Notwendigkeit des Ausladens des aufgegebenen Gepäcks

AG Frankfurt: Notwendigkeit des Ausladens des aufgegebenen Gepäcks

Die Kläger buchten einen Flug von Frankfurt am Main über Paris nach Larnaka. Der Flug verspätete sich durch das Ausladen von aufgegebenem Gepäck von nicht zum Boarding erschienen Passagieren. Die Kläger verpassten dadurch den Anschlussflug und hatten eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden und begehrten daher eine Ausgleichszahlung von jeweils 400€ .

Das Gericht sah im Umstand des Ausladens des Gepäcks keinen außergewöhnlichen, entlastenden Umstand für das Luftverkehrsunternehmen. Das Gericht sprach den Klägern somit die Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 400 € zu.

AG Frankfurt 29 C 1685/15 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 09.03.2016
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 09.03.2016, Az: 29 C 1685/15
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 09.03.2016

Aktenzeichen 29 C 1685/15

Leitsätze:

2. Eine Verspätung, welche durch das Ausladen von Gepäcks eines nicht zum Boarding erschienen Passagiers entsteht, ist kein außergewöhnlicher Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Ein Fluggast hat bei einer solchen Verspätung einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung aus Art. 5 i. V. m. 7 Abs. 1 EGV 261/2004.

Zusammenfassung:

3.  Im vorliegenden Fall buchten die Kläger für den 13.11.2014 einen Flug von Frankfurt am Main über Paris nach Larnaka über eine Flugdistanz von 2.638 km. Der erste Flug verspätete sich dadurch, dass Gepäck von nicht zum Boarding erschienen Passagieren ausgeladen werden musste. Durch die Verspätung verpassten die Kläger den Anschlussflug, es ergab sich eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden.

Ein Luftfahrtunternehmen kann sich von seiner Pflicht zur Leistung einer Ausgleichszahlung befreien, wenn die Verspätung aufgrund eines außergewöhnlichen Umstandes entstanden ist. Ein solcher außergewöhnlicher Umstand ist jedoch nicht beim Ausladen des Gepäcks nicht erschienener Passagiere gegeben, vielmehr liegt hierin ein gewöhnlicher und häufig vorkommender Umstand.

Das Amtsgericht Frankfurt hat den Klägern somit die Ausgleichszahlung zugesprochen. Der Flug über eine Distanz von 2.638 km war bei Ankunft mehr als drei Stunden verspätet, somit ergibt sich eine Ausgleichszahlung i.H.v. jeweils 400 €.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.01.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

5. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Ausgleichsleistungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 […] (im Folgenden: EGV 261/2004) wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen in Anspruch.

6. Die Kläger buchten für den 13.11.2014 einen Flug von Frankfurt am Main über Paris (AF 1519) nach Larnaka (AF 3791). Die Distanz beträgt 2.638 km.

7. Geplanter Abflug in Frankfurt am Main war am 03.11.2014 um 10:25 Uhr (Ortszeit). Aufgrund einer Verspätung konnten die Kläger den Anschlussflug nicht erreichen Die Ankunftsverspätung betrug mehr als 3 Stunden Die Flugbeförderung erfolgte durch die Beklagte.

8. Die Klägerin beantragt zuletzt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.01.2015 zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

10. Die Beklagte behauptet, dass 3 Passagiere, die bereits auf den Flug eincheckt gewesen seien, nicht am Gate erschienen und aus Sicherheitsgründen das wieder Gepäck habe ausgeladen werden müssen.

11. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

12. Die zulässige Klage ist begründet.

13. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 400,00 EUR nach Art. 5 i. V. m. 7 Abs. 1 EGV 261/2004 wegen Verspätung des Fluges.

14. Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Der Ausnahmetatbestand greift nicht. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

15. Ein außergewöhnlicher Umstand i. S. d. Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 ist nur dann gegeben, wenn das Vorkommnis nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftverkehrsunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – C-​549/07, Wallentin -, Hermann/Alitalia, Rn. 23).

16. Hierbei kennzeichnet es die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichsverpflichtung führenden Umstände, dass sie außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann (vgl. BGH a. a O., Rn. 10, 13 – juris: „(als) außergewöhnlich aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen“). Der Begriff soll Ereignisse erfassen, die nicht mit dem Luftverkehr verbunden sind, sondern als – jedenfalls in der Regel von außen kommende – besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können (vgl. BGH a. a. O., Rn. 11 – juris). Erwägungsgrund 14 und 15 der Verordnung zeigen, dass für die Qualifikation der Umstände als außergewöhnlich weder ihre – möglicherweise vielfältigen – Ursachen noch ihre Herkunft aus dem Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens oder eines Dritten oder ihre generelle Unbeeinflussbarkeit entscheidend sind, sondern vielmehr der Umstand, dass sie sich von denjenigen Ereignissen unterscheiden, mit denen typischerweise bei der Durchführung eines einzelnen Fluges gerechnet werden muss (vgl. BGH a. a. O., Rn. 14 – juris).

17. Bei dem Umstand, dass ein Passagier nicht zum Boarding erscheint und dessen Gepäck wieder ausgeladen werden muss, handelt es sich um einen gewöhnlichen und häufig vorkommenden Umstand, der üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann (vgl. EuGH, Beschluss vom 14. November 2014 – C-​34/14 -‚ juris).

18. Da damit schon die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen für die Annahme eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne des Art 5 Abs. 3 EGV 261/2004 fehlt, kommt es nicht mehr auf die zweite Voraussetzung an, namentlich die Frage, ob das Vorkommnis vom Luftfahrtunternehmen zu beherrschen ist oder nicht.

19. Die zugesprochenen Zinsen stehen der Klägerseite als Verzugsschaden gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 BGB zu.

20. Die Kostenentscheidung beruht, nach teilweiser Rücknahme, auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung der Klägerseite verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Maßgabe in §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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