Verspätete Rückreise wegen Vulkanaschewolke
AG Rostock: Verspätete Rückreise wegen Vulkanaschewolke
Die Klägerin hatte bei einer Reiseveranstalterin eine Kreuzfahrt inklusive Hin- und Rückflügen gebucht. Der Rückflug konnte jedoch aufgrund einer Aschewolke nicht stattfinden. Der Klägerin entstanden daraufhin Mehrkosten, weil sie in einem Hotel untergebracht und mit einem Reisebus zurück nach Deutschland befördert wurde. Sie fordert nun die Rückzahlung von fünf Tagessätzen des Reisepreises, sowie die Erstattung sämtlicher entstandener Kosten.
Das Amtsgericht Rostock hält die Klage lediglich zu einem geringen Teil für begründet. Weil die Rückreise nicht der geschuldeten Leistung entsprochen habe, könne die Klägerin eine Minderung des gesamten Tagereisepreises für den Rückreisetag fordern. Ansprüche auf weitere, rückwirkende Minderung des Reisepreises bestehen jedoch nicht, weil die Beklagte den Mangel der Reise nicht selbst zu vertreten habe.
AG Rostock | 47 C 410/10 (Aktenzeichen) |
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AG Rostock: | AG Rostock, Urt. vom 04.02.2011 |
Rechtsweg: | AG Rostock, Urt. v. 04.02.2011, Az: 47 C 410/10 |
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Leitsätze:
2. Unterscheidet sich die Art und der Zeitpunkt der Rückreise einer Pauschalreise eindeutig von der geplanten Rückreise so liegt ein Reisemangel für den Reisetag vor.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, eine Kreuzfahrt zu einem Gesamtpreis in Höhe von 1.455,- EUR inklusive Hin- und Rückflügen gebucht. Aufgrund einer Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island wurde der Flugverkehr eingestellt und der Rückflug konnte nicht stattfinden. Die Klägerin wurde daraufhin von der Beklagten in einem Hotel untergebracht, musste dafür jedoch einen anteiligen Betrag entrichten. In der Folge wurde die Klägerin mit einem Reisebus zurück nach Deutschland befördert. Auch hier entstanden jedoch Kosten für die Klägerin.
Aufgrund der langen, strapaziösen Busreise fordert die Klägerin nun die Rückzahlung eines Teils des Reisepreises. Sie ist des Weiteren der Ansicht, die Beklagte habe ihr alle durch den Ausfall des Rückfluges entstandenen Kosten vollständig zu ersetzen.
Das Amtsgericht Rostock hält die Klage lediglich zu einem geringen Teil für begründet. Zwar habe die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 651d Abs. 1 BGB einen Anspruch auf anteilige Minderung des Reisepreises, weil die gebuchte Kreuzfahrt teilweise mangelhaft gewesen sei.
Die Rückreise habe weder von der Beförderungsart her, noch in zeitlicher Hinsicht der geschuldeten Leistung entsprochen. Aus diesem Grund hält das Amtsgericht eine Minderung des gesamten Tagereisepreises für den Rückreisetag für angemessen.
Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf eine weitere, rückwirkende Minderung des Reisepreises. Gem. § 651d Abs. 1 BGB minder sich der Reisepreis nur für die Dauer des Mangels. Grundsätzlich käme hier zwar ein auch rückwirkend möglicher Anspruch auf Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Betracht. Dieser sei im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen, weil die Beklagte den Mangel der Reise nicht selbst zu vertreten habe. Im Ausbruch des Vulkans und der damit verbundenen Aschewolke handelt es sich um Höhere Gewalt.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 181,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2010 sowie 46,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 85 %, die Beklagte trägt 15 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
5. Die Klägerin fordert teilweise Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz nach Ausfall eines Rückfluges von einer Pauschalreise.
6. Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Kreuzfahrt auf der A. vom 9.4.2010 bis 16.4.2010 zu einem Gesamtpreis in Höhe von 1.455,- EUR gebucht. Bestandteil des vorgenannten Preises war ein An- und Abreisepaket zu einem Preis in Höhe von 278,- EUR inklusive Kerosinzuschlag. Das An- und Abreisepaket beinhaltete Flüge von Berlin nach Palma de Mallorca und zurück.
7. Aufgrund der Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull wurde der gesamte Flugverkehr eingestellt, so dass der Rückflug nicht stattfinden konnte. Die Klägerin informierte mittels eines Bordtelefons hierüber ihre Kinder. Für die Benutzung des Telefons entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 81,74 EUR (4,90 EUR/min). Die Beklagte erstattete einen Teilbetrag hiervon in Höhe von 40,87 EUR. Die Differenz in Höhe von 40,87 EUR ist Gegenstand der Klage.
8. Nachdem die Klägerin zunächst kostenlos an Bord bleiben konnte, musste sie dann das Schiff verlassen und wurde in einem Hotel untergebracht. Die Übernachtungskosten übernahm zunächst die Beklagte. Für eine weitere Übernachtung musste dann die Klägerin einen Betrag in Höhe von 50,- EUR aufwenden. Auch dieser Betrag ist Gegenstand der Klage.
9. Die Beklagte bot der Klägerin an, mit der A. von Montag, dem 19.4.2010 ab Palma de Mallorca nach Marseille zu reisen, um von dort mit einem Bus am Mittwoch, dem 21.4.2010 weiter nach Deutschland zu fahren. Der Preis pro Kabine sollte 200,- EUR betragen; die Abreise per Bus sollte für die Pauschalreisegäste und somit für die Klägerin kostenfrei sein. Die Klägerin ging auf dieses Angebot ein. Die an die Beklagte gezahlten 200,- EUR fordert sie mit der Klage zurück.
10. Die Busfahrt von Marseille nach Berlin dauerte 19 Stunden; der Bus kam am 22.4.2010 um 2:45 Uhr in Berlin-Tegel an. Aufgrund der verspäteten Rückreise, die mit der Ungewissheit der Rückreise verbundenen Strapazen und den Strapazen der Busfahrt fordert die Klägerin eine Rückzahlung des Reisepreises für 5 Tage, mithin einen Betrag in Höhe von 909,38 EUR.
11. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihr unabhängig von einem Verschulden sämtliche Mehrkosten der Rückreise zu erstatten.
12. Die Beklagte meint, der Betrag in Höhe von 200,- EUR sei bereits aufgrund der getroffenen Vereinbarung nicht zurückzuzahlen. Im Übrigen ist die Beklagte unter Hinweis auf Ziffer 4.1. der dem Vertrag zugrundeliegenden Reisebedingungen der Auffassung, dass auch ein Minderungsanspruch ausgeschlossen sei.
Entscheidungsgründe:
13. Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
14. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 651d Abs. 1 BGB einen Anspruch auf anteilige Minderung des Reisepreises.
15. Die von der Klägerin bei der Beklagten gebuchte Kreuzfahrt war teilweise mangelhaft, weil die Rückreise weder von der Beförderungsart her noch in zeitlicher Hinsicht der geschuldeten Leistung entsprach. Darauf, dass die Beklagte diese Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit der vereinbarten Leistung nicht zu vertreten hatte, kommt es nicht an.
16. Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass aufgrund ihrer allgemeinen Reisebedingungen ein Minderungsanspruch ausgeschlossen sei. Nach ihren vorgegebenen Vertragsbestimmungen sind Änderungen wesentlicher Reiseleistungen nur dann gestattet, soweit diese nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall stellt eine Verlängerung der Rückreise um mehrere Tage einschließlich einer 19-stündigen Busfahrt gegenüber einem 2-stündigen Rückflug von Palma de Mallorca nach Berlin-Tegel eine so gravierende Änderung dar, dass damit zweifellos eine Änderung der vertraglich geschuldeten Reiseleistungen bzw. des Gesamtzuschnittes der Reise verbunden war.
17. Gemäß § 651d Abs. 1 BGB mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis. Im vorliegenden Fall war “nur” der Rückreisetag von dem Mangel betroffen. Allerdings war der Mangel so gravierend, dass eine Minderung des gesamten Tagereisepreises für den Rückreisetag angemessen ist.
18. Bei der Bewertung des Tagesreisepreises geht das Gericht von dem Gesamtpreis der Reise als Basis aus. Hauptargument hierfür ist, dass die mangelhafte Einzelleistung auf die Gesamtreise ausstrahlt (vgl. hierzu insgesamt Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rn. 299 m.w.N.). Das Gericht schließt sich insofern der Berechnung des Tagesreisepreises durch die Klägerin an. Ausgehend von einem Gesamt-Reisepreis in Höhe von 1.455,- EUR und einer Reisedauer von 8 Tagen errechnet sich somit ein Tagesreisepreis und entsprechend auch ein berechtigter Minderungsanspruch im Umfang von 181,88 EUR.
19. Soweit das Gericht in der mündlichen Verhandlung noch andeutete, evtl. den Minderungsumfang ausschließlich auf den Preis für die Transportleistungen zu beziehen, wird an dieser Auffassung nicht mehr festgehalten.
20. Die weitergehende Klage ist unbegründet.
21. Ein über den zugesprochenen Betrag hinausgehender Minderungsanspruch besteht nicht. Wie bereits dargestellt, mindert sich gemäß § 651d Abs. 1 BGB der Reisepreis nur für die Dauer des Mangels. Soweit die Klägerin auf die ohne Zweifel aufgrund des Flugausfalles aufgetretenen Unsicherheiten und Strapazen, einschließlich der Strapazen der Busfahrt, verweist, rechtfertigt dies keinen weiteren Minderungsanspruch. Zwar ist anerkannt, dass ein Mangel am Ende der Reise auch zurückwirken kann, indem er den Erholungseffekt der Reise ganz oder teilweise zunichte macht. Hieraus entsteht jedoch kein rückwirkender Minderungsanspruch. Allenfalls käme grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Betracht. Dieser ist im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen, weil die Beklagte den Mangel der Reise nicht zu vertreten hat.
22. Aus dem vorgenannten Grund besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der noch offenen Telefonkosten, der Übernachtungskosten und auf Rückzahlung der Kosten für die Überfahrt von Palma de Mallorca nach Marseille. Bei Mängeln, wie der Luftraumsperre wegen Vulkanasche, trägt der Reiseveranstalter das Preisrisiko, weshalb der Reisende auch zu einer Minderung berechtigt ist. Da bei höherer Gewalt jedoch kein Verschulden des Veranstalters vorliegt, haftet er nicht für Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (a.a.O., Rn. 221).
23. Ein Anspruch auf Rückzahlung der Überfahrtskosten in Höhe von 200,- EUR besteht letztlich auch deshalb nicht, weil die Klägerin mit dieser Zahlung eine vertragliche Schuld erfüllte. Sie hatte mit der Beklagten vereinbart, dass für die Fahrt auf der A. von Palma de Mallorca nach Marseille vom 19.4. bis 21.4.2010 der vorgenannte Betrag gezahlt wird.
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