Exkulpationsversuch nach Vogelschlag

AG Charlottenburg: Exkulpationsversuch nach Vogelschlag

Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht, der sich verspätete. Er verlangt Informationen über den Verspätungsgrund.

Das Gericht wies die Klage ab. Ein mehr als genereller Informationsanspruch stehe dem Kläger nicht zu.

AG Charlottenburg 218 C 234/15 (Aktenzeichen)
AG Charlottenburg: AG Charlottenburg, Urt. vom 17.12.2015
Rechtsweg: AG Charlottenburg, Urt. v. 17.12.2015, Az: 218 C 234/15
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Amtsgericht Charlottenburg

1. Urteil vom 17. Dezember 2015

Aktenzeichen 218 C 234/15

Leitsatz:

2. Ein Fluggast hat keinen detaillierten Informationsanspruch gegen das Flugunternehmen über den Verspätungsgrund.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht, der sich verspätete. Die Beklagte begründete das mit einem Vogelschlag. Der Kläger verlangt nähere Informationen über den Verspätungsgrund.

Das Gericht wies die Klage ab. Ein mehr als genereller Informationsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Er müsse sich mit der gegebenen Information zufriedengeben, weiteres unterfalle dem allgemeinen Prozessrisiko.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die vorläufige Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des aus diesem Urteil beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

5. Der Kläger nimmt die Beklagte isoliert auf Auskunft in Anspruch.

6. Unstreitig beförderte die Beklagte den Kläger am 05.05.2015 von Stuttgart nach Palma de Mallorca auf dem Flug … aufgrund entsprechenden Vertrages. Der Flug verspätete sich und erreichte sein Ziel ca. 6 1/2 Stunden nach planmäßiger Ankunft.

7. Vorprozessual hat der Kläger von der Beklagten Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung verlangt, was diese mit dem Argument abgelehnt hat, die Verspätung beruhe auf „Vogelschlag“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mail der Beklagten vom 03.06.2015 (Anlage K 4 = Bl. 53) Bezug genommen. Der Kläger behauptet, dieses Argument sei falsch, in Wirklichkeit habe es an einer einsatzfähigen Crew gefehlt, wie eine Stewardess während des Fluges mitgeteilt habe. Jedenfalls sei es jedoch nicht zu Vogelschlag auf dem streitgegenständlichen Flug gekommen, wie die Beklagte – unstreitig – in der Klageerwiderung vorgetragen habe.

8. Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe nach Treu und Glauben der Auskunftsanspruch zu, weil er ohne die Auskunft nicht gefahrlos Klage auf Zahlung der Ausgleichszahlung erheben könne. Er könne das Fehlen von Entlastungsgründen iS der Fluggastrechteverordnung nur ins Blaue hinein behaupten.

9. Der Kläger beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen,

11. welcher außergewöhnliche Umstand im Sinne des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zur Leistungsfreiheit des Fluges … … auf der Strecke Stuttgart – Palma de Mallorca am … 2015 geführt haben soll,

12. auf welchem konkreten Flug der von der Beklagten genannte außergewöhnliche Umstand im Sinne des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zur Leistungs­freiheit wegen der Verspätung des Fluges … auf der Strecke Stuttgart – Palma de Mallorca am … 2015 geführt haben soll,

13. wann der Vogelschlag auf dem zu bezeichnenden Flug bemerkt wurde und wann eine Meldung des Vogelschlages im Zusammenhang mit der Verspätung des Fluges … von Stuttgart – Palma de Mallorca vom … 2015 an das Luftfahrtbundesamt erfolgte.

14. Die Beklagte beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Sie ist der Auffassung, die Klage sei als Stufenklage schon unzulässig und im Übrigen auch unbegründet, da die erforderliche Auskunft bereits vorprozessual erteilt worden sei. Ein weitergehender Auskunftsanspruch bestehe nicht. Keinesfalls sei sie verpflichtet, Belege und Beweise vorzulegen, dies unterfalle vielmehr dem allgemeinen Prozessrisiko.

Entscheidungsgründe

17. Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

I.

18. Die Klage ist zulässig, dem Kläger steht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Auskunftsklage zu. Vom Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ist in der Regel auszugehen, weil jeder Rechtsuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden. Es fehlt lediglich dann, wenn eine Klage objektiv sinnlos ist, d.h. wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (Zöller-​Greger ZPO 29. Aufl., Rdnr. 18 vor § 253). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Die unmittelbare Klage auf Zahlung kann jedenfalls nicht als einfacherer und sicherer Weg zur Erreichung des Rechtsschutzziels gesehen werden.

19. Es handelt sich auch nicht um eine auf die 1. Stufe beschränkte Stufenklage iS § 254 ZPO. Denn der Kläger begehrt gerade nicht Rechnungslegung oder Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses, weil es dem Beklagten gerade nicht darum geht, mit der geforderten Auskunft einen Anspruch der Höhe nach zu beziffern.

II.

20. Die Klage ist jedoch nicht begründet, dem Kläger steht der begehrte Auskunftsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.

21. Grundsätzlich kann in einer bestehenden Rechtsbeziehung, die es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die erforderliche Auskunft unschwer geben kann, ein Anspruch auf Auskunft bestehen (Palandt BGB 75. Aufl., § 260 Rdnr. 4). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 06. Februar 2007 – X ZR 117/04 -, Rn. 13, juris m.w.N.). Die Tatsache, dass jemand Informationen besitzt, die für einen anderen bedeutsam sind, begründet keine Auskunftspflicht (Palandt aaO. Rdnr. 5). Besteht zwischen den Parteien ein Vertrag, reicht es aus, dass für den Leistungsanspruch oder die Einwendung, die mit Hilfe der Information geltend gemacht werden soll, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Palandt aaO. Rdnr. 6). Der Auskunftsanspruch soll den Gläubiger gerade in die Lage versetzen, tatsächliche Umstände darzutun, mit denen er einerseits seiner auch unter Berücksichtigung des § 252 Satz 2 BGB bestehenden Darlegungslast nachkommen kann und mit denen er es andererseits dem Gericht ermöglicht, auf der Grundlage des für wahrscheinlich zu erachtenden Sachverhalts – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – die Höhe des dem Gläubiger entgangenen Gewinns zu schätzen (BGH, Urteil vom 06. Februar 2007 – X ZR 117/04 -, Rn. 15, juris).

22. Nach dieser Rechtsprechung kann ein Anspruch auf Auskunft bestehen, wenn die Information erforderlich ist, um eine schlüssige Klage erheben zu können. Dafür benötigt der Kläger die geforderte Auskunft allerdings nicht. Für die Schlüssigkeit einer Zahlungsklage hat er die erforderlichen Informationen (Vertrag, Beförderung, Entfernung, Verspätung). Er will darüber hinaus detaillierte Informationen über eventuelles Verteidigungsvorbringen der Beklagten zu eventuellen Entlastungsgründen und deren Erfolgsaussicht. Ein solcher Anspruch besteht allerdings nicht aus dem oben geschilderten Gewohnheitsrecht. Treu und Glauben gebieten es gerade nicht, dem Anspruchsteller nicht nur die für die Schlüssigkeit einer Klage erforderlichen Informationen zu erteilen, sondern ihm durch weitergehende Detailauskünfte das normale Prozessrisiko abzunehmen.

23. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken, der eine wettbewerbsrechtliche Antwortpflicht im Falle von Abmahnungen annimmt (vgl. hierzu grundlegend BGH I ZR 63/88, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11). Denn auch danach wird nicht etwa eine durchsetzbare Pflicht zur Auskunft angenommen, sondern im Falle unterbliebener oder verspäteter Antwort eine materiell-​rechtliche Schadensersatzpflicht. Ob ein solcher Schadensersatzanspruch vorliegend bestehen könnte, wenn die Beklagte im Zahlungsprozess erstmals begründete Entlastungsgründe vorbringt, braucht allerdings vorliegend nicht entschieden zu werden, da solche Ansprüche nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind.

24. Nach alle dem war die Klage abzuweisen.

25. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26. Der Tenor zu 3. war wegen eines offensichtlichen Übertragungsfehlers gemäß § 319 ZPO zu berichtigen/ergänzen.

27. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da vorliegend von der Entscheidung des AG Rüsselsheim AZ 3 C 3644/14 abgewichen wird und sonstige Entscheidungen zu diesem Thema nicht ersichtlich sind.

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