Internationale Zuständigkeit bei Klagen aus Ferienhausvertrag

LG Schwerin: Internationale Zuständigkeit bei Klagen aus Ferienhausvertrag

Reisende erklagten die Erstattung des Preises für ein mangelhaftes Ferienhaus. Die in der Berufung von der dänischen Beklagten bezweifelte Zuständigkeit des Amtsgerichtes Schwerin wurde bestätigt, da die Kläger an ihrem Wohnsitz klagen durften.

LG Schwerin 6 S 69/10 (Aktenzeichen)
LG Schwerin: LG Schwerin, Urt. vom 09.11.2011
Rechtsweg: LG Schwerin, Urt. v. 09.11.2011, Az: 6 S 69/10
AG Schwerin, Urt. v. 04.06.2010, Az: 14 C 636/07
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Landgericht Schwerin

1. Urteil vom 9. Novemver 2011

Aktenzeichen 6 S 69/10

Leitsatz:

2. Der Verbraucher hat bei Klagen aus einem mangelhaften Ferienhausvertrag mit einer Vermittlung aus einem anderen Mitgliedsstaat der Eurpäischen Union die Wahl zwischen den Gerichten am Sitz des Anspruchsgegners und dem an seinem eigenen Wohnsitz.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten 2007 bei der Beklagten, einer dänischen Ferienhausvermittlung, einen Ferienhausaufenthalt gebucht. Vor Ort stellten sie diverse Mängel fest. Da auf ihr Verlangen hin keine Abhilfe erfolgte, reisten sie nach Absprache mit der Beklagten vorzeitig ab. Diese erstattete ihnen 758,- €, sie aber forderten die Rückzahlung des vollen Reisepreises und einen Ausgleich für vertane Urlaubszeit.

Das Amtsgericht Schwerin gab der Klage in vollem Umfang stand. Daraufhin ging die Beklagte in Berufung und bestritt die Zuständigkeit des Amtsgerichtes. Zuständig sei ausschließlich das Gericht am Sitz des Ferienhauses.

Das Landgericht Schwerin befand die Berufung zwar für zulässig, da die fehlende Zuständgkeit des Gerichtes diese begründen könnte, wies sie aber zurück, denn das Amtgericht war tatsächlich zuständig gewesen. Es führte aus, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtes am Sitz der Ferienwohnung bzw. dessen Vermittlers nicht gegeben ist, wenn deren Vermitter oder Vermieter in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, hier Deutschland, geschäftlich tätig sind oder dorthin gerichtet Geschäfte machen. So lag hier der Fall. Außerdem hatte die Beklagte ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen deutsches Recht zugrundegelegt. Da die weitere Begründung des erstinstanzlichen Urteils nicht angegriffen worden war, wurde es aufrechterhalten.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichtes Schwerin vom … 2010 (14 C 636/07) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.301,00 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

5. Die Kläger verlangen von der Beklagten Rückzahlung des an sie geleisteten Reisepreises sowie Schadensersatz. Die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz in Dänemark, bietet Ferienhäuser für den Urlaub in europäischen Ländern an. Die Kläger buchten bei der Beklagten ein im Katalog der Beklagten näher beschriebenes Ferienhaus in B. für die Zeit vom in 2007. Die Kläger zeigten nach ihrer Anreise und Übergabe des Hauses am 2007 bei der Beklagten diverse Mängel an. Nachdem keine Abhilfe erfolgte, reisten die Kläger nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten ab. Mit Schreiben 2007 teilte die Beklagte mit, den Reisepreis von 758,00 € „wie verabredet“ zu erstatten.

6. Durch das der Beklagten am 2010 zugestellte Urteil des Amtsgerichtes Schwerin vom 2010, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Das Amtsgericht hat insbesondere angenommen, dass es für die Entscheidung über den Rechtsstreit zuständig sei.

7. Hiergegen richtet sich die am 2010 eingelegte und mit am 2010 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.

8. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, das Amtsgericht Schwerin sei für die Entscheidung über die Klage nicht zuständig gewesen. Die Beklagte beruft sich auf Artikel 22 Ziff. 1 S. 1 der Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Danach bestehe eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Gerichtsbezirk sich das Ferienhaus, welches die Kläger gebucht hatten, belegen sei. So habe der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) am 27. Januar 2000 in der Rechtssache „D. ./. G.“ entschieden, dass ein Ferienhausvertrag des die Häuser anbietenden Unternehmens Rechte und Pflichten aus einem Vertrag über die Miete einer unbeweglichen Sache im Sinne dieser Norm betreffe. Die Beklagte behauptet, auch gemäß der im Jahr 2007 geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen sei sie gegenüber den Klägern so aufgetreten, als wäre sie selbst Eigentümerin der fraglichen unbeweglichen Sache. Da die Beklagte ebenso wie das Unternehmen D. zu behandeln sei, habe das Amtsgericht Schwerin in Verkennung seiner Zuständigkeit entschieden.

9. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichtes Schwerin, Az.: 14 C 636/07, vom 04.06.2010 aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

10. Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

11. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, die Klage sei vor dem Amtsgericht Schwerin zulässig erhoben worden. Es gelte der allgemeine Verbrauchergerichtsstand der EuGVVO. Die Kläger weisen daraufhin, dass in der Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2000 der gewerbliche Reiseveranstalter aus abgetretenem Recht des Eigentümers geklagt habe. Dieser Fall liege hier nicht vor. Die Kläger seien Verbraucher und würden die Beklagte als gewerbliche Reiseveranstalterin auf Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz wegen der Mängel des Ferienhauses in Anspruch nehmen. Ferner habe die Beklagte die Erstattung des Reisepreises wegen der Mängel, die auch im Rechtsstreit nicht in Abrede gestellt worden seien, zugesagt.

12. Die Beklagte beantragt die Zulassung zur Revision, hilfsweise die Durchführung eines Vorlageverfahrens beim Europäischen Gerichtshof.

II.

1.

13. Die Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet. Auch die erkennende Berufungskammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Amtsgericht Schwerin gem. Artikel 15 Abs. 1 Buchst. c) i. V. m. Artikel 16 Abs. 1 EuGVVO zur Entscheidung über die Klage berufen war.

a)

14. Zwar kann gem. § 513 Abs. 2 ZPO die Berufung grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Unzuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt dies jedoch nicht für die internationale Zuständigkeit, deren Fehlen mit der Berufung auch dann gerügt werden könne, wenn das Erstgericht sie unzutreffend angenommen hat (vgl. lediglich BGH, NJW 2003, 426).

b)

15. Die Frage der internationalen Zuständigkeit beantwortet sich vorliegend nach der am 1. März 2002 in Kraft getretenen Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), unbeschadet des Umstandes, dass Art. 1 Abs. 3 EuGVVO den Begriff Mitgliedstaat dahingehend definiert, dass Mitgliedstaat „jeder Mitgliedstaat mit Ausnahme des Königreichs Dänemark“ sei. Denn bezüglich Dänemarks gilt das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark vom 19. Oktober 2005 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, welches am 1. Juli 2007 in Kraft getreten ist. Danach findet Art. 1 Abs. 3 EuGVVO im Geltungsbereich dieses Abkommens gemäß der Regelung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark keine Anwendung.

c)

16. Artikel 15 EuGVVO regelt den Fall, dass ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person – der Verbraucher – zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand eines Verfahrens bildet und ordnet für diesen Fall an, dass sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt, d.h. Abschnitt 4 der EuGVVO bestimmt, und zwar gemäß Buchst. c) dieser Bestimmung in allen (anderen) Fällen, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedsstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich diese Mitgliedsstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Diese Voraussetzungen liegen vor, so dass danach Ferienhausverträge mit gewerblichen Reiseveranstaltern oder -vermittlern zwischen Urlaubern mit Wohnsitz im Inland und Ferienhausanbietern mit Sitz im Ausland unter die Regelung des Art 15 Abs. 1 Buchst. c) EuGVVO fallen, mit der Folge, dass dem Urlauber der Gerichtsstand an seinem Wohnsitz (forum actoris) des Artikel 16 Abs. 1 EuGVVO zur Verfügung steht (vgl. auch Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., Anh. I, Art. 17 EuGVVO Rdn. 16). Gemäß Art. 16 Abs. 1 EuGVVO kann die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner entweder vor den Gerichten des Mitgliedsstaates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, mithin am Wohnsitz der Kläger in Schwerin.

d)

17. Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin besteht für den Rechtsstreit keine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts am Ort der belegenen Sache gem. Artikel 22 Ziff. 1 S. 1 EuGVVO (hier: in B.). Diese Regelung bestimmt:

18. „Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:

1.

19. für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedsstaats, in denen die unbewegliche Sache belegen ist.“

(1)

20. Die Kläger begehren von der Beklagten Rückzahlung des von ihnen geleisteten Reisepreises, Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreuden sowie Aufwendungsersatz für die An- und Abreise und Telefonkosten wegen der – unstreitigen – Mängel des Ferienhauses. Die Kläger machen daher Ansprüche geltend, die sich aus der Schlechterfüllung des mit der Beklagten geschlossenen Vertrages über die Überlassung des Ferienhauses ergeben.

21. In den von der Beklagten vorgelegten allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Jahr 2007, die auch den Klägern überreicht worden waren, ist zwischen den Parteien vereinbart, dass Ansprüche wegen nicht vertragsgemäßer Erbringung der Reise gemäß § 651g Abs. 1 BGB angemeldet werden müssen. Dort in Ziffer 9 werden die Kläger ferner darauf hingewiesen, dass sämtliche Beanstandungen bei der Beklagten anzuzeigen sind. Die Beklagte hat die Kläger damit auf die erforderlichen Voraussetzungen des (deutschen) Reisevertragsrechts hingewiesen. Diesem Reisevertragsrecht liegt auch die Annahme zugrunde, dass der Vermieter eines Ferienhauses im Ergebnis „wie“ ein Reiseveranstalter hafte (vgl. BGH, NJW 1992, 3158, 3160).

22. Der Berufungskammer ist zwar bewusst, dass die Frage, vor welchem Gericht die geltend gemachten Ansprüche gemäß der EuGVVO geltend zu machen sind, durch „autonome“ Auslegung zu ermitteln ist, d.h. aus der Verordnung selbst heraus; dies kann jedoch nicht ohne Blick auf die konkret geltend gemachten Ansprüche erfolgen.

23. So hat auch der Bundesgerichtshof nach einer entsprechenden Vorlage an den EuGH (vgl. Urteil vom 19. Juni 1985 – XIII ZR 133/82, Rdn. 8, zit. n. juris) verschiedene Ansprüche einer differenzierten Lösung zugeführt. Danach gelte die wortgleiche (Vorgänger-​)Regelung des Artikel 16 Abs. 1 Buchst. a) EuGVÜ für alle Verträge über die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen, und zwar auch für kurzfristige Verträge. Weiter heißt es: „Alle Rechtsstreitigkeiten, die die Verpflichtungen des Vermieters und des Mieters aus dem Mietvertrag betreffen, insbesondere solche, die sich auf das Bestehen oder die Auslegung von Mietverträgen, deren Dauer, die Wiedereinräumung des Besitzes der Mietsache an den Vermieter, den Ersatz für vom Mieter verursachte Schäden oder die Einziehung des Mietzinses und der vom Mieter zu zahlenden Nebenkosten, wie der Kosten für Wasser-​, Gas- und Stromverbrauch beziehen, fallen in die in Artikel 16 Nr. 1 des Übereinkommens vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.“ Dagegen seien solche Rechtsstreitigkeiten, die sich nur mittelbar auf die Nutzung der Mietsache beziehen würden, wie beispielsweise solche, die entgangene Urlaubsfreude und Reisekosten betreffen, nicht von der ausschließlichen Zuständigkeit nach diesem Artikel umfasst. Der EuGH hat die dieser Entscheidung zugrundeliegende Vorlagefrage dahingehend begründet, dass die Regelung in Artikel 16 Nr. 1 EuGVÜ ihren Grund in der engen Verknüpfung von Miete und Pacht mit der rechtlichen Regelung des Eigentums an unbeweglichen Sachen und mit den im allgemeinen zwingenden Vorschriften, die seine Nutzung regeln, habe (vgl. NJW 1985, 905, 906). Darum geht es hier ersichtlich nicht.

(2)

24. Als Ausnahmevorschrift, die zum Abschluss bestimmter nach den allgemeinen Vorschriften in Betracht kommender Gerichtsstände führen würde, ist die Regelung des Artikel 22 EuGVVO eng auszulegen. Sie ist insbesondere nicht weiter auszulegen, als dies ihr Ziel erforderlich macht (vgl. zur Vorgänger-​Regelung in Artikel 16 Nr. 1 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 27.01.2000, C-​8/98, Rdn. 21, zit. n. juris; BGH, NJW 1992, 3158, 3159). Nicht genügend sei, dass die Klage mit einer unbeweglichen Sache in Zusammenhang stehe (vgl. EuGH, a.a.O., Rdn. 22, zit. n. juris). So hat der Europäische Gerichtshof und ihm folgend der Bundesgerichtshof entschieden, die Vorgänger-​Regelung des Artikel 16 Nr. 1 EuGVÜ sei nicht anzuwenden auf einen in einem Vertragsstaat geschlossenen Vertrag, durch den sich ein gewerblicher Reiseveranstalter mit Sitz in diesem Staat gegenüber einem Kunden mit Wohnsitz in dem selben Staat verpflichte, diesen für einige Wochen den Gebrauch einer in einem anderen Vertragsstaat belegenen, nicht in seinem Eigentum stehende Ferienwohnung zu überlassen und die Reservierung der Reise zu übernehmen (EuGH, Urteil vom 26.02.1992 – C-​280/90, zit. n. juris; BGH, a.a.O.).

25. Der ausschließliche Gerichtsstand der Belegenheit gem. Artikel 22 EuGVVO ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das ortsnähere Gericht im Regelfall über bessere Möglichkeiten verfügt, sich eine Kenntnis der vor Ort gegebenen Verhältnisse zu verschaffen. Darüber hinaus wird unterstellt, dass das ortsnähere Gericht mit dem auf das betreffende Vertragsverhältnis anwendbaren Recht besser vertraut sei. Gerade der letztgenannte Aspekt trifft hier nicht zu. Die Beklagte ging und geht ersichtlich davon aus, dass auf den vorliegenden Fall deutsches Recht (und nicht etwa belgisches Recht) anzuwenden ist. Das ergibt sich nicht zuletzt aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

26. Diese Erwägungen sprechen dafür, Artikel 22 EuGVVO auf Fälle der vorliegenden Art nicht anzuwenden und es vielmehr bei der speziellen verbraucherbezogenen Regelung der Artikel 15 und 16 EuGVVO zu belassen.

(3)

27. Die Entscheidung des EuGH vom 27. Januar 2000 (Rechtssache D. ./. G., Az.: C-​8/98), auf die sich die Beklagte berufen möchte, gebietet keine andere Betrachtung.

28. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof ausgeführt, Artikel 16 Nr. 1 Buchst. a) des EuGVÜ (die wortgleiche Vorgänger-​Regelung zu Artikel 22 Nr. 1 EuGVVO) sei nicht schon deshalb unanwendbar, weil sich Nichteigentümer und Mieter der unbeweglichen Sache gegenüberstünden, und zwar deshalb nicht, weil die Klägerin („D.“) die Miete aus abgetretenem Recht des Eigentümers der unbeweglichen Sache verlange, die Gegenstand des zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Mietvertrages war (vgl. Urteil des EuGH a.a.O., Rdn. 26).

29. Das Gericht hat es aber nicht etwa für unerheblich erklärt, ob es um Ansprüche zwischen Eigentümer und Mieter geht. Entscheidend war aus Sicht des Gerichtshofs der Umstand, dass die Klägerin in jener Rechtssache, ein Ferienhausanbieter, sich die Ansprüche des Eigentümers hatte abtreten lassen und ihre Ansprüche (allein oder in erster Linie) auf die abgetretenen Ansprüche des Eigentümers stützte. Dann – so der Gerichtshof – handele die Klägerin nicht als gewerblicher Reiseveranstalter, sondern so als wäre sie selbst Eigentümerin der fraglichen unbeweglichen Sache. Die Klägerin jenes Verfahrens war also infolge der Abtretung praktisch an die Stelle des Eigentümers getreten, so dass die von Artikel 16 Nr. 1 Buchst. a EuGVÜ vorausgesetzte Ausgangssituation vorlag.

30. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Beklagte weist zwar darauf hin, dass sie mit der Klägerin in dem vom EuGH am 27. Januar 2000 entschiedenen Verfahren vergleichbar sei. Dieses allein ist jedoch nicht ausreichend. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichtshofs war die Tatsache, dass es letztlich (doch) um die Ansprüche des Eigentümers ging, die sich die Klägerin hatte abtreten lassen. Damit hat der EuGH erneut festgestellt, dass es nicht auf die formale Position ankommt, in der sich Kläger und Beklagter gegenüberstehen, sondern auf die tatsächlichen Ansprüche, die geltend gemacht werden.

31. Das Berufungsgericht hatte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass nach den eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten selbst (Stand: 6. Mai 2010) zwischen dem Vertrag, den die Kläger mit der Beklagten abgeschlossen haben und möglichen Ansprüchen gegenüber dem Eigentümer des Hauses, differenziert wird. Nichts anderes ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Jahr 2007, die die Beklagte im schriftlichen Verfahren rechtzeitig eingereicht hat. Zwar heißt es dort nicht ausdrücklich – wie in der vom Berufungsgericht ursprünglich berücksichtigten aktuellen Fassung – dass die Ferienhäuser nur durch die Beklagte „vermittelt“ würden und „zwar namens der jeweiligen Eigentümer, welche somit ihnen gegenüber als Vermieter auftreten“. Gleichwohl besteht die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Jahr 2007 ebenfalls auf einer Trennung der rechtlichen Beziehungen und tritt gegenüber den Reisenden ausdrücklich als eine vom Vermieter zu unterscheidende Person auf. So heißt es unter Ziffer 2 Abs. 7 (Bezahlung, Aushändigung Mietunterlagen): „Wir weisen ferner darauf hin, dass die örtlichen Vermieter eine angemessene Kaution zu verlangen berechtigt sind“. In Ziffer 4 (Personenzahl) wird darauf hingewiesen: „Wir machen darauf aufmerksam, dass die Vermieter das Recht haben, überzählige Personen abzuweisen“. Ziffer 9 Absatz 3 (Gewährleistungs-​, Mitwirkungspflicht/Abhilfeverlangen) lautet: „Sämtliche Beanstandungen sind, sofern der Vermieter nicht bereits unverzügliche Abhilfe schafft, wegen angemessener Frist bei einer novasoleigenen Schlüsselübergabestelle … anzuzeigen“.

(4)

32. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Beklagte eben nicht – wie in dem EuGH-​Fall – die Rechtsposition des Eigentümers vertritt, sondern eine davon zu unterscheidende Rechtsposition aus dem eigenen Vertragsverhältnis mit den Klägern innehatte, wobei es in diesem Zusammenhang mit Blick auf die autonome Auslegung der Verordnung (EuGVVO) unerheblich ist, ob dieses Vertragsverhältnis nach deutschem Rechtsverständnis als Reisevertrag, als Mietvertrag, als gemischter Vertrag oder als Vertrag eigenen Typs einzuordnen ist. Es ist jedenfalls – entgegen dem scheinbaren Wortlaut – kein Vertrag über die Miete unbeweglicher Sachen i. S. von Artikel 22 Nr. 1 EuGVVO.

2.

33. Rügen zur Begründetheit der Sache hat die Beklagte nicht erhoben, so dass das Gericht das amtsgerichtliche Urteil insoweit nicht überprüft hat, §§ 520 Abs. 3, 529 Abs. 2 ZPO.

3.

34. Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

4.

35. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

36. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG i. V. m. §§ 3 ff ZPO.

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