Defektes HMU-Gerät ein außergewöhnlicher Umstand

OLG Köln: Defektes HMU-Gerät ein außergewöhnlicher Umstand

Ein Fluggast verklagt das ihn befördernde Luftfahrtunternehmen auf Schadensersatz, weil der von ihm gebuchte Flug mit erheblicher Verspätung am Zielflughafen ankam. Das Unternehmen hält dem entgegen, dass es sich bei der Ursache der Verzögerung um ein defektes Gerät handele, welches unmittelbar vor dem Flug als funktionsfähig eingestuft wurde. In der Folge liege hier ein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand vor.
Das Oberlandesgericht Köln hat der Beklagten Recht zugesprochen. Mehr als das Anordnen von Wartungsarbeiten unmittelbar vor dem Flug, wäre dem Unternehmen nicht zumutbar. Das das entsprechende Gerät dennoch nicht funktionstüchtig war sei ein außergewöhnlicher Umstand.

OLG Köln 7 U 199/09 (Aktenzeichen)
OLG Köln: OLG Köln, Urt. vom 27.05.2010
Rechtsweg: OLG Köln, Urt. v. 27.05.2010, Az: 7 U 199/09
LG Köln, Urt. v. 18.11.2009, Az: 20 O 577/08
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Oberlandesgericht Köln

1. Urteil vom 27.05.2010

Aktenzeichen: 7 U 199/09

Leitsatz:

2. Verhindert der defekt eines technischen Geräts, das unmittelbar vor dem Start ausgetauscht wurde, den Abflug, so liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor.

Zusammenfassung:

3. Ein Fluggast erreicht erst mit mehrstündiger Verspätung seine Zielflughafen. Grund hierfür war ein technischer Defekt am Flugzeug. Er verlangt deshalb Schadensersatz von dem, den Flug ausführenden Luftfahrtunternehmen. Dieses wehrt sich gegen die Vorwürfe des Klägers und führt aus, dass das defekte Teil erst unmittelbar vor dem Start des vorherigen Fluges überprüft und ausgetauscht worden war. Sich auf das Ergebnis der Wartungsarbeiten verlassend, sei man von der Funktionstüchtigkeit des Gerätes ausgegangen. In der Funktionsstörung sei deshalb ein nicht kalkulierbarer außerordentlicher Zustand zu sehen.
Das Oberlandesgericht Köln hat die Ausführungen der Beklagten bestätigt und die geforderte Schadensersatzzahlung abgelehnt. Grundsätzlich sei in  technischen Defekten keine nicht zu erwartenden außergewöhnlichen Umstände zu sehen. Eine Ausnahme liege vor, soweit diese auf Vorkommnisse zurückzuführen seien, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrunternehmens sind und von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Vorliegend hat das Unternehmen alles in seiner Macht stehende getan, um die Funktionsfähigkeit des entsprechenden Teil zu gewährleisten. Ein Ausfall trotz Wartungsarbeiten sei der Beklagten unmöglich zurechenbar.

Tenor:

4. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichtes Köln vom 18.11.2009 – 20 O 577/08 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.

6. Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

7. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.

8. Ungeachtet der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.11.2009 – abgedruckt u. a. in NJW 2010 S. 43 ff.- , wonach im Grundsatz die Verspätung der Annullierung dann gleich zu stellen ist, wenn die Fluggäste wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, besteht hier der klageweise geltend gemachte Anspruch auf Ausgleichzahlung nicht. Denn die Beklagte hat nachweisen können, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (vgl. Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass technische Probleme zu solch außergewöhnlichen Umständen zu rechnen sind, soweit sie auf Vorkommnisse zurückzuführen sind, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrunternehmens sind und von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH og.). Von solch außergewöhnlichen Umstände ist hier aber auszugehen. Denn zwei Tage vor dem streitgegenständlichen Ereignis sind – auf Veranlassung der Beklagten – am Flugzeug „normale“ Wartungsarbeiten durchgeführt worden. Im Rahmen dieser Wartungsarbeiten ist es dann auch zum Austausch des HMU-Gerätes (Hydro-Mechanical-Unit) gekommen. Dieses Gerät war zunächst nach Austausch funktionsfähig und ist erst beim Landeanflug des Hinfluges nach Chicago (4 Stunden vor dem geplanten Abflug) als fehlerhaft gemeldet worden, um sodann nach der Landung, eine Stunde später, untersucht zu werden, mit dem Ergebnis, dass es auszuwechseln gewesen ist. Dies ergibt sich auch aus der maßgeblichen Mitteilung des Luftfahrtbundesamtes (Anlage B 1 in Fotokopie mit Schriftsatz der Beklagten vom 27.02.2009 überreicht), deren Richtigkeit von den Klägern substantiell nicht bestritten worden ist. Eine weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist daher nicht veranlasst.

9. Angesichts dessen hat das Landgericht auch völlig zu Recht den Haftungsausschluss gemäß Art. 19 Satz 2 des Montrealer Übereinkommens bejaht und auch im Übrigen Schadensersatzansprüche der Kläger mit zutreffender, hiermit in Bezug genommener Begründung verneint.

10. Zudem gilt: Der geltend gemachte entgangene Verdienst ist auch durch die Kläger nicht schlüssig dargelegt. Mit den diesbezüglich von Seiten der Kläger vorgelegten Verdienstausfallbescheinigungen (Bl. 12 und Bl. 13 GA) wird nämlich nur ein durchschnittlicher Tagesverdienst bescheinigt, was nicht ausreicht. Auch der diesbezügliche Vortrag, dass die für den 28.04.2008 einbestellten Patienten nicht behandelt werden konnten, stellt sich als unsubstantiiert dar. Von Seiten der Kläger ist nicht vorgetragen worden, welche Patienten an diesem Tag zur Behandlung anstanden und welcher konkreter Verdienst denn bei diesen Behandlungsterminen zu erwarten gewesen ist. Zudem ist – mangels anderweitiger, von Seiten der Kläger vorzutragender Umstände – im Zweifel anzunehmen, dass die Termine nachgeholt werden konnten.

11. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

12. Streitwert für die Berufung: 9.124,00 € (im Verhältnis zur Klägerin Ziffer 1.: 3.710,00 €, im Verhältnis zum Kläger zu 2.: 5.414,00 €).

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