Sternewerbung für einen nicht zertifizierten Hotel- und Gastronomiebetrieb

LG Münster: Sternewerbung für einen nicht zertifizierten Hotel- und Gastronomiebetrieb

Die Beklagte betreibt ein Hotel und hatte sich per Unterlassungserklärung verpflichtet, keine irreführende Sternerwerbung vorzunehmen. Die Klägerin hat eine Sternewerbung auf einem Buchungsportal gefunden und verlangt nun Zahlung der Vertragsstrafe.

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen, indem sie bei dem Buchungsportal nicht darauf hingewirkt habe, solche Werbung zu unterlassen.

LG Münster 22 O 85/17 (Aktenzeichen)
LG Münster: LG Münster, Urt. vom 19.01.2018
Rechtsweg: LG Münster, Urt. v. 19.01.2018, Az: 22 O 85/17
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Landgericht Münster

1. Urteil vom 19. Januar 2018

Aktenzeichen 22 O 85/17

Leitsatz:

2. Auch die Werbung mit Sternen auf einem Buchungsportal kann ein Wettbewerbsverstoß des Hotelbetreibers sein.

Zusammenfassung:

3. Die Beklagte betreibt einen Hotel- und Gastronomiebetrieb und hatte sich per Unterlassungserklärung verpflichtet, keine irreführende Sternerwerbung vorzunehmen. Die Klägerin hat eine Sternewerbung auf einem Buchungsportal gefunden und verlangt nun Zahlung der Vertragsstrafe.

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Die Werbung auf dem Buchungsportal sei irreführend, da trotz fehlender unabhängiger Zertifizierung mit Sternen geworben wurde. Die Beklagte sei ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen, indem sie bei dem Buchungsportal nicht darauf hingewirkt habe, solche Werbung zu unterlassen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2017 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

6. Die Beklagte betrieb bis zum Jahr 2015 unter der Firma „Hotel-Restaurant N“ und seither unter der Firma „N Hotel & Gastronomie“ einen Hotel- und Gastronomiebetrieb in P. Nach Abmahnung wegen einer Sterne-Werbung für ihren nicht zertifizierten Hotelbetrieb verpflichtete sich die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Unterlassungserklärung vom 18.01.2017:

„1.

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch Dritte am Hotelbetrieb, in gedruckten Werbeunterlagen oder sonst werblich mit Hinweisen auf eine Sterneklassifizierung zu werben, sofern dem keine aktuell gültige Zertifizierung nach Maßgabe der Deutschen Hotelklassifizierung zugrunde liegt;

2.

für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. aufgeführte/n Verpflichtung/en an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 EUR (viertausend) zu zahlen […]“.

7. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Erklärung (Bl. 6 d. A.) Bezug genommen.

8. Am 26.06.2017 führte eine Google-Suche unter dem Stichwort „hotel restaurant n p“ zu einer an zweiter Stelle der Trefferliste geführten Kurzbeschreibung des Betriebs der Beklagten durch das Hotel-Buchungsportal „hrs.de“, in der es unter anderem hieß: „3-Sterne-Hotel N in P günstig bei HRS buchen […]“.

9. Über eine Sterne-Zertifizierung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) oder einer anderen, nicht aufgrund eigener Provisionsansprüche am Umsatz des Hotelbetriebes interessierten Zertifizierungsstelle verfügte der Betrieb der Beklagten auch zu diesem Zeitpunkt nicht.

10. Nach Erhebung der Klage ist der beanstandete Hinweis auf eine Sterne-Klassifizierung des Betriebs der Beklagten nicht mehr bei den Google-Treffern zu finden.

11. Mit Schreiben vom 29.06.2017 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 € auf und setzte ihr hierzu eine Frist bis zum 19.07.2017.

12. Der Kläger ist der Auffassung, der am 26.06.2017 festgestellte Sternehinweis in der Google-Trefferliste stelle eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht dar. Die Beklagte habe die sie aus der Unterlassungsvereinbarung treffenden Recherche- und Kontrollpflichten hinsichtlich sichtbarer Sternewerbung auf üblichen Internetportalen verletzt.

13. Der Kläger beantragt,

14. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2017 zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

16. die Klage abzuweisen.

17. Die Beklagte behauptet, sie habe die mit ihr zusammenarbeitenden Buchungsportale „hrs.de“ und „booking.com“ unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung des Klägers aufgefordert, sämtliche Hinweise auf eine Dehoga-Zertifizierung ihres Betriebes zu beseitigen. Darüber hinaus habe sie auch den Internetanbieter Google aufgefordert, in sämtlichen Veröffentlichungen, auf die über Google zugegriffen werden kann, Hinweise auf eine Dehoga-Zertifizierung zu entfernen. Sie vertritt die Ansicht, damit habe sie alles getan, um zu verhindern, dass die unzulässige Werbung als 3-Sterne-Hotel erscheint. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Unterlassungserklärung sei unbestimmt und grenzenlos bzw. derart weit gefasst, dass ihre Einhaltung unmöglich sei. Ferner behauptet die Beklagte, das Buchungs-Portal „hrs.de“ verwende eine eigene Sterneklassifizierung und bei dem nunmehr gerügten Sternehinweis handele es sich um das hrs-eigene Klassifizierungssystem.

18. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die sich bei den Akten befindenden Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

19. Die zulässige Klage ist begründet.

20. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 € aus § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18.01.2017 zu. Denn sie hat in Ansehung des am 26.06.2017 festgestellten Sternehinweises gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen und hierdurch die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt.

1.

21. Der zwischen den Parteien durch Abgabe der strafbewehrten Unterwerfungserklärung vom 18.01.2017 zu Stande gekommene Unterlassungsvertrag ist dahin auszulegen, dass die Beklagte es künftig zu unterlassen hat, mit Hinweisen auf eine Sterne-Klassifizierung zu werben, sofern dem keine aktuell gültige Sterneklassifizierung einer objektiven, transparenten Kriterien verpflichteten und nicht am Umsatz der Hotelbetriebe interessierter Zertifizierungsstelle – wie dem Dehoga – zugrunde liegt oder sofern aus der Sterne-Werbung nicht unmittelbar und unmissverständlich hervorgeht, dass die Bewertung nicht durch eine solche objektive Zertifizierungsstelle erfolgt ist.

22. Bei der Auslegung der Unterlassungsvereinbarung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien mit ihrem Abschluss bezwecken, die Wiederholungsgefahr eines Wettbewerbsverstoßes auszuräumen. Es ist also im Zweifel davon auszugehen, dass sich die unterwerfende Partei nicht weitergehend binden will, als es ihrer gesetzlichen Verpflichtung entspricht (BGH GRUR 2003, 889 – Internet-Reservierungssystem; Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, UWG, § 12, Rn. 143). Demnach ist der Unterlassungsvertrag hier dahingehend auszulegen, dass die Parteien mit dem Verbot einer Sternewerbung, sofern dem keine Zertifizierung „nach Maßgabe der deutschen Hotelklassifizierung zugrunde liegt“ nur wettbewerbsrechtlich unzulässige Sternewerbung erfassen wollten.

23. Unzulässig ist eine Sternewerbung nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG, die geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise zu beeinflussen. Bei der Bewertung von Hotelbetrieben mit Sternen geht die Erwartung der angesprochenen Verbraucher dahin, dass diese – wie bei der deutschen Hotelklassifizierung durch den Dehoga – durch ein objektives Verfahren einer neutralen, außerhalb des gewerblichen Gewinns stehenden Stelle erfolgt ist (OLG Nürnberg, Urteil vom 19. April 2016 – 3 U 1974/15 –, juris, Rz. 17, 18). Beruht eine Sternewerbung lediglich auf einer Bewertung des Hotelanbieters, muss dies zur Vermeidung einer Irreführung unmittelbar und unmissverständlich aus der Werbung hervorgehen (OLG Nürnberg, a.a.O., juris, Rz. 19 ff.).

24. Vorliegend ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Unterlassungserklärung vom 18.01.2017, dass eine Sterne-Werbung, die nicht der Maßgabe der deutschen Hotelklassifizierung des Dehoga entspricht, erlaubt bleibt, wenn dies zur Vermeidung einer Irreführung aus der Werbung unmittelbar und unmissverständlich hervorgeht. Doch ist eine solche Werbung wettbewerbsrechtlich zulässig und somit nach den genannten Auslegungsgrundsätzen von der hier in Rede stehenden Unterlassungsverpflichtung nicht erfasst.

2.

25. Der Unterlassungsvertrag ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.

26. Zwar ist prima facie davon auszugehen, dass es sich bei der vom Kläger vorformulierten Unterlassungsklausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB handelt.

27. Fraglich ist aber schon, ob die Unterlassungsklausel gemäß § 307 Abs. 3 BGB von der Inhaltskontrolle ausgenommen ist, weil die genaue Umschreibung der Reichweite der Unterlassungspflicht die unmittelbare Hauptleistungspflicht der Beklagten aus dem Unterlassungsvertrag bildet und daher nicht von Rechtsvorschriften abweicht oder diese ergänzt (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 1995, 223, 226). Die Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn jedenfalls sind keine Anhaltpunkte dafür erkennbar, dass die Klausel die Beklagte unangemessen benachteiligt. Nach dem dargestellten Auslegungsergebnis hat sich die Beklagte nicht zu mehr verpflichtet, als sie sich wettbewerbsrechtlich hätte verpflichten müssen.

3.

28. Die Beklagte hat in Ansehung des am 26.06.2017 festgestellten Sternehinweises gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Denn die Beklagte verfügt nach wie vor nicht über eine Sterne-Zertifizierung einer objektiven und nicht am Umsatz des Hotelbetriebes interessierten Zertifizierungsstelle.

29. Darauf, ob es sich bei der 3-Sterne-Werbung entsprechend der Behauptung der Beklagten um eine Bewertung des kommerziellen und aufgrund eigener Provisionsansprüche am Umsatz ihres Hotelbetriebes interessierten Buchungsportals „hrs.de“ handelt, kommt es nicht an, weil dies aus der Werbung jedenfalls nicht hervorgeht.

30. Einem Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Betrieb im Jahr 2005 von „Hotel-Restaurant N“ in „N Hotel & Gastronomie“ umbenannt hat. Denn der gerügte Sternehinweis von „hrs.de“ in den Google-Suchergebnissen beschreibt das „Hotel N“. Diese Bezeichnung bezieht sich aus Verbrauchersicht auf den aktuellen Betrieb der Beklagten.

31. Unerheblich in Bezug auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung ist, dass sich der gerügte Sternehinweis nicht auf dem Internetauftritt der Beklagten befunden hat, sondern in einer Kurzbeschreibung ihres Betriebs durch „hrs.de“ in der Google-Trefferliste zu dem Stichwort „hotel restaurant n p “. Denn die Beklagte war aufgrund der von ihr übernommenen Unterlassungsverpflichtung zur Vermeidung wettbewerbswidriger Werbung gehalten, auf gängigen Buchungsportalen, deren Handeln ihr wirtschaftlich zugutekommt, nach unzulässiger Werbung selbstständig zu recherchieren und auf diese Portale so einzuwirken, dass eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Sternewerbung nicht mehr erscheint (dazu BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, juris, Rz. 26, 29). Um dieser Obliegenheit zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Beklagte das Unternehmen „hrs.de“ und auch den Suchanbieter Google nach Zugang der Abmahnung aufgefordert haben will, sämtliche Hinweise auf eine Dehoga-Zertifizierung zu beseitigen. Vielmehr hat die Beklagte die Reichweite ihre Recherche- und Kontrollpflichten verkannt und diese dadurch verletzt, dass sie nicht auch auf eine Entfernung des hier gerügten Sternehinweises von „hrs.de“ hingewirkt hat.

4.

32. Die der Beklagten anzulastende Kontrollpflichtverletzung ist auch als kausal für die unzulässige Sternewerbung anzusehen. Denn für die Kausalität einer Kontrollpflichtverletzung für einen im Schutzbereich der verletzten Pflicht liegenden Schaden besteht eine tatsächliche Vermutung (Foerste, in Musilak/Voit, ZPO, § 286, Rn. 27), die die Beklagte im vorliegenden Fall nicht erschüttert hat. Im Gegenteil lässt die Tatsache, dass der gerügte Sternehinweis nach Erhebung der Klage bei den Google-Suchergebnissen nicht mehr aufgefunden werden kann, darauf schließen, dass die Beklagte durchaus Einfluss auf die Darstellung ihres Betriebs bei „hrs.de“ hat.

5.

33. Schließlich hat die Beklagte die Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag auch zu vertreten. Den ihr nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, juris, Rz. 26) hat sie nicht geführt.

6.

34. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Beklagte befand sich seit dem 20.07.2017 im Verzug. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 29.06.2017 zur Zahlung der Vertragsstrafe bis zum 19.07.2017 aufgefordert und damit im Sinne des § 286 Abs. 1 S. 1 BGB gemahnt.

II.

35. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.

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