Flugreise aus mehr Flügen

AG Hamburg: Flugreise aus mehr Flügen

Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastverordnung. Sie buchten bei der Beklagten einen Flug von Hamburg über Dubai nach Adelaide in Australien. Der Flug nach Dubai verspätete sich 2 Stunden und 47 Minuten. Am Zielort, Adelaide, kamen die Kläger ebenfalls verspätet an.

Das Amtsgericht Hamburg spricht den Klägern keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung zu, da die Verordnung hier nicht auf den Flug nach Dubai anwendbar sei.

AG Hamburg 36a C 338/14 (Aktenzeichen)
AG Hamburg: AG Hamburg, Urt. vom 12.12.2014
Rechtsweg: AG Hamburg, Urt. v. 12.12.2014, Az: 36a C 338/14
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Amtsgericht Hamburg

1.Urteil vom 12. Dezember 2014

Aktenzeichen 36a C 338/14

 Leitsatz:

2. Die Anwendbarkeit der Fluggastverordnung ist für jeden Flug gesondert zu prüfen, wenn der angebotene Flug der Fluggesellschaft aus mehreren Teilflügen besteht.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen eine Flugreise von Hamburg über Dubai im gleichnamigen Emirat in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Adelaide in Australien. Die Ankunftszeit in Dubai  verzögerte sich um 2 Stunden und 47 Minuten. Dadurch kamen die Kläger mit Verspätung am Zielort an.

Folglich verlangen sie von der Beklagten eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastverordnung.

Das Amtsgericht Hamburg entschied, dass den Klägern kein Anspruch auf Ausgleichszahlung zustehe. Bei den Flügen von Hamburg nach Dubai und von Dubai nach Adelaide handele es sich um selbständige Flüge im Sinne der FluggastrechteVO. Bestehe eine Flugreise, wie vorliegend aus mehreren Flügen, so sei die Anwendbarkeit der Fluggastverordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen. Hier ergebe dies, dass die Fluggastverordnung nicht auf den Flug nach Dubai anwendbar sei und damit kein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestehe.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

5. Die Kläger begehren Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (ABlEG 2004 L 46/1; im folgenden FluggastrechteVO).

6. Die Kläger verfügten über bei der Beklagten vorgenommene bestätigte Buchungen für die von der Beklagten durchgeführten Flüge von Hamburg über Dubai im gleichnamigen Emirat in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Adelaide in Australien:

 Flug-Nr.  planmäßig  tatsächlich  Differenz in h
 …  Abflug Hamburg  09.01.2013 14:35  09.01.2013 17:33  2:58
 Ankunft Dubai  09.01.2013 23:45  10.01.2013 02:32  2:47
 …  Abflug Dubai  10.01.2013 02:00  11.01.2013 00:00*  22:00
 Ankunft Adelaide  10.01.2013 20:50  11.01.2013 13:00*  16:10
 * durch Ersatz­be­för­derung mit EK404 und QS683 über Melbourne

7. Wegen der Ankunftsverspätung in Dubai erreichten die Kläger den gebuchten Anschlussflug nicht und wurden mit den Flügen … von Dubai nach Melbourne und … von Melbourne nach Adelaide ersatzbefördert, wo sie am 11.01.2013 um 13:00 Uhr ankamen.

8. Mit Schreiben der von den Klägern bevollmächtigten … GmbH vom 19.08.2013 wurde die Beklagte unter Fristsetzung zur Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 1.200,00 € aufgefordert. Mit Schreiben vom 12.09.2013 lehnte die Beklagte die Zahlung ab. Sodann ließen die Kläger ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit anwaltlichem Schreiben vom 30.12.2013 die Beklagte erneut zur Zahlung auffordern. Die Beklagte zahlte nicht.

9. Die Hauptniederlassung der Beklagten und ihr satzungsmäßiger Sitz befinden sich in Dubai im Emirat Dubai als Teil der Vereinigten Arabischen Emirate.

10. Die Kläger sind der Ansicht, durch die Verspätung des Fluges von Hamburg nach Dubai sei der Grund für die Verspätung am Endziel Adelaide gesetzt worden. Dieser Grund falle in den Anwendungsbereich der FluggastrechteVO.

11. Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger je 600,00, insgesamt 1.200,00 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.09.2013 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von Honoraransprüchen ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 201,71 € freizustellen.

12. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13. Die Beklagte rügt die örtliche und internationale Unzuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg. Sie ist der Ansicht, die internationale Zuständigkeit ergebe sich insbesondere nicht aus § 29 ZPO, da die Kläger keine vertraglichen, sondern gesetzliche Ansprüche nach der FluggastrechteVO geltend machten.

14. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof müssten die beiden Flüge als einzelne Flugbewegungen getrennt voneinander betrachtet und bewertet werden. Das Verpassen eines außereuropäischen Anschlussfluges falle nicht in den Anwendungsbereich der FluggastrechteVO. Die FluggastrechteVO sei auf den Flug von Dubai nach Adelaide nicht anwendbar.

15. Für den Flug von Hamburg nach Dubai sei der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO zwar eröffnet, jedoch liege insofern keine ausgleichspflichtige Verspätung vor.

Entscheidungsgründe

16. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Hamburg international und örtlich zuständig. Dies ergibt sich aus § 29 ZPO in der Auslegung durch den BGH im Urteil vom 18.01.2011 (Az. X ZR 71/10, juris): Im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr sind danach sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abfluges als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die Leistungen, die Gegenstand des Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden. Hamburg ist für die gesamte Flugverbindung Abflugort. Bei einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen ist als für den Vertrag maßgeblicher Abflugort der Abflugort der ersten Teilstrecke anzusehen, weil dort die für die Gesamtbeförderung wesentlichen Abfertigungsleistungen und die Entgegennahme des Gepäcks stattfinden (EuGH-​Vorlagebeschluss des BGH vom 09.04.2013, X ZR 105/12; WM 2013, 956). Dem hat das Gericht – in Kenntnis der abweichenden Entscheidungen einzelner Amtsgerichte – nichts hinzuzufügen.

17. Die Klage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung ergibt sich insbesondere nicht aus der entsprechenden Anwendung von Art. 7 Abs. 1 lit. c), 5 Abs. 1 FluggastrechteVO.

18. Dies gilt zunächst für den von der Beklagten durchgeführten Flug … von Hamburg nach Dubai. Insofern ist der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO gemäß deren Art. 3 Abs. 1 lit. a) eröffnet. Es fehlt jedoch an einer ausgleichspflichtigen Verspätung, weil der Flug Dubai unstreitig nur mit einer Verspätung von 2 Stunden und 47 Minuten erreichte.

19. In Bezug auf den Flug … von Dubai nach Adelaide ist die FluggastrechteVO nicht anwendbar. Das erkennende Gericht schließt sich dazu den beiden Urteilen anderer Abteilungen des Amtsgerichts Hamburg in ähnlich gelagerten Fällen vom 25. September und 08. Oktober 2014 an (Urteil vom 25. September 2014 – 8 b C 115/14 –; Urteil vom 08. Oktober 2014 – 39 a C 59/14 –; a. A. unter Hinweis auf die einheitliche Buchung der Flugreise AG Hamburg, Urteil vom 27. August 2014 – 17 a C 167/14 – und Urteil vom 22. Oktober 2014 – 17 a C 308/14 –; ebenso obiter dicter LG Hamburg, Urteil vom 17.10.2014 – 309 S 150/13 – alle genannten Entscheidungen sind wohl (noch) nicht veröffentlicht).

20. Es ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei den Flügen von Hamburg nach Dubai und von Dubai nach Adelaide um selbständige Flüge im Sinne der FluggastrechteVO handelt. „Flug“ im Sinne der FluggastrechteVO ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (vgl. BGH, Urteil vom 07. Mai 2013 – X ZR 127/11 –, juris Rn. 10). Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route angeboten werden, so ist die Anwendbarkeit der FluggastrechteVO für jeden Flug gesondert zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Flüge von derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht werden können (BGH, Urteil vom 13. November 2012 – X ZR 12/12 –, juris, u. a. abgedruckt in NJW 2013, 682; ebenso Schmid/Degott/Hopperdietzel, Fluggastrechte-​Kommentar (online). Art. 3 Ziffer 13).

21. Der Flug … wurde jedoch weder im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats der EU angetreten, noch ist die Beklagte angesichts ihrer Hauptniederlassung und ihres satzungsmäßigen Sitzes in Dubai ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b), 2 lit. c) FluggastrechteVO.

22. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den Umständen, dass die beiden Flüge … und … direkte Anschlussflüge sind, gemeinsam bei der Beklagten gebucht wurden und das Endziel der Kläger Adelaide war.

23. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „für die Beurteilung der Frage, ob die Verspätung den für eine Ausgleichszahlung vorausgesetzten Umfang erreicht hat und in welcher Höhe hierfür ein Ausgleich zu erbringen ist, nicht das Ziel des einzelnen Flugs, sondern der letzte Zielort oder (gleichbedeutend) das Endziel (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der Verspätung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.“ Damit trage die FluggastrechteVO dem Umstand Rechnung, dass die Annullierung oder Verspätung eines Flugs die einzelnen Fluggäste unterschiedlich stark beeinträchtigen kann, je nachdem, wie sie sich auf die Erreichung des individuellen Endziels ihrer Flugreise auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 07. Mai 2013 – X ZR 127/11 –, juris Rn. 11).

24. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann aber nicht direkt auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil der Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Denn während in dem BGH-​Fall ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft beide Flüge ausführte – mit der Folge, dass der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO für beide Flüge eröffnet war – ist die Beklagte in diesem Fall kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft. Dies hat – wie bereits vorstehend ausgeführt – zur Folge, dass der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO für den zweiten Flug nicht eröffnet ist. Dann kann jedoch auch bei der Bestimmung des „letzten Zielorts“ bzw. des „Endziels“ im Sinne von Art. 2 lit. h) FluggastrechteVO nicht auf Adelaide abgestellt werden, sondern nur auf das letzte Ziel, für das der Anwendungsbereich der FluggastrechteVO eröffnet ist (man könnte dies auch als „Endziel im Sinne der FluggastrechteVO“ bezeichnen). Dies ist hier jedoch Dubai.

25. Sähe man dies anders, so wäre die FluggastrechteVO letztlich weltweit anwendbar selbst in Fällen, in denen mehrere Anschlussflüge hintereinander gebucht werden, die alle nicht von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats der EU angetreten und auch nicht von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durchgeführt werden. Einzige Voraussetzung wäre dann neben dem ursprünglichen Abflug von einem Flughafen im Gebiet der EU die gemeinsame Buchung der Flüge bei dem Luftfahrtunternehmen. Ein weltweiter Geltungsbereich auch für solche Luftfahrtunternehmen, die nicht solche der Gemeinschaft sind, ist aber mit Art. 3 Abs. 1 FluggastrechteVO nicht in Einklang zu bringen, unbeschadet der Frage danach, ob die Europäische Union überhaupt eine so weitreichende Rechtssetzungsbefugnis hat.

26. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 28. Mai 2009 (Az. Xa ZR 113/08, juris Rn. 8) für eine Flugreise von Frankfurt am Main über Washington nach Phoenix in den Vereinigten Staaten von Amerika entschieden. Er hat ausgeführt, dass die FluggastrechteVO auf den Flug von Washington nach Phoenix nicht anwendbar ist: „Nach Art. 3 Abs. 1 gilt die Verordnung für Fluggäste, die entweder einen Flug auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten, oder – sofern ausführendes Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist – für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen in einem Mitgliedstaat antreten. Da es sich bei dem Flug von Washington nach Phoenix um einen inneramerikanischen Flug mit einem amerikanischen Luftfahrtunternehmen gehandelt hat, liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger und seine Familie eine Flugreise von Frankfurt nach Phoenix gebucht haben. Denn der Flug i. S. der Verordnung ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die die Fluggäste unternehmen (EuGH, Urt. v. 10.7.2008 – C-​173/07, RRa 2008, 237 Tz. 32 – Emirates Airlines/Schenkel). Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 Buchst. h der Verordnung zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit“ an der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (EuGH, aaO Tz. 40). Dass der Fluggast eine einheitliche Buchung vornimmt, wirkt sich hierauf nicht aus (EuGH, aaO Tz. 51).“

27. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-​11/11 (Folkerts) folgt nichts anderes. In dem dort beurteilten Fall hat ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zumindest die Flüge von Bremen über Paris nach São Paulo durchgeführt. Dies reicht zur Begründung eines Ausgleichsanspruchs in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall aus. Bei der Aussage, es komme auf den Zielort des letzten Fluges an, handelt es sich insofern um ein obiter dictum, welches das erkennende Gericht nicht bindet. Konsequenter Weise hat der Europäische Gerichtshof die Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der FluggastrechteVO auch gar nicht problematisiert.

28. Zwar heißt es in der bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07. Mai 2013 – X ZR 127/11 –, juris Rn. 13) obiter dicter: „Dies bedeutet jedoch nur, dass eine Abflugverspätung und insbesondere eine Abflugverspätung, die das in Art. 6 bezeichnete Ausmaß überschreitet, nicht notwendige Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist, und darf nicht dahin missverstanden werden, dass die Abflugverspätung den Ausgleichsanspruch nicht begründen könnte, wenn der Anschlussflug zum Endziel für sich genommen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder selbst nicht mit Verspätung ausgeführt worden ist.“

29. In diesem Sinne hat auch das Landgericht Frankfurt bereits in einem Fall entschieden, in welchem durch den verspäteten Flug von Frankfurt am Main nach Singapur der von einer anderen Fluggesellschaft ausgeführte Anschlussflug von Singapur nach Yangon in Myanmar verpasst wurde (Beschluss vom 26.03.2013 – 2-​24 S 16/13, juris Rn. 15 f.): „Diese Verspätung am Endziel ist durch die Verspätung des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Frankfurt am Main nach Singapore entstanden. Durch diesen verspäteten Zubringerflug haben nämlich der Kläger und seine Ehefrau den direkten Anschlussflug nach Yangon verpasst und sind durch die Beklagte auf einen anderen Flug umgebucht worden. Dabei ist es auch unerheblich, dass der Anschlussflug von Singapore nach Yangon nicht durch die Beklagte selbst durchgeführt werden sollte sondern durch die Fluggesellschaft …. Der Umstand des Wechsels der Fluggesellschaft in Singapore hat für den Ausgleichsanspruch keine Konsequenz, da die Ursache für die Verspätung am Endziel die Beklagte mit dem verspäteten Zubringerflug gesetzt hat. Danach hat die Beklagte für die Verspätung am Endziel von mehr als drei Stunden einzustehen mit der Folge, dass sie an den Kläger eine Ausgleichszahlung von insgesamt 1.200,-​- Euro zu leisten hat.

30. Diese Ansicht überzeugt das erkennende Gericht jedoch nicht. Bei der Äußerung in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07. Mai 2013 – X ZR 127/11 –, juris Rn. 13) handelt es sich um ein obiter dictum, welches zudem im Konjunktiv gehalten ist, so dass das erkennende Gericht unter keinem Gesichtspunkt daran gebunden ist. Die Entscheidung erging in einem Fall, in dem die FluggastrechteVO auf beide Flüge, sowohl den von Berlin nach Madrid als auch den von Madrid nach San José in Costa Rica, ohne weiteres anwendbar war. Daraus ergibt sich, dass es auf die Frage nach der Anwendbarkeit der FluggastrechteVO auf den Anschlussflug nicht entscheidend ankam. Im Übrigen ist dieses obiter dictum auch nicht begründet, jedenfalls setzt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage der Anwendbarkeit der Verordnung nicht ausdrücklich auseinander. Er hat jedoch ebenfalls ausgeführt, dass „eine Störung, die erst bei einem Anschlussflug auftritt, für den die Verordnung nach Art. 3 Abs. 1 nicht gilt, einen Ausgleichsanspruch auch dann nicht begründen (kann), wenn sie dazu führt, dass das Endziel mit erheblicher Verspätung erreicht wird“ (BGH, Urteil vom 07. Mai 2013 – X ZR 127/11 –, juris Rn. 13 a. E.) und somit deutlich gemacht, dass die Verordnung auf den Anschlussflug anwendbar sein muss.

31. Aus der zitierten Entscheidung des Landgerichts Frankfurt ist – wenn auch nur implizit – zu entnehmen, dass die Verordnung offenbar auch auf einen Anschlussflug Anwendung finden soll, für den die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 der FluggastrechteVO nicht vorliegen (Anschlussflug von Singapur nach Yongan mit einer anderen Fluggesellschaft). Das wird allerdings nur damit begründet, dass der gering verspätete Erstflug, der unter die Verordnung fällt, die Ursache für die große Verspätung am Endziel gesetzt hat. Mit der Frage der Anwendbarkeit der Verordnung auf den Anschlussflug setzt sich das Landgericht Frankfurt nicht ausdrücklich auseinander. Das ist aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht richtig. Die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung ist vorrangig zu beantworten. Die Antwort kann sich in einem Fall wie dem hiesigen letztlich nur daraus ergeben, ob ein „Flug“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO vorliegt oder nicht, d. h. ob nur die jeweils einzelnen Flüge als „Flug“ anzusehen sind, oder aber die gesamte Flugreise. Das Kriterium, dass eine große Verspätung am Ziel der Flugreise durch eine geringe Verspätung in dem ersten, der Verordnung unterfallenden Flug, „entstanden ist“, kennt die FluggastrechteVO nämlich als Tatbestandsmerkmal oder Zurechnungskriterium nicht. Dies kann also auch nicht das entscheidende Merkmal für die Bejahung eines Ausgleichsanspruchs sein. Wollte man der Ansicht des des Landgerichts Frankfurt folgen, so liefe das darauf hinaus, dass man entgegen der bereits zitierten Rechtsprechung doch die gesamte Flugreise als einen Flug im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit a) FluggastrechteVO ansehen müsste. Das kann aber nicht richtig sein. Denn dann wäre die weitere Konsequenz, dass auch eine (einheitlich gebuchte) Flugreise mit einer außergemeinschaftlichen Fluggesellschaft mit zwei Umstiegen außerhalb des Gemeinschaftsgebiets (z. B. Flug mit Emirates von Frankfurt am Main über Dubai über Hong Kong nach Sidney) insgesamt der FluggastrechteVO unterfiele, so dass auch eine erst auf der zweiten (im Beispiel von Dubai nach Hong Kong) oder gar erst der letzten Teilstrecke (im Beispiel von Hong Kong nach Sidney) eingetretene Verspätung einen Ausgleichsanspruch zur Folge hätte. Denn es fehlt insofern an einem Abgrenzungskriterium, anhand dessen sich begründen ließe, warum nur der erste Anschlussflug von Dubai nach Hong Kong, der aufgrund einer geringen Verspätung des der Verordnung unterfallenden Erstfluges verpasst wird, nicht aber der zweite von Hong Kong nach Sidney unter die FluggastrechteVO fallen sollte.

32. Der BGH hat jedoch klargestellt, dass eine erst bei einem Anschlussflug auftretende Störung, für den die Verordnung nicht gilt, einen Ausgleichsanspruch nicht begründen kann (BGH, Urteil vom 07. Mai 2013 – X ZR 127/11 –, juris Rn. 13 a. E.). Danach ergibt sich schon kein Ausgleichsanspruch für eine auf dem ersten Anschlussflug eingetretene Verspätung (hier von Dubai nach Hong Kong). Das angerufene Gericht kann daher nicht erkennen, warum allein der kausale Zusammenhang zwischen gering verspätetem Erstflug aus der Gemeinschaft und sodann verpasstem außergemeinschaftlichem Anschlussflug unter den Regelungen der FluggastrechteVO zu deren Anwendbarkeit und damit zu einem Ausgleichsanspruch sollte führen können. Das gilt in besonderem Maße im Hinblick auf den vom Landgericht Frankfurt behandelten Fall, denn dort wurde der verpasste Anschlussflug von einer anderen Fluggesellschaft durchgeführt als der gering verspätete Erstflug (zur Frage einer gemeinsamen Buchung verhält sich der Beschluss nicht). Somit fehlte es dort an jeglichem „Zurechnungskriterium“, unter dem eine Ausgleichszahlung zu bejahen sein könnte. Denn man mag bei einheitlicher Buchung und Beförderung durch dieselbe Fluggesellschaft einen hinreichenden Zusammenhang zwischen Erst- und Anschlussflug und damit einen Ausgleichsanspruch begründen, wenn man darauf abstellt, dass die gesamte Flugreise von dem Luftfahrtunternehmen in der gebuchten Form angeboten wurde, daher das Luftfahrtunternehmen den Zusammenhang zwischen den Flügen kannte und für deren ordnungsgemäße, aufeinander abgestimmte Durchführung einstehen wollte (dem folgt das erkennende Gericht jedoch nicht, dazu sogleich). Allerdings entfällt dieses „Zurechnungskriterium“, wenn der Anschlussflug nicht von demselben Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird und zudem auch eine einheitliche Buchung nicht vorliegt bzw. – wie im zitierten Beschluss des Landgerichts Frankfurt – nicht festgestellt wurde. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum das den Erstflug ausführende Luftfahrtunternehmen für das Verpassen des vom Passagier selbst oder für ihn von einem Reisebüro hinzugebuchten Anschlussfluges mit einer anderen Fluggesellschaft, von dem das Luftfahrtunternehmen womöglich jedenfalls bei Buchung gar keine Kenntnis hatte, sollte einstehen müssen.

33. So hat auch bereits das Landgericht Hamburg entschieden: „Die gegenteilige Ansicht würde zu einer immensen Ausdehnung der Haftung von Luftfahrtunternehmen führen, denn sie hätten nicht nur für die unmittelbaren Folgen einer Verspätung ihrer eigenen Flüge zu haften, sondern darüber hinaus auch für lediglich mittelbare Folgen (das Verpassen des Anschlussfluges) einzustehen. Soweit nicht die in Anspruch genommene Fluglinie selbst auch den Anschlussflug durchführt oder jedenfalls für die einheitliche Buchung von Flug und Anschlussflug verantwortlich ist, liegt die Planung der Einzelflüge und deren freie Kombination allein im Verantwortungsbereich des Reisenden. Das Planungsrisiko insoweit der Fluggesellschaft aufzuerlegen, würde allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsätzen widersprechen, denn die Fluglinie würde nicht nur für ihr eigenes Verhalten und dessen unmittelbare Folgen haften, sondern auch für die von dritter Seite gesetzten mitursächlichen Umstände, obwohl sie auf diese keinerlei Einfluss hat.“ (LG Hamburg, Urteil vom 17.10.2014 – 309 S 150/13 – nicht veröffentlicht).

34. Es ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedoch auch grundsätzlich nichts anderes aus einer einheitlichen Buchung der gesamten Flugreise bei einer Fluggesellschaft, wie sie hier vorliegt. Die erkennende Abteilung folgt nicht den bereits genannten Urteilen des Amtsgerichts Hamburg, die eine andere Ansicht vertreten (Urteil vom 27. August 2014 – 17 a C 167/14 – und Urteil vom 22. Oktober 2014 – 17 a C 308/14 –; ebenso obiter dicter LG Hamburg, Urteil vom 17.10.2014 – 309 S 150/13 – nicht veröffentlicht), denn nach der ebenfalls bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2009 (BGH, – X ZR 12/12 –, juris Rn. 8 a. E., u. a. abgedruckt in NJW 2013, 682) kommt es auf eine gemeinsame Buchung der Flüge für die Frage nach der Anwendbarkeit der Verordnung auf den einzelnen Flug nicht an. Das wäre auch systemwidrig, denn die FluggastrechteVO gewährt einen gesetzlichen und keinen vertraglichen Ausgleichsanspruch, und sie knüpft ausweislich ihres Art. 5 Abs. 1 lit. c) i. V. m. Art. 2 lit. b) für den Ausgleichsanspruch auch gerade nicht notwendig an ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Passagier und ausführendem Luftfahrtunternehmen an, sondern allein daran, welches Unternehmen den Flug tatsächlich durchführt. Es kann daher für die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 Abs. 1 lit. c), 5 Abs. 1 FluggastrechteVO nicht darauf ankommen, wie eine möglicherweise vorhandene direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Luftfahrtunternehmen und dem Passagier ausgestaltet ist. Die Frage nach einer gemeinsamen Buchung bei demselben Luftfahrtunternehmen stellt jedoch auf das Vorhandensein einer Vertragsbeziehung und deren konkrete Ausgestaltung ab und muss daher bei der Betrachtung außen vor bleiben.

35. Der Zweck der FluggastrechteVO, ein hohes Niveau an Verbraucherschutz zu gewährleisten, wird durch diese Auslegung nicht in Frage gestellt. Denn die Verordnung enthält in ihrem Art. 3 ausdrückliche Regeln zu der Frage, wie weit sich der Geltungsbereich der FluggastrechteVO international und zugleich extraterritorial erstreckt. Eine konsequente Anwendung dieser Bestimmungen präzisiert daher nur die Grenzen der Anwendbarkeit, ohne die dahinterstehenden Verbraucherschutzgedanken zu berühren. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus würde zwar möglicherweise den Verbraucherschutz stärken, aber zugleich die Rechtssicherheit in einem nicht hinnehmbaren Maße beeinträchtigen. Die FluggastrechteVO stellt auch kein umfassendes Regelwerk dar, das sämtliche Fälle einer Beeinträchtigung eines Fluggastes als ausgleichungswürdig erachtet, sondern gewährt lediglich Mindestrechte für die von ihr speziell vorgesehenen Fälle in ihrem primär zu ermittelnden Anwendungsbereich.

36. Das von den Klägern angeführte Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 26.07.2013 (Az. 2- 24 S 47/12, juris) betrifft den hier in Rede stehenden Fall nicht. Entgegen der Behauptung der Kläger ging es dort nicht um einen Fall, in welchem sowohl der letzte Zielort der Flugreise als auch der Umsteigeflughafen außerhalb der Europäischen Union gelegen hätten. Vielmehr urteilte das Gericht betreffend eine Flugreise von Lissabon über Madrid nach Frankfurt am Main von (a. a. O. juris Rn. 7). Das Gericht kann daher nicht erkennen, wie die Kläger aus dieser Entscheidung etwas für sich ableiten wollen.

37. Auf die Frage, ob die nicht ausgleichspflichtige Verspätung des Flugs … ursächlich für das Verpassen des Fluges … war, kommt es somit nicht an.

38. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Montrealer Übereinkommen (MÜ), unabhängig davon, ob dieses überhaupt Anwendung findet. Denn für einen Anspruch nach Artt. 19, 29 MÜ hätten die Kläger einen konkreten Schaden darlegen müssen, woran es jedoch fehlt. Entsprechendes gilt mit Blick auf Art. 19 des Warschauer Abkommens (Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr).

39. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

40. Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von Honoraransprüchen. Dieser würde im Übrigen auch deshalb nicht bestehen, weil die Klage insoweit unschlüssig ist. Ausweislich des Schreibens vom 30.12.2013 (Anlage K1) haben die Kläger ihren späteren Prozessbevollmächtigten bereits unbedingten Klagauftrag erteilt, denn dort heißt es auf Seite 2: „(…), da wir ansonsten gehalten wären, ohne weiteres Schreiben oder Mahnung an Sie dem uns bereits vorliegenden Klagauftrag unserer Mandanten zu entsprechen (…)“. Daher lässt das Schreiben vom 30.12.2013 als zum Rechtszug gehörig nach § 19 Abs. 1 RVG keine Abrechnung einer gesonderten Geschäftsgebühr zu. Die Kläger haben zudem nichts dazu vorgetragen, nach welchem anwendbaren Recht ein entsprechender Anspruch überhaupt bestehen könnte. Der Anspruch ergibt sich nicht aus der FluggastrechteVO. Die Klage ist auch deshalb insoweit unschlüssig.

41. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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