Flugpauschalreise und reisevertraglich geschuldete Leistung

LG Frankfurt: Flugpauschalreise und reisevertraglich geschuldete Leistung

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Reise mit einem Rail&Fly-Ticket gebucht. Der Zug zum Flug verzögerte sich, weshalb der Hinflug umgebucht werden musste. Die Klägerin verlangt die Mehrkosten erstattet.

Dem gab das Amtsgericht statt.

LG Frankfurt 2-24 S 211/09 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 04.03.2010
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 04.03.2010, Az: 2-24 S 211/09
AG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2009, Az: 29 C 2763/08 (86)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 04. März 2010

Aktenzeichen 2-24 S 211/09

Leitsätze:

2. Bei einer Flugpauschalreise mit Rail&Fly-Ticket haftet der Reiseveranstalter für eine Verspätung des Zugs zum Flug.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Flugpauschalreise in die Dominikanische Republik für sich und ihren Lebensgefährten mit einem Rail&Fly-Ticket gebucht. Der Zug zum Flug verzögerte sich, weshalb der Hinflug umgebucht werden musste. Die Klägerin verlangt die Mehrkosten für eine weitere Übernachtung und den neuen Flug erstattet.

Dem gab das Amtsgericht statt. Das Landgericht bestätigte dies. Aus der Sicht des Durchschnittsreisenden sei davon auszugehen gewesen, dass die Beklagte die Zugfahrt auf eigenes Risiko von der Deutschen Bahn durchführen lasse. Damit hafte sie für die aus der Verspätung resultierenden Kosten und Aufwendungen.

Tenor

4. Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.09.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 29 C 2763/08 (86), wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

5. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Zusatzkosten und den Ersatz von Aufwendungen im Zusammenhang mit einer verspäteten Ankunft am Reiseziel.

6. Die Klägerin buchte am 15.12.2006 bei der Beklagten für sich und ihren Lebensgefährten, Herrn Z., eine All-Inclusive-Flugpauschalreise nach S. in der Dominikanischen Republik für die Zeit vom 19.06.-10.07.2007 zum Reisepreis von 4.684,- Euro. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Reisebestätigung vom 20.01.2007 (Bl. 9-12 d. A.) Bezug genommen.

7. Gemäß dem Katalog der Beklagten, wonach jede Flugpauschalreise aus dem Katalog ein sogenanntes „Rail & Fly-Ticket“ enthält, das den Reisenden zur Nutzung aller Zugverbindungen der Deutschen Bahn AG in der 2. Klasse zu den jeweiligen Flughäfen in Deutschland berechtigt, wurden der Klägerin und ihrem Lebensgefährten jeweils ein solches Rail & Fly-Ticket zur Verfügung gestellt.

8. Die Nutzung dieses Tickets ist am Tag vor dem Abflugtermin, am Abflugtag selbst sowie am Tag der Rückkehr und dem darauffolgenden Tag möglich.

9. Insoweit heißt es in der Katalogbeschreibung u. a.:

10. „Starten Sie entspannt in den Urlaub mit dem bequemen Anreise-Service von …’S WELTREISEN, der bereits im Reisepreis eingeschlossen ist. Kein Stress und kein Stau mit dem „…’S WELTREISEN Rail & Fly Ticket“. Bei jeder Flugbuchung aus diesem Katalog ist das „…’S WELTREISEN Rail & Fly Ticket“ 2. Klasse der Deutschen Bahn AG zum Flughafen bereits im Preis enthalten!

11. …

12. Bitte wählen Sie Ihre Verbindung möglichst so, dass Sie den Abflughafen spätestens zwei Stunden vor Abflug erreichen. …“

13. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Katalogbeschreibung (Bl. 68 d.A.) Bezug genommen.

14. Die Klägerin erhielt die Rail & Fly-Tickets ca. 4 Wochen vor Antritt der Reise zusammen mit einem Informationsblatt der Beklagten „Klug zum Flug“ ausgehändigt. In diesem wurden im Wesentlichen die Angaben aus dem Katalog wiederholt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Inhalts wird auf das Informationsblatt (Bl. 41/42 d. A.) Bezug genommen.

15. Der Hinflug sollte am 19.06.2007 um 11.15 Uhr ab Flughafen D. nach S. erfolgen.

16. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte erschienen verspätet am Flughafen D. und verpassten infolge dessen den Hinflug.

17. Nach dem verpassten Hinflug telefonierte die Klägerin am 19.06.2007 mit der Beklagten. Es wurde vereinbart, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte für den nächsten Tag (20.06.2007) auf einen Flug von M. nach P. C. umgebucht werden.

18. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte reisten sodann wiederum per Bahn nach M. In M. verbrachten die Klägerin und ihr Lebensgefährte die Nacht im Hotel K.

19. Am 20.06.2007 flogen die Klägerin und ihr Lebensgefährte sodann vereinbarungsgemäß von M. nach P. C. Dort angekommen erfolgte der Transfer mit dem Bus über die Insel und anschließend mit einer Fähre nach S.

20. Aufgrund der geänderten Anreise berechnete die Beklagte den Reisepreis neu. Die Beklagte stellte der Klägerin nunmehr einen Reisepreis von insgesamt 5.714,- Euro in Rechung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Reisebestätigung vom 20.06.2007 (Bl. 13-17 d. A.) Bezug genommen.

21. Sodann belastete die Beklagte die Kreditkarte der Klägerin mit den Zusatzkosten in Höhe von 1.030,- Euro. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Kreditkartenabrechnung vom 29.06.2007 (Bl. 18 d. A.) Bezug genommen.

22. Die Klägerin begehrt nunmehr die Rückzahlung der Zusatzkosten in Höhe von 1.030,- Euro.

23. Weiterhin macht die Klägerin den Ersatz folgender Mehrkosten geltend:

1.

Übernachtungskosten im Hotel K., N. in Höhe von 128,- Euro

2.

Taxikosten für die Fahrt vom Bahnhof zum Hotel K. und von dort zum Flughafen M. in Höhe von jeweils 20,- Euro, also insgesamt 40,- Euro

3.

Essenskosten in Höhe von 2 × 25,- Euro (pauschal), also insgesamt 50,- Euro.

24. Darüber hinaus macht die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro geltend.

25. Die Klägerin hat behauptet, am 19.06.2007 hätten die Klägerin und ihr Lebensgefährte die Reise unter Nutzung der von der Beklagten überreichten Rail & Fly-Fahrscheine mit der Deutschen Bahn, Zug Nr. RE 11108, vom Hauptbahnhof K. zum Flughafen D. angetreten. Dieser Zug habe planmäßig am Flughafen D. um 09.08 Uhr ankommen sollen. Dieser Zug habe jedoch eine erhebliche Verspätung gehabt, so dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte verspätet am Flughafen D. ankommen seien und zwar ca. gegen 11.45 Uhr. Infolge dessen hätten die Klägerin und ihr Lebensgefährte den planmäßig gestarteten Hinflug um 11.15 Uhr verpasst. Insoweit hat die Klägerin eine Bescheinigung über eine Zugverspätung vom 19.06.2007 (Bl. 69 d. A.), auf die Bezug genommen wird, vorgelegt.

26. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte für die Verspätung der Deutschen Bahn einzustehen habe, da es sich bei der Zugfahrt um eine reisevertragliche geschuldete Leistung gehandelt habe.

27. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

28. die Beklagte zu verurteilen,

1.

29. an die Klägerin 1.248,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2007 zu zahlen,

2.

30. an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro zu zahlen.

31. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

32. die Klage abzuweisen.

33. Die Beklagte hat behauptet, die durch die Umbuchung auf den Flug von M. nach P. C. entstandenen Zusatzkosten seien vereinbarungsgemäß vom Konto der Klägerin abgebucht worden.

34. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sie für eine Verspätung der Deutschen Bahn nicht hafte, da es sich bei der Bahnfahrt insbesondere nicht um eine Reiseleistung der Beklagten handeln würde.

35. Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht gewesen, dass die Klägerin ihre Anreise mit der Bahn auch nicht ausreichend sorgsam geplant habe, insbesondere habe sie einen zu geringen Zeitpuffer eingeplant.

36. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 28.09.2009 gemäß § 540 Absatz I Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

37. Durch dieses Urteil hat das Amtsgericht der Klage bis auf eine geringfügige Zinszuvielforderung in vollem Umfange stattgegeben.

38. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob die Parteien eine Vereinbarung getroffen hätten, wonach die Klägerin die mit der Umbuchung verbundenen Kosten selbst hätte tragen sollen. Denn eine solche Abrede wäre wegen Verstoßes gegen § 651 m BGB jedenfalls unwirksam.

39. Weiterhin ist das Amtsgericht auf der Grundlage der Rechtsprechung der Kammer davon ausgegangen, dass die vorliegende Zugfahrt eine von der Beklagten geschuldete Reiseleistung gewesen sei. Insoweit habe die Beklagte für die Verspätung der Bahn zu haften. Weiterhin habe die Klägerin ihre Anreise per Bahn auch ausreichend sorgsam geplant.

40. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

41. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die Zugfahrt keine geschuldete Reiseleistung darstelle. Jedenfalls sei aber eine Haftung der Beklagten aufgrund § 17 EVO in direkter oder jedenfalls entsprechender Anwendung ausgeschlossen, da dieses Haftungsprivileg der Deutschen Bahn auch der Beklagten zugute kommen müsse. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

42. Die Beklagte beantragt,

43. das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 28.09.2009, 29 C 2763/09-86, abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

44. Die Klägerin beantragt,

45. die Berufung zurückzuweisen.

46. Die Klägerin verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

47. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

48. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

49. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der Zusatzkosten in Höhe von 1.030,- Euro gem. § 812 Absatz I 1 BGB und einen Anspruch auf Ersatz der Mehraufwendungen in Höhe von insgesamt 218,- Euro gem. § 651C Absatz III BGB hat.

A.

50. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Umbuchung der Klägerin und ihres Lebensgefährten auf einen Ersatzflug am 20.06.2007 von M. nach P. C. und die damit verbundenen Mehrkosten eine notwendige Abhilfemaßnahme dargestellt haben, deren Kosten die Beklagte zu tragen verpflichtet war.

51. Die Reise der Klägerin und ihres Lebensgefährten war im Sinne von § 651C Absatz I BGB mangelhaft, da sie auf dem planmäßigen Hinflug am 19.06.2007 von der Beklagten nicht befördert worden sind, da sich die Anreise mit der Deutschen Bahn erheblich verzögert hatte und infolge dessen der Flug verpasst worden ist.

52. aa. Das verspätete Erscheinen der Klägerin und ihres Lebensgefährten am Flughafen D. fällt vorliegend in den Risikobereich der Beklagten und nicht in den der Klägerin. Die Verspätung der Deutschen Bahn ist hier nämlich der Beklagten zuzurechnen.

53. Wie die Kammer bereits in mehreren Verfahren entschieden hat (Urteil v. 31.01.2008, Az.: 2-24 S 232/07, RRa 2008, 80 ff.; Urteile v. 17.12.2009, Az. 2-24 S 109/09 u. 2-24 S 125/09) gehört auch hier der Bahntransfer zum Flughafen in Gestalt des „Rail & Fly Tickets“ zum Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Pauschalreisevertrages. Vorliegend handelt es sich um die gleichlautenden Reiseunterlagen des gleichen Reiseveranstalters wie bereits in dem genannten Verfahren vor der Kammer mit dem Aktenzeichen 2-24 S 232/07.

54. Danach ist davon auszugehen, dass die Beklagte auch hier den Bahntransfer als eine eigene Reiseleistung angeboten hat.

55. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände kann aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisenden aufgrund der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen nur der Eindruck entstehen, dass die Beklagte den Bahntransfer mittels Rail & Fly Ticket als eigene Reiseleistung anbietet.

56. Denn zum einen ist das Rail & Fly Ticket als Teil des Gesamtreisepreises ausgewiesen worden, zum anderen wird es nicht als Rail & Fly Ticket der Deutschen Bahn, sondern als „…’s WELTREISEN“ Rail & Fly Ticket bezeichnet.

57. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Buchung des Rail & Fly Tickets einen entspannten Start in den Urlaub ohne Stress und Stau bedeutet.

58. Eine irgendwie geartete Einschränkung dahingehend, dass die Beklagte dies allerdings auch dann nicht garantieren könne, wenn der Kunde wie gefordert die Verbindung so gewählt hat, dass er den Abflughafen spätestens zwei Stunden vor Abflug erreichen müsste, findet sich in den Unterlagen zum Rail & Fly Ticket an keiner Stelle.

59. Auch wenn es bei Buchung des Rail & Fly Tickets dem Kunden überlassen bleiben sollte, sich irgendeinen Zug am Vortag bzw. Tag des Hinfluges zu wählen, durfte ein durchschnittlicher Kunde die oben genannten Formulierungen dahingehend verstehen, dass die Beklagte für Mängel beim Transfer, für die allein die Deutsche Bahn verantwortlich ist, wie in der Regel bei Verspätungen, haften würde.

60. Insbesondere der Hinweis auf die Vorzüge des Bahntransfers im Unterschied zu einem Transfer mit dem Auto suggeriert einem durchschnittlichen Kunden, dass die Beklagte für bei sorgfältiger Wahl der Zugverbindung dennoch eintretende von der Deutschen Bahn zu verantwortende Verspätungen einstehen wolle.

61. Da die Deutsche Bahn – wie bereits ausgeführt – nicht als Herausgeberin dieses Rail & Fly Tickets genannt ist, sondern vielmehr die Beklagte selbst, durfte ein durchschnittlicher Kunde davon ausgehen, dass die Beklagte die Deutsche Bahn genau wie den Hotelier als Erfüllungsgehilfen für die von ihr in eigener Verantwortung zu erbringende Transferleistung einsetzt und damit für Mängel in diesem Bereich gem. § 278 BGB einzustehen hat.

62. bb. Da es vorliegend auch nur um Kosten für reine Abhilfemaßnahmen in Bezug auf einen vorliegenden Mangel geht, kommt es auch nicht auf ein Verschulden der Beklagten oder ein Verschulden der Deutschen Bahn als Erfüllungsgehilfin der Beklagten an.

63. Selbst wenn man dies anders sehen würde, hat die Beklagte die Vermutung des Verschuldens (vgl. § 651 f BGB bzw. § 280 Absatz I 2 BGB) nicht entkräftet. Die Beklagte selbst hat nämlich nichts zu ihrer bzw. zur Entlastung der Deutschen Bahn als ihrer Erfüllungsgehilfin vorgetragen.

64. cc. Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf die Haftungsbeschränkung des § 17 Eisenbahnverkehrsordnung a. F. berufen.

65. Auch wenn die Deutsche Bahn nach § 17 der Eisenbahnverkehrsordnung a. F. im Falle der Verspätung oder des Ausfalls eines Zuges gegenüber dem Reisenden nicht haftet, vermag dies an einer Haftung der Beklagten gegenüber ihrem Kunden nichts zu ändern.

66. Ein derartiger Haftungsausschluss vermag nur in dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis seine Wirkung zu entfalten und kann aus diesem Grund nicht auf andere Rechtsverhältnisse, an denen die Deutsche Bahn nicht (bzw. wie hier nur als Erfüllungsgehilfin der Reiseveranstalterin) beteiligt ist, übertragen werden (vgl. auch MüKo-Tonner, BGB, 5. Aufl., 2009, Nach § 651: Beförderungsvertrag, Rn. 4).

67. Entgegen der Auffassung der Berufung kommen vorliegend auch nicht die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld zum Tragen. Die Bahn und die Beklagte haften der Klägerin gerade nicht als Gesamtschuldner. Zwischen der Klägerin und der Bahn besteht nämlich gerade kein (vertragliches oder gesetzliches) Schuldverhältnis, aus dem Ansprüche der Klägerin gegen die Bahn resultieren könnten. Die Bahnfahrt stellt einzig und allein eine Beförderungsleistung der Beklagten im Rahmen ihrer reisevertraglichen Verpflichtungen dar.

68. dd. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte haben ihre Anreise mit dem Zug gemäß den Hinweisen der Beklagten (Erreichen des Abflughafens spätestens zwei Stunden vor Abflug) auch ausreichend sorgfältig geplant.

69. Ein durchschnittlicher Kunde durfte aufgrund der genauen Zeitangabe von 2 Stunden und der sonstigen Formulierung auch davon ausgehen, dass die Beklagte bei ihrer Vorgabe von 2 Stunden bereits eventuelle Verspätungen mitberücksichtigt hat. Weiterhin ergibt sich aus dem Hinweis für einen durchschnittlichen Reisenden, dass der Abflughafen spätestens zwei Stunden vor Abflug erreicht werden soll. Es wird also gerade nicht auf den Check-In Schalter abgestellt, sondern auf den Flughafen an sich.

70. Im Zusammenhang mit der Bahnanreise kann sich die Beklagte auch nicht erfolgreich auf die Empfehlung (Erscheinen 3 Stunden vor Abflug am Check-In-Schalter) in der Reisebestätigung berufen. Zum einen erfolgte diese konkrete Empfehlung im Zusammenhang mit Sicherheitskontrollen am Flughafen und nicht mit der Zugfahrt. Vielmehr wurde im Zusammenhang mit der Zugfahrt von der Beklagten immer ein Zeitpuffer von 2 Stunden empfohlen. Und zum anderen war die letzte Empfehlung der Beklagten die 2-Stunden-Empfehlung in dem Informationsblatt „Klug zum Flug“. Dies war daher die letzte und damit maßgebliche Empfehlung.

71. Diesen Anforderungen hat die Planung der Klägerin und ihrem Lebensgefährten genügt. Nach der geplanten Bahnanreise wären die Klägerin und ihr Lebensgefährte eben diese zwei Stunden vor Abflug am Flughafen D. angekommen.

72. Die Kammer hat – wie auch offensichtlich das Amtsgericht – keine Zweifel daran, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte am 19.06.2007 die Reise unter Nutzung der von der Beklagten überreichten Rail & Fly-Fahrscheine mit der Deutschen Bahn, Zug Nr. RE 11108, vom Hauptbahnhof Köln zum Flughafen D. angetreten haben. Dieser Zug sollte planmäßig am Flughafen D. um 09.08 Uhr ankommen. Dieser Zug hatte jedoch eine erhebliche Verspätung, so dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte verspätet am Flughafen D. ankamen. Dies hat letztlich auch der Zeuge Z. glaubhaft bestätigt. Dies wird auch durch die Bescheinigung über die Zugverspätung vom 19.06.2007 bestätigt. Insoweit hat das Amtsgericht zutreffend dargelegt, dass die zeitliche Planung der Klägerin ausreichend war.

73. Nach all dem lässt sich ein Mitverschulden der Klägerin (§ 254 BGB) am Verpassen des Hinflugs nicht feststellen.

B.

74. Nach all dem stellt die Umplanung der Anreise mit all ihren Konsequenzen nach dem Verpassen des Hinflugs am 19.06.2007 eine umfassende Abhilfemaßnahmen dar, für die die Beklagte die Kosten zu tragen hat.

75. Danach hat die Beklagte die zusätzlichen 1.030,- Euro zu Unrecht, also ohne Rechtsgrund, vereinnahmt. Sie war nämlich nicht berechtigt für die Umbuchung Zusatzkosten zu erheben bzw. den Reisepreis neu zu berechnen. Die Beklagte hat den vereinnahmten Betrag von 1.030,- Euro an die Klägerin wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuzahlen.

76. Das Amtsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben kann, ob die Parteien eine Vereinbarung getroffen haben, wonach die Klägerin die mit der Umbuchung verbundenen Kosten selbst tragen sollte. Denn eine solche Abrede ist wegen Verstoßes gegen § 651 m BGB jedenfalls unwirksam.

77. Die weiteren unstreitigen Mehrkosten für Übernachtung, Taxi und Verpflegung stellen Mehrkosten im Zusammenhang mit der Abhilfemaßnahme „Ersatzflug“ dar. Insoweit war die Klägerin nach den Gesamtumständen berechtigt, diese Aufwendungen im Sinne von § 651C Absatz III BGB zu tätigen. Hinsichtlich der Höhe und der Notwendigkeit dieser Aufwendungen bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

2.

78. Die Ausführungen des Amtsgerichts zu den Nebenforderungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.

III.

79. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz I ZPO.

80. Die Revision war gem. § 543 Absatz I S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob der Reiseveranstalter für Verspätungen der Deutschen Bahn bei Ausgabe eines sog. „Rail & Fly Tickets“ haften kann, ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht geklärt.

81. Des Weiteren besteht der Zulassungsgrund des § 543 Absatz II Nr. 2 ZPO, da das Amtsgericht Neuwied in seinem Urteil vom 09.10.2002 (RRa 2003, 130) und auch das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 02.10.2009, Az. 4 S 21/09 eine Haftung des Reiseveranstalters für Verspätungen der Deutschen Bahn verneint hat.

82. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nummer 10, 711 ZPO.

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