Untersagung der Weiterreise durch den Flughafenarzt

LG Wuppertal: Untersagung der Weiterreise durch den Flughafenarzt

Die Klägerin musste aufgrund einer Nebenhöhlenentzündung eine USA-Reise abbrechen. Sie klagte erfolglos gegen den Reiseveranstalter, weil dieser sie nicht auf den Abschluss einer Reiseersatzversicherung hingewiesen hatte.

LG Wuppertal 8 S 15/05 (Aktenzeichen)
LG Wuppertal: LG Wuppertal, Urt. vom 06.07.2005
Rechtsweg: LG Wuppertal, Urt. v. 06.07.2005, Az: 8 S 15/05
AG Wuppertal, Urt. v. 04.02.2005, Az: 36 C 454/04
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Landgericht Wuppertal

1. Urteil vom 6. Juli 2005

Aktenzeichen 8 S 15/05

Leitsatz:

2. Die Hinweispflicht eines Reiseveranstalters bezüglich Versicherung betrifft Reiserücktritts-, aber keine zusätzlichen Abbruch- und Ersatzversicherungen.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei dem beklagten Reiseveranstalter für sich und eine Mitreisende eine USA-Reise vom 01.04. bis zum 24.06.2004 gebucht. Bei der Abreise in Düsseldorf litt sie bereits an einer Nebenhöhlenentzündung, die bei der Zwischenlandung in München so akut geworden war, dass der Flughafenarzt die Weiterreise untersagte. Die Reiserücktrittsversicherung zahlte nicht, weil kein Rücktritt, sondern ein Abbruch vorlag. Daraufhin verklagte die Reisende den Veranstalter wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht in Form mangelnden Hinweises auf die Möglichkeit einer sogenannten Ersatz-Versicherung.

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen und auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Die Hinweispflicht des Beklagten erstreckte sich über Reiserücktrittsversicherungen nicht hinaus auf Ersatz-Versicherungen.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 04. Februar 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wuppertal – 36 C 454/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

I.

5. Wegen des Tatbestandes wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

6. Ergänzend hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

7. Die Klägerin buchte bei dem Beklagten, der ein Reisebüro betreibt, am 01.12.2003 eine USA-​Reise für die Zeit vom 01.04. bis zum 24.06.2004 für sich und eine Mitreisende. Der Beklagte vermittelte ihr auch eine Reiserücktrittsversicherung. Bei Antritt der Reise litt die Mitreisende an einer Nasennebenhöhlen- und Mittelohrentzündung.

8. Während des Fluges von Düsseldorf nach München traten erhebliche Beschwerden auf, die dazu führten, dass der Flughafenarzt in München die Weiterreise untersagte.

9. Die Klägerin und die Mitreisende brachen die Reise ab.

10. Die Klägerin machte die Reisekosten, die ihr nicht aufgrund von noch möglichen Stornierungen erstattet wurden, abzüglich der Versicherungskosten zunächst gegenüber der Reiserücktrittsversicherung geltend. Diese lehnte die Erstattung ab. Sie verwies auf § 4 ihrer Vertragsbedingungen. Danach hätte sie die Reisekosten allenfalls erstatten müssen, wenn die Klägerin eine sog. „Ersatzreise-​Versicherung“ abgeschlossen hätte. Die Klägerin sei nicht von der Reise zurückgetreten, sondern sie habe die Reise abgebrochen.

11. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht in Anspruch. Sie meint, der Beklagte sei wegen der langen Dauer der USA-​Reise verpflichtet gewesen, sie ungefragt auf die Möglichkeit des Abschlusses der genannten Versicherung hinzuweisen.

12. Sie behauptet, bei anderen Reisebüros sei es üblich, auch Reiseersatzversicherungen anzubieten. Sie hätte diese Versicherung abgeschlossen, wenn sie ihr angeboten worden wäre. Die Ersatzreiseversicherung hätte den Schaden ersetzt. Die Erkrankung der Mitreisenden bei Reiseantritt habe einer Flugreise nicht entgegengestanden. Diese Auskunft habe die Mitreisende von ihrem Arzt erhalten.

13. Das Amtsgericht Wuppertal hat die auf Zahlung von 3.927,00 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese ordnungsgemäß begründet.

14. Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 3.927,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2004 zu zahlen.

15. Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

II.

16. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.

17. Das Amtsgericht Wuppertal ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu.

18. Die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB, der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, liegen nicht vor.

19. Der Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin vor Antritt der bei ihm gebuchten, fast 3-​monatigen USA-​Reise den Abschluss einer „Ersatzreise-​Versicherung“ zu empfehlen oder sie auf die Möglichkeit einer solchen Versicherung hinzuweisen.

20. Die Beratungspflicht eines Reisebüros beschränkt sich ohne besondere Anhaltspunkte darauf, den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung zu empfehlen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 24.04.2001, Juris-​Nr. KORE700822001; Tempel NJW 1999, 3657, 3660). Es kann dahinstehen, ob das Reisebüro hier wegen der mehrmonatigen Reise verpflichtet gewesen wäre, zusätzlich auf den möglichen Abschluss einer Reiseabbruchversicherung, die die Mehrkosten der vorzeitigen Rückreise abgedeckt hätte, hinzuweisen. Jedenfalls brauchte das Reisebüro nicht ungefragt auf die Möglichkeit einer speziellen Ersatzreise-​Versicherung (§ 4 der Versicherungsbedingungen, Bl. 38 d.A.) hinzuweisen. Eine so weitreichende Hinweispflicht besteht nicht, weil das Reisebüro Reiseversicherungen als untergeordnete Nebenleistung nur nebenbei vermittelte ( vgl. AG Karlsruhe, Urt. vom 12.01.01, NJW-​RR 2002, 560, 561).

21. Eine solche gesonderte Aufklärung wäre allenfalls dann notwendig gewesen, wenn die Klägerin deutlich gemacht hätte, dass sie Wert auf eine umfassende Absicherung im Falle eines Reiseabbruchs legte (vgl. OLG Koblenz a.a.O., Rn 13). Das ist unstreitig hier nicht so gewesen.

22. Es war nicht erforderlich, das von der Klägerin beantragte Sachverständigen-​Gutachten zu der Frage einzuholen, ob andere Reisebüros bei derart langen Reisen auf die Möglichkeit einer Reiseersatzversicherung hinweisen.

23. Selbst wenn dies so wäre, würde eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten hieraus nicht zu folgern sein.

24. Hinzu kommt, dass die Klägerin aus den ihr vor Reiseantritt von dem Beklagten überlassenen Versicherungsunterlagen hätte entnehmen können, dass der Reisepreis für nicht in Anspruch genommene Reiseleistungen bei Reiseabbruch nur erstattet wird, wenn dies im Versicherungsschein gesondert vereinbart worden ist. Mit Recht zieht das Amtsgericht hieraus den Schluss, dass Schadensersatzansprüche auch deswegen ausscheiden (vgl. auch AG München, Urt. vom 02.05.96, Orientierungssatz: Juris-​Nr. KORE551819700).

2.

25. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

26. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

3.

27. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob ein Reisebüro den Kunden bei einer beabsichtigten dreimonatigen Reise ungefragt über die Möglichkeit einer Ersatzreiseversicherung unterrichten muss, ist klärungsbedürftig. Das OLG Koblenz (a.a.O.) hat über einen anders gelagerten Sachverhalt entschieden. Dieses Urteil betraf eine zwar teure (21.160,00 DM), aber verhältnismäßig kurze 19-​tägige Flug- und Rundreise. Das Auftreten der genannten Frage ist in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten.

28. Die genannte Frage ist auch entscheidungserheblich. Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten scheidet nicht bereits aus anderen Gründen aus.

29. Wenn die Klägerin die Ersatzreiseversicherung abgeschlossen hätte, wäre die Versicherungsgesellschaft verpflichtet gewesen, ihr den geltend gemachten anteiligen Reisepreis zu ersetzen. Sie hätte sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht darauf berufen dürfen, dass die Mitreisende bei Reisebeginn bereits erkrankt war und dass die Klägerin die Reise allein hätte fortsetzen können. Wäre die Klägerin vor Reiseantritt wegen der Nasennebenhöhlen- und Mittelohrentzündung der Mitreisenden zurückgetreten, hätte die Versicherung die „vertraglich geschuldeten Stornogebühren“ nach § 1 ihrer Bedingungen wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung der versicherten Person erstatten müssen. Wären sowohl der Reiserücktritt als auch der Reiseabbruch wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung nach § 4 der Bedingungen versichert gewesen, wäre es treuwidrig, sich darauf zu berufen, es läge weder ein Reiserücktritt noch ein Reiseabbruch wegen einer unerwarteten Erkrankung der Mitreisenden vor.

30. Der Klägerin wäre es auch nicht zumutbar gewesen, die Reise allein fortzusetzen. Die Klägerin hätte die mehrmonatige Rundreise nicht allein angetreten. Die gemieteten Fahrzeuge hätten von der Mitreisenden gesteuert werden sollen. Wegen einer Augenerkrankung hätte die Klägerin nicht Auto fahren dürfen. Diese im Schriftsatz der Klägerin vom 13.05.2005 vorgetragenen Tatsachen sind unstreitig, weil der Beklagte dem Schriftsatz insoweit nicht widersprochen hat.

4.

31. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.927,00 € festgesetzt.

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