Schadenersatzanspruch eines Flugreisenden bei Flugverzögerung und Landung auf Ausweichflughafen

AG Düsseldorf: Schadenersatzanspruch eines Flugreisenden bei Flugverzögerung und Landung auf Ausweichflughafen

Die Klägerinnen hatten bei der Beklagten eine Reise gebucht. Bei Hin- und Rückflug kam es zu starken Verspätungen. Der Rückflug landete zudem auf einem anderen Flughafen als gewünscht, sodass die Klägerinnen den restlichen Rücktransport selbst organisierten. Am Urlaubsort störte sie, dass ihre Zimmer nur über Treppen zu erreichen waren. Daher verlangen sie Schadensersatz.

Dem gab das Gericht größtenteils statt.

AG Düsseldorf 49 C 20720/96 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 05.06.1997
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 05.06.1997, Az: 49 C 20720/96
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 05. Juni 1997

Aktenzeichen 49 C 20720/96

Leitsätze:

2. Verzögern sich bei einer Reise Hin- und Rückflug um jeweils mehr als 10 Stunden, ist dies ein Reisemangel.

Bei einer Unterbringung in einer Anlage am Berg ist es kein Mangel, wenn die Zimmer nur über Stufen zu erreichen sind.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerinnen hatten bei der Beklagten eine Reise gebucht und durchgeführt. Bei Hin- und Rückflug kam es zu starken Verspätungen, nämlich um je etwa 10 Stunden und 30 Minuten. Der Rückflug landete zudem auf einem anderen Flughafen als gewünscht, sodass die Klägerinnen den restlichen Rücktransport mit Zug und Taxi selbst organisierten. Am Urlaubsort störte sie, dass ihre Zimmer nur über Treppen zu erreichen waren. Daher verlangen sie Schadensersatz.

Dem gab das Gericht größtenteils statt. Die starken Verzögerungen, die die Flüge von Tag- in Nachtflüge geändert hatten, seien als Reisemängel zu bewerten. Sie hätten den Charakter der Reise ingesamt beeinflusst. Da die Beklagte eine Organisation des Rücktransports vom Ausweichflughafen nicht nachweisen konnte, seien auch die Kosten für die selbstorganisierte Rückreise zu ersetzen. Da die Ankunft am ursprünglich geplanten Landeort zu einer Unzeit erfolgte, seien ausnahmsweise auch die Taxikosten zum Heimatort zu ersetzen, obwohl dieser Weg eigentlich nicht mehr von der Reiseleistung umfasst war. Die Art der Unterbringung sei hingegen mangelfrei, da aus dem Prospekt eine Lage am Berg klar erkennbar war. Daher sei mit Stufen oder steilen Wegen zu rechnen gewesen.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, dan die Klägerinnen jeweils einen Betrag in Höhe von DM 228,50 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. November 1996 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 75 % und die Klägerinnen zu 25 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach Maßgabe des § 495 a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

6. Die Klagen sind in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet.

7. Den Klägerinnen stehen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nach Maßgabe des § 651 f BGB zu, denn zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist ein Reisevertrag zustande gekommen, wobei die Beklagte schuldhaft die von ihr geschuldeten Leistungen nicht erbracht hat.

8. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellen bereits die Verzögerungen hinsichtlich des Hin- und Rückfluges Mängel der Reise dar, die von der Beklagten zu vertreten sind und die die Klägerinnen zum Schadensersatz im Rahmen des § 651 f BGB berechtigen. Vertraglich vereinbart war für den Hinflug ein Abflug am 30. September 1996 um 10.30 Uhr. Tatsächlich sind die Klägerinnen jedoch erst um 21.00 Uhr von XX abgeflogen. Auch der Rückflug verzögerte sich, denn er war zunächst vorgesehen für den 07.10.1996 um 6.30 Uhr, tatsächlich erfolgte er erst um 17.00 Uhr. Sowohl beim Hinflug, wie auch beim Rückflug der Klägerinnen kam es dementsprechend zu Verspätungen von mehr als 10 1/2 Stunden. Hierdurch hat die Beklagte die von ihr vertraglich geschuldete Leistung nicht erbracht, denn der zwischen den Parteien des Rechtsstreits zustande gekommene Reisevertrag ging von ganz anderen Abflugzeiten aus. Hierin liegt ein Mangel der Reise, denn bedingt durch den späten Abflug bei der Hinreise sind die Klägerinnen erst zu einem Zeitpunkt am Ankunftsort angekommen, zudem sie zuvor die gesamte Nacht mit der Anreise verbracht haben. Auch hinsichtlich der Rückreise war es so, daß die Klägerinnen entgegen eines Tagfluges einen Nachtflug in Kauf nehmen sollten. Hierin liegt eine wesentliche Veränderung der Reiseleistung. Diese Veränderung ist ein Mangel, da sie nicht dem entspricht, was die Parteien vertraglich für sich bindend vereinbart haben. Der Mangel ist auch von der Beklagten zu vertreten, da es Sache der Beklagten ist durch den Abschluß entsprechender Verträge zu gewährleisten, daß die von ihr versprochenen Reiseleistungen, so wie sie angeboten werden auch tatsächlich erbracht werden. Die Beklagte kann sich entgegen der von ihr vertretenen Ansicht auch nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen. Eine Verlegung von Flugzeiten abgesegnet durch eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann regelmäßig nur eine solche Verlegung von Flugzeiten sein, die in einem normalen hinnehmbaren Rahmen anzusiedeln sind. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, daß das Chartergeschäft keine absolut konkreten Abflugzeiten zuläßt, weswegen es in der Rechtsprechung auch so ist, daß Verspätungen bis zu fünf Stunden entschädigungslos hingenommen werden müssen, jedoch ging es hier nicht um eine bloße Verspätung von vier bis fünf Stunden, sondern um eine Verspätung von 10 1/2 Stunden, wobei auch noch der Charakter der Reise insgesamt durch die geänderten Abflugzeiten grundlegend verändert wurde.

9. Im Hinblick auf die mangelhafte Reiseleistung hinsichtlich des Hin- und Rückfluges steht den Klägerinnen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von jeweils dem Gegenwert eines halben Tages, mithin jeweils DM 42,50, d. h. insgesamt für Hin- und Rückflug DM 85,– zu.

10. Soweit die Klägerinnen hinsichtlich der Reiseleistung vor Ort die Art der Unterbringung rügen, resultieren hieraus Schadensersatz- bzw. Reisepreisminderungsansprüche nicht, denn aus dem Prospekt war erkennbar, daß es sich um eine Anlage handelt, die an den Berg gebaut ist. Die Klägerinnen mußten von daher davon ausgehen, daß die einzelnen Zimmer ggfls. über Stufen bzw. zumindestens durch einen Fußweg bergauf zu erreichen waren. Daß dies dann auch tatsächlich vor Ort so war, wie man es dem Prospekt bei verständiger Betrachtung wohl entnehmen mußte, stellt keinen Mangel dar, weswegen insoweit Reisepreisminderungs- oder Schadensersatzansprüche der Klägerinnen nicht bestehen.

11. Den Klägerinnen stehen aber Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte hinsichtlich der Rückfahrt von X nach Y und von Y zum Heimatort zu. Soweit die Klägerinnen von X aus einen Zug in Anspruch genommen haben, um von X, dem Ort der Landung, aus nach Y zu kommen, war es Sache der Beklagten substantiiert und unter Beweisantritt darzulegen, welche konkreten Maßnahmen sie ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Reiseleistung zu erbringen. Geschuldet war von der Beklagten ein Rücktransport der Klägerinnen nach XX, denn ein Flug vom Urlaubsort nach XX war Vertragsinhalt geworden. Unstreitig ist die Maschine jedoch nicht in XX, sondern in X gelandet. Um eine ordnungsgemäße Reiseleistung zu erbringen, mußte die Beklagte nunmehr einen Transport der Klägerinnen von X nach XX sicherstellen. Angesichts dieses geänderten Rückfluges war es Sache der Beklagten im einzelnen substantiiert darzulegen, wann genau und durch wen, auf welche Art und Weise die Klägerinnen über den geänderten Rücktransport informiert wurden und den Klägerinnen in X mitgeteilt wurde, wo sich der Bus befindet, mit dem man zum Flughafen XX gelangt. In dieser Eindeutigkeit hat die Beklagte jedoch die Erbringung der von ihr geschuldeten Reiseleistung nicht vorgetragen. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, daß ein Herr X sich darum gekümmert habe, daß ein Bustransfer von X aus zur Verfügung steht. Inwieweit dieser Herr X die Klägerinnen vor Ort über die Rückreisemodalitäten informiert hat, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Beklagte hat auch nicht substantiiert vorgetragen, wann die Klägerinnen mit dem Flugzeug in X ankamen und auf welche Art und Weise die anreisenden Fluggäste von der Transportmöglichkeit in Kenntnis gesetzt wurden. Die allgemeine Behauptung, eine Person, deren genaue Funktion innerhalb des Unternehmens nicht einmal beschrieben wird, habe sich um den Rücktransport gekümmert, genügt nicht den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen substantiierten Vortrag dafür, daß seitens der Beklagten die von ihr geschuldete Reiseleistung erbracht wurde, weswegen dem unsubstantiierten Beweisantritt nicht nachzugehen war. Die Beklagte hat ihren Vortrag auch nach dem Hinweis des Gerichts nicht hinreichend konkretisiert, sondern sich lediglich auf den Standpunkt gestellt, sie habe bereits alles vorgetragen, was vorzutragen sei. Dies war jedoch nicht der Fall, so daß mangels ausreichenden Vortrages der Beklagten davon auszugehen ist, daß den Klägerinnen ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Transportkosten mit dem Zug von X nach Y zusteht, was pro Klägerin einen Betrag von DM 76,– ausmacht.

12. Da der von den Klägerinnen selbst organisierte Transport nach Y dazu führte, daß die Klägerinnen erst in den frühen Morgenstunden, nämlich gegen 2.00 Uhr morgens in Y eintrafen, steht den Klägerinnen als weitergehender Schadensersatzanspruch auch die Erstattung der Taxikosten zu. Für die Klägerinnen gab es keine andere Möglichkeit mehr ihren Heimatort zu erreichen, da zu der Zeit zu der die Klägerinnen in Y ankamen, kein Zugverkehr in absehbarer Zeit herrschte. Grundsätzlich schuldete die Beklagte zwar nur den Transport der Klägerinnen nach XX, von wo aus die Klägerinnen selbst für ihre Rücktransport nach X sorgen mußten, jedoch ist in diesem Ausnahmefall bedingt dadurch, daß die Klägerinnen durch ein Verschulden der Beklagten zu einer Unzeit in Y ankamen, ausnahmsweise auch insoweit ein Schadensersatzanspruch gegeben, weswegen die Beklagte auch die den Klägerinnen entstandene im Rahmen des § 651 f BGB ausgleichen muß. Der hierfür anfallende Kostenanteil beträgt pro Klägerin DM 67,50, weswegen den Klägerinnen insgesamt jeweils ein Schadensersatzanspruch in Höhe von DM 228,50 gegen die Beklagte zusteht.

13. Die Verzugszinsen rechtfertigen sich nach Maßgabe der §§ 284, 286, 288 BGB.

14. Der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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