Örtliche Zuständigkeit bei Reiseziel im Ausland

LG Nürnberg-Fürth: Örtliche Zuständigkeit bei Reiseziel im Ausland

Ein Reisender klagte auf Reisepreiserstattung und Schadensersatz aufgrund einer mangelhaften Reise nach Uganda.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth war jedoch örtlich nicht zuständig, da ein Auslandsbezug des Sachverhalts durch Sitz sowohl des Klägers, als auch der Beklagten im Inland nicht gegeben war.

LG Nürnberg 3 O 2749/15 (Aktenzeichen)
LG Nürnberg: LG Nürnberg, Urt. vom 30.04.2015
Rechtsweg: LG Nürnberg, Urt. v. 30.04.2015, Az: 3 O 2749/15
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Landgericht Nürnberg-Fürth

1. Urteil vom 30. April 2015

Aktenzeichen 3 O 2749/15

Leitsätze:

2. Ansprüche aus Reiseverträgen können bei einem Auslandsbezug am Gericht am Wohnsitz des Reisenden geltend gemacht werden.

Ansprüche aus Reiseverträgen müssen ohne Auslandsbezug am Gericht am Sitz des Anspruchsgegners geltend gemacht werden.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender forderte Reisepreisminderung und Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude wegen eines mangelhaften Ugandaurlaubs. Er hatte zunächst am Landgericht Frankfurt geklagt, welches den Fall nach Feststellung der eigenen Unzuständigkeit an das Landgericht Nürnberg-Fürth verwies. Dieses war das am Wohnsitz des Klägers gelegene Gericht.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth stellte ebenfalls fest, dass es nicht zuständig war. Dies wäre der Fall gewesen, wenn es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug gehandelt hätte. Entgegen der Rechtsinterpretation in der Fachliteratur sah das Gericht diesen nicht dadurch gegeben, dass es sich um einen Reisevertrag über eine Reise ins Ausland handelte, aus dem Ansprüche abgeleitet wurden. Entscheidend war, dass beide Parteien ihren Sitz im Inland hatten. Daher verwies das Gericht den Fall an das Landgericht Koblenz, da dieses am Sitz der beklagten Partei lag.

Tenor:

4. Das Gericht beabsichtigt, auf den Hilfsantrag des Klägers und den Antrag der Beklagten den Rechtsstreit an das Landgericht Koblenz zu verweisen.

Dazu besteht Gelegenheit zu Stellungnahme bis 20.05.2015.

Gründe:

I.

5. Mit Klage vom 14.09.2013 an das Landgericht Frankfurt a. M. macht der Kläger Ansprüche auf Schadensersatz wegen Reisemängeln einer Reise nach Uganda sowie Ersatz wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit für sich selbst sowie aus abgetretenem Recht für die Drittwiderbeklagte geltend. Die Beklagte erhob am 29.10.2013 Drittwiderklage mit dem Antrag festzustellen, dass der Drittwiderbeklagten keine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Reisevertrag zustehen.

6. Die Beklagte rügte die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt und beantragte Verweisung der Drittwiderklage an das Landgericht Koblenz (Bl. 49 d.A.). Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragten für den Fall, dass das Landgericht Frankfurt seine Zuständigkeit nicht annehmen sollte, die Verweisung an das Landgericht Nürnberg-​Fürth und hilfsweise an das Landgericht Koblenz (Bl. 88, 310, d.A.).

7. Das Landgericht Frankfurt a. M. wies am 14.11.2013 (Bl. 93 d.A.) und in der Sitzung vom 08.05.2014 (Bl. 145} zunächst darauf hin, dass es seine Zuständigkeit annimmt.

8. Mit Beschluss vom 09.01.2015 wies das Landgericht Frankfurt a. M. – nach begonnener Beweisaufnahme – dagegen darauf hin, dass eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt nicht gegeben sei (Bl. 302 d.A.). Am 06.03.2015 erklärte sich das Landgericht Frankfurt für unzuständig und verwies unter Ausschluss der Bindungswirkung den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-​Fürth (Bl. 351 d.A.).

II..

9. Das Landgericht Nürnberg-​Fürth ist örtlich unzuständig.

1.

10. Eine Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-​Fürth ergibt sich nicht aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Das Landgericht führte in seinem Verweisungsbeschluss ausdrücklich aus, dass der Beschluss keine Bindungswirkung im Sinne von § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO habe.

2.

11. Eine Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-​Fürth ergibt sich auch nicht aus Art. 18 Abs.1 Alt. 2 EuGVVO.

12. Nach Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO besteht für den Verbraucher die Möglichkeit, bei dem Gericht am eigenen Wohnsitz den jeweiligen Vertragspartner zu verklagen. Dies wäre im vorliegenden Falle das Landgericht Nürnberg-​Fürth. Die Anwendbarkeit der EuGVVO setzt aber einen Auslandsbezug voraus. Reine Inlandssachverhalte, bei denen die Parteien ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben und der Sachverhalt keinen sonstigen grenzüberschreitenden Anknüpfungspunkt aufweist, fallen nicht unter diese Verordnung (Musielak ZPO/Stadler EuGVVO aF Art. 2 Rn. 2).

13. Ein derartiger Auslandsbezug fehlt im vorliegenden Fall:

14. 2.1 Grundsätzlich setzt die Anwendung der EuGVVO voraus, dass Verbraucher und Vertragspartner in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ansässig sind (vgl. Saenger/Dömer, vor Art.1 EuGVVO Rn.2, Thomas/Putzo/Hüßtege, vor Art.15-​17 EuGVVO Rn.1). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

15. Das erweiterte Verständnis des EuGH zum Merkmal „Vertragspartner“ (EuGH, NJW 2014, 530) führt zu keiner anderen Beurteilung, da in dem vom EuGH zu entscheidenden Fall ein österreichischer Verbraucher gegen einen österreichischen Reiseveranstalter und einen deutschen Reisevermittler geklagt hatte. Diese Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.

16. 2.2 Die Kammer schließt sich nicht der in der Literatur vertretenen Rechtsmeinung an, dass ein Auslandsbezug im Sinne der EuGVVO auch dann gegeben ist, wenn beide Parteien zwar im selben Mitgliedsstaat ansässig sind, aber der Sachverhalt einen anders gearteten Bezug ins Ausland aufweist – wie etwa das Reiseziel im Ausland.

17. Zum Einen ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung, dass die Ausnahme vom Grundsatz der Zuständigkeit am Wohnsitz des Beklagten (Egrd. 15) bei Verbraucherverträgen nur deshalb besteht, um den Verbraucher durch Zuständigkeitsvorschriften, die für ihn günstiger sind als die allgemeine Regelung, zu schützen (Egrd. 18). Daraus folgt, dass ein solch besonderer Schutz nur nötig ist wenn aufgrund des zwischengemeinschaftlichen Handels innerhalb der Europäischen Union beschwerliche Distanzen zwischen dem Wohnsitz des Verbrauchers und dem eigentlich zuständigem Gericht entstünden. Im streitgegenständlichen Fall besteht der Bezug zum Ausland aber nur im Reiseziel. Es besteht daher auch keine Notwendigkeit der Anwendung von Art. 18 Xbs.1 Alt. 2 EuGVVO.

18. Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der EuGVVO – sofern sie vom allgemeinen Grundsatz actor sequitur forum rei abweichen – restriktiv auszulegen sind (vgl. EuGH, NJW 2000,3121).

3.

19. Eine Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus § 29 ZPO. Die vom Kläger beanstandete Pauschalreiseleistung ist nicht in Nürnberg zu erbringen.

4.

20. Eine Prozesstrennung nach § 145 Abs.2 ZPO hinsichtlich der Drittwiderbeklagten (die ihren Wohnsitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts Nürnberg-​Fürth hat) kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Gesichtspunkte der Prozessökonomie den Interessen des Drittwiderbeklagten überwiegen (vgl. vgl. BGH, NJW 2011, 460). § 33 Abs.1 ZPO ist daher entsprechend anzuwenden.

III.

21. Das Landgericht Koblenz ist örtlich zuständiges Gericht gemäß §§ 12, 17 Abs.1 ZPO. Die Beklagte hat ihren Sitz in … .

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