Erstattung der Stornokosten
AG Hamburg: Erstattung der Stornokosten
Ein Reiseveranstalter verlangt über eine Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine 100 %tige Stornierungspauschale von seinem Kunden. Der Reisende hält die Klausel für unzulässig und weigert sich der Zahlung
Das Amtsgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen. Die Klausel benachteilige den Kunden unangemessen und verstoße daher gegen Treu und Glauben.
AG Hamburg | 644 C 172/06 (Aktenzeichen) |
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AG Hamburg: | AG Hamburg, Urt. vom 16.10.2006 |
Rechtsweg: | AG Hamburg, Urt. v. 16.10.2006, Az: 644 C 172/06 |
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Leitsatz
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dem Kunden eine 100 %tige Stornierungspauschale auferlegen, sind unzulässig.
Zusammenfassung:
3. Ein Reisender buchte bei einem Reiseveranstalter einen Hotelurlaub. Im Anschluss an die Online-Buchung sendete der Veranstalter dem Reisenden eine Buchungsbestätigung zu. Dieser angehangen war eine Liste mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. In diesen war eine Klausel enthalten, die dem Reisenden im Falle einer Stornierung eine 100 %tige Stornierungspauschale auferlegte.
Im Anschluss an die Stornierung verlangte der Veranstalter die Zahlung des Reisepreises als Stornierungsgebühr. Der Reisende verweigert die Zahlung und verneint, der Pauschale zugestimmt zu haben.
Das Amtsgericht Hamburg hat dem Reisenden Recht zugesprochen. Vorliegend seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht in den Reisevertrag aufgenommen worden. Darüberhinaus sei die von dem Veranstalter genutzte Klausel unwirksam.
Eine Klausel, in der sich der Reisende verpflichtet, Stornokosten in Höhe von 100 % zu übernehmen, ist wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtig.
Außerdem räume die Klausel den Kunden nicht die Möglichkeit ein, einen niedrigeren Schaden nachzuweisen.
Tenor
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
5. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung Kosten für die Stornierung einer Reise.
6. Die Klägerin betreibt ein Internet-Reisebüro, insbesondere die Internetplattform „…“. Der Beklagte plante eine Reise nach Mauritius. Zur Buchung eines Fluges setzte er sich telefonisch am 15.4.2005 mit einer Mitarbeiterin der Klägerin in Verbindung und erkundigte sich nach verschiedenen Reiseterminen, u.a. nach einem möglichen Termin vom 8.6.2005 bis zum 3.7.2005. Die Mitarbeiterin der Klägerin konnte dem Beklagten einen Hinflug am 4.6.2005 und einen Rückflug am 26.6.2005 zu einem Preis von EUR 1.656,00 anbieten. Der weitere Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
7. Der Beklagte behauptet, er habe die Mitarbeiterin der Klägerin darum gebeten, den Termin für den Flug an 4.6.2005 zu „blockieren“, wobei er darauf hingewiesen habe, dass er damit eine unverbindliche Reservierung für mehrere bzw. einige Stunden gemeint habe. Die Mitarbeiterin der Klägerin habe dann nach der Personalausweisnummer des Beklagten gefragt. Auf dessen Nachfrage habe diese mitgeteilt, dass diese nach der Buchungsbestätigung per E-Mail als virtuelle Unterschrift diene. Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am 14.5.2005 verbindlich eine Flugreise für einen Flug von Hamburg nach Mauritius und zurück gebucht. In dem Telefonat sei der Beklagte auf die Reisebedingungen des Veranstalters C. und auf die Verbindlichkeit der Buchung ausdrücklich hingewiesen worden.
8. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist wegen der Kosten bei der Stornierung eines Auftrages auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Reiseveranstalters verwiesen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der C. finden sich – abhängig von der Tarifart – unterschiedliche Pauschalierungen. Hinsichtlich der sog. Special-Offer-Tarife“ findet sich folgende Regelung:
9. „Special-Offer Tarif: 80 % vom Flugpreis bis 1 Tag vor Reiseantritt. 100 % vom Flugpreis am Reiseantrittstag oder danach, sofern die Reise nicht angetreten wurde…“.
10. Mit E-Mail vom 15.4.2005 übersandte die Klägerin dem Beklagten ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
11. „Reiseanmeldung/Bestätigung/Rechnung Nr.: … Den Gesamtpreis überweisen sie bitte sofort…auf unser Konto … Die Special-Offer Tarife der C. sind Sondertarife und sofort vom Kunden zu bezahlen. Bei diesen Tarifen entstehen 100 % Stornogebühren. Bitte überprüfen sie diese Reiseanmeldung/Bestätigung/Rechnung auf ihre Richtigkeit. Anmeldung für die oben bezeichnete Reise: Ich erkenne, zugleich für alle mitreisenden Personen, die Reisebedingungen des Veranstalters … Und die Beförderungsbedingungen der beteiligten Verkehrsträger an. Ich wurde auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Reiserücktrittsversicherung hingewiesen. Die Reisebedingungen im Internet habe ich gelesen … (Unterschrift des Kunden) … Bitte senden Sie diese e-Mail mit der Bemerkung ‚Reisedaten OK’ an uns zurück. Sollten Sie noch eine Änderung, bzw. Korrektur Ihrer Reisedaten wünschen, melden Sie sich bitte umgehend telefonisch unter …“.
12. Mit E-Mails vom 16.4.2005 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er den Flug storniere. Mit E-Mail vom 16.4.2005 stellte die Klägerin dem Beklagten für die Stornierung einen Betrag von EUR 1.324,00 in Rechnung. Auch in dieser E-Mail heißt es:
13. „Die Special-Offer Tarife der C. sind Sondertarife und sofort vom Kunden zu bezahlen. Bei diesen Tarifen entstehen 100 % Stornogebühren.“
14. Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt der E-Mails wird auf die zur Akte gereichten Kopien Bezug genommen (Bl. 11-15 d.A.). Die Klägerin glich die Stornorechnung des Veranstalters T. vom 18.4.2005 aus.
15. Die Klägerin meint, der Beklagte schulde Stornokosten in Höhe von 100 % des Reisepreises. In der Reisebestätigung vom 15.4.2005 sei auf die Stornokosten hingewiesen worden. Mit ihrer Klage macht sie zudem Mahn- und Inkassokosten geltend.
16. Im Mahnverfahren hat die Klägerin als Nebenforderungen auch noch Kontoführungskosten in Höhe von EUR 20,00 sowie Auskunftskosten in Höhe von EUR 0,75 geltend gemacht.
17. Im streitigen Verfahren hat sie zunächst beantragt den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 1.324,00 nebst Zinsen in Höhe von 5,00 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit dem 15.5.2005 sowie EUR 177,50 Inkassokosten und EUR 7,50 Mahnkosten zu zahlen.
18. Mit Schriftsatz vom 19.4.2006 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Inkasso- sowie der Mahnkosten teilweise sowie hinsichtlich der Auskunfts- und Kontoführungskosten vollständig zurückgenommen.
19. Nunmehr beantragt sie den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 1.324,00 nebst Zinsen in Höhe von 5,00 Prozentpunkten über Basiszinssatz hieraus seit dem 15.5.2005 sowie EUR 81,90 Inkassokosten und EUR 5,00 Mahnkosten zu zahlen.
20. Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
21. Er meint, es fehle schon an einem Vertragsschluss zwischen ihm und der Klägerin.
Entscheidungsgründe
22. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
23. Der Klägerin steht die geltend gemachte Klagforderung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kann dabei offenbleiben, ob zwischen den Parteien durch das Telefonat am 15.4.2005 ein Reisevertrag zustande gekommen ist oder nicht. Selbst wenn man einmal den Sachvortrag der Klägerin als richtig unterstellt, ergibt sich der klagweise geltend gemachte Anspruch nicht.
24. Der Klägerin steht schon deshalb ein Anspruch nicht zu, weil eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Stornokosten nicht, jedenfalls nicht wirksam vereinbart worden ist.
25. Maßgeblich ist zunächst der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Ein Reisevertrag kommt dabei mit der Einbuchung zustande, die nachfolgende Buchungsbestätigung sowie die Reisebestätigung und die Rechnung haben keine Bedeutung für den Vertragsschluss mehr zustande gekommen sein. Es ist jedoch zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass die Mitarbeiterin der Klägerin der Beklagten in diesem Telefongespräch nicht darauf hingewiesen hat, dass Stornokosten in Höhe von 100 % anfallen und diese vom Beklagten zu übernehmen sind. Der Beklagte hat dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin erklärt. Dies wurde von der Klägerin nicht bestritten.
26. Eine nachträgliche Vereinbarung der Stornokosten ist auch nicht durch die E-Mail vom 15.4.2005 erfolgt. Es ist schon zweifelhaft, ob hierin überhaupt ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages erblickt werden kann. Selbst wenn man hiervon jedoch ausgehen wollte, wäre eine dahingehende Vereinbarung jedenfalls mangels Annahme durch den Beklagten nicht zustande gekommen. Dieser hat einen dahingehenden Annahmewillen jedenfalls nicht gegenüber der Klägerin gezeigt. Im Gegenteil hat der Beklagte in seiner darauf folgenden E-Mail erklärt, er wolle die Reise stornieren. Es ist kein Verhalten des Beklagten dargetan, mit dem er ein Angebot der Klägerin auf Übernahme der Stornokosten angenommen hat. Aber selbst wenn der Beklagte das Angebot der Klägerin auf Übernahme der Stornokosten angenommen haben sollte, wäre dieses Angebot jedenfalls der Klägerin nicht zugegangen i.S. des § 130 BGB. Der Zugang war auch nicht nach § 151 BGB entbehrlich. Wie sich aus dem Wortlaut der E-Mail der Klägerin vom 15.4.2005 ergibt, sollte noch eine weitere Bestätigung der Reisedaten erfolgen. Damit ist nichts dafür ersichtlich, dass auf den Zugang einer etwaigen Annahmeerklärung verzichtet werden sollte.
27. Aber selbst wenn man einmal unterstellt, die Übernahme der Stornokosten sei durch die E-Mail vom 15.4.2005 vereinbart worden, wäre dies jedenfalls nicht wirksam erfolgt. Denn bei dem Hinweis, dass für den Flug Stornokosten in Höhe von 100 % anfallen, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin diesen Hinweis gegenüber einer Vielzahl von Kunden verwendet. Jedenfalls finden die §§ 307 – 309 BGB vorliegend gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Eine Klausel, in der sich der Reisende verpflichtet, Stornokosten in Höhe von 100 % zu übernehmen, ist jedoch zum einen wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und zum anderen wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 b) BGB. Letzteres ist deswegen der Fall, weil die Klausel dem Kunden nicht die Möglichkeit einräumt, einen niedrigeren Schaden nachzuweisen. Es mag zwar sein, dass die formularmäßige Übernahme von Stornokosten dann keinen Bedenken begegnet, wenn es sich um Sonderangebote bzw. Sondertarife handelt
28. Hierzu hat die Klägerin allerdings nichts substantiiert vorgetragen. Zudem könnten bei einer frühzeitigen Stornierung auch nicht 100 % verlangt werden, so wie es in der E-Mail heißt. Letztlich kann dies allerdings auch dahinstehen. Selbst wenn es sich bei den „…“ um Sonderangebote in diesem Sinne handeln sollte, wäre die Klausel in der E-Mail vom 15.4.2005 jedenfalls deswegen unwirksam, weil in einem solchen Fall allenfalls die unangemessene Benachteiligung, nicht aber der Verstoß gegen § 309 Nr. 5 b) BGB beseitigt wäre. Letzteres ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin unstreitig dem Veranstalter gegenüber die Stornokosten beglichen hat. Denn für die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist stets eine abstrakte Betrachtungsweise anzuwenden es kommt daher für die Frage der Unwirksamkeit nicht darauf an, ob dem Beklagten in concreto der Beweis einer geringeren Schadens möglich gewesen wäre oder nicht. Ferner könnten auch bei Vorliegen eines Sondertarifs bzw. eines Sonderangebots lediglich dann Stornokosten in Höhe von 100 % geltend gemacht werden, wenn hierauf bei Vertragsschluss, nämlich der Buchung, hingewiesen worden ist
29. Dass dies nicht der Fall gewesen ist, ist zwischen den Parteien aber, wie dargelegt, unstreitig geblieben. Auch hier genügt der Hinweis in der E-Mail vom 15.4.2005 nicht, weil dieser nach dem Vortrag der Klägerin selbst erst nach Vertragsschluss erfolgt ist.
30. Eine wirksame Übernahmevereinbarung ist auch nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bzw. des Reiseveranstalters getroffen worden. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin selbst findet sich keine konkrete Klausel hinsichtlich der Übernahme von Stornokosten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters sehen zwar eine entsprechende Kostenübernahme vor. Abgesehen davon, dass auch diese Regelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, jedenfalls aber gemäß § 309 Nr. 5 b) BGB unwirksam sein dürfte, sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters schon nicht wirksam gemäß § 305 Abs. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden. Auch hierbei kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an, nach dem Vortrag der Klägerin demnach auf das Telefonat vom 15.4.2005. Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, dass sie schon in diesem Telefonat auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters hingewiesen und dem Beklagten zugleich die Möglichkeit eingeräumt hat, in zumutbarer Weise Kenntnis von den Geschäftsbedingungen zu nehmen. Hierzu genügt insbesondere nicht, dass lediglich abstrakt auf die Geltung der Geschäftsbedingungen hingewiesen wird, weil dann jedenfalls die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht erfüllt sind
31. Darüber hinaus sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters auch nicht durch den nachfolgenden E-Mail-Verkehr wirksam Vertragsbestandteil geworden. Insoweit gilt hier nichts anderes als für die fehlende Übernahmevereinbarung durch die in der E-Mail verwendete Klausel, es seien 100 % Stornokosten zu zahlen. Dass der Beklagte mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einverstanden gewesen ist, so wie § 305 Abs. 2 BGB dies verlangt, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich
32. Fehlt damit eine wirksame Übernahme der Stornokosten durch den Beklagten, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung. Danach kann die Klägerin nur gemäß § 649 Satz 1 BGB eine angemessene Entschädigung verlangen, wobei sie sich ersparte Aufwendungen in Abzug bringen lassen muss. Fehlt eine (wirksame) vertragliche Übernahmevereinbarung, kann die Höhe der Entschädigung gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.
33. Entgegen einer zum Teil in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht kann hierbei nicht auf die allgemein in der Reisebranche üblichen Stornoklauseln abgestellt werden. Denn wollte man auf die branchenüblichen Stornoklausel zurückgreifen, läge ersichtlich kein Risiko mehr in der Verwendung unangemessener Klauseln. Gerade dies soll durch das Verbot der geltungserhaltende Reduktion jedoch verhindert werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Branchenüblichkeit der Sätze nichts dazu aussagt, ob die Sätze angemessen sind und daher einer richterlichen Schätzung zugrunde gelegt werden können
34. Insbesondere hätten es dann die Reiseveranstalter selbst in der Hand, durch Verwendung entsprechender Klauseln die Grundlage für die Schätzung zu schaffen. Dies ist nicht nur mit Treu und Glauben, sondern darüber hinaus mit der sich aus § 306 Abs. 2 BGB ergebenden Rechtsfolge, nämlich der Geltung des dispositiven Rechts unvereinbar. Die danach für eine richterliche Schätzung des konkreten Schadens erforderlichen Tatsachen hat die Klägerin aber nicht vorgetragen. Schon aus diesem Grund ist die Klage abzuweisen
35. Alleine der Umstand, dass die Klägerin Stornokosten in Höhe von 80 % des Reisepreises an den Veranstalter entrichtet hat, genügt nicht, weil nicht erkennbar ist, auf welcher Grundlage diese Zahlung erfolgte. Auch auf die Hinweise des Gerichts im Termin hat die Klägerin hierzu nichts vorgetragen. Es bedarf aber keiner weiteren Ausführungen dazu, dass die Klägerin die an den Veranstalter überwiesenen Stornokosten allenfalls dann von dem Beklagten verlangen könnten, wenn diese zu Recht von der Klägerin an den Veranstalter gezahlt wurden.
36. Aber selbst wenn man einmal unterstellen würde, der Klägerin stünde im Grundsatz ein Entschädigungsanspruch nach § 649 Satz 2 BGB zu, wäre der Beklagte nicht verpflichtet, diese Entschädigung zu leisten. Dies ergibt sich daraus, dass einem solchen Anspruch gemäß § 242 eine dauerhafte Einrede entgegenstünde („dolo agit qui petit quod statim redditurus est“). Denn der Beklagte hätte in diesem Fall einen Anspruch gegen die Klägerin auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit unter dem Gesichtspunkt eines Aufklärungsverschuldens. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin schon nach ihrem eigenen Sachvortrag ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt hat. Zum einen wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, den Beklagten vor Vertragsschluss, also – nach Auffassung der Klägerin – schon in dem Telefongespräch am 15.4.2005 darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Stornierung Stornokosten in Höhe von 100 % anfallen
37. Zum anderen war die Klägerin auch verpflichtet, den Beklagten vor Vertragsschluss auf die Möglichkeit einer Reiserücktrittskostenversicherung hinzuweisen.
38. Dass sie dies im Rahmen des Telefonats am 15.4.2005 nicht getan hat ist, wie dargelegt – zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Der Hinweis in der E-Mail vom 15.4.2005 genügt nicht, weil nach dem Vortrag der Klägerin zu diesem Zeitpunkt der Vertrag bereits geschlossen worden ist. Hinweise in einer Reisebestätigung genügen aus diesem Grund nicht
39. Hätte die Klägerin den Beklagten ordnungsgemäß aufgeklärt, ist davon auszugehen, dass der Beklagte die Reise nicht gebucht bzw. eine entsprechende Reisenkostenrücktrittsversicherung abgeschlossen hätte, die die nunmehr eingeklagten Stornokosten übernommen hätte. Es dabei nicht erforderlich nachzuweisen, wie sich der Beklagte tatsächlich bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung verhalten hätte.
40. Bei psychisch vermittelten Kausalitäten ist darauf abzustellen, wie sich ein wirtschaftlich denkender Geschädigter in der konkreten Situation verhalten hätte
41. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beklagte zur Vermeidung des Kostenrisikos die Reise gar nicht bzw. nur bei Einräumung eines entsprechenden Versicherungsschutzes gebucht hätte, insbesondere nachdem der Beklagte selbst dargelegt hat, er habe zunächst einen Flug zu einer anderen Zeit buchen wollen. Wenn die Klägerin demnach verpflichtet wäre, den Beklagten vom dem durch die Aufklärungspflichtverletzung entstandenen Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB freizustellen, kann sie nicht nach § 649 Satz 2 BGB eine Entschädigung verlangen.
42. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung bzw. einer Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Auch wenn die Klägerin dem Veranstalter 80 % des Reisepreises gezahlt hat, begründet dies noch keine Ansprüche gegen den Beklagten. Zum einen ist der Beklagte nicht bereichert, weil er durch diese Zahlung nichts erlangt hat. Zum anderen hat die Klägerin damit kein Geschäft des Beklagten besorgt. Weitere Rechtsgrundlagen, die den Anspruch der Klägerin begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
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