Ansprüche nach Zugverspätung beim Zug-zum-Flug-Ticket
LG Hannover: Ansprüche nach Zugverspätung beim Zug-zum-Flug-Ticket der TUI Deutschland
Ein Fluggast nimmt ein Luftfahrtunternehmen in Anspruch auf Schadensersatz für die Kosten eines Ersatzflugs aufgrund einer Zugerspätung bei einer Zug-zum-Flug Fahrt.
Das Gericht entschied, dass die Berufung des Beklagten abgewiesen wird und der Fluggast Anspruch auf den Schadensersatz hat.
LG Hannover | 1 S 54/16 (Aktenzeichen) |
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LG Hannover: | LG Hannover, Urt. vom 27.03.2017 |
Rechtsweg: | LG Hannover, Urt. v. 27.03.2017, Az: 1 S 54/16 |
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Leitsatz:
2. Bei Eigenleistungen des Pauschalreiseveranstalters, trifft ihn die vertragliche Haftung für Reisemängel.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte ein Fluggast ein Zug-zum-Flug-Ticket. Er verpasste allerdings seinen Flug, nachdem sein Zug Verspätung hatte und musste einen Ersatzflug nehmen.
Der Kläger begehrt Schadensersatz für die vergeblichen Aufwendungen und die Kosten des Ersatzflugs.
Das Gericht entschied, dass der Berufung der TUI Deutschland nicht stattgegeben wird. Der Kläger hat Schadensersatzansprüche in Höhe von 4.587,86 EUR für die Kosten der Ersatzflüge und in Höhe von 173,91 EUR für die nutzlosen Aufwendungen gemäß § 651 f Abs. 1 BGB, sowie einen Minderungsanspruch in Höhe von 163,39 EUR für die verspätete Ankunft am Zielort gemäß §§ 651 d, 638 Abs. 3, Abs. 4 BGB. Handelt es sich um eine Eigenleistung des Pauschalreiseveranstalters, so treffe ihn die vertragliche Haftung für Reisemängel.
Auf der Rückseite der Tickets werde mit dem Beitrag der Beklagten zum Klimaschutz geworben und das Bahnticket als Bestandteil der Reiseunterlagen bezeichnet. Mithin gehöre es zu der gebuchten Pauschalreise.
Tenor:
4. Die Berufung der Beklagten TUI Deutschland gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 3.8.2016 – 436 C 1486/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Wert für das Berufungsverfahren wird auf 4.925,26 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
5. Auf die Bezugnahme der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil im Sinn von § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil nach § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen ist.
6. Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Das erstinstanzliche Gericht hat dem Kläger zu Recht Schadensersatzansprüche in Höhe von 4.587,86 EUR für die Kosten der Ersatzflüge und in Höhe von 173,91 EUR für die nutzlosen Aufwendungen gemäß § 651 f Abs. 1 BGB sowie einen Minderungsanspruch in Höhe von 163,39 EUR für die verspätete Ankunft am Zielort gemäß §§ 651 d, 638 Abs. 3, Abs. 4 BGB und einen Schadensersatzanspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR gemäß § 651 f Abs. 1 BGB zugesprochen.
7. Denn der Beklagten TUI Deutschland sind die Folgen der Zugverspätung über § 278 BGB zuzurechnen, weil der Bahntransfer vorliegend zum Leistungsumfang der Beklagten gehört hat. Nach den Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 28.10.2010 – Xa ZR 46/10) können Reiseunternehmen einerseits als Vermittler von Reiseleistungen, andererseits als Erbringer von Reiseleistungen in eigener Verantwortung tätig werden, wobei sie sich auch in letzterem Fall Dritter als Leistungsträger bedienen können. Nach der Vermittler- oder Veranstaltereigenschaft des Reiseunternehmens richtet sich seine Haftung für etwaige Mängel. Handelt es sich um eine Eigenleistung des Pauschalreiseveranstalters, so trifft ihn die vertragliche Haftung für Reisemängel. Liegt indessen eine vermittelte Fremdleistung vor, so hat der Reisevermittler mit der Vermittlung seiner Zusatzleistung seine Pflichten erfüllt. Für den Erfolg der Leistung braucht er nicht einzustehen. Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Vertragspartner gegenüberstehen, insbesondere, wie das Reiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden auftritt. Legt das Verhalten des Reiseveranstalters für den Reisenden nahe, dass die Reiseleistung im Organisations- und Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters stattfindet und der Reisende sich bei Mängeln allein mit dem Reiseveranstalter auseinanderzusetzen hat, so wird dieser Vertragspartner. Ob ein Reiseveranstalter durch sein Gesamtverhalten hinsichtlich einer Reiseleistung den Anschein einer Eigenleistung begründet hat, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH, a.a.O., Rn. 11, 12 zit. nach Juris).
8. Die nach vorgenannten Kriterien vorzunehmende Gesamtabwägung führt im hier zu entscheidenden Einzelfall zu einer Wertung der Stellung der Beklagten TUI Deutschland nicht als Vermittlerin des Zug zum Flug Tickets, sondern als Erbringerin dieser Leistung in eigener Verantwortung.
9. Ausweislich der Katalogbeschreibung (Anlage K2) wird das Angebot mit dem Vorteil „Zug zum Flug“ beworben. lm Gegensatz zu anderen Fremdleistungen, die ausdrücklich als solche bezeichnet werden (z.B. bezüglich der Angaben Sport und Wellness), fehlt ein solcher Zusatz dort im Hinblick auf das Bahnticket. Auf der Website der Beklagte TUI Deutschland heißt es darüber hinaus: „So kommen Sie schnell zum Flughafen und wieder zurück. Kein Stress. Kein Stau. Ein netter Zug von TUI“. In der Buchungsbestätigung sind sodann die Tickets mit aufgeführt („ kostenloses Zug zum Flug 2. Klasse Return“) und es wird kein gesondertes Entgelt hierfür erhoben. Die Voucher für das Bahnticket wurden ferner gemeinsam mit den anderen Reiseunterlagen übersandt. Die Fahrkarten enthalten darüber hinaus neben dem DB-Logo auch das Logo der Beklagten TUI Deutschland sowie eine mit der Flugnummer identische Vorgangsnummer. Des Weiteren ist das Ticket nur in Verbindung mit dem Flugticket nutzbar und als Beförderer ist in derselben Spalte darunter „2A“ und in der Spalte daneben „TUl…Rail&Fly“ verzeichnet. Auf der Rückseite der Tickets wird ferner mit dem Beitrag der Beklagten TUI Deutschland zum Klimaschutz geworben und das Bahnticket als Bestandteil der Reiseunterlagen bezeichnet. Soweit dort – ebenso wie im Preisteil des Katalogs – ferner darauf hingewiesen wird, dass jeder Reisende für die rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich sei und die Verbindung auch im Hinblick auf nicht auszuschließende Verspätungen öffentlicher Verkehrsmittel so gewählt werden sollte, dass der Abflughafen spätestens zwei Stunden vor dem Start des Flugzeugs erreicht wird, vermag dies in der Gesamtschau nichts an der Einordnung des Bahntransfers als Eigenleistung der Beklagten TUI Deutschland zu ändern. Gleiches gilt für die Regelung in Ziff. 13.6 der ARB, wonach jeder Reisende für seine rechtzeitige Anreise zum Flughafen selbst verantwortlich ist, es sei denn, eine Verspätung beruht auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Veranstalters. Denn im Rahmen der Urlaubsplanung kommt aus Sicht des Kunden der Katalogbeschreibung sowie der Beschreibung im Internet besonderes Gewicht zu. So fallen insbesondere die werbenden Angaben der Beklagten TUI Deutschland bezüglich des Bahntransfers ins Auge, während die diesbezüglichen Angaben im Preisteil des Katalogs sowie die ARB weniger hervorgehoben sind. Die gegen die Annahme einer Eigenleistung sprechenden Angaben sind so platziert, dass der Reisende ihnen im Vergleich zu der konkreten Reisebeschreibung im Katalog und im Internet eine eher untergeordnete Bedeutung beimisst. In der Gesamtschau kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass der Bahntransfer vorliegend als Eigenleistung der Beklagten TUI Deutschland zu werten ist.
10. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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