Motoraustausch ist kein außergewöhnlicher Umstand
AG Königs Wusterhausen: Motoraustausch ist kein außergewöhnlicher Umstand
Der Kläger buchte bei der Beklagten über das Internet einen Flug von Berlin nach Kos sowie dessen Rückflug. Als der Rückflug beginnen sollte, verspätete sich der Start um 8 Stunden. Grund war ein Motordefekt an der Maschine, der repariert werden musste. Wegen der Wartezeit verlangte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigungszahlung i.H.b. 400 EUR sowie die Kosten für den Rechtsanwalt ersetzt.
Das Gericht entschied in vollem Umfang für den Kläger.
AG Königs Wusterhausen | 20 C 10/11 (Aktenzeichen) |
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AG Königs Wusterhausen: | AG Königs Wusterhausen, Urt. vom 07.03.2011 |
Rechtsweg: | AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 07.03.2011, Az: 20 C 10/11 |
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Amtsgericht Königs Wusterhausen
Aktenzeichen: 20 C 10/11
Leitsatz:
2. Der Austausch eines Motors an einem Flugzeug lässt nicht die Haftung für die Reiseveranstalterin entfallen.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte bei der Beklagten über das Internet einen Flug von Berlin nach Kos sowie dessen Rückflug. Als der Rückflug beginnen sollte, verspätete sich der Start um 8 Stunden. Grund war ein Motordefekt an der Maschine, der repariert werden musste. Wegen der Wartezeit verlangte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigungszahlung i.H.b. 400 EUR sowie die Kosten für den Rechtsanwalt ersetzt.
Das Gericht entschied in vollem Umfang für den Kläger.
Die Beklagte stütze sich darauf, dass der Motorentausch am Flugzeug ein außergewöhnlicher Umstand sei, der die Haftung der Reiseveranstalterin entfallen lasse. Dem folgte das Gericht nicht. Seiner Ansicht nach ist ein gewöhnlicher Defekt an einem Flugzeug kein Grund die Haftung vollkommen auszuschließen. Vielmehr handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um gewöhnliche Defekte, die regelmäßig auftreten und daher zu erwarten seien.
Tenor:
4 Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils einen Betrag in Höhe von 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 27.01.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, von der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebührenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 147,56 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten darf die Vollstreckung durch Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten
Tatbestand:
5 Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche wegen einer erheblichen Flugverspätung.
6 Die Kläger buchten bei der Beklagten am 27.01.2010 über der Internet zur Kundennummer: … jeweils für den 29.09.2010 einen Flug von Berlin-Schönefeld nach Kos sowie den für den 13.10.2010 angesetzten Rückflug von Kos nach Berlin-Schönefeld.
7 Der Rückflug sollte um 09:55 Uhr starten. Tatsächlich erfolgte der Start erst um 18:10 Uhr.
8 Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.12.2010 forderten die Kläger die Beklagte unter Fristsetzung von einer Woche vergeblich zur Zahlung eines Betrages in Höhe von jeweils 400,00 € an sich selbst auf.
10 die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 27.01.2011 zu zahlen.
11 Sie beantragen ferner, die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebührenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 147,56 € freizustellen.
14 Sie erachtet das angerufene AG Königs Wusterhausen als örtlich unzuständig.
15 Die Beklagte erachtet ferner die Klage als unschlüssig, da die Kläger weder eine Buchungsbestätigung noch einen Flugschein vorgelegt hätten.
16 Die Beklagte beruft sich ferner auf eine Anrechung gemäß Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 (nachfolgend bezeichnet als: „EU-Verordnung“). Die Anrechung solle sich auf die geltend gemachten Anwaltskosten beziehen.
17 Schließlich beruft sich die Beklagte im Hinblick auf die eingetretene Flugverspätung auf einen „außergewöhnlichen Umstand“ gemäß Art. 5 Abs. 3 der EU-Verordnung. Es habe sich ein Motorwechsel erforderlich gemacht, nachdem ein erhöhter Verbrauch an Schmierstoffen der Triebwerke festgestellt worden sei.
18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
19 Die zulässige Klage ist auch im vollen Umfang begründet. Dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) steht gegen die Beklagte jeweils ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu. Des Weiteren haben sie auch Anspruch auf Freistellung von den Kosten ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 147,56 €.
20 Die Klage auf Zahlung von Ausgleichsleistungen nach der EU-Verordnung ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene AG Königs Wusterhausen auch örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des AGs Königs Wusterhausen ergibt sich bereits aus § 29 ZPO. Der Erhebung der Klage am besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes stehen keine Bedenken entgegen. Streitgegenständlich sind vorliegend vertragliche Ansprüche. Selbst wenn der streitgegenständliche Luftbeförderungsvertrag nicht unmittelbar zwischen den Parteien geschlossen worden wäre, würde sich die Anwendbarkeit des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO bei Verträgen zu Gunsten Dritter nicht nur auf die Vertragsparteien sondern auch auf den begünstigten Dritten erstrecken.
21 Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die örtliche Zuständigkeit des AGs Königs Wusterhausen sich auch aus Art. 5 Ziffer 1 b zweiter Gedankenstrich herleiten ließe. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil auf diese Vorschrift der Verordnung Bezug genommen und entschieden, dass bei einer Klage auf Ausgleichszahlung nach der Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abfluges oder das des Ortes der Ankunft des Fluges örtlich zuständig ist. Zwar handele es sich in dem dort zu entscheidenden Fall um ein Luftfahrtunternehmen, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber nicht davon auszugehen, dass die EU-Verordnung bei dem was die Beklagte als „reine Binnensacheverhalte“ bezeichnet nicht anwendbar sein sollte. Die EU-Verordnung hat zum erklärten Ziel den Fluggästen im Geltungsbereich ihrer Mitgliedsstaaten einheitlich Mindestrechte zu gewährleisten. Eine Einschränkung dieser Rechte bei „reinen Binnensachverhalten“ ist weder ausdrücklich vorgesehen noch ist sie theologisch geboten. Im Gegenteil. Es ist nicht ersichtlich, warum ein in Deutschland lebender Kunde schlechter gestellt werden sollte, wenn er einen Flug bei einer in Deutschland ansässigen Fluggesellschaft bucht, als wenn er einen entsprechenden Flug bei einer im Ausland niedergelassenen gebucht hätte. Die EU-Verordnung gilt demgemäß auch bei „reinen Binnensachenverhalten“.
22 Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Den Klägern stehen jeweils ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 400,00 € gemäß der Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b der EU-Verordnung zu.
23 Die Verordnung über Fluggastrechte legt nach Art. 1 Mindestrechte für Fluggäste bei der Verspätung von Flügen fest. Bei einer Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b der Verordnung steht dem Fluggast, wie bei einer Annullierung des Fluges, ein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 7 der Verordnung zu, sofern er sein Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht und die Verspätung nicht auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist.
24 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage keineswegs unschlüssig. Unstreitig hatten die Kläger bei der Beklagten unter anderen für den erheblich verspäteten Rückflug von Kos nach Berlin-Schönefeld am 13.10.2010 gebucht. Dem unter Nennung ihrer Kundenummer substantiierten Sachvortrag der Kläger ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Die Beklagte vermochte die Buchung unter Beachtung ihrer prozessualen Wahrheitspflicht augenscheinlich nicht zu bestreiten. Der Vorlage einer Buchungsbestätigung oder auch eines Flugscheines durch die Kläger bedurfte es mithin nicht.
25 Eine Verspätung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b der EU-Verordnung ist gegeben. Der Flug hatte unstreitig eine Verspätung von über drei Stunden. Da bereits der Start des Fluges sich um mehr als acht Stunden verzögert hatte, bestand keinerlei Chance auf der 2.085 km betragenen Flugstrecke zwischen Berlin-Schönefeld und Kos die Verspätung in nennenswerter Weise aufzuholen. Die Höhe der Entschädigung ergibt sich aus der Länge der Strecke.
26 Die Ansprüche der Kläger sind insbesondere auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ausgeschlossen. Dass der Verspätung des streitgegenständlichen Fluges ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Verordnungssumme zu Grunde gelegen hätte, ist weder nachvollziehbar dargelegt noch ersichtlich. Es ist allgemein anerkannt, dass es sich insoweit um einen Ausnahmetatbestand handelt, dessen Voraussetzungen eng auszulegen sind. Regelmäßig in der Sphäre der Fluggesellschaft liegendes „technische Problem“ stellen im Regelfall keinen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne der Norm, sondern lediglich das täglich Brot einer Fluggesellschaft dar. Von einem außergewöhnlichen Umstand könnte demgegenüber allenfalls gesprochen werden, wenn dieser sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solches ist vorliegend weder nachvollziehbar dargelegt noch ersichtlich (vergleiche etwa BGH Urteil vom 12.11.2009, wonach ein technischer Defekt allein kein außergewöhnlichen Umstand nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung begründet).
27 Auch die von der Beklagten erfolgte Berufung auf eine Anrechnung gemäß Art. 12 der EU-Verordnung bezüglich der Anwaltskosten geht ersichtlich fehl. Ungeachtet einmal des Umstandes, dass die Beklagte tatsächlich bislang keinerlei Leistungen erbracht hat, ist insoweit festzustellen, dass der von den Klägern als Nebenanspruch geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht unmittelbare der erheblichen Flugverspätung sondern des Verzuges der Beklagten bezüglich der Zahlung der Ausgleichsansprüche darstellt.
28 Die mit zuerkannten Nebenforderungen der Kläger beruhen, wie soeben dargestellt, auf den Verzug der Beklagten. Die Höhe des Freistellungsanspruches ergibt sich aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zutreffend angesetzten Gegenstandswert sowie der angefallenen Gebühren.
29 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
30 Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Ziffer 11, § 711 ZPO
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