussage des Zeugen Z zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitgegenständliche Annullierung wegen dieses Streiks von der Beklagten nicht durch zumutbare Maßnahmen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastVO abgewandt werden konnte. Es ist allgemein bekannt (§ 291 ZPO), dass Fluglotsenstreiks Störungen im Luftverkehr auslösen und auch gerade bezwecken, solche Störungen auszulösen. Dass die Beklagte statt des streitgegenständlichen Fluges möglicherweise einen anderen Flug hätte annullieren können, um den Einschränkungen im französischen Luftraum Rechnung zu tragen, ist unerheblich. Es liegt im Ermessen der Beklagten, welchen konkreten Flug sie bei notwendig zu streichenden Flügen annulliert (BGH, Urteil vom 25.03.2010 – Xa ZR 96/09 = NJW-RR 2010, 1641, 1642). Die vom Zeugen Z bekundeten Erwägungen begründen in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine vernünftige Ermessensausübung. Zweifel im Sinne des § 529 ZPO zeigt die Berufung nicht auf. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 3 FluggastVO rechtfertigen die Annahme, außergewöhnliche Umstände wie ein Streik müssten unmittelbar (auch) denjenigen Flug betreffen, bei dem sich die außergewöhnlichen Umstände in Gestalt einer notwendig werdenden Annullierung auswirken (BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 = NJW 2014, 3303, 3304). Denn bei Flugzeugen, die auf Kurz- und Mittelstrecken eingesetzt werden, sind mehrere Umläufe an demselben Tag üblich, um eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Flugzeugs zu ermöglichen. Die Fluggastrechteverordnung setzt diese wie andere übliche wirtschaftliche und technische Gegebenheiten des Luftverkehrs voraus und will sie weder unterbinden noch steuern. Wenn daher auch bei Aufbietung aller zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden kann, dass außergewöhnliche Umstände eine Annullierung erforderlich machen oder die erhebliche Verspätung von Flügen verursachen, kann es nicht darauf ankommen, ob die betreffenden Umstände unmittelbar auf den betroffenen Flug einwirken oder sich als Auswirkung einer Beeinträchtigung bei einem der vorangegangenen Umläufe darstellen (BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 = NJW 2014, 3303, 3304). Dieses Normverständnis wird durch Erwägungsgrund 15 der Fluggastrechteverordnung gestützt. Danach soll von außergewöhnlichen Umständen ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des „Flugverkehrsmanagements“ zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt. Danach legt auch der Verordnungsgeber zu Grunde, dass ein Flugzeug üblicherweise an einem Tag bei mehreren Flügen eingesetzt wird und dass sich außergewöhnliche Umstände in einem solchen Fall auch auf Folgeflüge auswirken können (BGH, Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 = NJW 2014, 3303, 3304).

24. Zu beachten ist gleichfalls, dass Maßnahmen, die der Beklagten eine Durchführung des Fluges mit einer (voraussichtlich) mehr als dreistündigen Verspätung erlaubt hätten, keine zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Annullierung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastVO sind. Das ergibt sich bereits daraus, dass nach der Rechtsprechung des EuGH bei derartigen Verspätungen über den Wortlaut der FluggastVO hinaus dieselben Ausgleichsleistungen zu erbringen sind wie bei einer Annullierung, da sich die Lage der Fluggäste solch verspäteter Flüge kaum von der bei annulliertem Flug unterscheide (EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-402/07 = NJW 2010, 43, 45). Da sich die Beklagte dann folglich denselben Ansprüchen wie bei einer Annullierung ausgesetzt sähe, sind ihr derartige Maßnahmen nicht zumutbar.

2.)

25. Die Kläger haben gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von 393,68 € für ihre Rückreisekosten.

a.)

26. Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 631, 280 ff., 428 BGB. Der streitgegenständliche Luftbeförderungsvertrag unterliegt gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO deutschem Recht. Die Beklagte hat die Nichtbeförderung nicht zu vertreten. Ist eine Annullierung – wie vorliegend – nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO gerechtfertigt, hat die Fluggesellschaft diese erst recht nicht nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten (so auch AG Geldern, Urteil vom 03.08.2011 – 4 C 242/09 = RRa 2012, 35, 37).

b.)

27. Der Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1, 428 BGB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b.) FluggastVO. Art. 8 FluggastVO ist nur die Anspruchsgrundlage für die Leistungen auf Erstattung des Preises für den annullierten Flug oder auf anderweitige Beförderung, gewährt aber selbst schon nach seinem eindeutigen Wortlaut keinen Anspruch auf Schadensersatz bei Verletzung der darin geregelten Pflichten. Auch Art. 12 FluggastVO ist keine Anspruchsgrundlage für Schadensersatz (BGH, Urteil vom 25.03.2010 – Xa ZR 96/09 = RRa 2010, 221, 224). Dieser richtet sich vielmehr nach dem ergänzenden nationalen Recht, hier dem deutschen Recht, also den §§ 280 ff. BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2016 – X ZR 36/15 = BeckRS 2016, 07889, Rn. 5; BGH, Urteil vom 25.03.2010 – Xa ZR 96/09 = RRa 2010, 221, 224).

28. Die für eine Pflichtverletzung der Beklagten nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB darlegungs- und beweisbelasteten Kläger sind für eine solche zumindest beweisfällig geblieben. Sie haben nicht dargetan bzw. sind beweisfällig dafür geblieben, dass die Beklagte ihnen keine Ersatzbeförderung angeboten hat.

29. Die Kläger legen selbst eine E-Mail-Mitteilung der Beklagten vom 25.05.2016 vor, in der Umbuchungen angeboten worden sind. Diese ist unstreitig im E-Mailpostfach der Kläger eingegangen. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die übersandte E-Mail nicht unerheblich. Heute ist das Abrufen von E-Mails über das Handy grundsätzlich problemlos möglich und damit auch auf Reisen zumutbar. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – bei der Buchung keine anderweitige bzw. entgegenstehende Mitteilung gemacht worden ist. Überdies hat die Beklagte vorgetragen, eine entsprechende Mitteilung zusätzlich als SMS an die Handynummer der Kläger gesandt zu haben. Die Kläger bestreiten den Zugang der SMS zwar, bieten für den fehlenden Zugang aber keinen Beweis an, so dass sie insoweit beweisfällig sind. Für die von ihnen behauptete Weigerung der Beklagten am Schalter in Palma, ihnen eine ordnungsgemäße Ersatzbeförderung anzubieten, sind die Kläger gleichfalls beweisfällig geblieben, weil sie keinen ordnungsgemäßen Beweis angetreten haben. Die Kläger bieten lediglich ihre eigene Vernehmung bzw. Anhörung an.

30. Die Vernehmung der Kläger als Partei gemäß § 447 ZPO kommt nicht in Betracht, weil sich die Beklagte damit nicht einverstanden erklärt hat. Das Einverständnis muss ausdrücklich erklärt werden (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 447, Rn. 2). Eine Vernehmung nach § 448 ZPO kommt mangels Anbeweises nicht in Betracht. Die Kläger hätten als Zeugen etwa den Schaltermitarbeiter benennen können. Dem steht auch die sogenannte „Vieraugenrechtsprechung“ nicht entgegen Die vorgenannte EGMR-Rechtsprechung bestimmt lediglich, dass zum Zwecke der prozessualen Waffengleichheit und um einen lauteren Prozess und wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten, der Partei eines Vieraugengesprächs Gelegenheit zu geben ist, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen und sie gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO persönlich anzuhören, wenn der vernommene Zeuge dem „Lager der Gegenpartei“ angehört (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2010 – III ZR 249/09 = NJW 2010, 3292, 3293; EGMR, Urteil vom 27.10.1993 – 37/1992/382/460 = NJW 1995, 1413, 1414). Diese Rechtsprechung soll lediglich eine konventionsfreundliche Auslegung der zivilprozessualen Vorschriften gewährleisten, die Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht verletzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil vom 27.10.1993 ausdrücklich ausgeführt, dass er nicht dazu berufen ist, allgemein zu entscheiden, ob es zulässig ist, die Zeugenaussage einer Partei gesetzlich auszuschließen (EGMR, Urteil vom 27.10.1993 – 37/1992/382/460 = NJW 1995, 1413, Rn. 31), sondern lediglich prüfe, ob die konkrete Handhabung der Pflicht eines lauteren Verfahrens durch eine lautere Anhörung zum Zwecke der prozessualen Waffengleichheit genüge (EGMR, Urteil vom 27.10.1993 – 37/1992/382/460 = NJW 1995, 1413, Rn. 32/33). Demgemäß besteht für die Gerichte nur die Pflicht, die Partei ebenfalls anzuhören und nicht nur den „im Lager der Gegenseite“ stehenden Zeugen. Durch die „Vieraugengespräch-Rechtsprechung“ wird die Partei aber nicht der Notwendigkeit enthoben, überhaupt Beweis anzutreten (LG Kleve, Urteil vom 26.5.2015 – 4 O 391/13, BeckRS 2015, 14945).

31. Überdies bestünde keine Gesamtgläubigerschaft der Kläger im Sinne von § 428 BGB, wenn eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b.) FluggastVO bestünde. In einem solchen Fall könnte jeder Kläger nur einzeln die ihm persönlich für seinen Flug entstandenen Kosten verlangen. Fluggast im Sinne der FluggastVO ist nur die tatsächlich zu befördernde Person, ohne dass es darauf ankommt, ob diese selbst Vertragspartner der Fluggesellschaft ist oder ob der Vertrag von einem Dritten zu ihren Gunsten geschlossen wurde (BGH, Urteil vom 30.04.2009 – Xa ZR 79/08 = BeckRS 2009, 18383, Rn. 13; AG Geldern, Urteil vom 03.08.2011 – 4 C 628/10 = NJW-RR 2011, 1685; Schmid, RRa 2010, 136, 137; a. A. AG Emden, Urteil vom 27.01.2010 – 5 C 197/09 = RRa 2010, 135, 135/136). Die Ansprüche aus der FluggastVO sind nicht vertragsrechtlicher Natur (BGH, Urteil vom 30.04.2009 – Xa ZR 79/08 = BeckRS 2009, 18383, Rn. 13).

3.)

32. Mangels Anspruchs auf die Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf deren Verzinsung.

III.

33. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

IV.

34. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

35. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

VI.

36. Streitwert des Berufungsverfahrens:              bis 1.000,- €

Rechtsbehelfsbelehrung zur Streitwertfestsetzung:

37. Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

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