Gerichtsstand bei Rundflug-Betrachtung
AG Frankfurt:Gerichtsstand bei Rundflug-Betrachtung
Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch. Bei hierher gebuchten Hin – und Rückreise mit denselben Zwischenstops, kam es bei dem Rückflug zu Problemen. Zunächst wurde der erste Teilstreckenflug annulliert, schließlich am nächsten Tag durchgeführt, wobei sie den Anschlußflug aber nicht mehr erreichten.
Das Gericht entschied da es sich um eine Art Rundflug handelt mit denselben Stationen und dem Start – und Landeziel in einem EU Mitgliedsstaat, kommt hier die Verordnung EGVO 261/2004 zur Anwendung.
AG Frankfurt | 31 C 1457/06 – 17 (Aktenzeichen) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 24.08.2006 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 24.08.2006, Az: 31 C 1457/06 – 17 |
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Leitsatz:
2. Tritt der Fluggast einen aus mehreren Flugabschnitten bestehenden Flug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft an und handelt es sich um einen einheitlichen Rundflug, findet die EG-Verordnung 261/2004 gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes in Drittstaaten Anwendung.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin einen Hin – und Rückflug von Frankfurt über Madrid nach Chile. Auf dem Rückflug wurde der Flug annulliert. Für den Kläger sind hierdurch Mehrkosten entstanden. Der Abflug der einen Tag später stattfinden sollte, wurde wieder um ein paar Stunden verschoben, so dass der Kläger seinen Anschlussflug von Madrid nach Frankfurt nicht schaffte. Auch hier sind wieder Mehrkosten entstanden, bis sie er seinen Flug nach Frankfurt antreten konnte.
Das Gericht entschied, es handelte sich um einen Art Rundflug Frankfurt-Madrid-Chile-Madrid- Frankfurt. Gestartet und gelandet jeweils in einem EU- Mitgliedsstaat, daher findet auch die Verordnung EGVO 261/2004 hier Anwendung und die Beklagte muss dem Kläger eine Entschädigung zahlen.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.200 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.3.2006 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand
5. Die Klägerin erwarb über für sich und ihren Ehemann einen Hin- und Rückflug der Fluglinie von Frankfurt über Madrid nach Santiago/Chile. Der Rückflug war für den 6.1.2006 für 13.10 Uhr vorgesehen.
6. Am Tag des Abfluges wurde die Klägerin auf dem Flughafen in Santiago/Chile darüber unterrichtet, daß der Rückflug im Code-Sharing-Verfahren von der Beklagten durchgeführt würde. Aufgrund eines technischen Defektes mußte der Flug jedoch annulliert werden, weshalb die Beklagte der Klägerin und ihrem Mann ein Hotelzimmer im Hotel stellte. Der Abflug des Ersatzfluges fand erst am nächsten Tag um 19.30 Uhr statt. Wegen einer erneuten Abflugverzögerung verpaßten die Klägerin und ihr Mann den Anschlußflug, weshalb sie letztlich nach einer weiteren Verzögerung erst um 17.00 Uhr von Madrid abflogen. In Frankfurt am Main kamen beide erst am 8.1.2006 gegen 21 Uhr an.
7. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz nach der EGVO 261/2004 in Höhe von jeweils 1.200 Euro für sich und ihren Ehemann. Der Ehemann der Beklagten trat dieser etwaige Ansprüche gegen die Beklagte ab. Auf anwaltliche Forderungs- und Mahnschreiben vom 8.3.2006 und 11.5.2006 reagierte die Beklagte nicht. Für die Schreiben entstanden der Klägerin außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 76,91 Euro.
9. 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.200 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.3.2006 zu zahlen.
10. 2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 76,91 Euro nebst 5% Zinsen über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
13. Die Beklagte ist der Auffassung,
14. nicht passivlegitimiert zu sein. Außerdem sei der geltend gemachte Schadensersatz im Hinblick auf die gewährten Unterstützungsleistungen gem. Art. 3 I b) EGVO 261/04 ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
15. Die Klage ist zulässig und größtenteils begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus Art. 5 I c, 7 I EGVO 261/2004 auf Zahlung von 1.200 Euro.
16. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin auch hinsichtlich des Fluges ihres Ehemannes Vertragspartner geworden ist, da dessen Ansprüche jedenfalls an die Klägerin abgetreten sind.
17. Die EGVO 261/2004 findet gem. Art. 3 I a) Anwendung. Die Klägerin trat ihren Flug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, nämlich Deutschland an. Es handelte sich um einen einheitlichen Rundflug Frankfurt – Madrid – Santiago/Chile – Madrid – Frankfurt, so daß die Verordnung unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes in Drittstaaten Anwendung findet. Dafür spricht zum einen der Zusammenhang mit dem Montrealer Übereinkommen. Die diesbezügliche Rechtsprechung stellt auf den gesamten Flug unabhängig von Unterbrechungen ab. Entscheidend ist lediglich daß die einzelnen Flugsektoren zusammenhängend als eine gesamte Beförderung vereinbart worden sind. Nichts anderes kann im Rahmen der Verordnung gelten, die das Montrealer Übereinkommen nur ergänzt. Zudem spricht der Wortlaut für diese Auslegung. Hätte man nur den Abflug von EU-Flughafen erfassen wollen, hätte man formulieren müssen: „Die Verordnung findet Anwendung nur für den Abflug von einem Flughafen eines Mitgliedsstaats …“ oder ähnlich. Die Auslegung wird auch vom Sinn der Verordnung getragen. Der Fluggast soll auch nach dem Abflug von einem Nicht-EU-Flughafen nicht schutzlos bleiben. Das ergibt sich u. a. aus Art. 8 I a) EGVO 261/2004, der auf „nicht zurückgelegte Reiseabschnitte“ abstellt und dem Passagier – egal, wo er sich befindet – ein Recht auf Rückbeförderung zum Abflugort zubilligt (vgl. Schmid, NJW 2006, 1841 mwN). Angesichts dessen kann dahinstehen, ob Art. 3 b) EGVO 261/2004 wäre er einschlägig, mit jeder gewährten Unterstützungsleistung gleich die gesamten Rechte aus der Verordnung entfallen ließe.
18. Der Flug sollte nach Inkrafttreten der Verordnung am 17.2.2005 stattfinden. Die Klägerin besaß eine bestätigte Buchung für den streitgegenständlichen Flug.
19. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Zwar war sie nicht der vertraglicher Luftfrachtführer der Klägerin. Schuldner des Ausgleichsanspruchs nach Art. 5 I c) EGVO 261/2004 ist jedoch alleine der ausführende Luftfrachtführer, d. h. das Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Das war vorliegend die Beklagte. Sie sollte im Wege des Codesharing den Flug für die LAN Chile durchführen. Erfüllt aber ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung, so wird davon ausgegangen, daß es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht, Art. 3 V EGVO 261/2004
20. Der streitgegenständliche Flug wurde unstreitig annulliert, d. h. nicht durchgeführt, obwohl wenigstens ein Platz reserviert war. Infolgedessen hat die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach Art. 7 EGVO 261/2004.
21. Die Höhe der Ausgleichsleistung beträgt pro Person 600 Euro, weil der Flug nicht innerhalb der Gemeinschaft erfolgte und sich über eine Entfernung von mehr als 3.500 km erstreckte. Entscheidend dafür ist der letzte Zielort, an dem der Fluggast wegen der Annullierung verspätet ankommt (Art. 7 I 2 EGVO 261/2004), so daß vorliegend die Strecke von Santiago nach Frankfurt maßgeblich ist.
22. Die Ausgleichsleistung ist nicht nach Art. 5 I c) EGVO 261/2004 ausgeschlossen. Eine Unterrichtung der Klägerin und ihres Mannes fand weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit statt, so daß eine anderweitige Beförderung hätte angeboten werden müssen, die es ermöglicht hätte, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und das Endziel höchsten zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. Vorliegend flog der Ersatzflug mehr als 30 Stunden nach der geplanten Abflugzeit ab, so daß die planmäßige Ankunftszeit wohl auch nicht annähernd erreicht werden konnte. Etwas anderes ist von der Beklagten auch nicht vorgetragen.
23. Die Ausgleichsleistung ist auch nicht gem. Art. 7 II EGVO 261/2004 zu reduzieren. Es ist nicht vorgetragen, daß der Ersatzflug innerhalb von 4 Stunden nach der Ankunftszeit des gebuchten Fluges am Ziel ankam.
24. Schließlich ist die Ausgleichszahlung nicht nach Art. 5 III EGVO 261/2004 ausgeschlossen. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, daß die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der bloße Vortrag, es habe ein technischer Defekt vorgelegen ist dafür ebensowenig ausreichend wie das von der Beklagten eingereichten Schreiben der Klägerin, wonach es Probleme beim Tanken gegeben habe, Benzin auf die Standfläche geflossen sei und die Feuerwehr löschbereit gestanden habe. Es wäre vorzutragen gewesen, welcher Defekt im einzelnen vorlag, worauf er beruhte und wieso er weder vermieden noch durch Maßnahmen der Beklagten ausgeglichen werden konnte. Diesbezüglich ist kein Vortrag erfolgt.
25. Ob daneben noch ein Anspruch auf Rechtsanwaltskosten in Höhe von 76,91 Euro besteht, kann dahinstehen, da die genannten Ausgleichsleistungen jedenfalls gem. Art. 12 I EGVO 261/2004 auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch anzurechnen sind.
26. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 108 I ZPO.
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