Naturereignis und Triebwerksschaden beim Flug

LG Hannover: Naturereignis und Triebwerksschaden beim Flug

Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung wegen der erheblichen Verspätung ihres Fluges. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil außergewöhnliche Umstände in Form eines Vogelschlages die Ursache waren.

LG Hannover 12 S 28/12 (Aktenzeichen)
LG Hannover: LG Hannover, Urt. vom DATUM(Admin)
Rechtsweg: LG Hannover, Urt. v. 26.09.2012, Az: 12 S 28/12
AG Hannover, Urt. v. 07.03.2012, Az: 436 C 11054/11
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Landgericht Hannover

1. Urteil vom 26. September 2012

Aktenzeichen 12 S 28/12

Leitsatz:

2. Vogelschlag ist ein außergewöhnlicher Umstand.

Zusammenfassung:

3. Flugreisende erreichten ihr Reiseziel mit eintägiger Verspätung, weil der Start aufgrund der Kollision mit einem Vogelschwarm und resultierendem Triebwerksschaden abgebrochen werden musste. Sie klagten gegen die Fluggesellschaft und verlangten eine Ausgleichszahlung.

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, da das Gericht den Vogelschlag als außergewöhnlichen Umstand anerkannte. Hiergegen richtete sich die Berufung der Kläger vor dem Landgericht Hannover.

Dieses bestätigte das Urteil des Amtsgerichtes. Demnach handele es sich bei einem Vogelschlag wie bei Wettererscheinungen um ein nicht beherrschbares Naturereignis. Da er den Flug der Kläger direkt betroffen hatte, war von der Beklagten auch nicht zu erwarten, die Verspätung durch Einsatz eines Ersatzflugzeuges zu verhindern.

Tenor:

4. Die Berufung der Kläger gegen das am 07.03.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover (436 C 11054/11) wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 800 €.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

5. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Flugzeugverspätung nach der EG-Verordnung 261/2004.

6. Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Rückflug von F. nach H. Während des Startes geriet/-en ein oder mehrere Vögel ins Triebwerk, so dass der Start abgebrochen wurde. Die Kläger, die mit 24 Stunden Verspätung an ihrem Ziel ankamen, begehren Entschädigung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass es sich bei einem Vogelschlag um ein außergewöhnliches Ereignis handelt.

7. Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter und beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1. und 2. einen Betrag in Höhe von jeweils 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2011 zu zahlen.

8. Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

9. Der zulässigen Berufung ist kein Erfolg beschieden.

10. Das Amtsgericht geht zutreffend davon aus, dass es sich bei einem Vogelschlag um ein außergewöhnliches Ereignis handelt

11. Insoweit ist bei einem Vogelschlag – nicht anders als bei Hagel, Blitz oder Donner von einem Naturereignis auszugehen, auf das niemand Einfluss nehmen kann. Kommt es infolge eines solchen Naturereignisses zu einem Ausfall, handelt es sich um einen entsprechenden Ausschlussgrund nach Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO. Danach muss eine Entschädigung nicht geleistet werden, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung bzw. Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind, ergibt sich kein Anspruch wegen der Annullierung des Fluges (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2009 – C-402/07, juris, Tz. 69).

12. Ob ein Triebwerksschaden infolge Vogelschlags als solches ein außergewöhnlicher und daher das Flugunternehmen entlastender Umstand anzusehen ist, wird unterschiedlich beurteilt (bejahend LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10. November 2010 – 24 S 143/10, Umdruck Seite 4 f.; AG Leipzig, Urteil vom 7. Juli 2010 – 109 C 7651/09, BeckRS 2010, 17165; AG Rüsselsheim, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 3 C 1400/09, Umdruck Seite 3 f.; Müller-Rostin, NZV 2009, 430, 432; wohl auch LG Darmstadt, Urteil vom 1. Dezember 2010 – 7 S 66/10, juris, Rn. 27 f.; a. A. KG, Beschluss vom 30. April 2009 – 8 U 15/09, juris, Rn. 4 ff., zu § 651 j Abs. 1 BGB; Bartlik, RRa 2009, 272, 278; offen gelassen AG Erding, Beschluss vom 3. Januar 2011 – 5 C 1059/10, juris, Rn. 3). Die Kammer sieht den Vogelschlag, weil dieser genauso wenig beherrschbar ist wie andere Naturereignisse, als außergewöhnlichen Umstand an.

13. Die Kläger können demnach keine Entschädigung beanspruchen. Zwar wird innerhalb der landgerichtlichen Rechtsprechung ein Vielfältiges dazu vertreten. Insbesondere gibt es Entscheidungen, dass Ersatzvorsorge durch entsprechende Vorhaltung von Flugzeugen hätte getroffen werden müssen. Letztlich kann dies in diesem Fall aber nicht durchgreifen, denn damit würden die Ausschlussgründe der EG-Verordnung ad absurdum geführt werden. Man mag insoweit diskutieren, dass Verspätungen von anderen Flügen, die nicht unmittelbar von dem Vogelschlag selbst, aber aufgrund des nachfolgenden Flugeinsatzes davon betroffenen sind und damit letztlich Folgeverspätungen sind, aufgrund von zumutbaren Maßnahmen des Anbieters im Rahmen einer Ersatzvorsorge aufzufangen sein mögen. Dies indes für die unmittelbar betroffene Maschine innerhalb weniger Stunden zu fordern, hieße den Bogen zu überspannen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie es dann noch wirtschaftlich möglich sein sollte, entsprechende Flüge anzubieten, wenn infolge der Naturereignisse an nahezu jedem Standort eine entsprechende Anzahl von Flugzeugen als Ersatz vorgehalten werden müsste, ohne dass diese Flugzeuge tatsächlich Gewinn brächten. Dies erscheint fernliegend. Letztlich ist hier davon auszugehen, dass der Vogelschlag nicht in der Sphäre der Fluggesellschaft liegt und damit auch die Berufung auf ein außergewöhnliches Ereignis ermöglicht.

14. Nicht entschieden zu werden braucht, ob der Ausschlussgrund dann nicht eingreift, wenn die entsprechende Fluggesellschaft zumutbare Maßnahmen innerhalb angemessener Frist nach einem Naturereignis, die dann in ihrer Sphäre liegen, nicht wahrnimmt.

15. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

16. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

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