Standards einer Billigreise nach Kuba

AG Tiergarten: Standards einer Billigreise nach Kuba

Der Kläger buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter einen Hotelurlaub in Kuba für die Zeit vom 31. Dezember 1995 bis zum 13. Januar 1996. Dort begegneten ihm verschiedenste Mängel, wie etwa ein verschmutzter öffentlicher Strand, das Fehlen einer Reiseleitung der Transfers zum Hotel bzw. Flughafen und ein verschmutztes und mangelbehaftetes Hotelzimmer. Er forderte von dem Beklagten Reisepreisminderung.

Das Gericht gab ihm teilweise Recht und sprach ihm Reiespreisminderung i.H.v. 5 % zu, verwarf aber die meisten vom Kläger deklarierten Mängel als bloße Unannehmlichkeiten. Es stellte fest, dass insgesamt an die Standards in einem Land wie Kuba andere Maßstäbe zu setzen sind, wie in westlichen Industrieländern.

AG Tiergarten 2 C 480/96 (Aktenzeichen)
AG Tiergarten: AG Tiergarten, Urt. vom 18.03.1997
Rechtsweg: AG Tiergarten, Urt. v. 18.03.1997, Az: 2 C 480/96
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Amtsgericht Tiergarten

1. Urteil vom 18. März 1997

Aktenzeichen 2 C 480/96

Lietsätze:

2. Bucht man eine Reise in ein sozialistisches Entwicklungs- bzw. Schwellenland, wie etwa Kuba, kann man, vor allem wenn es sich um eine Billigreise in einem drei-Sterne-Hotel handelt, nicht die gleichen Standards erwarten, wie sie in industrialisierten Ländern im Westen vorherrschen.

Nur eine Unannehmlichkeit und keinen Reisemangel stellen ein verschmutzter öffentlicher Badestrand, durchgelegene Betten, Ungezieferbefall, eine unzureichende Warmwasserregelung und salziges Duschwasser dar.

Unverbaute Kabel der Beleuchtung des Badezimmers und eine unsachgemäß befestigte Steckdose berechtigen zu einer Reisepreisminderung i.H.v. 5 %.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei einem Reiseveranstalter einen Hotelurlaub in Kuba für den Zeitraum vom 31. Dezember 1995 bis zum 13. Januar 1996. Dort stellte er verschiedene Mängel fest. So beanstandete er, dass es vom Flughafen zum Hotel und auch wieder zurück keinen Transfer gegeben habe und ihn dort auch kein Reiseleiter empfangen habe. Bei der Ankunft im Hotel habe es keine Begrüßung, keinen Kofferservice und auch keine Einweisung gegeben. Das Essen sei schlecht gewesen und das Personal unfreundlich. Er fühlte sich durch laute Bingospiele im Hotel in der Zeit zwischen 14.00 und 16.00 Uhr belästigt. Des Weiteren sei der öffentliche Strand verschmutzt gewesen. In seinem Hotelzimmer seien die Betten durchgelegen und mit Ungeziefer befallen gewesen. Das Badezimmer sei verdreckt und mit Wasser überflutet gewesen und im Zimmer hätten elektrische Kabel freigelegen. Zudem sei er durch einen lauten Dieselgenerator täglich ab 6.30 belästigt worden. Der Kläger forderte vom Reiseveranstalter Reisepreisminderung, Schadenersatz und Aufwendungsersatz gem. §§ § 651 d Abs. 1, 651 f Abs. 2, 651 c Abs. 3 BGB insgesamt in einer Höhe von 4.828,00 DM.

Das AG Tiergarten wies die Schadenersatzforderung und Aufwendungsersatzforderung ab, und tat die meisten angebrachten Mängel als bloße Unannehmlichkeiten ab, sprach ihm aber 5 % Reisepreisminderung aufgrund der freiligenden Stromkabel und einer unsachgemäß angebrachten Steckose zu.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01. März 1996 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 900,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte eine Flugreise nach Kuba in das Hotel … Havanna, vom 31. Dezember 1995 bis 13. Januar 1996. Reiseveranstalter war die Beklagte. Über die ordnungsgemäße Durchführung der Reise streiten die Parteien. Mit Schreiben vom 12. Februar 1996 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 28. Februar 1996 zur Zahlung von Minderung und Schadensersatz aufgefordert.

6. Der Kläger behauptet, er habe als Reisepreis 1.525,00 DM bezahlt. Die Reise habe folgende Mängel aufgewiesen:

a)

7. Am Zielflughafen sei weder die Reiseleitung zugegen noch ein Transferbus zum Hotel vorhanden gewesen. Weiterhin sei er bei Ankunft im Hotel weder begrüßt noch in die Hotelanlage eingewiesen worden. Außerdem habe es keinen Kofferservice gegeben.

b)

8. Das Essen sei ebenso wie der Service schlecht gewesen. Mehrere Reisende hätten Magenkrämpfe gehabt. Die Mitarbeiter hätten sich unfreundlich verhalten. Außerdem sei es zu langen Warteschlangen gekommen.

c)

9. In der Hotelanlage seien zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr Bingospiele in unerträglicher Lautstärke veranstaltet worden.

d)

10. Der Strand vor dem Hotel sei durch einen einmündenden, „stinkenden“ Fluss „verdreckt“ gewesen. Am Strand habe das Skelett eines toten Tieres gelegen.

e)

11. Ihm sei ein 3-​Sterne-​Hotel zugesichert worden.

f)

12. Im Hotelzimmer seien die Betten durchgelegen und mit Ungeziefer befallen gewesen.

g)

13. Im Bad habe Wasser am Boden gestanden; die Armaturen seien defekt bzw. verkalkt gewesen. Das salzige Duschwasser habe nicht ordnungsgemäß zwischen heiß und kalt eingestellt werden können. Verbrauchtes Toilettenpapier sei nicht ersetzt worden. Der Badezimmerspiegel sei blind und verrostet gewesen.

h)

14. Außerdem hätten in der Unterkunft elektrische Kabel frei gelegen.

j)

15. Ferner sei eine Geräuschbelästigung durch einen ca. 30 m entfernten Dieselgenerator aufgetreten, der bereits ab 6.30 Uhr angelaufen sei.

k)

16. Der Banksafe sei defekt gewesen.

17. Der Kläger begehrt die Zahlung von 1.525,00 DM Minderung, 743,00 DM Mehraufwendungen, 2.500,00 DM Schadensersatz, 30,00 DM Telefonkosten und von 30,00 DM Kosten einer Touristcard.

18. Der Kläger beantragt,

19. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.828,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01. März 1996 zu zahlen.

20. Die Beklagte hat die Klageforderung wegen einer Minderung von 250,00 DM nebst Zinsen anerkannt. Im übrigen beantragt sie,

21. die Klage abzuweisen.

22. Sie behauptet, ausweislich der Buchungsbestätigung habe der Reisepreis nur 1.300,00 DM betragen, die Reisenden seien am Flughafen von der Reiseleitung empfangen und mit einem Bus ins Hotel gebracht worden. Sie meint, dass eine Begrüßung bei Ankunft im Hotel um 24.00 Uhr ebenso wie eine Einweisung in die Hotelanlage und ein Kofferservice nicht geschuldet gewesen seien.

23. Weiterhin behauptet sie, dass sich die Unterkunft in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden habe. Sie ist der Ansicht, dass salziges Trinkwasser zum Duschen keinen erheblichen Mangel darstelle; das gelte auch für natürliche Geruchsbelästigung aus dem Mangrovensumpf.

24. Sie behauptet, dass im Prospekt auf ein Animationsprogramm hingewiesen worden sei. Außerdem habe es sich bei dem fraglichen Strand um einen öffentlichen Strand gehandelt.

25. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

26. Die Akten des erkennenden Gerichts 2 C 481/96, in welchen Fotografien des Zimmers des Klägers enthalten sind, haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

27. Soweit die Beklagte die Klageforderung wegen eines Minderungsbetrages von 250,00 DM nebst Zinsen anerkannt hat, war gemäß § 307 Abs. 1 ZPO entsprechend zu erkennen.

28. Im übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten lediglich Zahlung von 250,00 DM nebst Zinsen verlangen. Dieser Minderungsbetrag ist – für die unter f) und h) dargestellten Mängel – von jener bereits anerkannt worden.

I.

29. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines über den von der Beklagten anerkannten hinausgehenden Teils des Reisepreises wegen Minderung in Höhe von 1.325,00 DM nach § 651 d Abs. 1 BGB steht dem Kläger nicht zu. Es liegt kein Minderungsgrund vor, da der zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag nicht gemäß § 651 c Abs. 1 BGB mangelhaft ist. Weder war die Reise mit Fehlern behaftet noch waren zugesicherte Eigenschaften nicht gegeben. Im Reisevertragsrecht ist ebenso wie im Kauf- und Werkvertragsrecht der subjektive Fehlerbegriff zugrundezulegen. Ein Fehler ist deshalb bei Abweichungen der Ist- von der Soll-​Beschaffenheit zu bejahen, wenn dadurch die Reise nicht nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Grundsätzlich gilt nach hiesiger Meinung dabei ein weiter Fehlerbegriff, so dass unter Umständen auch das Ausbleiben oder Nicht-​Vorhandensein von Umweltbeziehungen bzw. der Nichtbeachtung oder Unterlassung von Verhaltenspflichten des Reiseveranstalters einen Fehler begründen können (vgl. Tonner, Reisevertrag, § 651 c Rn. 1/4; Wolter, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Müko), 2. Auflage, § 651 Rn. 5 m. w. N.). Nicht zu Fehlern der Reise gehören jedoch Störungen aus der Sphäre des Reisenden, die dessen allgemeinem Lebensrisiko zuzurechnen sind, sowie höhere Gewalt bzw. bloße Unannehmlichkeiten.

30. Deshalb stellt nicht jeder Unterschied zu heimischen Lebensverhältnissen oder Standards einen Reisemangel dar: Denn ein Urlauber, der ins Ausland verreist, setzt sich bewusst anderen Lebensverhältnissen aus. Gerade diese machen die Reise häufig besonders reizvoll. Ein Tourist, der im Ausland deutsche Standards wünscht, wird solche deshalb auch vielfach nur im europäischen Ausland finden. Allerdings hat der Reiseveranstalter insoweit eine Aufklärungspflicht, da dem Kunden häufig unbekannt ist, was im Zielland üblich ist. Maßgeblich für die Leistungspflicht ist danach das Leistungsversprechen im Katalog oder bei der Buchung, und zwar im Allgemeinverständnis des nicht auslandserfahrenen Kunden (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 1987, S. 1931 (1936); Bidinger/Müller, Reisevertragsrecht, 2. Auflage, S. 111).

31. Unter Berücksichtigung dieser Umstände besaß die Beklagte aber keine Aufklärungspflicht. Auch ein nicht auslandserfahrener Durchschnittsreisender konnte spätestens seit dem Mauerfall Ende 1989 im eigenen Land – und sei es auch nur aus den Medien – feststellen, dass die sozialistische oder kommunistische Planwirtschaft eine Mangelökonomie ist, in der das Angebot von Waren und Dienstleistungen – soweit überhaupt vorhanden – weit hinter dem „hinterherhinkt“, was in einem demokratischen westlichen Industriestaat allgemeiner Standard ist. Im einzelnen gilt folgendes:

a)

32. Im angeblichen Ausbleiben der Reiseleitung am Flughafen bzw. eines Transferbusses läge nur dann ein Mangel, wenn dies auch nach den Prospektangaben oder einer individuellen Zusicherung zu den vertraglichen Pflichten der Beklagten als Reiseveranstalterin gehört hätte (vgl. AG Frankfurt, NJW-​RR 1993, S. 60 (61). Der Kläger hat lediglich behauptet, dass der Transfer zum Hotel bzw. die Begrüßung durch eine Reiseleitung am Flughafen geschuldet gewesen sei. Woraus sich diese Pflicht der Beklagten ergeben haben soll, etwa aus dem Prospekt oder einer entsprechenden Zusicherung, hat der Kläger nicht dargelegt. Insoweit ist sein Vortrag unsubstantiiert. Im übrigen hat die Beklagte dargelegt, dass die Reisenden, die sich bei der Reiseleitung am Flughafen gemeldet hätten, innerhalb von zwei Stunden ins Hotel gebracht worden seien.

33. Dass der Kläger bei Ankunft im Hotel gegen Mitternacht nicht begrüßt und in die Hotelanlage eingewiesen worden ist, stellt ebenfalls keinen Mangel dar. Woraus sich eine Pflicht der Beklagten ergeben soll, den Kläger um 24.00 Uhr in eine Hotelanlage einzuweisen, in der zumindest ein erheblicher Teil der Gäste bereits schlief, ist nicht ersichtlich. Unstreitig wurde der Kläger am darauffolgenden Sonntag von der Reiseleitung begrüßt. Was den fehlenden Kofferservice anbetrifft, so gilt das bereits oben Gesagte:

34. In einem sozialistischen Land der Dritten Welt müssen Einschränkungen beim Service als Unannehmlichkeiten akzeptiert werden. Sie stellen keinen zur Minderung berechtigenden Fehler dar.

b)

35. Wenn der Kläger rügt, dass der Service im Hotel schlecht und die Mitarbeiter unfreundlich gewesen und es außerdem zu längeren Wartezeiten gekommen sei, so ist dies nicht nur unsubstantiiert, sondern entspricht auch eher den subjektiven Wertungen des Klägers. Jedenfalls stellt dieser Umstand keine relevante Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit der Reise dar. In einem Hotel, das in einem sozialistisch geführten Land liegt, musste man von vornherein mit geringer Flexibilität des Personals rechnen, und zwar selbst dann, wenn es sich hier um ein Hotel der gehobenen Kategorie gehandelt hätte (vgl. auch OLG Frankfurt, VuR 1993, S. 237 (239) zu einem sowjetischen Luxusdampfer).

36. Desweiteren kann das Gericht in der allgemeinen Behauptung des Klägers, die Speisekarte sei nicht abwechslungsreich gewesen, ebenfalls keinen Reisemangel erkennen. Lediglich dann, wenn ein besonderes Essen (z. B. Diätkost) geschuldet oder mehrere Reisende an den gleichen Symptomen erkrankt wären, kommt ein Fehler oder eine Beweislastumkehr zuungunsten des Reiseveranstalters in Betracht (LG Berlin, RRa 1994, S. 64 (54); LG München, RRa 1997, S. 36 f.; Tonner Reisevertrag, Anhang zu § 651 c Rn. 12 m. w. N. in Fn. 64). So ist es hier jedoch nicht.

37. Die bloße Behauptung, Mitreisende hätten Magenkrämpfe gehabt, reicht noch nicht einmal für eine Beweislastumkehr zuungunsten des Reiseveranstalters aus. Denn gerade in einem südlichen Klima – wie in Kuba – kommt es schon wegen der Wetterlage häufig zu Durchfallerkrankungen (vgl. LG Berlin, a.a.O.). Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, aufgrund welcher genauen Ursachen (z. B. welcher Speisen) denn die Krankheit hervorgerufen worden sein sollte. Auch ist nicht dargetan, dass sich die Reisenden aufgrund des „schlechten Essens“ einer ärztlichen Behandlung unterziehen mussten und dass dabei Nachforschungen über die Krankheitsgründe angestellt wurden. Aus dem klägerischen Vorbringen ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass das Leiden der Mitreisenden auf eine typische Lebensmittelerkrankung (z. B. Salmonellenvergiftung) zurückzuführen war.

c)

38. Ferner kann das erkennende Gericht in den angeblich lauten Bingospielen zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr keinen Fehler erkennen. Die Behauptung des Klägers, die Lautstärke sei „unerträglich“ gewesen, ist zu ungenau, um der Beklagten eine sachgerechte Erwiderung zu ermöglichen. Hier hätten zumindest die Örtlichkeiten ins einzelne gehend beschrieben werden müssen.

d)

39. Desgleichen stellt auch der verschmutzte Strand, an dem ein Tierskelett gelegen hat, neben einem angeblich „dreckigen und stinkenden“ Fluss keinen Fehler dar. Denn der Kläger hat nicht darlegen können, ob es sich um einen „privaten“, den Hotelstrand, oder einen öffentlichen Strand handelte. Jedenfalls bei einem öffentlichen Strand stellt die Verschmutzung lediglich eine vom Reisenden zu akzeptierende Unannehmlichkeit dar, da der Reiseveranstalter nur für Umstände aus dem eigenen Gefahrenbereich haftet (AG Berlin-​Charlottenburg vom 12.06.1998 – Az.: 19 C 191/86, nicht veröffentlicht; Führich, Reiserecht, 2. Auflage, Rn. 221).

e)

40. Weiterhin ergibt sich aus der Behauptung des Klägers, ihm sei bei der Buchung erklärt worden, es handele sich um ein 3-​Sterne-​Hotel, ebenfalls kein Reisemangel. Dabei kann dahinstehen, ob in der angeblichen Erklärung des Reisebüros eine Eigenschaftszusicherung gemäß § 651 c Abs. 1 BGB zu sehen ist, die sich der Reiseveranstalter über § 278 BGB zurechnen lassen müsste. Zwar ist umstritten, ob in der Verteilung von „Sternen“ als Hotelkategorien überhaupt eine fassbare Qualitätsbezeichnung liegt (so aber OLG Köln, NJW-​RR 1989, S. 252 (252); AG Düsseldorf, MDR 1985, S. 232 (232)). Zumindest aber in dem Fall, in dem die Bezeichnung „3-​Sterne-​Hotel“ nur eine Beurteilung durch den Reiseveranstalter darstellt, sie also bloße Parteibewertung ist, kennzeichnen diese Erwägungen nicht den objektiven Wert oder Unwert der Unterkunft (h. M., vgl. OLG Köln, ebenda; AG Düsseldorf, ebenda; OLG Düsseldorf, NJW-​RR 1989, S. 1528 (1529); AG Essen, NJW-​RR 1991, S. 53 (53)).

41. Dass es sich bei der Aussage „3-​Sterne-​Hotel“ des Reisebüros um die Wiederholung der offiziellen Klassifizierung im kubanischen Hotelverzeichnis handelte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er musste deshalb im einzelnen darlegen und rechtfertigen, welche Voraussetzungen bei einem „3-​Sterne-​Hotel“ im Vergleich zu dem zugewiesenen Hotel fehlten. Dies hat er jedoch nicht getan.

f)

42. Wenn der Kläger zudem behauptet, die Betten seien durchgelegen, feucht und mit Ungeziefer befallen gewesen, so stellt auch dies – die Substantiierung des Ungezieferbefalls unterstellt – keinen Mangel dar. Den Befall der Unterkunft mit Ungeziefer muss man insbesondere in touristisch weniger erschlossenen Ländern ertragen, wenn es sich um eine einfache Unterkunft handelt (vgl. Müko-​Wolter, § 651 C Rn. 34). Dies wurde sogar bejaht, wenn sich im Essen des Reisenden in einem tropischen Entwicklungsland Ameisen und Insekten befinden (vgl. LG München, NJW-​RR 1994, S. 124 (124)). Ungeziefer stellt in dem Entwicklungsland Kuba deshalb lediglich eine Unannehmlichkeit dar, mit der der Kläger zurechtkommen musste. Was die durchgelegenen Betten anbetrifft, hat der Kläger nicht dargetan, dass ihm angesichts des von ihm angegebenen Reisepreises von 1.550,00 DM für eine „All-​inclusive“-​Fernreise mit Flug („Billigstreise“, AG St. Blasien, MDR 1986, S. 757 (757)) nicht nur eine einfache Unterkunft angeboten worden war. Die angebliche Bezeichnung „3-​Sterne-​Hotel“ ändert daran nichts. Wer im übrigen zu einem derart günstigen Preis in ein Land fährt, um dort zwei Wochen lang zu wohnen, zu essen und zu trinken, musste erkennen, dass derlei Leistungen nur in einer Umgebung mit niedrigem Kosten- und Einkommensniveau angeboten werden können. Nur wer sich keine Gedanken darüber macht, dass er in ein Land der Dritten Welt fährt und welcher Lebensstandard ihn dort erwartet, kann insofern in seinen Erwartungen – auch was die Unterkunft betrifft – enttäuscht werden (vgl. Benkelmann, RRa 1995, S. 118 (118); „Muss der Urwald für die Touristen gefegt werden?“).

43. Folgt man alledem nicht, so wäre eine Minderung von 10 % gerechtfertigt, die die Beklagte anerkannt hat.

g)

44. Was den Zustand des Badezimmers betrifft, so gilt auch hier, dass bei Billigreisen keine besondere Ausstattung verlangt werden kann (vgl. Müko-​Wolter, § 651 c Rn. 13). Deshalb können die Ausführungen des Klägers, die Warmwasserregelung sei unzureichend und die Armaturen seien verkalkt, nicht durchgreifen; dies gilt ebenso für den Vortrag des Klägers dahingehend, dass am Boden des Badezimmers bzw. am Duschablauf Wasser gestanden habe. Denn selbst eine verstopfte Dusche stellt in Entwicklungs- und Schwellenländern keinen Reisemangel dar, da an diesen Staaten nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden können wie an entwickelte Länder, die auf eine lange Beherbergungstradition zurückblicken können (vgl. LG München, NJW-​RR 1994, S. 124 (124)).

45. Dass es sich bei Kuba jedoch um ein Entwicklungsland der Dritten Welt handelt, das zudem von einem sozialistischen oder kommunistischen Diktator beherrscht wird, ist bereits mehrfach erwähnt worden und allgemein bekannt.

46. Auch ist das angeblich salzige Duschwasser für sich gesehen kein Mangel. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass dieses Wasser zum Waschen ungeeignet und beispielsweise Juckreiz oder Ekzeme auf der Haut hervorgerufen hätte (ebenso bereits AG Frankfurt, FVE (Klatt), ZivR. Nr. 479 (1984)). Auch ist offen, ob es sich hier nicht lediglich um salziges Trinkwasser gehandelt hat. Da dies selbst in den Ländern Südeuropas wegen der Schwierigkeiten bei der Wasserversorgung in der Hochsaison als bloße Unannehmlichkeit akzeptiert werden muss (vgl. AG Frankfurt, a.a.O.), so hat dies erst recht für das sozialistische Dritte-​Welt-​Land Kuba zu gelten.

47. Ferner ist zu berücksichtigen, dass gerade die Toilette, wie auf den Bildern deutlich zu erkennen, sehr sauber, wenn nicht sogar neu installiert worden ist. Wenn deshalb der Kläger vorträgt, das Toilettenpapier sei in den folgenden Tagen nicht aufgefüllt worden, so verfängt auch dieser Einwand nicht. Zunächst ist auf den zur Akte 2 C 481/96 eingereichten und nach dem Klägervorbringen auch hier maßgeblichen Fotos deutlich Toilettenpapier in der dafür vorgesehenen Halterung erkennbar. Wann die Bilder jedoch aufgenommen worden sind, am ersten oder letzten Aufenthaltstag im Hotel, ist nicht ersichtlich.

48. Wenn der Kläger im übrigen anführt, der Spiegel des Badezimmers sei bild gewesen, so ist auf den eingereichten Fotos in fraglichem Spiegel klar und deutlich eine Person zu erkennen. Von „Blindheit“ jedenfalls des Spiegels kann keine Rede sein. Dass in einem südlichen Meeresklima schneller Rost entsteht als in heimischen Gefilden, bedarf keiner näheren Erklärung. Bei einem Billigangebot in ein sozialistisches Land durfte der Kläger auch nicht erwarten, dass kleinere Roststellen sofort beseitigt würden, insbesondere dann nicht, wenn der Spiegel ausweislich des Fotos noch seinen Zweck erfüllt.

49. Desgleichen ist auch bei den geltend gemachten Geruchsbelästigungen kein Fehler im Sinne von § 651 C Abs. 2 BGB zu erkennen. Denn bei Gerüchen handelt es sich um sehr subjektive, schwer objektivierbare Umstände.

50. Die Ausdünstungen von Sümpfen, deren Entfernung nicht näher zur Lage des Zimmers des Klägers in Beziehung gesetzt worden ist, stellen eine natürliche Geruchsentwicklung dar, die der Kläger als allgemeines Lebensrisiko hinnehmen musste (vgl. auch AG Hamburg, RRa 1995, S. 51 (52)).

51. Was den behaupteten Fäkalien- und Modergeruch des Zimmers anbetrifft, so ist das erkennende Gericht nicht der Ansicht, dass eine derartig unsubstantiierte Behauptung ausreicht, einen Fehler und damit einen Minderungsanspruch zu begründen. Die Auffassung des OLG Köln, das einen Fehler darin gesehen hat, dass im Zimmer ein „eigentümlicher“ bzw. „unmöglicher Gestank“ herrschte (OLG Köln, NJW-​RR 1993, S. 252 (252)), vermag das Gericht nicht zu teilen. Derartige, subjektiv gefärbte, nicht verifizierbare Einschätzungen sind nicht geeignet, eine Abweichung der Ist- von der vereinbarten Soll-​Beschaffenheit zu begründen. Etwas anderes ergäbe sich beispielsweise dann, wenn der angebliche Fäkaliengeruch aus einer direkt neben dem Zimmereingang des Klägers gelegenen Abwassersammlungsanlage stammte.

h)

52. Ein Mangel ist allerdings, wie unterstellt werden kann, in den freiliegenden Kabeln der Badbeleuchtung bzw. der an der Wand nicht ordnungsgemäß befestigten Steckdose zu sehen. Dies rechtfertigt eine Minderung von 5 % des Reisepreises, welche die Beklagte anerkannt hat.

j)

53. Bei den behaupteten Geräuschbelästigungen liegt ebenfalls kein Mangel vor. Der Kläger beschränkt sich darauf darzulegen, dass Geräuschbeeinträchtigungen aufgrund eines 30 m entfernten Dieselgenerators aufgetreten seien (der zudem ausweislich der Mängelbestätigung vom 02. Januar 1996 in weniger als 10 m Abstand vom Zimmer gestanden haben soll!). Ohne hier näher auf die Frage einzugehen, inwieweit derartige Beeinträchtigungen überhaupt als Fehler anzuerkennen sind, hätte der Kläger zumindest nähere Ausführungen zu Art (z. B. Summ-​, Klopfgeräusch), Umfang (6.30 Uhr bis wann?) und Intensität (z. B. inwieweit ein normales Gespräch im Zimmer weiterhin möglich war) machen müssen.

k)

54. Wenn der Kläger weiterhin geltend macht, dass der vorhandene Banksafe defekt gewesen sei, so gehört ein solcher jedenfalls selbst bei einem Mittelklassehotel nicht zu den geschuldeten Leistungen; der Defekt stellt eine zu akzeptierende Unannehmlichkeit dar (vgl. LG Hannover vom 24.07.1996 – Az.: 3 S 109/86, nicht veröffentlicht; dazu Führich, a.a.O., Rn. 220). Erst recht muss dies für ein Hotel in einem sozialistischen Land gelten, in dem ohnehin dem Privateigentum keine überragende Bedeutung beigemessen wird.

II.

55. Ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen des Klägers in Höhe von 743,00 DM sowie Telefonkosten und Auslagen jeweils für 30,00 DM nach § 651 c Abs. 3 BGB besteht nicht.

56. Wie bereits erwähnt, war die Reise lediglich in Höhe des von der Beklagten anerkannten Betrages von 250,00 DM fehlerhaft. Aufgrund dieser geringfügigen Mängel war der Umzug in ein anderes Hotel unverhältnismäßig. Dies ergibt sich schon daraus, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen den Betrag, zu dem die Reise mit Fehlern behaftet war, um mehr als das Doppelte übersteigen. Demgemäß stehen hier Aufwendungen und Fehler in einem objektiven Missverhältnis zum Vorteil des Klägers (vgl. dazu auch Palandt-​Thomas, BGB, 54. Auflage, §§ 651 c Rn. 4/633 Rn. 7 m. w. N.). Ob die Voraussetzungen der Selbstabhilfe erfüllt waren, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

III.

57. Ebenfalls scheidet ein Schadensersatzanspruch nach § 651 f Abs. 2 BGB aus.

58. Da die vom Kläger behaupteten Mängel keinen Minderungsanspruch in Höhe von mindestens 50 % des Reisepreises rechtfertigen, war die Reise auch nicht erheblich beeinträchtigt (vgl. dazu Palandt-​Thomas, a.a.O., § 651 f Rn. 5/§ 651 e Rn. 2).

IV.

59. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 1, 708 Nr. 11, 2. Alternative, 711 Satz 1 ZPO.

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