Luftbeförderung und Fixgeschäft

AG Bad Homburg: Luftbeförderung und Fixgeschäft

Flugreisende forderten Schadensersatz für Übernachtung und Ersatzflug, nachdem sich der Abflug ihres Fluges extrem verzögert hatte. Ihnen standen nur 50% der Kosten zu, da sie ohne Rücksprache mit der Fluggesellschaft in die Unterkunft gefahren waren und am nächsten Tag Ersatzflüge gebucht hatten.

AG Bad Homburg 2 C 241/00 (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 28.06.2000
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 28.06.2000, Az: 2 C 241/00
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Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 28. Juni 2000

Aktenzeichen 2 C 241/00

Leitsatz:

2. Bei einem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich um ein Fixgeschäft i. S. d. § 361 BGB, da die Einhaltung einer genau bestimmten Flugzeit wesentlicher Inhalt der vertraglichen Pflicht des Luftfrachtführers ist.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug für den 14.08.1999 gebucht. Dieser startete nicht wie vorgesehen um 17.10 Uhr, sondern aufgrund verschiedener technischer Schwierigkeiten erst nach dem dritten Startversuch um 4.24 Uhr des Folgemorgens. Die Kläger hatten den Flughafen bereits nach dem zweiten Versuch verlassen, verbrachten die Nacht in einem Hotel und flogen am nächsten Tag mit einer anderen Fluggesellschaft. Die zusätzlichen Kosten wollten sie von der Beklagten erstattet bekommen.

Das Amtsgericht Bad Homburg gab der Klage teilweise statt und gestand den Klägern einer Erstattung von 50% der Kosten zu. Bei dem Beförderungsvertrag hatte es sich nämlich um ein Fixgeschäft gehandelt, das feste Flugzeiten beinhaltete, die wiederum nicht eingehalten worden waren. Jedoch hatten die Kläger ihrer Schadensgeringhaltungpflicht nicht genügt, indem sie in die Unterkunft gefahren waren, statt mit dem Ersatzflug zu fliegen und indem sie weder in der Nacht des Fluges, noch am nächsten Tag die Beklagte kontaktiert hatten. Daher bestand aufgrund ihrers Mitverschuldens nur halbierter Ersatzanspruch.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger DM 1.181,20 nebst 4% Zinsen seit 26.1.2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird verzichtet, da das Urteil nicht rechtsmittelfähig ist (§ 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist teilweise begründet.

7. Die Kläger können von der Beklagten gemäß § 325 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung in tenorierter Höhe verlangen.

8. Die Kläger haben einen Flug mit der Beklagten von … nach … gebucht. Bei einem solchen … Luftbeförderungsvertrag handelt es sich um ein Fixgeschäft i. S. d. § 361 BGB, da die Einhaltung einer genau bestimmten Flugzeit wesentlicher Inhalt der vertraglichen Pflicht des Luftfrachtführers ist (vgl. Führich, Reiserecht, 3. Aufl., Rdnr. 761). Die Beklagte hat die vereinbarte Leistungszeit nicht eingehalten. Der Abflug fand nicht wie geplant am 14.8.1999 um 17.10 Uhr, sondern wegen verschiedener technischer Schwierigkeiten erst im dritten Anlauf um 4.24 Uhr am 15.8.1999 statt.

9. Die Nichteinhaltung der Leistungszeit begründet eine dauernde Unmöglichkeit der Beförderungsleistung der Beklagten. Diese war von ihr auch zu vertreten. Jedenfalls der Abbruch des zweiten Versuchs um 22.45 Uhr, den Flug durchzuführen, ist von der Beklagten gemäß § 276 BGB verschuldet. Denn es war vergessen worden, den Gearpin zu lösen, so dass das Fahrwerk nicht eingezogen werden konnte und der Flug abgebrochen werden musste.

10. Entsprechend ist die Beklagte den Klägern nach deren Wahl zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet. Dieser Schadensersatzanspruch ist auch durch die Regelungen des Warschauer Abkommens nicht ausgeschlossen. Zwar gibt es darin Haftungsbeschränkungen für die Haftung bei Schäden durch Verspätung (Art. 19 ff. Warschauer Abkommen). Für den Fall der Unmöglichkeit enthält es aber keine Regelung (vgl. Führich a. a. O.), so dass entsprechende Schadensersatzansprüche durch Art. 24 Warschauer Abkommen nicht verdrängt werden. Im Übrigen würde hier die Beklagte auch nach dem Warschauer Abkommen für einen etwaigen Verspätungsschaden haften, da sie sich nicht im Sinne von Art. 20 Warschauer Abkommen entlastet hat.

11. Allerdings können die Kläger den Schadensersatz nicht in voller Höhe verlangen, da bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Kläger mitgewirkt hat (§ 254 BGB). Die Kläger sind grundsätzlich zur Schadensminderung … verpflichtet. Ein Mitverschulden liegt vor, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergriffen hätte. So hat der Geschädigte auch die Verpflichtung, den Schädiger auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen (§ 254 Abs. 2 BGB). Dieser ist vorliegend dadurch entstanden, dass die Kläger nach dem zweiten abgebrochenen Flugversuch in ihre Unterkunft zurückgefahren sind und nicht mit dem Ersatzflug um 4.24 Uhr zurück nach M. geflogen sind.

12. Zwar konnten die Kläger am Flughafen diese Mitteilung gegenüber der Beklagten in der Nacht nicht mehr vornehmen. Insoweit ist unstreitig, dass dort nach dem Abbruch des zweiten Flugversuchs kein Ansprechpartner der Beklagten mehr zugegen war. Zwar hat die Beklagte pauschal vorgetragen, das Flughafenbüro des … der Beklagten sei bis eine halbe Stunde nach Rückgabe des Gepäcks besetzt gewesen. Sie hat aber nicht dargetan, wo dieser Schalter bzw. der … gewesen sein soll. Auch ist nicht ersichtlich, wer als … für die Beklagte fungiert hat. Eine Vernehmung des dafür angebotenen Zeugen würde sich insoweit als unzulässiger Ausforschungsbeweis darstellen.

13. Allerdings haben die Kläger aber auch am nächsten Tag keinen Versuch mehr unternommen, die Beklagte zu erreichen. Sie haben lediglich versucht, mit einer anderen Linie einen Rückflug nach … zu bekommen, was aber wegen des Computerausfalls nicht möglich war.

14. Die Benachrichtigung der Beklagten am folgenden Tag wäre aber in Anbetracht der Probleme mit dem Rückflug und der weiteren Übernachtung erforderlich gewesen. Möglicherweise hätte für die Beklagte bei Kenntnis der Sachlage die Möglichkeit bestanden, die Kläger selbst zurückzubefördern. Mangels Unterrichtung der Beklagten war für sie nicht ersichtlich, welcher Schaden vorliegend drohte.

15. Das Gericht bewertet das Mitverschulden der Beklagten durch den Verstoß gegen die Warnpflicht mit 50%.

16. können die Kläger nur die Hälfte des ihnen entstandenen Schadens ersetzt verlangen. Dieser setzt sich zusammen aus dem Flugpreis in Höhe von DM 1.802,40 sowie den Kosten für den Transfer von Flughafen zur Unterkunft in Höhe von DM 60,- und zwei Übernachtungen in Höhe von DM 500,-.

17. Soweit die Beklagte den Rechnungspreis für Unterkunft und Transfer für unangemessen hoch hält, greift dieser Einwand nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Preis in Höhe von DM 250,- für eine Übernachtung mit Frühstück für 2 Personen im Hochsommer in Sardinien übersetzt ist. Auch die Transferkosten in Höhe von DM 60,- erscheinen angemessen, da der Flughafen von der Unterkunft ca. 40 km entfernt ist und eine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht besteht.

18. Schließlich kommt es auch nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen Fakturierungsvorschriften bei Erstellung der Rechnung vom 16.8.99 an, da die Kläger die Rechnung unstreitig bezahlt haben und ihnen der Schaden in Höhe von DM 560,- entstanden ist.

19. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO.

20. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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