Anspruch auf Ausgleichszahlung außerhalb der EU
LG Frankfurt: Anspruch auf Ausgleichszahlung außerhalb der EU
Zwei Fluggäste buchen einen Flug nach Rangun, mit Zwischenstop in Singapur. Weil der Flug nach Singapur verspätet ankam, verpassten sie ihren Anschlussflug. Sie verlangen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung.
Die Airline verweigert die Zahlung, weil die Verspätung sich außerhalb des europäischen Luftraums und somit außerhalb des Geltungsbereichs der entsprechenden Verordnung befinde.
Das Landgericht Frankfurt hat den Klägern Recht zugesprochen. Für den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung sei nicht entscheidend wo sich die Kläger aufhielten, sondern vielmehr wo das beklagte Luftfahrtunternehmen seinen Firmensitz habe.
LG Frankfurt | 2-24 S 16/13 (Aktenzeichen) |
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LG Frankfurt: | LG Frankfurt, Urt. vom 26.03.2013 |
Rechtsweg: | LG Frankfurt, Urt. v. 26.03.2013, Az: 2-24 S 16/13 |
AG Frankfurt, Urt. v. 13.12.2012, Az: 29 C 655/12 (11) | |
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Leitsatz:
2. Fluggäste die einen Anschlussflug außerhalb der EU verpassen, haben trotzdem einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger buchten bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, einen Flug von Frankfurt am Main bis nach Rangun, über Singapur. Sie kamen in Rangun mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden an.
Dies lag daran, dass der Flug von Frankfurt am Main nach Singapur sich verspätet hatte und die Kläger somit den gebuchten Weiterflug aus Singapur nach Rangun verpasst haben.
Die Kläger begehren von der Beklagten, einem europäischen Luftfahrtunternehmen, eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 wegen der verspäteten Ankunft.
Die Beklagte lehnt diese Forderung mit der Begründung ab, dass die Verspätung an einem Zielort außerhalb der europäischen Union eingetreten sei.
Das Landgericht Frankfurt hat den Klägern die begehrte Ausgleichszahlung zugesprochen. Da beide Flüge vom beklagten Luftfahrtunternehmen organisiert wurden, habe es die unmittelbaren Konsequenzen aus der Flugverspätung zu tragen. So sei die verspätete Zubringermaschine, mit Abflug in Frankfurt, der Grund für das Verpassen des Anschlussfluges in Singapur.
Für die Verspätung sei die Lage des Ankunftsortes zudem irrelevant. Es käme auf die Herkunft des Luftfahrtunternehmens und den Startflughafen an. Da es sich um eine deutsche Airline handele und die Teilflüge, in diesem Zusammanhang als Einheitsflug angesehen, in Frankfurt starteten, sei Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorliegend anwendbar.
Weil die Verspätung eine Dauer von 3 Stunden deutlich überschritten habe, stehe den Klägern die geforderte Zahlung zu.
Tenor:
4. In dem Rechtsstreit wird die Beklagte und Berufungsklägerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Die Beklagte mag binnen 3 Wochen Stellung nehmen.
Gründe:
5. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet nach derzeitiger Aktenlage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zudem weist die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung auf und die Fortbildung des Rechts- oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung nicht. Darüber hinaus ist eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten.
6. Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2012 (Az. 29 C 655/12 – 1) ist nach derzeitiger Kammerauffassung jedenfalls im Ergebnis zutreffend.
7. Zwar rügt die Beklagte zu Recht, dass das Amtsgericht rechtsirrig von einem einheitlichen Flug von Frankfurt am Main via Singapore nach Yangon ausgegangen ist. Nach der vom BGH (Urteile vom 13.11.2012, Az. X ZR 12/12 u. X ZR 14/12) bestätigten Rechtsprechung der Kammer ist in Fallkonstellationen wie der vorliegenden von zwei eigenständigen separaten Flügen auszugehen, also von Frankfurt am Main nach Singapore und von Singapore nach Yangon.
8. Jedoch verhilft dieser festgestellte Rechtsfehler der Berufung im Ergebnis nicht zum Erfolg.
9. Nunmehr maßgeblich ist nämlich das Urteil des EuGH vom 26.02.2013 (Az. C-11/11, zit. nach juris), mit dem sich die Berufungsbegründung jedoch nicht auseinandersetzt. Durch dieses Urteil ist u.a. die Rechtsprechung der Kammer zur Notwendigkeit einer Abflugverspätung überholt.
10. In diesem Urteil hat der EuGH ausgeführt:
11.“32. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass Fluggäste, die eine große Verspätung erleiden, d. h. eine Verspätung von drei Stunden oder mehr, ebenso wie Fluggäste, deren ursprünglicher Flug annulliert wurde und denen das Luftfahrtunternehmen keine anderweitige Beförderung unter den in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Voraussetzungen anbieten kann, einen Ausgleichsanspruch auf der Grundlage von Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 haben, da sie in ähnlicher Weise einen irreversiblen Zeitverlust und somit Unannehmlichkeiten erleiden (vgl. Urteile Sturgeon u.a., Randnrn. 60 und 61, und vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a., C-581/10 und C-629/10,noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 34 und 40).
12. Da diese Unannehmlichkeiten im Fall verspäteter Flüge bei der Ankunft am Endziel eintreten, hat der Gerichtshof entschieden, dass das Vorliegen einer Verspätung für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichszahlung anhand der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel beurteilt werden muss (vgl. Urteile Sturgeon u. a., Randnr. 61, sowie Nelson u. a., Randnr. 40).
13. Der Begriff „Endziel“ wird in Art. 2 Buchst, h der Verordnung Nr. 261/2004 definiert als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges.
14. Daraus folgt, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen pauschalen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankommt, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel, d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt wird.
15. Drittens betrifft Art. 6 der Verordnung Nr. 261/2004, der sich auf die Verspätung eines Fluges gegenüber der planmäßigen Abflugzeit bezieht, nach seinem Wortlaut nur die Festlegung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf die in den Art. 8 und 9 der Verordnung vorgesehenen Unterstützungs- und Betreuungsleistungen.
16. Daraus folgt, dass die pauschale Ausgleichszahlung, auf die ein Fluggast nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 Anspruch hat, wenn sein Flug das Endziel drei Stunden oder mehr nach der planmäßigen Ankunftszeit erreicht, nicht von der Einhaltung der in Art. 6 der Verordnung genannten Voraussetzungen abhängt.“
17. Danach kommt es für die Leistung einer Ausgleichszahlung einzig und allein nur auf eine Verspätung am Endziel von mindestens drei Stunden an. Diese Betrachtungsweise gilt auch im Falle eines Fluges mit Anschlussflügen.
18. Vorliegend sind der Kläger und seine Ehefrau am Endziel Yangon, wobei sie bereits in Frankfurt am Main durch die Beklagte bis zum Endziel „durchgecheckt“ worden sind, mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden angekommen.
19 Diese Verspätung am Endziel ist durch die Verspätung des von der Beklagten durchgeführten Fluges von Frankfurt am Main nach Singapore entstanden. Durch diesen verspäteten Zubringerflug haben nämlich der Kläger und seine Ehefrau den direkten Anschlussflug nach Yangon verpasst und sind durch die Beklagte auf einen anderen Flug umgebucht worden.
20. Dabei ist es auch unerheblich, dass der Anschlussflug von Singapore nach Yangon nicht durch die Beklagte selbst durchgeführt werden sollte sondern durch die Fluggesellschaft …. Der Umstand des Wechsels der Fluggesellschaft in Singapore hat für den Ausgleichsanspruch keine Konsequenz, da die Ursache für die Verspätung am Endziel die Beklagte mit dem verspäteten Zubringerflug gesetzt hat. Danach hat die Beklagte für die Verspätung am Endziel von mehr als drei Stunden einzustehen mit der Folge, dass sie an den Kläger eine Ausgleichszahlung von insgesamt 1.200,- Euro zu leisten hat.
21. Danach stellt sich das amtsgerichtliche Urteil derzeit jedenfalls im Ergebnis als richtig dar.
22. Nach all dem hat die Berufung derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
23. Die Beklagte mag zu den Hinweisen der Kammer und zur Möglichkeit einer Berufungsrücknahme binnen 3 Wochen Stellung nehmen.
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