Kein Schadenersatz bei verzögerter Rückreise wegen Vulkanausbruchs

OLG Frankfurt: Kein Schadenersatz bei verzögerter Rückreise wegen Vulkanausbruchs

Ein Reisender forderte wegen der verspäteten Heimreise aus Marokko mit dem Bus statt dem Flieger Schadensersatz vom Reiseveranstalter. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, da die Sperrung des Luftraumes wegen eines Vulkanausbruchs höhere Gewalt darstellte.

OLG Frankfurt 2-24 O 102/13 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 05.08.2014
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 05.08.2014, Az: 16 U 19/14
LG Frankfurt, Urt. v. 18.12.2013, Az: 24 O 102/13
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 5. August 2014

Aktenzeichen 16 U 19/14

Leitsatz:

2. Die Sperrung des Luftraumes auf unbestimmte Zeit als Folge eines Vulkanausbruches mit großer Ascheentwicklung ist höhere Gewalt.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender forderte von einer Reiseveranstalterin Schadensersatz, weil er nach der Kündigung der Beklagten wegen höherer Gewalt um 5 Tage verspätet aus Marokko zurück nach Deutschland reiste. Der Rückflug am 18. April 2010 war nach einem Vulkanausbruch wegen Aschewolken und der Sperrung des Luftraums annulliert und die Reisenden mit dem Bus befördert worden. In seiner KLage behauptete der Kläger, die Beklagte hätte prüfen bzw. abwarten müssen, ob es alternative Flugstrecken gegeben hätte bzw. der Luftraum wieder freigegeben wird.

Das Landgericht Frankfurt wies die Klage ab, woraufhin der Reisende Berufung einlegte. Doch das Oberlandesgericht bestätigte das Urteil aus erster Instanz. Es lag keine Pflichtverletzung seitens der Beklagten vor, denn die Kündigung des Reisevertrages beruhte auf höherer Gewalt. Sie hätte auch nicht eventuell ungesperrte Alternativrouten eruieren oder darauf setzen müssen, dass der Luftraum freigegeben wird, da dies nicht abzusehen war und tausende Reisende gestrandet waren. Daher stand dem Kläger kein Schadensersatz zu.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 24. Zivilkammer – vom 18. Dezember 2013, Az. 2 – 24 O 102/13, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

5. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen verzögerter Rückbeförderung von Marokko nach O1, nachdem die Beklagte den Reisevertrag wegen höherer Gewalt gekündigt hatte, weil der Flugverkehr aufgrund der von Aschewolken ausgehenden Gefahren durch die Luftfahrtüberwachungsbehörden eingestellt worden war.

6. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO). Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. II sowie den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

7. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2013, Az. 2 – 24 O 102/13, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.355,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 sowie weitere 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

9. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

10. Soweit die Beklagte wie bereits erstinstanzlich das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main rügt, kann offen bleiben, ob sich das Landgericht zu Recht als zuständig angesehen hat. Nach § 513 Abs. 2 BGB kann eine Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat; dementsprechend kann sich auch der Berufungsgegner nicht auf eine örtliche Unzuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts berufen.

11. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 651 j Abs. 2 S. 1, 651 e Abs. 4 S. 1, 280 Abs. 1 BGB wegen einer verzögerten Rückbeförderung von Marokko nach Deutschland. Es fehlt bereits an einer objektiven Pflichtverletzung.

12. Die Beklagte hat die Reise nach § 651 j Abs. 1 BGB wegen höherer Gewalt gekündigt, weil unstreitig wegen des Ausbruchs des isländischen Vulkans der Rückflug am 18. April 2010 von O2 nach O1 nicht stattfinden konnte. Zwar war die Beklagte dessen ungeachtet nach § 651 j Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 651 e Abs. 4 S. 1 BGB verpflichtet, die Reisenden und damit den Kläger so schnell wie möglich zurückzubefördern. Diese Pflicht hat sie aber entgegen der von dem Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht bereits deshalb objektiv verletzt, weil es ihr nicht gelungen ist, den Kläger wie vertraglich vorgesehen am 18. April 2010 nach O1 zurückzubefördern; zu einer Rückbeförderung am 18. April 2010 war sie – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – aufgrund der berechtigten Kündigung wegen höherer Gewalt gerade nicht verpflichtet und aufgrund der unstreitigen Luftraumsperre auch nicht in der Lage. Daraus folgt entgegen der Auffassung des Klägers, dass sich nicht etwa die Beklagte entlasten müsste, weil sie es nicht geschafft hat, den Kläger noch am 18. April 2010 nach Haus zu transportieren; vielmehr muss der Kläger darlegen und beweisen, dass die Beklagte ihre aus § 651 j Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 651 e Abs. 4 S. 1 BGB folgende Pflicht zum Rücktransport unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Kündigung des Reisevertrags gerade wegen der Unmöglichkeit der frist- und vertragsgerechten Rückbeförderung aufgrund der Luftraumsperrung erfolgte, objektiv verletzt hat. Daran fehlt es vorliegend. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich in dem Vorwurf, dass die Reisenden mehrere Tage warten mussten, bis die Rückreise per Bus organisiert wurde, und dass die Beklagte hätte eruieren müssen, ob es Flugräume gab, die nicht gesperrt waren. Der Senat vermag insoweit mit dem Landgericht bereits keine objektive Pflichtverletzung zu erkennen. Die Heimreise per Flugzeug am 18. April 2010 von O2 nach O1 war wegen der Sperrung des Luftraums nicht möglich. Wann er wieder geöffnet würde, war nicht ersichtlich. Das Landgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass es gerechtfertigt war, mit der Rückreise per Bus zu beginnen und nicht auf die völlig ungewisse Möglichkeit der Flugbeförderung zu warten. Soweit das Landgericht seiner Entscheidung die aus anderen Rechtsstreitigkeiten gewonnene Kenntnis zugrunde gelegt hat, dass der Luftraum für Flüge nach Instrumentenflugregeln erst ab dem 20. April 2010 sukzessive geöffnet wurde, rügt der Kläger ohne Erfolg einen Verstoß des Landgerichts gegen § 291 ZPO. Zum einen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 angeführt, dass erst ab dem 21. April 2010 in Mitteleuropa allmählich wieder normaler Flugbetrieb aufgenommen wurde; diesen Vortrag hat der Kläger nicht bestritten. Zum anderen kommt es nicht darauf an, wann genau der Flugbetrieb wieder aufgenommen wurde; maßgeblich ist, dass am 18. April 2010 der Luftraum auf zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannte Dauer gesperrt war, so dass sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise veranlasst gesehen hat, nicht auf eine ungewisse Wiederöffnung des Luftraums zu warten, sondern eine Heimreise per Bus zu organisieren. Diese fand dann auch bereits ab dem 19. April 2010 und somit mit nur eintägiger Verzögerung statt; dass eine frühere Abreise möglich gewesen wäre, hat der Kläger weder dargelegt noch ist dies ersichtlich. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet zu eruieren, ob eine streckenweise Luftbeförderung möglich gewesen wäre. Das Landgericht hat zu Recht angeführt, dass eine solche Verpflichtung die an die Beklagte zu stellenden Anforderungen in der konkreten Situation, in der Tausende von Flugreisenden aus aller Welt gestrandet waren und auf einen Weitertransport warteten, überspannen würde. Dabei ist entgegen der Auffassung des Klägers die Feststellung des Landgerichts, dass der Luftraum für Flüge ab dem 20. April 2010 sukzessive geöffnet wurde, nicht schon für sich ausreichend, um von der Beklagten den konkreten Nachweis zu verlangen, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt keine schnellere Beförderungsmöglichkeiten per Flug bestanden hätten. Zu Unrecht verweist der Kläger insoweit auf die Entscheidung des LG O1 vom 12.9.2011 (…). Unabhängig von der Frage, ob dem Landgericht darin zuzustimmen ist, dass der Reiseveranstalter nach Entfallen der höheren Gewalt darlegungs- und beweisbelastet dafür ist, dass er seiner Rückbeförderungspflicht schnellstmöglich nachgekommen ist, hatte die Beklagte am 20. April 2010 bereits seit zwei Tagen mit dem Rücktransport begonnen; es konnte jedoch nicht von ihr verlangt werden, ihre einmal erfolgte Planung im Hinblick auf eine vollkommen unsichere Flugmöglichkeit laufend zu überdenken, so dass sie auch nicht entsprechendes darzulegen oder nachzuweisen hat. Vielmehr wäre es Sache des Klägers gewesen dazulegen, dass tatsächlich und konkret eine Teilstrecke mit einem Flugzeug hätte zurückgelegt werden können mit der Folge, dass er tatsächlich früher nach Hause gekommen wäre; der Kläger hat aber nicht einmal behauptet, dass er früher angekommen wäre, wenn sich die Beklagte – mit naturgemäß unsicherem Ausgang – ergänzend um einen Flug bemüht hätte.

13. Mangels objektiver Pflichtverletzung scheidet ein Schadensersatzanspruch aus.

14. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Bahn und Taxi.

15. Zwar sind nach § 651 j Abs. 2 S. 2 BGB die Mehrkosten für die Rückbeförderung von den Parteien je zur Hälfte zu tragen, so dass die Beklagte grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger die Hälfte der Kosten zu ersetzen, die er dafür aufgewandt hat, von O3 nach O1 – dem vertraglichen Ausgangs- und Endpunkt der Reise – zu gelangen. Dabei kann offen bleiben, ob dem Anspruch bereits der Umstand entgegensteht, dass der Kläger ihn nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB geltend gemacht hat; in jedem Fall ist der Anspruch des Klägers nach § 651 g Abs. 2 BGB verjährt. Die Reise sollte vertragsgemäß am 18. April 2010 enden; dementsprechend hat die zweijährige Verjährungsfrist des § 651 g Abs. 2 BGB mit Ablauf des 18. April 2012 geendet. Die Klage ist aber erst am 6. Mai 2013 bei Gericht eingegangen. § 651 g Abs. 2 BGB ist auch auf den Anspruch auf hälftige Erstattung der Rücktransportkosten anwendbar. Zwar gilt § 651 g Abs. 2 BGB seinem Wortlaut nach – wie auch § 651 g Abs. 1 BGB – nur für Ansprüche des Reisenden „nach den §§ 651 c bis 651 f“. Die Verjährungsvorschrift bezieht sich aber auch auf Ansprüche des Reisenden aus § 651 j BGB, da diese Vorschrift auf § 651 e Abs. 3 und 4 BGB verweist, so dass ebenfalls abgewandelte vertragliche Rückabwicklungsansprüche vorliegen (Führich, Reiserecht. 6. A., Kap. 2 Rn. 462, 440). Dabei ist unerheblich, dass § 651 j Abs. 2 S. 2 BGB im Gegensatz zu § 651 e Abs. 4 S. 2 BGB nur eine hälftige Kostentragungspflicht vorsieht; dies ändert an dem Charakter der Kostentragungspflicht als einem besonderen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch, auf den § 651 g Abs. 2 BGB Anwendung findet, nichts.

16. Mangels Schadensersatz- und Erstattungsansprüchen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten.

17. Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.

III.

18. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO, § 26 Ziff. 8 EGZPO.

19. Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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