Feststellung erheblicher Reisebeeinträchtigungen
LG Frankfurt: Feststellung erheblicher Reisebeeinträchtigungen
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann eine Reise in ein Hotel auf den Malediven gebucht. Nach ihrer Ankunft stellte sie unter anderem am Strand des gebuchten Hotels erhebliche Mängel fest, was sie der Beklagten umgehend mitteilte. Als die Klägerin daraufhin von der Beklagten in ein alternatives Hotel umgebucht wurde, stellte sie auch dort erhebliche Mängel fest und beendete daraufhin ihre Reise frühzeitig. Sie fordert nun von der Beklagten Kostenerstattungen und Schadensersatz.
Das Landgericht Frankfurt Frage klärt hier unter anderem die Frage, wann eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, die einen Reisenden zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt. Hierzu muss die Fortsetzung einer Reise aufgrund ihrer von Beeinträchtigungen für den Reisenden unzumutbar sein, was in der Regel ab einer Minderungsquote von 35% fiktiv festgelegt werden kann. Im vorliegenden Fall sei die Kündigung der Klägerin folglich berechtigt gewesen.
LG Frankfurt | 2-24 O 66/10 (Aktenzeichen) |
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LG Frankfurt: | LG Frankfurt, Urt. vom 21.02.2011 |
Rechtsweg: | LG Frankfurt, Urt. v. 21.02.2011, Az: 2-24 O 66/10 |
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Leitsatz:
2. Eine erhebliche Beeinträchtigung, die den Reisenden zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt, ist gegeben, wenn eine fiktive Minderungsquote von 35% festgesetzt werden kann.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann eine Reise in ein Hotel auf den Malediven gebucht. Nach ihrer Ankunft stellte sie am Strand des gebuchten Hotels erhebliche Mängel fest. Dieser sei vollständig mit Geröll und Steinen übersät gewesen, was ein gefahrloses Baden im Meer unmöglich gemacht habe. Als die Klägerin nach einer Mängelanzeige bei der Beklagten in ein alternatives Hotel umgebucht wurde, stellte sie auch dort erhebliche Mängel fest und beendete daraufhin ihre Reise frühzeitig. Sie fordert nun von der Beklagten Kostenerstattungen und Schadensersatz.
Das Landgericht Frankfurt hält die Klage für berechtigt und spricht der Klägerin einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises zu. Die Kündigung des Reisevertrages durch die Klägerin sei demnach wirksam gewesen, weil die festgestellten Mängel an der Reiseleistung gemäß §§ 651e I 1 u. III, 638 III BGB so erheblichen gewesen seien, dass sie eine Kündigung des Vertrages rechtfertigten.
Die zentrale Frage dieses Rechtsstreits ist, ab welcher Minderungsquote eine erhebliche Beeinträchtigung einer Reise vorliegt, die den Reisenden zur Kündigung des Reisevertrages berechtigt. Hierzu muss die Fortsetzung einer Reise auf Grund ihrer Ausgestaltung und bestimmter Beeinträchtigungen für den Reisenden unzumutbar sein.
Laut dem Landgericht in Frankfurt ist dies der Fall, wenn eine Minderungsquote, unter Betrachtung der Umstände im konkreten Fall, von 35% fiktiv festgelegt werden kann. In vorgehenden Entscheidungen legten andere Kammern diese Grenze jedoch auch bei 20 % bzw. 50 % fest. Die betreffende Minderungsquote kann durch Zusammenrechnen der einzelnen Minderungsansprüche für die entsprechenden Reisemängel erzielt werden.
Im vorliegenden Fall sei die Kündigung der Klägerin berechtigt gewesen, weil bspw. der im Prospekt beworbene Sandstrand schlicht nicht existent gewesen sei. Vielmehr habe sich am Badeort lediglich ein mit Steinen und Geröll übersäter Strand befunden, der das unbeschwertes Baden unmöglich gemacht habe.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.185,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2010 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
5. Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Reiseveranstalterin reisevertragliche Gewährleistungsrechte geltend.
6. Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann eine Reise in das Hotel … auf dem Haa-Alifu-Atoll auf den Malediven für die Zeit vom 09.11. – 04.12.2009 zu einem Gesamtreisepreis von 7.411,- Euro.
7. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Reisebestätigung vom 21.08.2009 (Bl. 10 – 12 d.A.) und die Prospektbeschreibungen (Bl. 13 d.A.) Bezug genommen.
8. Die Klägerin macht geltend, dass die gebuchte Insel erhebliche Mängel aufgewiesen habe.
9. Unter dem 12.11.2009 wandte sich die Klägerin an die Reiseleitung der Beklagten und rügte verschiedene Mängel.
10. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die entsprechende schriftliche Notiz vom 03.12.2009 (Bl. 16 d.A.) Bezug genommen.
11. Unter dem 20.11.2009 wandte sich die Klägerin erneut an die Reiseleitung der Beklagten und rügte weitere verschiedene Mängel.
12. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die entsprechende schriftliche Notiz vom 03.12.2009 (Bl. 16 d.A.) Bezug genommen.
13. Die Beklagte bot als Abhilfe einen Wechsel auf die Insel Dhonveli an. Die Klägerin und ihr Ehemann zogen sodann unter dem 22.11.2009 in das … auf der Insel Dhonveli im Südosten des Nord Male Atolls.
14. Die Klägerin macht geltend, dass auch das Ersatzhotel und die Ersatzinsel mangelhaft gewesen seien.
15. Insoweit wandte sich die Klägerin erneut an die Reiseleitung der Beklagten und rügte verschiedene Mängel bzgl. der Ersatzunterbringung.
16. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die entsprechende schriftliche Notiz vom 24.11.2009 (Bl. 17 d.A.) Bezug genommen.
17. Am 24.11.2009 erklärte die Klägerin gegenüber der Reiseleitung der Beklagten, dass sie abreisen werde. Sodann traten die Klägerin und ihr Ehemann am 24.11.2009 die Heimreise an.
18. Für die Rückreise musste die Klägerin eine Umbuchungsgebühr in Höhe von 300,- Euro entrichten (vgl. Bl. 22 d.A.).
19. Mit Schreiben vom 10.12.2009 (Bl. 19 – 21 d.A.), auf das Bezug genommen wird, meldete die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten an.
20. Die Klägerin macht nunmehr die Rückzahlung der Umbuchungsgebühr, Minderungsansprüche und Rückzahlungsansprüche aufgrund der Kündigung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.
21. Die Klägerin behauptet, die Reise sei mit erheblichen Reisemängeln behaftet gewesen. Unter anderem behauptet die Klägerin:
22. Die gebuchte Insel habe sich als Trümmerwüste dargestellt. Der gesamte Strand sei mit Geröll und Steinen übersät gewesen. Die Geröll- und Gesteinsbrocken hätten auch bis weit ins Meer hineingeragt. Daher sei ein gefahrloses Baden im Meer nicht möglich gewesen auch nicht von den Badestegen aus. Weiterhin sei der Strand nicht gereinigt worden. Die Insel sei in einem heruntergekommenen und verwahrlosten Zustand gewesen. Gemäß Reiseprospekt versprochene Schnorchelausflüge hätten nicht stattgefunden.
23. Der Strand auf der Zweiten Insel habe sich in dem gleichen schlechten Zustand befunden wie auf der ursprünglich gebuchten Insel. Das Hotelzimmer sei hellhörig gewesen. Das Bad sei verschimmelt gewesen.
24. Hinsichtlich der Einzelheiten zu allen behaupteten Mängeln wird auf die Klageschrift vom 24.03.2010 (Bl. 1ff. d.A.), den Schriftsatz vom 02.07.2010 (Bl. 42ff. d.A.), vom 20.12.2010 (Bl. 91ff, d.A.), vom 07.01.2011 (BL 101ff, d.A.) und die eingereichten Lichtbilder Bezug genommen
26. 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.185,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 11.01.2010 zu zahlen,
27. 2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 546,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerhebung (17.05.2010) zu zahlen.
30. Die Beklagte stellt das Vorliegen von Reisemängeln in Abrede.
31. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie für die Strand- und Badeverhältnisse nicht einzustehen habe. Diese Zustände seien auf kurz vor Reiseantritt der Klägerin aufgetretenen Schlechtwetterverhältnisse zurückzuführen. Insoweit seien Teile des Strandes abgespült worden. Jedoch sei noch eine Bademöglichkeit von den vorhandenen Stegen aus gegeben gewesen.
32. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Verhältnisse vor Ort eine Kündigung gem. § 651e I BGB nicht gerechtfertigt hätten.
33. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird insbesondere auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.11.2010 (Bl. 81ff. d.A.) Bezug genommen.
34. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
35. Die zulässige Klage ist begründet.
1.
36. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer wirksamen Kündigung des Reisevertrages wegen Reisemängeln gemäß §§ 651e I 1 u. III, 638 III BGB in Höhe von insgesamt 4.885,76 Euro.
a.
37. Die Voraussetzungen für eine vorrangig zu beachtende Kündigung wegen höherer Gewalt gem. § 651j BGB vermag das Gericht aufgrund des Parteienvortrags im Ergebnis nicht festzustellen.
38. Insoweit vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die von der Beklagten pauschal angeführten Schlechtwetterverhältnisse die Kategorie der höheren Gewalt in Form einer Naturkatastrophe erreicht haben.
39. Im Hinblick auf die Rechtsfolge der Rückzahlung des Reisepreises ergibt sich aber ohnehin vorliegend keine Abweichung, da sich insoweit diese Rechtsfolgen bei einer Kündigung gem. § 651j BGB und gem. § 651e I BGB vorliegend gleichen.
b.
40. Die Reise der Klägerin und ihres Ehemanns nach Cinnamon Island Alidhoo auf den Malediven war im Sinne von § 651e I 1 BGB infolge Reisemängeln erheblich beeinträchtigt.
aa.
41. Die Kammer nahm in ständiger langjähriger Rechtsprechung eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651e I 1 BGB dann an, wenn Mängel Vorlagen, die im Gesamtgewicht eine Minderungsquote von jedenfalls 20% rechtfertigten (vgl. z.B. nur Kammer, NJW-RR 1995, 1521, 1522; Kammer, Urteil v. 26.09.2008, Az.: 2-24 S 105/07).
42. Die Kammer hält an dieser Rechtsprechung seit den Urteilen vom 17.12.2009 (vgl. Urteile v. 17.12.2009, Az. 2-24 S 76/09 u. 2-24 S 140/09, RRa 2010, 27ff.) nicht mehr fest.
43. In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage, wie eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651e I BGB zu bestimmen ist, unterschiedlich beantwortet (vgl. zusammenfassend Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 363 – 365 mit entsprechenden Fundstellennachweisen).
44. Vereinzelt wurde der 20%-Grenze der hiesigen Kammer gefolgt.
45. Die wohl überwiegende Rechtsprechung geht in Anlehnung an die ebenso überwiegende Rechtsprechung zu § 651 f II BGB von einer starren 50%-Grenze, also von einem Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle bei Mängeln mit einem Gesamtgewicht von 50%, aus.
46. Weiterhin wird, insbesondere vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (RRa 1995, 224, 225; NJW-RR 2005, 132, 132/133; RRa 2006, 160, 162 u. 259, 261), die Auffassung vertreten, dass eine am Reisezweck und am Reisecharakter orientierte Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich sei und auf starre Prozentsätze nicht abgehoben werden könne.
47. Der Bundesgerichtshof hat sich im Urteil vom 07.10.2008 (NJW 2009, 287, 288) unter Zitierung des OLG Frankfurt am Main der letztgenannten Auffassung angeschlossen und ausgeführt, dass in welchem Maße ein Mangel die Reise beeinträchtigt, auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen ist.
48. Die Kammer schließt sich nunmehr ebenfalls der Auffassung an, dass zur Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651 e I 1 BGB nicht lediglich auf starre Prozentsätze abgehoben werden kann, sondern vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen ist.
49. Danach gilt im Anschluss an die BGH-Rechtsprechung nach der nunmehrigen Rechtsprechung der Kammer der Grundsatz, dass in welchem Maße ein Mangel die Reise beeinträchtigt, auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen ist.
50. Maßgebend ist vor allem auch, ob dem Reisenden die Fortsetzung der Reise angesichts der Reisemängel zumutbar ist (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, RRa 2006, 160, 162 u. 259, 261). Jedoch ist die Kammer weiterhin der Auffassung, dass (fiktive) Minderungsquoten bei der Beurteilung der erheblichen Beeinträchtigung bei einer Gesamtwürdigung der Umstände berücksichtigt werden können. So geht auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main davon aus, dass fiktive Minderungssätze durchaus ergänzend herangezogen werden können und als Anhalt dienen können (vgl. OLG Frankfurt am Main, RRa 2006, 160, 162 u. 259, 261; ebenso Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., 2011, § 651 e, Rn. 2). Nach Auffassung der Kammer stellt die (fiktive) Minderungsquote nämlich einen tauglichen Indikator bzgl. der Beeinträchtigung der Reise dar. Darüber hinaus bietet die Quantifizierung auch eine gewisse Rechtssicherheit.
51. Danach hält es die Kammer für sachdienlich auch im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtwürdigung einer bestimmten (fiktiven) Minderungsquote eine Indizwirkung für das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651e I 1 BGB zukommen zu lassen.
52. In diesem Zusammenhang hält es die Kammer im Hinblick auf eine (fiktive) Minderungsquote bei § 651 e I 1 BGB für angezeigt, eine Annäherung zur Regelung des § 651 f II BGB herzustellen. In beiden Vorschriften wird auf eine „erhebliche Beeinträchtigung“ abgestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (Urteil v. 31.08.2006, Az. 2-24 S 281/05, RRa 2007, 69ff.; Urteil v. 07.12.2007, Az. 2-24 S 53/07, RRa 2008, 76ff.) liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651f II BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50% gerechtfertigt ist. An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest.
53. Dagegen vertritt die Kammer nunmehr die Auffassung, dass im Hinblick auf § 651e BGB zu beachten ist, dass die durch eine Kündigung herbeigeführte Beendigung des Vertrages so einschneidend ist, dass sie nur unter erschwerten Voraussetzungen zugelassen werden sollte (vgl. auch MüKo-Tonner, BGB, 5. Aufl., 2009, § 651e, Rn. 9). Aufgrund dessen hält die Kammer nunmehr die zuletzt vertretene Minderungsquote von 20% für zu gering, als dass ihr eine Indizwirkung für eine erhebliche Beeinträchtigung zugesprochen werden könnte. Nach einer Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte hält die Kammer eine (fiktive) Minderungsquote von 35% für tauglich, um die Voraussetzungen für eine Kündigung ausreichend aber auch nicht zu sehr zu erschweren.
54. Danach ist davon auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651e I 1 BGB vorliegt, wenn dem Reisenden auf Grund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung eine Fortsetzung der Reise nicht zumutbar ist, wobei die Unzumutbarkeit regelmäßig bei einer (fiktiven) Minderungsquote von 35% indiziert ist. Es ist aber nochmals zu betonen, dass die Feststellung einer (fiktiven) Minderungsquote nicht von einer umfassenden Gesamtwürdigung der Umstände entbindet. Es handelt sich gerade nicht um eine starre Prozentgrenze, sondern es kommt immer auf den Einzelfall an.
bb.
55. Unter Berücksichtigung dieser gerade dargelegten Kriterien war die Reise der Klägerin im Sinne von § 651 e I BGB erheblich beeinträchtigt.
56. Die mangelhaften Strand- und Badeverhältnisse haben die Reise ganz massiv beeinträchtigt.
57. Auf dem die Prospektbeschreibung beherrschenden großen Lichtbild links oben ist die fast kreisrunde mit einem Durchmesser von 500m Insel Alidhoo abgebildet. Darauf ist im vorderen linken Bereich ein sehr ansprechender Sandstrand abgebildet. Aufgrund dessen konnte die Klägerin nach dem Grundsatz der Prospektwahrheit auch davon ausgehen, dass die Insel einen solchen Sandstrand während ihres Aufenthalts aufweisen wird, auch wenn in der Textbeschreibung nicht noch einmal gesondert mit dem Sandstrand geworben worden ist.
58. Ein solcher Sandstrand war während der gesamten Aufenthaltsdauer der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorhanden. Vielmehr war der Strand zum ganz überwiegenden Teil weggespült worden. Dies hat auch die Beklagte letztlich eingeräumt.
59. Der Strand bestand fast ausschließlich aus Gestein, Geröll und Korallenstücken. Ohne Schuhwerk konnte man sich bei diesen Strandverhältnissen nicht gefahrlos fortbewegen. Dieser Zustand wird durch die von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder eindrucksvoll bewiesen. Insbesondere die Lichtbilddokumentation auf der überreichten Foto-CD lässt das ganze Ausmaß der Beeinträchtigungen anschaulich erkennen. Da sich die Lichtbilder auf der Foto-CD auch in einzelnen Ordnern mit dem jeweiligen Aufnahmedatum der Bilder befinden, lässt sich auch eine Zuordnung zu den Inseln vornehmen. Zwar lässt sich vereinzelt auf den Lichtbildern auch ein Sandstrand erkennen. Jedoch vermag dies den vorherrschenden Gesamteindruck nicht mehr zu verändern.
60. Die tatsächlichen Strandverhältnisse vor Ort und der im Prospekt durch das Bild beworbene Sandstrand haben im Grunde nichts mehr gemein, so dass eine massive Abweichung der Soll-Beschaffenheit von der Ist-Beschaffenheit Vorgelegen hat.
61. Aufgrund der Strandbeschaffenheit war auch das Baden erschwert, da auf dem Weg zum Meer zunächst die Gesteins- und Geröllbarrieren überwunden werden mussten.
62. Jedoch war auch das Baden im Meer an sich massiv beeinträchtigt. Aus den vorgelegten Lichtbildern lässt sich nämlich auch deutlich erkennen, dass die Geröll- und Gesteinsbrocken in das Meer hineinragten. Aufgrund dessen folgt das Gericht den Behauptungen der Klägerin, dass ein Baden im Meer vom Strand aus nicht möglich war. Dem ist die Beklagte auch nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Auf den vorgelegten vielfachen Lichtbildern lassen sich auch nur ganz vereinzelt ein oder zwei Reisende im Meer erkennen. Aufgrund der Lichtbilder und der im Einzelnen von der Klägerin beschriebenen Verhältnisse geht das Gericht auch davon aus, dass ein gefahrloses Baden von den vereinzelten Badestegen nicht möglich war. Der gegenteiligen Beschreibung der Beklagten vermag das Gericht im Ergebnis nicht zu folgen. Insoweit konnte die Beklagte keine konkreten Angaben zum Zustand während der Aufenthaltsdauer der Klägerin machen. Der beklagtenseits benannte Zeuge T… soll die Insel nämlich erst am 26.11.2009 besucht haben. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin aber seit vier Tagen nicht mehr auf der Insel. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass sich während dieser vier Tage der Zustand im Meer bereits wieder entspannt hatte.
63. Selbst wenn aber ein Baden im Meer von den Stegen aus grundsätzlich möglich gewesen sein sollte, wäre damit das Badevergnügen immer noch erheblich eingeschränkt gewesen, da eben ein gefahrloser zumutbarer Zugang zum Meer vom Strand aus nicht gewährleistet war.
64. Diese massiven Beeinträchtigungen bzgl. Strand und Baden im Meer wiegen vorliegend deshalb besonders schwer, da es sich nach dem plausiblen und nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin um einen Badeurlaub handeln sollte. Dies liegt bei der vorliegend gebuchten Reise auch auf der Hand. Insoweit handelt sich um ein kleines Insel-Atoll mitten im Meer. Danach soll die Erholung gerade maßgeblich durch einen Aufenthalt am Strand und im Wasser erfolgen. Dies ist einer solchen Reise auf ein kleines Atoll mitten im Meer auch geradezu immanent.
65. Die Beklagte hat vorliegend auch für die mangelhaften Strand- und Badeverhältnisse einzustehen.
66. Nach der Rechtsprechung der Kammer und der herrschenden Meinung gilt im Reiserecht der sog. weite Mangelbegriff, wonach der Reiseveranstalter grundsätzlich verschuldensunabhängig für den Erfolg der Reise haftet. Insbesondere kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Umstände, die zu einem Reisemangel führen, für den Reiseveranstalter beherrschbar sind (vgl. zusammenfassend zum Ganzen Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 215ff.).
67. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte hier für die mangelhaften Strand- und Badeverhältnisse einzustehen. Insoweit trifft das Umfeldrisiko vorliegend die Beklagte. Ausweislich der Prospektbeschreibung wirbt die Beklagte mittels eines einsprechenden Fotos mit einem schönen Sandstrand und entsprechenden Bademöglichkeiten. „Strand und Meer“ gehören damit praktisch zum Leistungsprogramm der Beklagten. Dass der Strand durch Schlechtwetterverhältnisse abgespült und das Baden im Meer dadurch ebenfalls beeinträchtigt worden ist, entlastet die Beklagte damit nicht. Selbst wenn diesbezüglich von höherer Gewalt auszugehen wäre, würde dies die Beklagte nicht entlasten (vgl. LG Frankfurt am Main, NJW-RR 2001, 1497; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 221.).
68. Darüber hinaus stellt es einen Mangel dar, dass entgegen der Katalogbeschreibung nur ein anstatt zwei Schnorchelausflüge pro Tag angeboten worden ist. Dies hat die Klägerin ausführlich dargelegt. Dem ist die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Vielmehr hat die Beklagte dahingehend argumentiert, dass zwei Ausflüge täglich nicht zwingend geschuldet gewesen seien. Vielmehr seien die Ausflüge teilnehmerabhängig gewesen. Eine solche Einschränkung lässt sich der Prospektbeschreibung jedoch nicht entnehmen. Danach ist von einem Mangel auszugehen.
69. Ausweislich der vorgelegten Lichtbilder ist auch von Beeinträchtigungen im Hygiene- bzw. Ordnungsbereich auszugehen. Aus den Lichtbildern lässt sich schließen, dass die Reinigung des Strandes und der sonstigen Anlagen mangelhaft war. Insoweit war der Strand mit verschiedenem Unrat wie Strohhalmen, Servietten und Flaschen verschmutzt. Teilweise war Müll in der Vegetation verstreut. Auch die Toilettenreinigung am Pool ließ zu wünschen übrig. Da der beklagtenseits benannte Zeuge … zur maßgeblichen Zeit nicht auf der Insel war, war das pauschale Bestreiten der Beklagten insoweit unerheblich.
70. Weiterhin stellt es einen Mangel dar, wenn die Reiseleitung zunächst nur telefonisch erreichbar ist und das Telefonat nach 5. Minuten für den Reisenden kostenpflichtig wird. Der Reiseveranstalter ist nämlich gehalten, dem Reisenden kostenfrei die Möglichkeit einzuräumen, seine Beschwerden vorzubringen.
71. Allein all diese aufgeführten Mängel führen zu einer ganz massiven Beeinträchtigung der Reise.
72. Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigen allein diese Mängel insgesamt eine Minderungsquote von 40%.
73. Dies indiziert die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Reise für die Klägerin. Insbesondere die andauernden Strand- und Badeverhältnisse vor Ort machten eine Fortsetzung der Reise auf der gebuchten Insel unzumutbar. Aufgrund dieser Verhältnisse vor Ort wurde nämlich der Zweck eines Badeurlaubs massiv beeinträchtigt.
74. Soweit die Klägerin noch weitere Mängel geltend macht, kommt es auf diese nicht mehr an, da die von der Klägerin geltend gemachte Minderungsquote von 40% bereits mit den dargestellten Mängeln erreicht wird.
c.
75. Die Beklagte hat auf die Mängelrügen der Klägerin vom 12.11. u. 20.11.2009 auch keine wirksame Abhilfe geschaffen.
76. Das von der Klägerin bezogene Ersatzhotel auf einer Ersatzinsel war nämlich ebenfalls mit erheblichen Mängeln behaftet.
77. Zunächst lag keine vergleichbare Lage vor.
78. Ausweislich der vorgelegten Lichtbilder hat sich die Strandsituation nicht wesentlich gebessert. Insoweit war der Strand auch auf dieser Insel durch Steine und Geröll gekennzeichnet.
79. Darüber hinaus war auch das Zimmer der Klägerin mit erheblichen Mängeln behaftet. Ausweislich der vorgelegten Lichtbilder wiesen das Bad und das Zimmer nicht unwesentlichen Schimmelbefall auf. Das Bad / die Dusche war verdreckt.
80. Diese Mängel wurden seitens der Klägerin ebenfalls gerügt.
81. Die Mängel im Ersatzhotel und auf der Ersatzinsel rechtfertigen ebenfalls eine Minderungsquote von insgesamt 40%.
d.
82. Die Klägerin hat auch wirksam und ordnungsgemäß gem. § 651 e II BGB am 24.11.2009 die Kündigung des Reisevertrages erklärt.
83. Der Klägerin war es nach der gescheiterten Abhilfe nicht mehr zuzumuten, ein weiteres Abhilfeverlangen nebst Fristsetzung auszusprechen. Insoweit war nunmehr eine sofortige Kündigung gerechtfertigt.
e.
84. Nach all dem hat eine wirksame Kündigung des Reisevertrages wegen Mängeln gem. § 651 e I 1 BGB seitens der Klägerin Vorgelegen.
85. Als Rechtsfolge verliert der Reiseveranstalter gem. § 651e III 1 BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, d.h. der Reisende kann die Rückzahlung des bereits gezahlten Reisepreises verlangen.
86. An Stelle des Anspruchs auf den Reisepreis tritt ein Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters für die mangelfrei erbrachten und die zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen, § 651e III 2 BGB.
87. Nach einer Kündigung entfällt eine Reisepreisminderung, weil keine Reisepreis zu zahlen ist (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 375.).
88. Danach ist der Rückzahlungsanspruch der Klägerin wie folgt zu berechnen:
89. Der grundsätzlich zurückzuzahlende Gesamtreisepreis beläuft sich auf 7.411,- Euro.
90. Davon ist die der Beklagten zustehende Entschädigung im Sinne von § 651e III 2 BGB abzuziehen.
91. Die Reise der Klägerin dauerte vom 09.11.2009 bis zur Kündigung und Rückreise am 24.11.2009, also berechnet nach Nächten 15 Tage.
92. Bei einem Gesamtreisepreis von 7.411,- Euro ergibt sich bei einer 25-tägigen Reise (berechnet nach Nächten) ein Tagesreisepreis von 296,44 Euro.
93. Dies ergibt für die 15 Tage der tatsächlichen Reisezeit einen Reisepreis von 4.446,60 Euro. Von diesem Reisepreis ist wiederum die von der Klägerin geltend gemachte und wie oben gezeigt auch gerechtfertigte Minderung von 40% abzuziehen. Danach ergibt sich ein Abzugsbetrag von 1.778,64 Euro. Hinsichtlich des Umzugstags ist eine Minderung von 100% gerechtfertigt. Danach ist für einen Tag eine weitere Minderung von 60% (= 100% – 40%) anzusetzen. Dies ergibt einen weiteren Abzugsbetrag von 177,86 Euro. Es ergibt sich ein Gesamtabzugsbetrag von 1.956,50 Euro.
94. Danach ergibt sich ein Entschädigungsbetrag für die Beklagte von 2.490,10 Euro (= 4.446,60 Euro – 1.956,50 Euro).
95. Danach ergibt sich ein Rückzahlungsbetrag zugunsten der Klägerin in Höhe von 4.920,90 Euro (= 7.411,- Euro – 2.490,10 Euro).
96. Da die Klägerin diesbezüglich aber nur eine Rückzahlung von 4.885,76 Euro geltend macht, ist die zuzusprechende Rückzahlung auf diesen Betrag von 4.885,76 Euro zu begrenzen (vgl. § 308 I ZPO).
97. Nach all dem hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Reisepreisrückzahlungsanspruch aufgrund der berechtigten Kündigung des Reisevertrages in Höhe von 4.885,76 Euro.
2.
98. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Umbuchungsgebühren für den vorzeitigen Rückflug aufgrund der Kündigung in Höhe von 300,- Euro gem. § 651e IV BGB.
99. Wie oben gezeigt hat eine wirksame Kündigung des Reisevertrages wegen Mängeln gem. § 651 e I 1 BGB seitens der Klägerin Vorgelegen.
100. Gem. § 651 e IV BGB treffen in diesem Falle die Mehrkosten für die vom Reiseveranstalter geschuldete Rückreise den Reiseveranstalter.
101. Danach hat vorliegend die Beklagte die Umbuchungsgebühren in Höhe von 300,- Euro zu tragen.
3.
102. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 Euro gem. § 651 f I BGB.
103. Die Kosten, die einem Reisenden durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche zustehen, steilen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, schon bei der Anmeldung von Ansprüchen sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Hier hat sich die Klägerin bereits zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche gem. § 651g I BGB eines Rechtsanwalts bedient.
104. Die Höhe der abgerechneten Anwaltskosten ist nicht zu beanstanden.
4.
105. Der Zinsanspruch bzgl. des Reisepreisrückzahlungsanspruchs ergibt sich aus §§ 286 II Nr. 1, 288 I, 247 BGB und hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 286 I 2, 288 I, 247 BGB bzw. §§ 291, 288 I 2, 247 BGB.
II.
106. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
107. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. 2 ZPO.
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