Umorganisation des Flugplans als „außergewöhnlicher Umstand

AG Hannover: Die Umorganisation des Flugplans als „außergewöhnlicher Umstand“

Der Kläger buchte für sich und seiner Ehefrau bei der Beklagten einen Flug von Sal über Las Palmas nach Hannover. Das ursprünglich geplante Flugzeug flog allerdings nicht von Las Palmas nach Hannover, sondern nach Nürnberg, wodurch der Kläger von der Fluggesellschaft einer anderen Maschine zugeteilt wurde, welches nach Hannover geflogen ist. Das Flugzeug kam mit über 3 Stunden Verspätung in Hannover an.

Der Kläger verlangte vom Beklagten eine Ausgleichszahlung in Höhe von
1.200 €. Das Gericht sprach dem Kläger die begehrte Ausgleichszahlung auf Grundlage der Europäischen Fluggastrechteverordnung zu.

AG Hannover 553 C 1163/16 (Aktenzeichen)
AG Hannover: AG Hannover, Urt. vom 26.09.2016
Rechtsweg: AG Hannover, Urt. v. 26.09.2016, Az: 553 C 1163/16
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Amtsgericht Hannover

1. Urteil vom 26. September 2016

Aktenzeichen 553 C 1163/16

Leitsätze:

2. Die Umorganisation von Flügen darf nicht zu Lasten von anderen Fluggästen geschehen.

Außergewöhnliche Umstände können dabei nur geltend gemacht werden, wenn sich diese genau auf das betreffende Flugzeug beziehen.

Zusammenfassung

3. Der Kläger buchte für sich und seiner Ehefrau bei der Beklagten einen Flug von Sal über Las Palmas nach Hannover. Das Flugzeug sollte planmäßig um 02:05 Uhr in Hannover landen. Tatsächlich landete es dort erst um 6:40 Uhr. Die Maschine zum Weiterflug von Las Palmas nach Hannover war Abflugbereit. Allerdings flog dieses Flugzeug durch eine Umorganisation des Beklagten nicht nach Hannover, sondern nach Nürnberg, da für diese Verbindung kein Flugzeug zur Verfügung stand. Der Kläger musste aufgrund dessen mit einer Ersatzmaschine nach Hannover fliegen.

Der Kläger landete mit einer Verspätung von über 4 Stunden in Hannover. Daher verlangte er für sich und seine Ehefrau eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.200 €.
Die Klage ist gemäß Artikel 7 Abs. 1 c der EG Verordnung Nr. 261/2004 begründet.
Der Beklagte kann keine außergewöhnlichen Umstände nach Art. 5 Abs. 3 EG-​Verordnung Nr. 261/2004 geltend machen, wenn ein Flug lediglich durch organisatorische Gründe Verspätung hat. Außergewöhnliche Umstände müssen bei dem betreffenden Flugzeug an einem bestimmten Tag vorliegen. Die ursprünglich geplante Maschine war bereit. Das Gericht stellt fest, dass Fluggäste die aufgrund der Bevorzugung von anderen Fluggästen, sprich keine pünktliche Beförderung erhalten, nicht schutzlos sind. Daher entschied das Amtsgericht in Hannover, dass beide Ehegatten jeweils 600 € an Ausgleichszahlungen zustehen.

 

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 27.2.2016 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.200,00 €.

Tatbestand

5. Die Kläger haben bei der Beklagten einen Flug von Sal über Las Palmas (Gran Canaria) nach Hannover für den 4.12.2015 gebucht. Die Entfernung (Luftlinie) zwischen Abflug- und Ankunftsort beträgt 9.411,58 Kilometer. Geplant war eine Ankunftszeit um 02.05 Uhr, tatsächlich erreichten die Kläger Hannover jedoch erst am 5.12.2015 um 06.40 Uhr, mithin mit über drei Stunden Verspätung.

6. Der gebuchte Flug X3 2263 für oben genannte Teilstrecke sollte ursprünglich mit der Maschine D-​ASUN durchgeführt werden, wurde dann jedoch von der Maschine D-​ATUI geflogen. Die Maschine D-​ASUN flog stattdessen die Strecke von Las Palmas nach Nürnberg, für die ursprünglich die Maschine D-​ATUP vorgesehen war.

7. Die Kläger bestreiten einen außergewöhnlichen Umstand und meinen, ihnen würden Ausgleichsansprüche zustehen.

8. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

10. Die Beklagte beruft sich auf außergewöhnliche Umstände, die zur Flugverspätung geführt hätten. Die Beklagte behauptet, die Maschinen D-​ATUP und D-​ATUO hätten auf Grund schlechter Wetterbedingungen auf den kapverdischen Inseln diese nicht verlassen und die geplanten Umläufe deshalb nicht fliegen können. Den Flug von Las Palmas nach Nürnberg habe aus diesem Grunde die für den ursprünglich klägerischen Flug bereitstehende Maschine D-​ASUN nach Hannover durchgeführt. Im Gegensatz zum Flughafen in Hannover bestehe am Nürnberger Flughafen ein Nachtflugverbot, was insoweit unstreitig ist. Die den Flug des Klägers durchführende Maschine D-​ATUI -was ebenfalls unstreitig ist- habe erst um 16:00 Uhr in Hannover bereitgestanden.

Entscheidungsgründe

11. Die zulässige Klage ist begründet.

12. Der Kläger hat aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf insgesamt 1.200,00 € aus Artikel 7 Abs. 1 c der EG Verordnung Nr. 261/2004 i. V. m. §§ 398 ff. BGB.

13. Der von den Klägern gebuchte Flug startete um 12:45 Uhr von der kapverdischen Insel Sal und erreichte den Zielflughafen Hannover mit mehr als 3 Stunden Verspätung. Auf Grund der Entfernung von Abflug- und Ankunftsort (9.411,58 Km) stehen dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 600,00 € zu, wobei die Ehefrau Martina Mock ihren Anspruch wirksam mit Erklärung vom 5.12.2016 gemäß §§ 398 ff. BGB an den Kläger abgetreten hat.

14. Es handelte sich unstreitig um einen bei der Beklagten gebuchten einheitlichen Flug, der sich aus zwei Teilstrecken zusammensetzte. Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt (§ 7 Abs. 1, S. 2), hier also Hannover.

15. Die Beklagte kann sich nicht gemäß § 5 Abs. 3 EG-​Verordnung Nr. 261/2004 entlasten, da außergewöhnliche Umstände, die zu der Flugverspätung geführt haben, nicht vorgelegen haben.

16. Die für den Weiterflug von Las Palmas nach Hannover vorgesehene Maschine D-​ASUN stand rechtzeitig zur Verfügung und hätte eingesetzt werden können. Ausschließlich auf Grund einer Organisationsentscheidung der Beklagten wurde besagte Maschine für den Flug von Las Palmas nach Nürnberg eingesetzt, während der Kläger und seine Frau auf die Maschine D-​ATUI gewartet haben, die sie sodann verspätet nach Hannover weiterbefördert hat.

17. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch die vorgenommene Umorganisation eine Annullierung anderer Flüge vermeiden konnte und ob es auf den kapverdischen Inseln zu witterungsbedingten Ausfällen von Flügen gekommen ist. Die vorgesehene Maschine für den Flug des Klägers und seiner Ehefrau war von diesen Wetterverhältnissen nicht betroffen und hätte rechtzeitig eingesetzt werden können.

18. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind der Erwägungsgrund Nr. 15 der EG-​Verordnung Nr. 261/2004 und die Entlastungsmöglichkeiten für das Luftfahrtunternehmen eng auszulegen. Wenn ein Luftfahrtunternehmen auf Grund außergewöhnlicher Umstände Flüge umorganisiert, so ist die Verspätung nachfolgender Flüge dadurch nicht gem. Artikel 5 Abs. 3 EG-​Verordnung Nr. 261/2004 gerechtfertigt. Die Fluggäste würden völlig schutzlos stehen, wenn es einem Luftfahrtunternehmen erlaubt wäre, einem Fluggast eine fristgerechte Beförderung unter Hinweis auf die Interessen anderer Fluggäste zu verweigern. Außergewöhnliche Umstände beziehen sich auf das betreffende Flugzeug an einem bestimmten Tag, jedoch nicht auf eine andere Maschine.

19. Vor diesem Hintergrund steht dem Kläger ein Ausgleichsanspruch zu, denn die für seinen Flug vorgesehene Maschine hätte rechtzeitig eingesetzt werden können.

20. Der Klage war nach alledem stattzugeben.

21. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 291, 288, 247 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

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