Ausgleichszahlung i.H.v. 600€ bei Flugverspätung
AG Nürnberg: Ausgleichszahlung i.H.v. 600€ bei Flugverspätung
Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug. Dieser wurde verspätet durchgeführt, weshalb er Entschädigung verlangt.
Das Amtsgericht gab dem statt. Die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung lägen vor. Es sei als Gericht des Zielorts auch zuständig.
AG Nürnberg | 12 C 4921/16 (Aktenzeichen) |
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AG Nürnberg: | AG Nürnberg, Urt. vom 28.02.2017 |
Rechtsweg: | AG Nürnberg, Urt. v. 28.02.2017, Az: 12 C 4921/16 |
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Leitsätze:
2. Das Gericht des Erfüllungsortes einer einheitlichen Flugbeförderung ist örtlich zuständig.
Das Nichterscheinen eines Passagiers nach der Gepäckaufgabe ist kein außergewöhnlicher Umstand.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug mit zwei Teilstrecken. Dieser wurde verspätet durchgeführt, weshalb er Entschädigung verlangt.
Das Amtsgericht gab dem statt. Die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung lägen vor. Es sei als Gericht des letzten Zielorts auch zuständig, da eine einheitliche Beförderungsleistung geschuldet war. Dass ein Passagier nach der Gepäckaufgabe nicht zum Gate erschien sei auch kein außergewöhnlicher Umstand, der die Haftung ausschlösse.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent punkten seit 21.06.2016 zu bezahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Honoraransprüchen seiner Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 147,56 € freizustellen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
I.
6. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 (EG) Verordnung Nr. 261/2004 (im folgenden kurz VO) in Höhe von 600,- €.
7. Unstreitig buchte der Kläger unmittelbar bei der Beklagten einen Flug von N. mit Zwischenlandung in P. nach B. am 24.11.2014 und zurück für 23.12.2014 einen Flug von B. nach P. und von dort nach N. Die Flugstrecke B. – P. – N. beträgt nach der Großraumberechnung mehr als 3.500 km. Der Flug mit der Flugnummer … sollte am 23.12.2014 um 10.10 Uhr planmäßig in B. abfliegen und P. am 23.12.2014 um 17.05 Uhr erreichen. Die Weiterbeförderung war mit dem Flug … von P. nach N., planmäßiger Abflug in P. um 18.15 Uhr und planmäßige Ankunft in N. um 19.50 Uhr vorgesehen. Tatsächlich erfolgte der Abflug des Fluges … in B. erst um 10.51 Uhr mit einer Abflugverspätung von 31 Minuten. Unstreitig erreichte der Kläger wegen der Verspätung dieses Fluges den Anschlussflug … von P. nach N. nicht mehr. Einen späteren Flug am 23.12.2014 gab es nicht mehr, sodass der Kläger auf den nächstmöglichen Flug von P. nach N. mit … am 24.12.2014 um 8.30 Uhr umgebucht wurde und damit das Endziel N. mit einer Verspätung von über 4 Stunden erreichte.
8. Die Beklagte rügt zunächst die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Nürnberg, da der Kläger zwei voneinander unabhängige Flüge von B. nach P. und von P. nach Nürnberg gebucht habe, die jeweils gesondert zu betrachten seien und die Verspätung lediglich den Flug von B. nach P. betroffen habe, um einen direkten Anschlussflug habe es sich nicht gehandelt. Die Beklagte habe ihren satzungsgemäßen Sitz in P. und wäre demgemäß auch dort zu verklagen.
9. Nach Auffassung des Gerichts ist das Amtsgericht Nürnberg wegen der vertragsgemäßen Ankunft des gesamten Fluges B. – P. – N. als Gericht des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO international zuständig.
10. Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 09.07.2009 ist Artikel 5 Nr. 1, lit. B 2. – der Verordnung EG Nr. 444/2001 dahin auszulegen, dass im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr von einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat auf der Grundlage eines mit einer einzigen Luftfahrtgesellschaft, dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrages für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Verordnung Nr. 261/2004 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeuges entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag zuständig ist.
11. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.01.2011 (Az.: X ZR 71/10) entschieden, dass für den Fall, dass ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union gegen ein Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden soll, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeuges ist. Zwar richteten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen, mit dem vertragliche Beziehungen nicht notwendigerweise bestehen müssten. Dennoch handle es sich um einen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, denn Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung sei gemäß der Artikel 3 Abs. 2 a, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung verfügten, was regelmäßig das Bestehen eines Beförderungsvertrages voraussetze – sei es mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, sei es mit einem anderen Unternehmen, so dass jenes die Beförderungsleistung erbringe.
12. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Buchung handelt es sich um einen bei der Beklagten einheitlich gebuchten Beförderungsvertrag von B. mit Zwischenlandung in P. und Weiterbeförderung nach Nürnberg. Auch die Bordkarte wurde von der Beklagten für den gesamten Flug B. – P. – Nürnberg ausgestellt (Bl. 159 d. A.). Bei dem hier vorliegenden einheitlich gebuchten Beförderungsvertrag mit Zwischenlandung in P. von N. nach B. am 24.11.2014 und wieder zurück am 23.12.2014 handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um einen einheitlichen Flug, bei dem die Flugunterbrechung lediglich dem sofortigen Umsteigen diente, insgesamt aber auch bei Verwendung von zwei verschiedenen Flugnummern als einheitlicher Flug angesehen werden muss. Maßgeblich ist daher nach Auffassung des Gerichts gerade aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen einheitlichen Beförderungsvertrages das Amtsgericht Nürnberg als Ort der vertragsgemäßen Ankunft der einheitlich gebuchten Flugverbindung örtlich und international zuständig gem. § 29 ZPO.
II.
13. Die Beklagte beruft sich weiter auf außergewöhnliche Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 VO mit der Begründung, ein Passagier sei nach erfolgter Gepäckaufgabe nicht zum Boarding erschienen, es habe daher eine zwingende Sicherheitsüberprüfung stattfinden und das bereits verladene Gepäckstück des Passagiers wieder ausgeladen werden müssen, die Türen des streitgegenständlichen Fluges hätten deshalb erst um 10.15 Uhr statt wie üblich um 9.55 Uhr geschlossen werden können. Der „Pushback“ durch den Flugzeugschlepper sei dann erst um 10.29 Uhr Ortszeit erfolgt und der Flug habe dann bis 10.51 Uhr Ortszeit warten müssen, bis eine Startbahn zur Verfügung gestanden habe. Hierauf habe die Beklagte keinen Einfluss, es sei für die Fluggesellschaft auch nicht beherrschbar, ob ein Passagier, der eingecheckt hatte, auch tatsächlich zum Boarding erscheine und die Beklagte habe auch auf die dann erforderliche Sicherheitsüberprüfung keinen Einfluss mehr.
14. Der Kläger bestreitet das Vorbringen der Beklagten und rügt dieses als unsubstantiiert.
15. Nach Auffassung des Gerichts liegt kein außergewöhnlicher Umstand i. S. d. Art. 5 Abs. 3 VO vor.
16. Der Umstand, dass ein Passagier nicht zum Boarding erscheint und sein Gepäck wieder ausgeladen werden muss, ist kein „außergewöhnlicher Umstand“. Vielmehr handelt es sich bei diesem Vorgang um einen gewöhnlichen und häufig vorkommenden Umstand, der üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann (BeckOK Fluggastrechte-VO Schmidt, 1. Edition, 1.1.2017, Randnr. 92 zu VO (EG) 261/2004 Art. 5, BGH S Wien, Urteil vom BGH 12.10.2015, 16 C-194/15 v-12, AG-Frankfurt am Main 9.3.2016, Aktenzeichen 29 C 1685/15 – 21). Dass ein Fluggast spontan nicht zum Flug, für den er bereits eingecheckt war, nicht erscheint, ist typisches Risiko beim Betrieb eines Verkehrsflugzeuges, ebenso wie die Tatsache, dass bereits eingechecktes Gepäck dann wieder ausgeladen werden muss. Es handelt sich damit um keinen außergewöhnlichen Umstand, der zugunsten der Fluggäste eng auszulegenden Verordnung.
17. Es ist auch nach Auffassung des Gerichts von der Beklagtenpartei nicht ausreichend vorgetragen worden, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, die Verspätung zu vermeiden. Die Abflugverspätung betrug lediglich 32 Minuten. Das Luftfahrtunternehmen hat eine gewisse Zeitreserve vorzusehen, um den Flug insgesamt möglichst bald durchführen zu können. Den Feststellungen nach plante die Beklagtenpartei im Rahmen der Rotationskette des Flugzeuges keine ausreichende Zeitreserven für verspätungsrelevante Umstände ein. Es ist auch nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt der Flug B. – P. dann in P. C. de G. landete und welche Maßnahmen bei der lediglich vorliegenden 31-minütigen Abflugverspätung die Beklagte getroffen hat, um den Kläger das Erreichen des Anschlussfluges in P., den die Beklagtenpartei selbst durchführte und über die entsprechenden Daten verfügte, zu ermöglichen. Gegebenenfalls wäre es der Beklagtenpartei zumutbar gewesen, Passagiere mit einem vorrangigem Anschlussflug vorrangig zu behandeln und diese direkt zu ihrem Flug zu bringen. Nach Auffassung des Gerichts liegen daher schon keine außergewöhnlichen Umstände im Sinn des Art. 5 Abs. 3 VO vor und seitens der Beklagtenpartei ist auch nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die eingetretene Verspätung infolge des Nichterrei-chens des Anschlussfluges zu vermeiden.
18. Der Kläger hat daher Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 600,- €.
19. Weiter hat der Kläger Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,- €. Die Beklagte wurde zunächst unstreitig vom Kläger selbst mit Schreiben vom 27.12.2014 unter Fristsetzung zum 15.01.2015 zur Ausgleichszahlung aufgefordert und am 20.02.2014 nochmals gemahnt. Die vorgerichtlichen Kosten durch Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 03.06.2016 hat die Beklagte daher als Verzugsschaden gemäß §§ 280, 286 zu erstatten. Die Beklagte wendet zwar ein, sie habe Ansprüche des Klägers bereits mit einem vorgerichtlichen Schreiben vom 04.12.2015 (Anlage B 6) abgelehnt, sodass die nochmalige vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen sei und gleich unbedingter Klageauftrag erteilt hätte werden müssen. Der Kläger trägt indes vor, die Beklagte habe lediglich eine Eingangsmitteilung übersandt und auf das Mahnschreiben vom 20.02.2015 mit Schreiben vom 03.03.2015 geantwortet und eine Antwort angekündigt, die jedoch nicht erfolgt sei. Soweit sich die Beklagte auf das Schreiben Anlage B 6 beruft, handelt es sich ersichtlich um ein Schreiben nicht unmittelbar an den Kläger, sondern an die Schlichtungsstelle, mit dem ein Schlichtungsvorschlag abgelehnt wurde. Dass der Kläger dieses Schreiben überhaupt erhalten hat, ist nicht erkennbar und von der Beklagten nachzuweisen. Der Kläger durfte daher die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt nicht vor, da eine endgültige, detaillierte Anspruchszurückweisung gegenüber dem Kläger seitens der Beklagten nicht dargetan ist und bei Verzug eines Luftfahrtunternehmens mit einer Ausgleichszahlung die Beauftragung eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung darstellt.
20. Die Klage ist daher insgesamt begründet.
IV.
21. Kosten: § 91 ZPO
22. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 713 ZPO.
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