Kein Provisionsanspruch für Vermittler bei Absage vermittelter Reise
OLG Nürnberg: Kein Provisionsanspruch für Vermittler bei Absage vermittelter Reise
Ein Reisebüro verlangte Provision für vermittelte Reiseverträge. Das Gericht entschied, dass der Anspruch nicht bestand, da die Reise aufgrund Nichterreichens der Mindestteilnehmerzahl vom Veranstalter storniert worden war.
OLG Nürnberg | 5 U 2296/12 (Aktenzeichen) |
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OLG Nürnberg: | OLG Nürnberg, Urt. vom 24.05.2013 |
Rechtsweg: | OLG Nürnberg, Urt. v. 24.05.2013, Az: 5 U 2296/12 |
LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.10.2012, Az: 2 HKO 4186/12 | |
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Leitsatz:
2. Der Hinweis auf die Mindestteilnehmerzahl einer Pauschalreise ist als Rücktrittsvorbehalt seitens des Veranstalters zu verstehen und führt bei stillschweigender Akzeptanz durch den Vermittler zur Ausnahme des Nichterreichens dieser Zahl von den vom Veranstalter zu vertretenden Umständen.
Zusammenfassung:
3. Ein Reisebüro verlangte von einem Bahntouristikunternehmen die Auszahlung einer Provision in Höhe von 5.000,- € für vermittelte Reiseverträge. Der Reiseveranstalter verweigerte die Auszahlung mit Verweis auf die durch ihn selbst vorgenommene Stornierung der Reise, weil das Mindestkontingent nicht zustandegekommen war.
In erster Instanz wurde der Klage durch das Landgericht Nürnberg-Fürth stattgegeben. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Klägerin durch die vermittelten, abgeschlossenen Reiseverträge zwischen der Beklagten und Reisenden ihren Provisionsanspruch erworben hatte und dieser durch die Stornierung der Reise nicht verfallen war, da die Absage im Veranwortungsbereich des Veranstalters lag.
Auf die Berufung der Beklagten hin hob das Oberlandesgericht Nürnberg das Urteil wieder auf und wies die Klage ab. Demnach war durch das von Beginn an bezifferte Mindestkontingent von 180 Reisenden beiden Parteien bewusst, dass das Geschäft unter Umständen nicht zustandekommt. Damit lag bei der Beklagten ein Rücktrittsvorbehalt. Sie hatte die Absage nicht zu vertreten und der Klägerin daher keine Provision zu zahlen.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30. Oktober 2012 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollsteckbar; die Klägerin kann eine Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.826,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
5. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer mittlerweile der Höhe nach unstreitigen Provision von 5.000,00 EUR wegen Vermittlung von Reiseteilnehmern durch die Klägerin.
6. Die Beklagte veranstaltet Pauschalreisen mit der Bahn, die sie u. a. über verschiedene Reisebüros anbietet. Die Klägerin ist Reisevermittlerin mit Sitz in B. und unstreitig für die Beklagte als Handelsvertreterin tätig.
7. Im Frühsommer 2011 bot die Beklagte per Prospekt eine Bahnreise mit dem Glacier-Express im Herbst 2011 an. Der Kundenprospekt der Beklagten enthält den Hinweis: „Mindestteilnehmerzahl 180 Personen“. Auf Anfrage erhielt die Klägerin die Möglichkeit Reisende auch für diese Reise anzuwerben. Der von der Klägerin zusätzlich erstellte Prospekt enthielt den Hinweis: „Reisebetreuung ab/bis Oldenburg (bei Erreichen der Mindestteilnehmerzahl)“.
8. Die Klägerin meldete bis September 2011 Reisende für neun Doppelzimmer und sechs Einzelzimmer. Anschließend sagte die Beklagte die Reise wegen Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl von 180 Personen ab.
9. Die Klägerin machte zunächst ihren Provisionsanspruch mit 6.826,60 EUR geltend. Die Beklagte verweigerte die Auszahlung mit dem Hinweis auf die Stornierung der Reise.
10. Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.826,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2011 zu bezahlen.
13. Da die Reise nicht durchgeführt worden sei, sei auch ein Provisionsanspruch entfallen.
14. Das Erstgericht hat der Klage vollumfänglich stattgeben. Der Provisionsanspruch sei nicht entfallen, weil das Erreichen der Mindestteilnehmerzahl in die Sphäre des Reiseveranstalters falle und der Ausfall der Reise daher von der Beklagten zu vertreten sei.
15. Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 15.11.2012 zugestellte Endurteil mit am 30.11.2012 per Fax eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet.
16. Der Provisionsanspruch setze einen endgültigen und rechtswirksamen Vertragsabschluss mit dem Reisenden voraus, der nicht gegeben sei. Der Verweis auf die Mindestteilnehmerzahl sei als Bedingung für das endgültige Zustandekommen des Reisevertrags anzusehen. Jedenfalls sei der Provisionsanspruch nachträglich entfallen. Die Beklagte habe den Ausfall der Reise nicht zu vertreten. Das Erstgericht habe zu Unrecht keinen Beweis über die Branchenüblichkeit des Provisionswegfalls bei Stornierung erhoben. Im Übrigen beschäftige sich das Erstgericht nicht mit der Frage, ob die Klägerin als Mitveranstalter zu behandeln sei, da sie Reisebegleitung ab Oldenburg angeboten habe.
17. Bezüglich der bis dahin streitigen Provisionshöhe haben sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf einen Betrag von 5.000,00 EUR geeinigt.
18. Die Beklagte hat zuletzt beantragt:
1.
19. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. 2 HK O 4186/2012 vom 30.10.2012 wird aufgehoben.
2.
3.
21. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.
22. Die Klägerin hat beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
23. Sie verteidigt das Ersturteil. Die Stornierung der Reise sei als Rücktritt von dem zunächst vollwirksamen Vertrag anzusehen und könne den entstandenen Provisionsanspruch nicht rückwirkend beseitigen. Das Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl falle eindeutig in die Sphäre des Veranstalters; nach § 87 a Abs. 3 HGB dürfe der Geschäftsausfall nicht dem Handelsvertreter angelastet werden.
24. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
25. Der Senat hat nicht Beweis erhoben.
II.
26. Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Provision. Das Ersturteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
27. Zwar hat die Klägerin durch Vermittlung von Reisenden zunächst die stillschweigend vereinbarte Provision verdient (§ 87 HGB).
28. Der – streitige – Umstand, dass die Klägerin Reiseleitung ab Oldenburg angeboten hat, macht sie angesichts dieser nur unwesentlichen Zusatzleistung nicht zur Mitveranstalterin, was ohnehin der Klage nicht zum Erfolg verhelfen könnte.
29. Unzweifelhaft sind die vermittelten Reiseverträge trotz des vorbehaltenen Rücktritts zunächst auch rechtswirksam zustande gekommen; der Provisionsanspruch der Klägerin ist aber gem. § 87a Abs. 3 HGB nachträglich entfallen, weil die Reise (das Geschäft) zwischen den vermittelten Reisenden (Kunden) und der Beklagten (Unternehmerin) nicht ausgeführt wurde und dies nicht von der Beklagten zu vertreten ist.
30. Das Schicksal des Provisionsanspruchs bei vorbehaltenem Rücktritt des Reiseveranstalters (Unternehmers) wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich behandelt. Das Landgericht Ludwigsburg (RRa 1999, 197), Hopt (in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Auflage 2012, Rdnr. 7 zu § 87) und Löwisch (in Ebenroth, Boujong, Jost, Strohn, HBG, 2. Auflage, Rdnr. 26 zu § 87a) verneinen einen Provisionsanspruch bei vereinbartem/vorbehaltenem Rücktritt des Unternehmers (wobei allerdings das Amtsgericht Ludwigsburg nicht von einem Handelsvertreterverhältnis sondern von einem Maklervertrag ausgeht). Nach Oetker (in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Auflage, Rdnr. 7 zu § 87 HGB) lässt das Rücktrittsrecht den Provisionsanspruch unberührt. Die Entscheidung BGH NJW-RR 1991, 155 ist nicht einschlägig, da diese sich auf die auflösend bedingte Leistungspflicht des Kunden bezieht, während es vorliegend um den Wegfall der Leistungspflicht des Unternehmers geht.
31. Nach Auffassung des Senats ist der durch Verweis auf die Mindestteilnehmerzahl erklärte und der Klägerin auch bekannte und von ihr stillschweigend akzeptierte Rücktrittsvorbehalt im Verhältnis der Parteien als Freizeichnung vom Risiko des Erreichens der Mindestteilnehmerzahl zu verstehen; das Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl wird von den vom Unternehmer zu vertretenden Umständen (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB) ausgenommen. § 87a Abs. 5 HGB steht einer derartigen Vereinbarung nicht entgegen, denn das Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl ist kein eindeutig der Sphäre des Veranstalters (Unternehmers) zuzurechnender Umstand. Beide Parteien waren sich offensichtlich des Risikos bewusst, dass die Reise (das Geschäft) wegen nicht ausreichender Teilnehmerzahl nicht hätte durchgeführt werden können. Bei dieser Ausgangslage erscheint eine interpretierende Vereinbarung der Parteien dahingehend zulässig, dass das Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl kein vom Unternehmer zu vertretender Umstand ist. § 87a HGB verbietet nur die Freizeichnung des Unternehmers von Umständen, die (eindeutig) seiner Sphäre zuzurechnen sind (wie z. B. seiner Leistungs-/Lieferfähigkeit). Das Erreichen einer bestimmten Teilnehmerzahl gehört nicht zu diesem Kernbereich und ist daher einer Regelung durch die Parteien zugänglich. Die Ausübung eines im Einverständnis mit dem Handelsvertreter vorbehaltenen Rücktrittsrechts ist diesem gegenüber nicht pflichtwidrig und damit auch nicht zu vertreten.
32. Da die Frage, ob die Ausübung eines im Einverständnis mit dem Handelsvertreter vorbehaltenen Rücktrittsrechts (wegen Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl einer Reise) den Provisionsanspruch entfallen lässt, von grundsätzlicher Bedeutung (jedenfalls für die beteiligten Kreise, insbesondere Reiseveranstalter und Reisevermittler) ist, wird die Revision insoweit zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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